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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.02.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-02-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010213029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901021302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901021302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-02
- Tag1901-02-13
- Monat1901-02
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Da» Londoner Finanzblatt „Investor'» Review", welche» siet» den Krieg gegen die Boercn mißbilligt hatte, tbeilt eine Aeußerung von Cecil Rhodes mit, wonach dieser schon seit mehreren Wochen die Fortsetzung deS Krieges für zwecklos halte. Rbodes soll gesagt baden: „Lord Roberts bat un glaubliche Fehler gemacht. Jedesmal, wenn der Augenblick da war, um die Macht der Bocren zu brechen, verfiel er in eine Tbalrnlosiakeit, die den Boeren Zeit gab, sich von Neuem zu sammeln. Nick der Gefangennahme Cronje'o Kälte Roberts rn acht bis zevn Tagen in Johannesburg und Pretoria fein können. DamaiS würde sich die Transvaalregierung sofort U"terworfen haben. Als er dann envlich in Pretoria eiarückle, blieb er wieder zwei Monate untbätig, und das Schlimmste war, daß er nach der Emnabme von Komati- poort abermals für viele Wochen den Boeren Zeit zur Sammlung ließ. Dadurch wurde der ganze Feldzug ver dorben und j-tzl würden nock zwei Jabre nöthig lein, um die Boeren völlig zu unterwerfen. Dies aber wird das englische Volk nicht auSbalten, uno deshalb ist es b sser, man sucht einen leidlichen Frieden, ehe noch durch die Un fähigkeit unserer Generale das ganze Land verwüstet und alle Minen zerstört werden." Eine „moralische Eroberung" der Engländer. Aus London, lO. Februar schreibt man uns: Die Lon doner Zeitungen sind des Lobes voll über Frau Alice Bron, welche im November 1899 als Mitglied der deutsch englischen Ambulanz nach Transvaal gegangen und alsdann „völlig enttäuscht" zurückgck h,t war, um einen lite rarischen Feldzug gegen die Boeren cinzuleiten. Die nieder deutschen und französischen Zeitungen, an die sich Frau Bron gewandt batte, wie>en jedoch die Aufnahme ihrer boeren- feindlichen Enthüllungen zurück und so mußre sie sich an die englische Presse wenden, wo man beglelsticher Weise die Ergüsse der Dame über den Reintichkeilsmanzel, die sitt liche Bertorbenveit, die Undankbarkeit und andere Un tugenden der Boeren begierig aufnahm. Jetzt nun ist Frau Bron auf Kosten des englischen Rvlbeu Kieuzeü abermals nach Südafrika abgereist, um sich ausschließlich dem englischen Sauitätsvienst zu widmen. BemerkeuSwerlb ist bierdci, daß die Dame auch von den bochkirchiichen Kreisen E iglanbS aufs Wärmste empfoblen wird, wävrend sie bisher >n ihren schriftstellerischen Erzeugnissen de» rein atheistischen und anarchistischen Staubpunct vertieren hatte. Fiebercpidcmie. * Loureuyo Marques, 12. Februar. („Reuter's Bureau".) Die Fieberzeit ist mit ganz außerqewöhnlicher Heftigkeit ange brochen. Die Zahl der Kranken hält sich ständig hoch. Unter den angeiehenen britischen Bewohnern der Stadt sind schon viele Todesfälle vorgekominen. Die meisten Angestellten der unter britischer Verwaltung stehenden Eisenbahn sind erkrankt und auf das Hospitalichiff „Oceana" geschafft worden. Transportzüge mit Kranken kommen fast jeden Tag von «oinatipoorr hier an und werden au Bord der „Oceana" gebracht, die schon