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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.02.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-02-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010209014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901020901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901020901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-02
- Tag1901-02-09
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Ämtsötatk des AönigttcHen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Notizei-Amtes -er Stadt Leipzig. Anzeigen-Prck- die 6 gespaltene Petitzeile 25 F» Reklamen unter dem Redaction-strich l» gespalten) 75 L,, vor den Famtlieonac^ richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechead höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Annadmetchlub für Änzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet- an die Exvedi«rs zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Volz in Leipzig. Sonnabend den 9. Febmar 1901. 95. Jahrgang. Aeußerlichkeiten und Wellpolitik. 2S Kaiser Wilhelm hat nach mehr als 14tägigem Aufenthalt di« englischen Gestade wieder verlassen und ist in die Heimath zurückgekehrt. Bei seiner Durchreise durch London ist er der Gegenstand lauter Kundgebung der Bevölkerung der englischen Reichshauptstadt geworden. Die Optimisten, sowohl von der berufsmäßigen wie von der gutgläubigen Observanz, werden sicherlich geneigt sein, aus Viesen Kundgebungen weittragend« Schlüffe auf das Der- hältniß zwischen Deutschland und England zu ziehen. Sie werden aber gründlich Lügen gestraft durch die Auslassungen, die das leitende englische Blatt, die „Times", dem aus England scheidenden deutschen Kaiser mit auf den Weg gab. Di« „Times" schrieb u. A.: „Wir wissen wohl, daß die Anwesen heit des deutschen Kaisers eine politische Bedeutung, die einige schlecht unterrichtet« Federn auf dem Festlande ge neigt waren, ihm zuzuschreiben, nicht besitzt und nicht be sitzen kann.. . .Eskannnichtangenommenwerden, daß dieser Tribut der Familienzuneigung, der Liebe und Bel ehrung zu der tobten Königin, irgend einen direkten Einfluß auf die internationalen Angelegen heiten ausüben wir d." Diese Ausführungen des City-Organs sind nicht nur ehr lich — was man von Artikeln der „Times" nicht häufig sagen kann —, sondern auch zutreffend. Wir zweifeln nicht daran, daß, sobald zwischen Deutschland und England irgend welch« Differenzen in Afrika oder Asien sich ergeben sollten, die Eng länder trotz aller schönen Worte von „unauslöschlicher Dankbar keit", die „Standard", „Mornina-Post" und andere Blätter ge sprochen haben, auch nur um ein Jota von ihren berechtigten oder unberechtigten Ansprüchen abgehen würden. Ja, wenn die Eng länder in solchen Fällen sich der „unauslöschlichen Dankbarkeit" gegen den Kaiser nicht erinnern, so können wir das ehrlicher Weise nicht einmal tadeln, denn wenn ein Volk seine Staats interessen über Aeutzerlichkeiten, wie Fürstenbesuche, Reden, Tele gramme und dergleichen stellt, so ist dieser Egoismus vollauf be rechtigt. Die „unauslöschlich« Dankbarkeit" erinnert an die ähnlich klingenden begeisterten Worte der ungarischen Presse gelegentlich und nach der Anwesenheit Kaiser Wilhelm's in Pest. Kaiser Wilhelm war der erste Herrscher eines Großstaates, der die ungarische Landeshauptstadt officiell besuchte, und sein schwung voller Trinkspruch auf die hervorragenden Eigenschaften der Ungarn hatte dem leicht empfänglichen