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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.02.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-02-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010215022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901021502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901021502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-02
- Tag1901-02-15
- Monat1901-02
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Mit dem Eindringen De Wet'S in die Capcolonie, da- wieder ein Blatt in dem RuhmcStranz bedeutet, den dieser salf waffs-General fick in wenigen Monaten ge wunden, der englischen Kriegskunst aber das allerschlechteste Zeugniß ausstcllt, kommt Leben in dir Bewegungen auf diesem wichtigen Tbeile des Kriegsschauplatzes, da nun mehr die Boeren dort so stark sind, tast sie an den Haupt- puncten zur Offensive übergehen können. Hinzu kommt noch, daß sie sich jetzt unter der direkten Führung eines genialen Strategen fühlen, dem sie Verehrung, Bewunderung und vollstes Vertrauen entgegenbringen. Die letzten Nachrichten kauten: * LemLiM, ls. Februar. (Telegramm.) Lord Kitcheuer meldet unter dem 14. Februar aus Pretoria: Unsere Truppen sind zur ZeU nördlich von Philippstown, das von uns gehalten wird, mit De Wet's Streitmacht in ein Gefecht verwickelt. TeWet hat den Oranjesluß bei Zanddrist überschritten und ist anscheinend nuf dem Marsche uach dem Westen begriffen. * 8ppfta0t» t4. Februar. („Reuters Bureau".) Die Boeren griffey Philippstown au, wurden aber zurückgeschlagcu. kft London, 1». Februar. tPrivattelcgramm.) Au- Kapstadt wird uutcrm 14. Februar gemeldet. Lewet navm Philippstown wieder (?) ei», vertrieb die englische tztarnison »nd srinat gegen die tzcisen- bahn bet de Aar vor. Er beabsichtigt eine Attacke gegen Letzteres, bekanntlich ein wichttgcs englisches Mnnitions- uud Proviantdepot. Südliche Bocrcncornmandos cooperircn mit ihm. Leider laßt sich nicht volle Klarheit über die Kämpfe nm Philippstown gewinnen. Im Morgenblatt wurde uach Depeschen englischer Blätter berichtet, die Boeren hätten die Stadl eingenommen, seien aber wieder daraus vertrieben wordeni Kitchener's Depesche weiß davon nichts, sondern nur von den Kämpfen bei Philippstown. ÄuS dem Telegramm Les „Reutcr'- schen Bureaus" geht nicht hervor, ob der Angriff der Boeren auf die Stadt, von dem es berichtet, der erste war, oder ob ikm ein zweittr gefolgt ist, und in dein Privatlelegramm unseres Londoner Gewährsmannes ist das Wörtchen „wieder" von uns hinzugefügt worden, weil die Reihenfolge der cingelaufenen Akel- Lungen vermutben läßt. Laß zweimal um Philippstown ge kämpft worden ist. Etwas Bestimmtes vermögen wir aber nicht zu sagen. Die Hauptsache »st, daß eö sich bestätigt, daß Dewet ungehindert De Aar zustrebt. Man hatte schon lange erwartet, Laß die Boeren dort einen Handstreich wagen würden. Dewet ist es zuzutrauen, daß er das Wagniß ausführt. Der Fall De Aars wäre ein schwerer Schlag für England. Die Pest in Cnpftabt. AuS Cap stadt, 15. Februar, wiid u»S depefchirt : Ein von der Regierung mit der Untersuchung der Krankheitsfälle beauftragter Bakteriologe stellte daS Vorhandensein LeS Bubonen hacilluS fest und erklärt, daß eS sich zweifellos um den Ausbruch der Bubonenpest handelt. 1'2 Fälle sind bisher sicher im Hospitale sestgestellt worden. Zwei Personen, beides Kaffern, sind gestorben. 2m Hospitale befindet sich uur ein Weißer. Kämpfe im Transvaal. * Lvubv». 