fast ganz besetzt ist. Auch unter den hierher geflüchteten Boeren haben sich viele Todetfälle ereignet. Die Telagoabai. Die Meldung russischer Blätter, raß über dieDelagoa- ba i eine Verständigung zwischen England und Deutscd - land erfolgt sei, derzufolge Deutschland seine Zu stimmung zu einem Handstreich Englands gegen die Bai und die Okkupation der portugiesischen Colonie ertbeilt batte, beruht auf Erfindung. Eü liegen auch keine An zeichen vor, die auf dabin gehende Absichten Eng lands schließen ließen. England bat zur Berstäikung der Küstenüberwachung neulich zu dem kleinen Kriegsschiff, cas vor der Delagoabai liegt, noch einen Kreuzer entsandt. Auch von Seiten der Boeren ist nichiS geschehen, was een Engländern Anlaß zu einer Besetzung porlugiesi chen G-bceleS geben könnte. Ein Einfall der Boeren in portugiesisches Gebiet bat nicht stattgcfunven. Sie sind durch Swaziland an die Küste gekommen, um dort Waffen und Munition zu übernebmen. Darauf beschränken sich eie lbalsäcklichen Vor gänge, die den Meldungen von einem Einfall der Boeren in die portugiesische Eolonie zu Grunde gelegen haben könnten. Die Wirren in China. In Ermangelung anderer Nachrichten von Belang geben wir nachstehend einige kleine Auszüge ans einem Schreiben des Or. Georg Wegener, Eorrefpondenien deS „Berl. Localanz.". Ueber die „wilden Gerüchte", eie nach Europa dringen und sich ra zu Schaucrmären und Hunnenbriefc» verdichten, sagt er u. A.: Am 26. Oclober sei er im Stabe deS Generals v. Gayl zum Obercommanro nach Jlichou (nord westlich von Paolingfu) geritten. „Gerade am Tage vor unserem Ausritt erreichten die wilden Gerüchte ihren Höhe- vunck. Ei» italienischer Unleroificier, Führer ei-er kleinen Abiheilung, war allein und in höchster Aufregung zurück- gekekrt und hatte erzählt, in ciuem Dorfe sei er von 5000 Boxern — unter dem «Hal cr's nickt — um zingelt und mit Schwertern, Lanzen und Stcinmürfen angegriffen worden. Nur ihm allein sei cS gelungen, zu ent kommen, seine Leute seien alle nrevergem tzelt." D:r englische General Gaselee schickte daraufhin eine größere Abtbeilung bengalischer Lanzenreiter aus, auch diese waren bis zum Morgen deS 26. wider Erwarten noch nickt zurück. Trotzdem marschiere der Stab in Begleitung von l7 bengalischen Lanzenreitern unter Führung eines Ossiciers weiter und traf auf dem Marsch die zurückkehrcnde englische Avtheilung. Sie batte die Italiener nickt gefunden, berichtete aber von großen Mengen kaiserlicher Truppen im Gebirge, weSbalb Oberst v Normann nach Paolingfu zurückkehre. (Unter den deutschen Truppen cursirt der VerS: Da kommen die tapferen Shiks, Dom Feinde sehen sie nix.) In einer kleinen Stakt wurde Nachtquartier bezogen und da erfuhr man andern Tages, in der Nähe von Jtfckou habe eine große Schlacht statlg funden. Oberst v. Normann sei dabei geworfen worden und befinde sich auf dem Rückzüge. „Man kann sich daher denken, mit welcher Spannung wir uns auf unserem Vormarsch Jlsckou näherten; alS wir die Stadt end lich erreichten, kamen gerade auS den malerischen Tboreu der Stadt einige deutsche Ofsiciere, au der Spitze Major Frbr. v Marschall, uns cntgegengeritten. Bei der Frage nach der Schlackt und dem Rückzüge wollten sie sich ausschütteu vor Lachen, sie hätten überhaupt keinen Feind gesehen :c." Auch die Geschichte deS italienischen Unterofficiers erwies sich ihrem ganze» Umfang nach als völlig aus der Luft gegriffene Fabel. So entstehen