Gemllthe der Söhne Arpads unendlich wohlgethan. Dies hindert« sie aber nicht, bald nach der Abreise des Kaisers die ungarischen Deutschen mehr zu chikanrren, als je zuvor, und dadurch zu beweisen, daß sie nicht etwa aus Zuneigung zu der germanischen Rasse, sondern aus Haß gegen Rußland, dem sie das Jahr 1849 nicht vergessen können, treue Anhänger des Dreibundes sind. Auch das eben angeführte Beispiel beweist, welch geringen politischen Werth Aeußerlichkeiten besitzen. Um zu dem Ver hältnisse zwischen Deutschland und England zurllckzukehren, so wird der Kaiserbesuch sicherlich ohne politisch« Folgen bleiben — falls nicht solche von unangenehmer Wirkung eintreten. Es ist immerhin auffällig, daß gerade während des Kaiser- hesuches die russische und die französische Presse einen außerordentlichen wohlwollenden Ton gegen England und zu gleich einen ziemlich gereizten Ton gegen Deutschland ange schlagen haben. Wenn England sich von Rußland und Frank reich umworben sieht, so kann dies auf die englisch-deutschen Beziehungen nur ungünstig einwirken. Bedenkt man, daß die Besserung dieser Beziehungen von dem Augenblicke datirt, wo England sich in seiner „spienciiä Isolation" höchst unbehaglich zu fühlen anfing, so ergiebt sich bei besi«ren Beziehungen Eng lands zu den Zweibundstaaten die entgegengesetzte Wirkung auf das Verhältniß zu Deutschland von selbst. Diesen Nachtheil wollen wir indessen nicht allzu hoch ver anschlagen, da die vielfachen Interessengegensätze zwischen Eng land und beiden Zweibundstaaten schon dafür sorgen werden, daß die Bäume der englisch-französisch-russischen Freundschaft nicht in den Himmel wachsen. Viel größer und gefähr licher wäre der Nachtheil, wenn man sich etwa deutscherseits durch solche Aeußerlichkeiten, wie die Volkskundgebungen in London, die Auslassungen von „Standard", Morning-Post" u. s. w., zu einem Sicherheitsgefühl« bez. des Verhältnisses zu England verleiten ließe, dem dann eines unschönen Tages die Krallen des britischen Leoparden «in unangenehmes Erwachen folgen lassen könnten. Will Deutschland Weltpolitik treiben, so wird cs gut thun, auf äußerliche Kundgebungen einen minderen Werth zu legen, als es im letzten Jahrzehnt leider nicht selten geschehen ist. Darin sollte man sich an R u ß l a n d ein Muster nehmen. Wie selten hört man von russischen Kundgebungen, wie häufig dagegen von russischen Erfolgen. Still und unablässig arbeiten, dabei aber alle Kräfte anspannen, die öffentlichen wie die privaten, muß die Losung eines Staates sein, der wirkliche Wcltpolitik treiben will. Wenn «ine solche Politik der zähen Arbeit nicht schon in kurzer Frist eklatante Erfolge hereigbringt, so hat das gar nichts zu sagen. Die Bismarck'sche europäische Politik hat in den ersten Jahren keine äußeren Erfolge aufzu weisen gehabt, dafür kamen sie dann um so zahlreicher und um so größer. Diese Früchte wurden aber dadurch geerntet, daß Bismarck alle vorhandenen, dem gleichen Ziel« zustrebenden Kräfte auszunutzen verstand und daß er seine Kraft in stiller Arbeit concentrirte, statt sie in Aeußerlichkeiten zu verpuffen. Der sächsische Adel und der Protestantismus. Prof.V.Nippold in Jena batte auf derHauptversammlung des Sächsischen evangelischen Bundes im vorigen Jahre eine" geschichtliche Darstellung über da« Verhältniß des sächsischen Adels zum Protestantismus gegeben. Dieser Vortrag wurde nebst einem Aufruf, der evangelischen Kirche entschiedene Treue zu bewahren, an sämmtliche Mitglieder des