15. Februar. (Telegramm.) Reuters Bureau berichtet aus Johannesburg unter dem 1-1. Februar: TienStag Nacht versuchte eine starke Boereiiabtheiluug, die Wasser- leitung zu zerstören, sie wurde aber uack einem heftigen Kampfe gezwungen, sich zurückzuziehen. Bon den Boeren wurden 23 verwundet und 3 gelödtet; die Engländer hatten einen Tobten und zwei Verwundete. * London, 15. Februar. (Telegramm.) Lord Kitcheuer meldet weiter: General Freuch rapportirt 25 Meilen südöstlich von Ermelo (im Lsten von Johannesburg und Heidelberg ge legen), Latz eine starke feindliche Truppe nach Piet Retief ge drängt worden sei; ihre Bemühungen, durchzubrcchen, seien bisher vereitelt worden. Die Eavallerie griff den Feind an, der 5 Todte und 6 Verwundete zurücklieb; 10 Mann wurden gcsangen geuommeu. Eine große Menge von Wagen, Karren und Lieh wurde erbeutet. Unsere Verluste betragen einen Todten und 5 Verwundete. (Piet Retief liegt dicht au der Grenze des Swazilandes, da? unter der Lberhoheil Transvaals steht. T. Red.) Englische Verstärkungen. Die Creditsorderungen, mit denen die englische Regierung an das Parlament berantritt, werden vor Allem mit der Notbwenvigkeit begründet, noch loOOo berittene Truppen nach Südafrika zu seudeu. Mau sagt, daß sämmtliche Minister ohne Einschränkung Liese Kopfzahl der Verstärkungen als nothwendig anerkannt haben. Rach den Erklärungen LeS Lord Roberts soll diese Truppenmenge innerhalb sechs Wochen zur Eiuschiffuug bereit gestellt werde» können. Tic geplante Bocrcn-Waisencolonic in Tcntsch-LüSwcjtafrika. AuS Brüssel wird uuS berichtet: Mehrere belgische und bolländifche Damen haben die Anfrage an das englische Kriegsamt gerichtet, ob die englische Heeresleitung in Südafrika einer zu entsendenden Abordnung Lie in Len englischen Lagern befindlichcnBocrenwaisen übergeben würde, um dieselben »ach einer iu Lein deutsche» Schutzgebiete zu errichtenden Waisencolonir zu bringen. Die britische Verwaltung solle die Kosten tragen für Pie Beförderung der Kinder bis Kap stadt, von wo aus ein Hilfsausschus; die KinLer »reich der deutschen Colonie bringen würde. Erst wenn englifckerseitS die grundsätzliche Zustimmung zu diesem Plans gegeben ist, werden sich die Damen an daS deutsch; Eolenialamt wende», um deren Unterstützung zu erbitten. politische Lagesschau. * Leipzig, l5. Februar. Nun ist der Gipfel ehrlicher Volksaufklärung in der Thal erreicht: die Menschen und Zeitungen, die die Vorgänge während des kaiserlichen Aufenthaltes in England und inS- besontere das auf Kosten LeS Selbstbewußlsein des deutschen Heeres dem Lord Roberts gespendete Lob nicht beifällig beurtheilcn, diese Mensche» und Zeitungen „bewirken, was Fürst Bismarck (iu den „Gedanken und Erinnernugen") von dem Einfluß der Weiber, Höflinge, Streber und Phantasten be fürchtet, daß er nämlich deni Monarchen Scheuklappen an legt, die ib» bindern, seine monarchistischen Aufgaben zu über sehen und Mißgriffe zu vermeiden und zu corrigiren." So zu lesen in einem hochgouvernenienralen Artikel. Jetzt weiß man doch, wer dem Monarchen die Dinge in falschem Lichte zeigt! Nicht das „Kleine Journal" und die trotz einer älteren Vergangenheit und ungeachtet anders gearteter eigener Neberlicfcrnngcn in den Fußspuren dieses HofblatteL wandelnden Preßorgaue trifft der Vorwurf der Behinderung zweckdienlichen monarchischen Waltens, sondern die Zeitungen,dieauSsprechen, was alle Welt in Teutschlanddenkt und empfindet und waS die Hoforgane selbst nicht gänzlich zu unterdrücken wage». Alle die Blätter — ihre Zahl ist freilich gering —, die Len nicht nach allerhöchstem Gefallen schreibenden und desbalb sebr logisch unter die „Höflinge" geworfenen Blättern den Kopf waschen, unterlassen es nämlich nickt, auch ihrerseits Unzufriedenheit mit den englischen Vorfällen zu bekunden. Sie thtm dies aber nur, weil sie wissen, daß dir Leser ihren apologetischen Ausführungen nicht folgen würden, wenn ein solcher Vorbehalt nicht gemacht würde, lind sie stelle» es überdies so dar, als ob die Ordensverleihung an Lord Roberts eö allein sei, was Er regung hervorgebracht bat. In Wahrheit wird dieser, amtlich noch nickt bekannt gegebene Act „zu dem