Knegsgerücttte. Wenn man von all' den zu Tausenden erschossenen Boxern die Hälfte abziebk und den Rest mit 10 divibirt, wirb man ungefähr der Wahrheit nahe komme». " London, 13. Februar. (Telegramm.) Tie „Times" be richten aus Peking unter dem 11. Februar: Der englische Gesandte bat den chinesischen B Uretern mitgetheilt, die englgche Regierung lehne es ab, den gänzlich unbekannten Beamten Tschangpohji als Soiidergejandtcu für England anzunehmen. politische Tagesschau. * Leipzig, 13. Februar. Als oo es sich nach den früher getroffenen Dispositionen von selbst verstände, hat der Präsident oes Reichstages die Ab sicht zu erkennen gegeoen, daß das hohe Haus bis zum 22. Marz fortardeüen uno sich dann bis zum 16. April vertagen soll. Al,o v:er Wochen Osterferien, — das ist doch in den An nalen des deutschen Parlaments eine Ruhepause von seltener Länge. Die Erklärung dafür liegt aber ':m Brennpunkte der gegenwärtigen Tagcssragen überhaupt. Die Voroereitung des Jut1.ar>f,tcfet;cs verursacht Muhen und Umstände aller Art, auch noch zetzt, im letzten Stadium der Arbeit. Die verbündeten Regierungen, der Bundcsrath, die Staatssekretäre und die Haupt sächlichen Arbeitskräfte in den Rcichsämlern kommen aber nicht zur Ruhe, so lange der Reichstag versammelt ist. Soll der Zoll tarif noch im Frühjahre vorgelezt werden, so muß der Reichstag gefälligst zu Hause bleiben und den bei der Vorbereitung des Zolltarifs hauptsächlich in Anspruch genommenen Personen zu sammenhängende Zeit zur Arbeit lassen. Deswegen geht der Reichstag schon am Freitag vor Juoica in die Ferien und kommt erst am Dienstag nach Quasimoooaeniti wieder zusammen. In der dazwischenliegenden Zeit dürfte der Zolltarisentwurf ab geschlossen, in Druck gelegt und den Rcichstagsmitgliedern 'in die Hrimath zuge'schickl werden. Man kann heute ziemlich bestimmt darauf rechnen, daß im Frühjahr die Entscheidung über den Zoll tarif getroffen werden soll. Eine Bestätigung dafür klang auch aus den Worten heraus, mit denen vorgestern Or. Oertcl in der Generalversammlung des Bundes der'Lanvwirthe den Abg. Lieder mann von Sonnenberg berichtigte. Dieser hatte die Generalversammlung durch die Behauptung zu erregen gesucht, daß der neue Zolltarif in dieser Session nicht mehr erscheinen werde. Or. Ocrtel aber stellte alsbald fest, daß unmittelbar vorher der Rcichsschatzsetretär, den man als den Pater aller Hindernisse 'bezeichnet hatte, über den Stand der Vorarbeiten beruhigende Auskunft im Reichstag gegeoen habe. Namentlich Sie im Reichsschatzamir zu leistende Arbeit sei so gu: wie fertig. Die Gewißheit, daß der Streit über den Zolltarif in seinem ersten und wesentlichsten Thcil noch in diesem Frühjahr beendet werden soll, wird überall mit lebhafter Genug- thuung entgegengenommen werden. Es ginge auch gar nicht anders, als daß jetzt rasche Arbeit geliefert wirs. Derartige nervöse Zustänoe, wie sie Land auf Land ab bestellen, lassen sich über eine gemessene Zeit hinaus nicht ertragen. Nicht al- ob wir die Besorgniß hegten, daß Vic im Reichstag bereits herbcigeführte Scheidung der Geister durch Agitationen und Resolutionen von Intcrcssrnten-Versammlungen wieder unsicher gemacht werden könnte. Im Reichstag sind, knapp gerechnet, 250 zuverlässig- Stimmen für einen Zolltarif, der, verständig specialisirt, die Interessen der Landwirthschaft und der Industrie ausqleichend berücksichtigt, also der Landwirthschaft einen besseren Schutz