sächsischen Adels verschickt. Wir dürfen annebmen, daß dies nicht ohne tiefere Wirkung blieb. Zwar Manche waren über daS Vorgehen des evangelischen Bundes unwirsch. Ueber diesen baden Viele, durch da- ultramontan beeinflußte Adelsblatt bestimmt, ein schiefes Urtheil gewonnen; er gilt ihnen als „Störer des cvnfessionellen Friedens", als Vereinigung „ungläubiger oder schwachgläubiger" Elemente. DaS bat doch die fortgehende Verleumdung des Bundes durch die ultr,montane Press- und seine ungerechte Behandlung in einigen conservaliven Blättern erreicht, daß manche Kreise von seiner Arbeit gar keine oder nur ungenaue Kenntniß nehmen oder in falsch verstandener Toleranz von vornherein sie ablebnen. Trotz allem aber hat ein großer Theil des sächsischen Adels die Zuschrift des evangelischen Bundes in die ernsteste Erwägung gezogen. Herr Graf A. Cl.EinsiedelausMilkei wandte sich an seine Standesgenossen mit der Aufforderung, ihre Zustimmung zu dem Aufrufe de« evangelischen Bundes auszusprechen. Seine Aufforderung hatte Erfolg; viele folgten freudig seiner Anregung. Und so gelangte denn an den sächsischen Landesverein des evangelischen Bundes folgende Erklärung: „Wir baben gern von dem Aufruf Kenntniß genommen, den der sächsische Landesverein an den evangelischen Adcl SachsenS gerichtet hat, und danken für die Zusendung der Schrift des Professors v. Nippold: Der Protestantismus und der sächsische Adel. Wir halten an dem Erbe der Reformation fest, daS unsere Vorfahren mit erstritten und gesichert haben. Wir werden Pfleger und Hüter der evangelisch-lutherischen Kirche sein, weil sie nur auf da- Wort GotteS sich stützt und die Wahrheit vertritt: ES ist in keinem Anderen Heil und ist auch kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, darinnen wir sollen selig werden, denn allein der Name Jesu Christi. Von welcher Seite auch unserer Kirche Gefahr drohe wir sind bereit, sie zu schützen und ihr zu helfen, daß sie ungehindert ihre Aufgabe erfülle, die Führerin deS Volkes zu dem Erlöser zu sein. In der Stellung, die un« im Volksleben verliehen ist, erkennen wir die von Gott unS zugewiesene Pflicht, in der Förderung des evangelischen Glaubens voranzusteben und mit denen in Gemeinschaft zu wirken, welche daS durch Luther wieder geschenkte hohe Gut des Evangelium« von Christus als die Kraft GotteS, selig zu machen, die daran glauben, unserem Volke fest und treu bewahren wollen." Diese Erklärung hat die Unterschrift von 12l Mitgliedern deS sächsischen Adels, Namen von bestem Klang. Die Zahl wäre noch großer geworden, wenn nicht manche durch ihre Stellung sich behindert gesehen hätten, öffentlich für die Sache nut einzustehen. Andere hegten die Furcht, es möchte in Sachsen ein Culturkampf entbrennen; einige meinten, sie müßten sich durch ihre Unterschrift verpflichten, die Nippold'sche Schrift in allen Theilen anznerkennen und dem evangelischen Bunde bliudlinas zu folgen. „Angespornt", so sagt Herr Graf Einsiedcl-Milkel, „durch daS Vorgeben deS evangelischen Bundes und zu der Ueberzeugung gelangt, daß vieles anders sein müßte und könnte m unseren Reihen, die Glaubens- festigkeit unseres Adels aber doch nicht so inö Wanken ge kommen sei, wie es auS dem Vorträge deS Herrn Professor v. Nippold hervorzebt, entschloß ich mich, den Gegenbeweis zu erbringen, daß unser sächsischer Adel noch wie ein Mann zu seinem Glauben stehe und auch jeder Zeit bereit sei, öffentlich dafür einzutretcn. Diese anscheinend nur kleine Kundgebung hat meiner