ge währt, als bisher, und der den Bogen nur soweit spannt, daß auch Handelsverträge mit langer Dauer ab geschlossen werden können. Wir nehmen auch nicht an, daß die für die Erneuerung der Hansel-Verträge bereits getroffenen Dispositionen alterirt werden könnten. Wie cs scheint, find ja auch diese Vorbereitungen schon in gutem Wege. Wir verweisen nur beiläufig darauf, saß über ein erstes Einvernehmen ziw,ch«n dem Reichskanzler und dem russischen Finanzminister be treffs der Getrcidezölle kürzlich eine erste Nachricht durch die Blätter ging. Das war Rauch, der auf das Vorhandensein eines Herdfcuers schließen läßt, nichts weiter. Aber insofern aewähne dieses erste aufsteigende Wahrzeichen der künftigen Verträge einige Befriedigung, als es die Situation nach Osten hin be leuchtete. Wenn cs richtig ist, daß mit Rußland zuerst ver handelt wird, können schon sehr viele Bedenken unserer Export industrie und unseres Exporthandels sich beschwichtigen. Die wesentlichen Schwierigkeiten lagen vor zehn Jahren darin, daß man erst allen möglichen Vertrags- und Meistbegünstigung!- staaten Zugeständnisse machte und mit Rußland zuletzt ver handelte, ja sogar den Zollkrieg mit Rußland nicht scheute. Um gekehrt fährt es sich jedenfalls besser, und allem Anscheine nach ist ja nun der zweckmäßigere Weg eingeschlaqen. Aber die Re gierung hat alle Ursache, den nervösen Zustand im Land« so rasch wie möglich zu Ende zu führen, wenn sie auf die Gesundung 2er inneren politischen Verhältnisse Rücksicht nehmen will. Was in solchen Zeiten durch Agitation, rhörichte Ausstreuung, Ver» hetzung und Verleumdung erreicht werden kann, wissen wir ja aus Erfahrung. Da werden die friedlichsten Gemüther ver bittert, die besten alten Beziehungen innerhalb des Partei verbandes werden gelockert, in die Körperschaften der gewerb lichen Interessenvertretungen hinein wird Zwietracht und Miß trauen getragen und sie Nachwirkung alles dessen spürt man noch auf Jahre hinaus. Hier zu rechter Zeit durch vollzogene Thal sachen Halt zu gebieten, ist Aufgabe einer staatsmännisch ver anlagten Regierung, und wir hoffen, daß in der Reichs verwaltung und bei den verbündet«» Regierungen überein stimmend diese Aufgabe gewürdigt und in Folg« dessen die Vor bereitung »es Zolltarifs mit dem Eifer weiter betrieben wird, der sich in den letzten Wochen bemerkbar gemacht hat. Die in unserem heutigen Morgenblatte mitgetheilte offic'öse Auslassung der „Nordd. Allgem. Ztg." über die Polcn- politik hat zwar reckt lange auf sich warten lassen, ist aber trotzdem uicktS weniger als „gui" ausgefallen. Sehr merk würdig ist zunächst die Berufung auf Prcßäußerungen, die im Aittckluß au die R> ickötagSdebalten über Post sendungen erfolgt seien. Vom Standpnncte eines NegierungS- organS aus betrachtet, hätte eS fick dock gebört, nickt auf diese verbältnißmäßig weit zurückliegenden Debatten zurückzukommcn, sondern die Bekanntmachungen der Oberpostdirectionen in Posen und Bromberg, sowie den Erlaß deS Staatssekretär» von Podvielski über die Behandlung von Postsachen mit polniscker Adresse zu vertbcikigen. Welche Stellung das Regierungsorgan zu diesen Tbaten von Organen der R.icksrejjierung einnimmt, ist mit Sicherheit nickt er kennbar. Es klingt ja reckt sckön, daß die „Nordd. Allgem. Ztg." vom Grafen Bülow sagt, er sei fick ter Nothwcndigkeit bewußt, in der Ostmark dem dentscken VolkS- lbum in seiner berechtigten Abwehr gegen das Uebcrwuchcrn eines politisck feindseligen Polentbums zu Hilfe zu kommen und namentlich dort einzuickreiten, wo staatliche Organi sationen zur Förderung nationalpolnischer Bestrebungen miß braucht werden. Aber ob hiermit eine Kritik des schwäch lichen Verhaltens der ReichSpost ausgesprochen wer ken soll, ist ebenso dunkel, wie die Erklärung, der Reichskanzler werde Vorsorge treffen, daß in der Be- FcrrrHetsn. Die Geschwister. / 12) Roman von Alexander Römer. NaLdrvck vttbotrci. „Wir sahen einander schon", hörte sie durch das Brausen, das doch vor ihren Ohren ging, „unterwegs auf der „Vienna", wäh rend der Ueberfahrt von Harwich nach Stook tauchten Sic wie ein« Erscheinung vor mir auf — wie aus »em Meere herauf gestiegen — ich weiß noch nicht, woher Sie eigentlich kamen." Er lächelte und seine Stimme klang ihr wieder wie Musik. Der Mann hatte ein ganz wunderbar klingendes Organ. Sie lachte jetzt. „So hätten Sie mich wwderrrkannt", meinte sie. „'Unsere Begegnung war flüchtig genug und wir wechselt-» kein Wort miteinander. Sie hatten mich in meiner Ecke nicht gewährt, und ich war unabsichtlich Lauscherin bei all' den guten Rathschlägen, die Sie dem jungen Romfahrer gaben." „So — also 'S!« war»i. .»..ger in unserer Nähe — ich glaubte beinahe an einen Spuk." Er sah ihr fest ins Gesicht. Seine Augen thaten es ihr wieder an, sie senkte unwillkürlich die ihren unter seinen forschen den Blicken. Angelika ries in höchster Verwunderung: „Tie kennen sich schon?" und Frau Rose bemerkte mit einem leichten Anfluge von Ironie: „Na, etwa» Nixenhaftes hat Fräulein Kramer nun gerade nicht an sich." „Nein", entgegnete Herr WclcorS, „aber ein Gesicht, das man nicht vergißt." Ellen wendete sich ab und setzte sich auf den ihr angewiesenen Platz. Di« Unterhaltung wurde allgemein. SS schien ihr. als ' ob Herr Welcorv, oder Don Adolfo, wie er von beiden Damen, der spanischen, drüben erlernten Sitte gemäß, titulirt wurde, sehr formell mit denselben verkehrte. Kein Uneingeweihter würde nähere Beziehungen zwischen ihnen gewittert haben. Ja, die Unterhaltung ging sogar, da Ellen sich zu Anfang sehr zurückhaltend verhielt, ein bischen schwer im Gleise, und eS kam ihr der Gedanke, vielleicht habe Frau Rose sich durch ihre Gegenwart eine Erleichterung für diese häuslichen Stunden schaffen wollen. Angekita's klein« naiven Reden verfingen bei dem Herrn nicht recht, sie plauderte nicht gerad« geistreich, der Stadtklatsch, Toiletten und die ganz kleinen Dinge det Leben» füllten ihr Hirn. Sie drückte sich nicht einmal correct im Deutschen aus. da das Spanische ihre zuerst erlernte K-rache Mar, und daii Englische beherrschte sie erst recht nichr. Ahr Dialog war oft ein Gemisch von drei Idiomen, was sich za originell und aus ihrem Munde auch reizend anhörte, aber nicht allzuviel Sinn barg. Und der da schien Anderes zu fordern. Er lenkte jetzt das Gespräch auf seine letzte Reise nach Jralien und Sicilien, und Ellen schaltete eine Frag« nach dem zungen Engländer Sin, der damals sein Gefährte auf dem Schiff gewesen war. — Herr Welcord lächelte. „Na, der — er hat auf seine Werse seinen Preis aus der Reise herausgeschlagen, sich mit den Lazza- roni und den schwarzäugigen Jungen in Lumpen verbrüdert, sich als unermüdlich kleine Münzen Vercheilender zum König der Forcstieri aufgeschwungen, und war auf diese Weise früher mit seiner Reisccasse fertig geworden, als berechnet gewesen. „Von den Wundern und Schätzen