Ansicht nach doch einen sehr hohen Werth dadurch, daß alle Namen Sachsens vertreten sind, also guasi den ganzen Adel vertreten, und jeder von unS hier mit Namen Aufgeführte die Ueberzeugung hat, daß alle Fehlenden uns zustimmen und, wenn eS Noth thäte, mit demselben Eifer und Glaubensüberzeugung für ihre heiligsten Glaubensgüter eintreten würden. Und so nehme denn diese Kundgebung ihren weiteren, segensreichen Lauf, Vielen zum Ansporn, Vielen zum Weiterarbeiten an sich und den Mitmenschen. Das walte Golt!" Dies hocherfreuliche Zeugniß gewährt die Hoffnung, daß der sächsische Adcl der ullramontanen Arbeit in Sachsen eine schärs-re Aufmerksamkeit und Abwehr zuwenden und, seiner ehrenvollen protestantischen Vergangenheit eingedenk, auch in Zukunft die Fahne unserer evangelischen Kirche Hochhalten wird. Unter dieser Fahne aber wirb er, ganz anders als Frhr.v.Friesen -Rö t ha, auch die Thätigkeit des evangelischen Bundes, der eifrig und selbstlos für das Recht, die Ehre und die Zukunft unserer Kirche kämpft, mit freundlichem Auge betrachten. Ll. Der Krieg in Südafrika. Tie Pest in Capstadt. Die Boeren haben einen furchtbaren Bundesgenossen er halten, der, wenn er nicht rasch und energisch ausgetilgt wird, ihnen die Thore der Hauptstadt der Capcolonie schneller öffnen kann, als ihre Geschütze es je vermögen. Man be richtet unS: * London, 8. Februar. (Telegramm.) „Daily Mail" meldet ans Capstadt unter Sem 7. Fcbrnar: 2» den Docks verende» Natten zn Hunderten unter Anzeichen von Pest. Zwei Fälle vcr- muthcter Pestcrkranknnn sind aiigcmrldet worden; ein Patient befindet sich in Bcsternug, der andere wird noch untersucht. Daß die sanitären Einrichtungen in Capstadt auf der Höhe der Zeit stehen, um ein Umsichgreifen der Seuche zu verhindern, dürfte zu bezweifeln sein. * London, 8. Februar- (Telegramm.) Eine Nach richt des „Rcuter'scheu Bureaus" ans Capstadt vom 8. Februar bestätigt, dass dort zwei Fälle von Beulcnpcft vorgekommcu sind, doch glaube man nicht, das; es sich nm ein ernstes Auftreten der Seuche handelt. „FritdcnSbedingungcn". Aufsehen erregt die Rede, die Sir Edward Clarke, früher conservativer Abgeordneter für Plymouth und General anwalt im Ministerium Salisbury, auf der gestrigen Jahresversammlung des Conservaliven Vereins im Lon doner Wahlbezirk Holborn über den Boerenkrieg ge halten hat. Clarke sagte, vorerst müßien die Boeren um jeden Preis aus der Capcolonie vertrieben werben; wenn diese unerläßliche Bedingung erfüllt sei, dürfte sich Gelegenheit darbicten für einen Versuch, den Krieg zu einem ehrenvollen, befriedigen den Abschlüsse zu bringen. Dies sollte nicht durch das Schwert allein geschehen. Den Boeren sollten billige und gerechte Friedensbedingungen gestellt werden und zwar eine unverzügliche volle Amnestie obne Unterschied der Person und des Ranges für Alle, die Waffen gegen England ge tragen baben, die Zusicherung voller Gleichheit der bürger lichen Rechte und der fiskalischen Bürden unter den Ein wohnern der Oranjccolonic und Transvaals, die Fortdauer der bisherigen Selbstverwaltung, so weit dies thunlich ist (!), sowie der Gesetze, an die die Einwohner gewöhnt sind. Clarke drückte die Ueberzeugung aus, das An erbieten solcher Bedingungen würde die Unterwerfung der kämpfenden Boeren, einen ehrenvollen Frieden und die baldige Beruhigung der einverleibtcn Staaten unter britiswer Ober herrschaft ermöglichen. Jedenfalls sollte dieses Anerbieten gemacht werden, sonst würde England di: Schuld wie die Leiden