des Landes har er nichts er faßt, wird es auch nicht vermissen", meinte er. Ellen war vertraut aus Wort und Bild mit der Kunst da unten, sie würde sie wohl nie in Wirklichkeit schauen. Einige ihrer Bemerkungen wirkten anregend. Frau Rose war mit ihrer Tochter auch durch Italien gereist, als sie von drüben kamen; sie hatte eine Menge Bilder und An denken mitgebracht, die herbrigeholt wurden, sie hoffte AngeUta damit aus ihrer Passivität zu wecken. Diese lehnte gelangweilt in ihrem Sessel und fand, daß Don Adolfo ja ein recht gut und imponirend auSsehender Mann, aber schrecklich wenig galant sei. Sie erklärte, daß dte Galerien »n Rom sie unendlich ermüdet und gelangweilt hätten, und daß Italien nicht halb so schön sei, wie Chile. Ellen und Herr Welcord aber fanden sich, «he sie es gewahr wurden, in einem regen, lebendigen Austausch miteinander, unv waren lange nicht mehr bei Italien und den Bildern, sondern bei ganz anderen Dingen, — schon bei den Problemen der Menschheit. Die Hof« trat ein und meldete di« Schneiderin, welch« das neue Kleid für die Sennorita Angela bringe. Sofort sprang diese wie elektristrt auf, und Frau Rose erklärte, hei der Anprobe zugegen sein zu müssen. Sie bat für ein Biertrlstündchen um Entschuldigung. Ellen und Herr Welcord blieben allein. Einen Moment stockte die Unterhaltung, dann führte er sie unbefangen fort. Er hatte sich in seinen Stuhl zurückgelehnt und sein Profil Lob sich wieder scharf von der dunklen Zimmertapcte ab, dieses feste Profil mit dem kräftigen Kinn. War solch' ein Mann im Stande, sich ein Wesen, wie Anaelita, zu erzieken, in sie hineinzupflanzen, was er doch, um glücklich zu sein, fordern mußte? Angekita war gutmüthig und anschmiegend, aber ließ sich eine ^Individualität umformen'? Was sie da dachte, sprach er aus. Sie waren vom italie nischen Volkscharaktcr auf den Begriff Charakter, Individualität überhaupt gekommen, und er hatte seine eigenen Ansichten darüber. „Was ist der Charakter eines Menschen?" sagte er, „die mehr oder weniger verknöcherte Wesenheit seines Geistes, die er — vielleicht in vielfachen Daseinsphasen — aus dieser Verknöche rung erlösen soll. Die kurze Spanne Zeit hier zwischen der Wiege uno dein Ärckb zählt dabei wenig. Uns darum sagen wir mit einem gewissen Recht: Charaktere ändern sich nicht, sie bleiben unter den wechselndsten Verhältnissen scheinbar unge wandelt." Wie klar Md überzeugend das aus diesem Munde klang, GedankenrerheWveckcnd, die über Selbsterlebtes, persönlich Nahe liegendes streiften und weite Perspectiven öffneten. „Inwieweit sind wir verantwortlich für unser Thun?" fragte Ellen leise. „So weit unsere Erkenntniß reicht", entgegnete er fest. Sie sah ihn stutzend an. „Wir wissen wohl Alle, was Recht und was Unrecht ist", meint« sie. Er lächelte, — ein seltsames, wehmüthiges, vergeistigtes Lächeln. „Die meisten Menschen sind sich selber fremd", sagte «r, „langsam erst steigt man unter festem Wollen von Erkennt niß zu Erkenntniß empor." Sic saßen einander gegenüber, und Ellen sah stumm in seine klaren Augen, in denen cs so wunderbar leuchtete. Ihr war, als würde sie emvorgehoben auS dieser Ervenschwerr in eine andere unbekannte Welt, wo Alles Licht war. Sie dachte nicht an irdisches Leid, nicht an irdisches Glück in diesem Augenblick, sie war zeitentrückt. Wie ein Mißton traf Angelita's Stimm« da hinein. Sle rauscht« ins Himmer, mit dem neuen Kleide angethan, blaßblaue Seide, mit