der nutzlosen Fortsetzung dieses entsetzlichen Krieges tbeilen. Die Conservaliven von Holborn hörten die Rede ohne Widersprüche mit achtungsvollem Schweigen an. Cnglische Bcrstärkmigctt. Die englische Regierung hat sich nun «ntschlossen, dem Drängen der noch immer kriegslustigen Blätter nachzugeben un» 30 000 MannberittenerTruppen nach Südafrika zu senden. Wie schwierig die Ausführung dieses Beschlusses ist, ersieht man daraus, daß die in den südafrikanischen Colonien an geworbene Polizcitrupp«, 8000 Mann, ebenfalls zu den in Aus sicht genommenen Verstärkungen herangezogcn werden soll. Dieser Volizeitruppe, welche eine Stärke von 12 000 Mann er- halten sollte, war bekanntlich zuerst "die Aufgabe zugewiesen worden, nach dem Ende des Krieges, das man in England bei der Abreise des Lora Roberts für gekommen hi«lt, die Ordnung in dem eroberten Lande endgiltig wieder herzustellen. Der be rühmte Vertheidiger von Mafcking, Baden Powcll, ist der Führer dieser Trupp«, allein die Engländer haben sich sehr geläusch!, als sie annahmen, daß es demselben leicht sein werde, dis 12 000 Mann zusammenzubringen. Es sind nur 8000 Mann, und diese sollen nun mit 10 000 Mann Veomanry, sowie 5000 in den Colonien angeworbenen Leuten die Verstärkungen für Lord Kitchener bilden. Es bleiben dann aber immer noch 7000 Mann in England selbst anzuwerben, und diese werden sich wohl nur finden, wenn ihnen bessere Bedingungen als bisher bei den An werbungen bewilligt werden. Ein aus Südafrika zurückgekehrter englischer Officier führt im „Daily Telegraph" aus, daß von den 200 000 Mann dec „formidablen Armee auf dem Papier" drciviertel zur Bewachung der Verkehrslinien und der Garnisonirung der Städte verwen det werden, also für Angrifssbewegungen nicht verfügbar sind. Die einzigen wirklichen Cömbattanten seien die Berittenen, welche Anfang Januar 22000 Mann stark waren, und diesen können di« Boeren 15000 Mann «ntgegenstellen, die besser beritten sind, als die Engländer und das Terrain genau kennen. Wenn man den entsprechenden Preis, 40 Pfund Sterling oder mehr per Stück, zahlen wolle, könne man passende Pferde genug in der Capcolonie erhalten. Statt dessen kauften die englischen Militärbehörden Pferde in Südamerika und Ungarn, die bei der Ankunft auf dem Kriegsschauplätze nutzlos seien und dort tm Durchschnitt nur drei Wochen lebten. Eine ähnliche Rechnung stellt der Militärkritiker Wilson in der „National Review" auf. Das britische Heer in Südafrika, so führt er aus, erreichte se-ne Höchftstärkc mit 267 000 Mann. Von diesen sind etwa 60000 Todt«, Kranke und Verwundete und in die Heimath Zurück gekehrte abzuziehin. Von dem Rest müssen mindestens 100 000 zum Schutze der rückwärtigen Verbindungen verwandt werden. Feuilleton. on Torn. Nachdruck vkrtilkU. Der erste Preis. Eine Eisbahn- und Liebesgeschichte von T« ov „Du Bob " „Na?" „Komm, wir wollen einen Grog trinken." „Ne- „Steinhäger?" „Neeee — zum Donnerwetter, laß mich zufrieden!" Gl«ich darauf that «s dem dicken Bob von Klüssow leid, «ine an sich durchaus wohlgemeinte Offerte feines Freundes und Landsmannes Zinkendorf so schroff abgelehnt zu haben. Er bohrte di« Hände tiefer in die Taschen seines langen Ulster, trat von einem der halberstarrten Füße auf den anderen und fügte dann in dem weichsten Moll seines hermathlichen Holsteinfch hinzu: „Nachher können wir noch einen genehmigen, Hinnerk, ich will mich blos noch 'n büschen über die Triddrkfitzc da drüben ärgern — über diese verflüchtigen! Wie