viel Band und Spitzen orziert. Die Mama folgte. Don Adolfo sollte sein Urtheil abgcben, ob ihr die Farbe stand, ob das Arrangement ihm gefiel. Ellen empfand den Uebergang wie einen schweren Fall aus leichter Höhe in die nüchterne Wirtlichkeit. Es dauerte ein paar Secuirden, bis sie sich in die Situation schickte. Herr Welcord war aufgestartüen und au Angclita heran getreten. Mit einer freundlichen, schmiegsamen Art fügte er sich den Wünschen der Damen, mustert« die schöne jugendliche Er scheinung, ließ seine prüfenden Blicke über die neue Toilette gleiten und gab jaunig sein Gutachten ab. Nach seinen Begriffen solle da» Kleid zu der Trägerin stimmen, in einer Weise, daß e» nie zuerst in» Auge fiel. Die Schönst der Person mußte allein wirken, und dai sei hier ja uneingeschränkt der Fall. Angelita's matter Teint zeigte ein« erhöhte Farbe, sie sah beglückt aus und schwamm m ihrem Element. Frau Rose schien mit dem Ausspruch ebenfalls zufrieden, wenn sie ihn auch nicht ganz verstand. MS er nun gar eine kleine Aenderung vorschlug und die reichlich« aufdringliche Garnitur von Band und Spitzen verringert wünschte, lobte sie erfreut seinen guten Geschmack. Ellen stand verwundert, der Mann wurde ihr wieder unver ständlich. SpiSlte er Komödie? Er konnte sich doch unmöglich für diese Nichtigkeiten interessiren. Aber, sagte sie sich gleich darauf, die äußere Schönheit Angelita's fesselte ihn, darum stimmte er sich zu ihr herab. Der Zauber der vorhergegangenen Minuten war zerronnen, Platte Alltäglichkeit trat wieder in ihr Recht. Angelita verschwand noch einmal auf kurze Zeit, um dann in ihrer früheren Toilette wieder zu erscheinen; sie setzte sich neben Don Adolfo und plaudert« weit lebhafter, als vorhin. Er unterhielt sich ausschließlich nur noch mit ihr, in einer heiteren, freilich immer etwas überlegenen Weise, di« ihr indeß kaum zum Bewußtsein kam. Sie ließ eS deutlich merken, daß der ihr bestimmte Gatt« ihr nicht unangenehm sei, und daß sie ihn sehr liebenswürdig fand. Als Ellen nach einer Stunde etwa ging, hatte Herr Welcord sich auch über den Unterricht Angelita's geäußert. Er schien das System der Lehrerin zu verstehen und zu billigen. „Sie handeln sehr richtig, wenn Eie Donna Angela nicht übermüden, nur ein frischer Geist ist empfänglich, und nur, wo Interesse ge weckt wird, haftet daS Gegebene", sagte er. Als Ellen draußen auf der Straße stand, herrschte nur der ein« Gedanke in ihrem Kopf: er betrachtet sie bestimmt al» seine Braut. * a- Dic Mntrrconcerte im Tckauspielhcnrsc hatten ein« gewisse Berühmtheit. El herrschte viel musikalischer Sinn in Schwanau, das Orchester war ausgezeichnet, und der Jntenvan» sorgte meist für hervorragende Gäste, Vie da» Programm verlockend machten. Es war das letzte von den acht Loncerten der Saison. Ellen hatte ein Billet ersbinden und ging mit einer Freun din; ein junger Geiger, von dem in der Kritik viel di« Rede gr wesen, sollte die Hörer entzücken. Die herzogliche Familie liebte den Prunk, und so war r» Titte in der kleinen Residenz, daß die Damen in großer Toilette im Concertsaale erschienen, wo meist der Hof anwesend war. Angela und ihre Mutter, auch Herr Welcord waren da, und Ellen saß zufällig unmittelbar hinter ihnen. Sic trug «tm elfenbeinfarbener Kaschmirkleid mit reicher weißer Seidenstickerei, da» sie in London bei festlichen Gelegenheiten schon getragen.
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