die um die Mädels rum- schwenzeln — was? ES ist rein zum Deuwelbolen! Und glaubst, daß auch nur eine von den Deerns mal 'n Auge zu uns riScin ?" „Da luer man up", erwiderte der Referendar Heinrich von Zinkendorf trocken, indem er anscheinend interesstrt an seiner mit drei Brandstellen behafteten Cigarre sog. „Schau mal, wie Miß Ellen mit dem stockbeinigen Dragoner da 'langsaust! Siehst Du',, Bob?" Der Kleine brummte etwas zwischen den Zähnen, waS sein Freund nicht verstand; ab«r ein Seaen oder sonst ein frommer Spruch war eS keinesfalls — dazu sahen die blondbewimperten, sonst so gutmüthigen Augen de- jungen Gutsbesitzer» zu „tücksch" in dal Gewühl der Eisbahn. Der Referendar bemerkte das mit einrr gewissen Bafriedk- gung. Wenn er sich schon seinem Gaste zu Liebe hi«r die Beine in den Leib stand und wie ein Schneider fror, dann wollte er auch wenigstens 'was davon haben — und w«nn es auch nur das Vergnügen war, den Kleinen zu ärgern. „Tja ja —" sagte er mit einem ulkigen Seitenblick wie bei läufig vor sich hin, „dat iS so as bat Ledder iS. Wenn so'n Mädel Eis unter den Füßen fühlt, was nutzt ihm dann die wärmste Klüflow'sche Liebe! Da heißt es mitmachen oder bei Seite stehen — was And«res giobt «s nicht. Sag' mal übrigen», Bob, wie kommt es denn, daß Du als Stoppclhopser nicht Schlittschuhlaufen gelernt hast!" „DaS ist eS ja eb«n!" rief der Kleine, augenscheinlich einen eb«n gewälzten eigenen Gedanken aufgreifend. „Wie ich so'n lütter Jung' war, da hatt' ich 'n büschen 'was auf der Brust — da durst' ich nicht; und später als „Oekonomiker" hatte ich keine rechte Eklegenheit — hin und wieder mal habe ich's ja versucht — auf dem Ententümpel, weißt Du, — «S ging ganz schön — und ich möchte fast glauben, w«nn ich " „Na, dann probire eS doc^mal, Kindchen!" lachte Zinkendorf, indem «r sich eine neue Cigarre anbrannte. „Ich gehe so lange einen Grcw trinken, und wenn Du Dir ein oder mehrere Beine gebrochen hast, dann schreist Du, und ich komme Dir aufhelfen!" Herr von Klüssow hatt« nicht» von dieser GemüthSroheit vernommen. Seine blauen Augen hatten sich mit einem kies nachdenklichen Ausdruck in die Ferne gebohrt und er dachte so angestrengt, daß ihm ordentlich warm wurde und er die schwarz« Persianerckappe aus der Stirn rückte. Langsam, ganz langsam kehrte sein Blick zu der Welt um ihn her zurück — und daS Erste, waS er sah, war Miß Ellen BrownSley, die mit rothrn Manyen und blitzenden Augen eben an ihm vorbeisaust«. Sie hatte ihn nicht gesehen aber sie sollte ihn sehen! Mit einer raschen Bewegung hielt er den eben nach der Grog- bud« sich wendenden Freund zurück und erklärte kurz und auf geregt: „Ich werde lackfen!" „Ich auch", erwiderte der Referendar, nachdem er seine mit einer „Paviantpote" bekleidete Rechte einen Moment auf die Stirn des Freundes gelegt, „— aber nach einem Arzt. Du hast wohl 'n Knall, he?!" „Durchaus nicht — ich werde laufen!" „Aber Mensch, komm doch zu Dir — Du wirst doch nicht wahr machen, was ich als faulen Witz blos so hingeworfen habe! Du kannst doch nicht laufen!" „So — wer sagt Dir denn das?" „Du selber hast es doch gesagt, Unglückswurm!" „Dann war ich mir eben meiner Fähigkeiten nicht bewußt; ich entsinne mich ganz genau, daß ich damals auf dem Tümpel es sehr gut konnte. So wie der Leutnant, der da immer um Miß Ellen rumschliddert, kann ich noch lange. Außerdem sieht man's doch, die ganze Geschichte ist ja gar keine Kunst! Blos ein Bein vor das andere und dann glitschen, anstatt gehen — daS ist die ganze Herrlichkeit." „Bob, Du rasest!" schrie der Referendar, so daß einige d«r in der Nähe stehenden Eismütter nach dem lebhaften Paare her überschauten. „Ach was!" «rwiderte d«r junge Landwirth nicht minder er regt; „Du bist nur neidisch, daß Deine Bangbürigkeit Dir nicht erlaubt, mitzuthun!" „Na, schön — aber das sage ich Dir, mein Junge, der Par- terregymnastischen Vorstellung wohne ich nicht bei — und ob ich Dich hinterher überhaupt noch kenne, das wird von dem größeren oder geringeren Grade Deiner Blamage abhängen." Als Bob von Klüssow das Ufer hinabschritt, um an der Casse das Entröe zu erlegen und sich ein Paar Schlittschuhe auSzu- borgen, blieb der Referendar dennoch stehen und schaut« ihm nach. Und Bob's Entrße auf der glatten Bahn war allerdings das Ansehen werth. Kaum hatte er nämlich mit den Schlittschuhen am Arm den schmalen Brettersteg, welcher auf das Eis führte, verlassen, chlug er mit beiden Beinen fast gleichzeitig vorne aus und kam sehr heftig zum Sitzen. Der Referendar setzte zu einem flotten Jndianertanz ein und stieß auch einen Laut aus, der an einen freudig erregten Irokesen erinnerte. Aber er mußte sich beherrschen — die Eismutter be obachteten ihn und warfen ihm mißbilligende Blicke zu ob seiner empfindungslosen uns unmännlichen Schadenfreude. So kämpfte er denn gewaltsam seine Gefühle nieder und beschränkte sich auf den fast theilnahmsvoll ltingenden Ruf: „Du mußt Dich aber nicht aufhalten, Bobchen! Die Eis bahn wird bald geschlossen. Herr von Klüssow erhob sich, und zwar etwas langsamer, als er sich niedergelassen hatte. Da er die schlecht verhehlte Freude seines Landsmanns sah, wußte er nicht recht, ob er lachen oder sich ärgern sollte. Schließlich entschied er sich für das Erstere. Indem er sich unter Beobachtung einiger Vorsicht aufrichtcte, schrie er krampfhaft fidel: „Das gilt natürlich nicht, das war ja ohne Schlittschuhe! Da kann auch ein Kunstläufer fallen!" Eine Art Pirouette, die er zum Beweise seiner absoluten Sicherheit und Sorglosigkeit riskirte, hätte ihn beinahe wieder zu Fall gebracht, wenn er nicht durch zwei, drei Räder, die er schnell mit den Armen schlug, sich in der Balance gehalten hätte. Ob er sich stimmlich zu bemerkbar gemacht hatte und vielleicht die Beziehung auf den Kunstläufer mißverständliche Er wartungen geweckt hatt« — genug, Bob von Klüssow war mit einem schlage Gegenstand der allgemeinen Aufmerksamkeit. Und zuerst, ohne daß «r es wußte, — denn nach den bisherigen Erfahrungen hatte er doch das dumpfe Gefühl, sich höllisch vor sehen zu müssen, wenn er dem Speilzahn Hinnerks nicht wieder ein Vergnügen machen wollte. Vorsichtig stelzte und schurrte er nach der Bank, wo er sich aufathmend niedcrließ und dem dienstfertig herbeieilenden Bahnbedienstettn beide Schlittschuhe und beide Beine «ntgegenstreckte. Als der Mann mit dem rothen Schnupftuch um den Ohren und den zwei schrecklichen Eiszapfen am Schnurrbart sich be mühte, ihm die vorsintfluthlichen, rostigen Dinger an di« Füße zu passen, benutzte er die Muße, sich nach den Damen umzusehen. Aber rm nächsten Augenblick zuckte er so heftig zusammen, daß er den Dienstmann mit dem kalten Eisen unter das stoppelige Kinn stieß; und dieser Schreck hatte zwei Gründe: Einmal hatte ihm der Mann den Riemen gerade über einen Leichdorn zu- gczogen, das ihn, namentlich im Winter, selbst ohne jeden Druck rasend schmerzte — und dann sah er eine ganz« Cavalcade von
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