klebrigen gelegt", und die Stimmung wäre ohne jene Verwendung des ersten preußischen Ordens keine andere. Deshalb ist cs auch uunörbig, varzutkun, warum der von Osficiöseu beliebte Vergleich der nach Sedan erfolgten Auszeichnung deutscher Heerführer durch den zur Ehrung großer Kriegöthareu gestifteten russischen Andreasorden mit der Deeoriruiig des nicht glorreich gewesene» englischen Generals eine Vergewaltigung der Tbatfackeu ist! Ebenso wenig verdient es eine Entgegnung, wenn gesagt wird, die Verstimmung im deutschen Volke entstamme „den Kreise», Lie am liebsten gesebeu hätten, Laß der Kaiser den natürlichen und menschliche» Drang, als Vertreter seiner Mutter an das Krankenlager der Königin Victoria zu eile», unterdrückt bäire und grollend iu seinem Zelle geblieben wäre." Diese Unterstellung ist niedrig. Soweit verwanLtschaftliche Gefühle zum Ausdrucke kamen, hat sich Niemand über Leu eiiglischen Aufenthalt erregt und Laö „Leipziger Tageblatt" ist nicht das einzige Blatt gewefe», LaS in dem Geburtstagsgruß für Le» Kaiser gerade für Liesen Grund der Abwesenheit und LeS Ausfalls der Fest'e'er sympathische Worte sand. Was aber bat der Nou k^s Generals Roberts, was baden di: andern beklagten Kuudgebuligen mit Lcr krauten unv der todteu Königin Viclorra und mit der Vertretung der kaiserlichen Murrer zu thun? Mau deutet an, daß der Kaiser in England genügende Veran lassung gehabt habe, gewissermaßen politisch thätig zu sein. Das mag sein. Jedenfalls ist ei» gutes Einvernehmen mck Großbritannien wünschenswerth. Aber die Formen, in denen dieser Wunsch sich kund tbat, scheinen keinem Deutschen politisch geboten und von Seiten Englands sind sie wohl auch nickt zur Bedingung der Erhaltung eineö guien Einvernehmens gemackt worben. Im anderen Falle müßte cs schlimm mit der „Freundschaft" stehen. Wenn der Bunv der Landwirthe sich nicht genug des glänzenden Verlaufs seiner diesjährigen Generalver sammlung rühme» kann, io ist von zwei Seiten dafür gesorgt worden. Laß die Bäume nickt in Leu Himmel wachse». Daö Organ des .^crrn von Miquel, die „Berl. Polit. Nachr", bat den Bündler» ihren übermlltbigen Ton verwiesen und sie dahin belehrt, daß sie durch Anmaßung und übertriebene Forderungen die berechtigte» Wünsche der LanLivirlhickast nur schädigen könnte». Von viel größerer Wichtigkeit — und zwar nicht uur für de» Bund der Landwirthe, sonder» für Lie allgemeine Beurt Heilung der wirt hschaftöpvl itisck en Situation —, als Liese officiöse Emanation ist Lie Stellungnahme des CentrumS, und zwar gerade LeS am schärfsten agrarischen Flügels der Partei, nämlich der bayerische» Centrums leute. Das officielle Organ des bayerischen Centrum« ertheilt dem Bunde eine scharfe Abfertigung, indem rS u. A. schreibt: „Ter glanzvolle Verlaus der Berjammlung des Bundes der Landwirthe kann nicht Ausschreitungen rechtfertige», die im Augenblicke dröhnenden Beifalls sicher sein mögen, deren Folgen aber die Urheber sich gewöhnlich nicht vor Augen halte». Zu solchen Ausschreitungen muß gerechnet werden di« Forderung eines NeLnerS, den Getreidezoll aus 10 also fast auf das Dreifache des heutigen SatzeS, zu erhöhen, jedenfalls ober einen Miodestzoll von 7'/, -Ä festzusegen. Bauernbündler vr. Gäch hat sogar einen Mindeftzoll von 8 .ckl verlangt. Daß «ine angemessene Erhöhung des Zolles stattsinden wird, darf als sicher angenommen werden. Aber von so übertriebenen Forde rungen, wie sie in der Bundesversammlung gestellt wurde», sollte mau Loch umsomehr sich hüten, als durch dieselbe» den Feinden der Lan dwirtb schäft, den Gegnern einer Zoll erhöhung, geradezu Wasser auf die Mühle geliefert wird. So bemächtigt sich der „Vorwärts" jener Ausschreitungen in der Bundesversammlung zur Aufreizung der Arbeiterschaft, was be greiflich ist. Wie dadurch aber die Leidenschaften erregt und die Gegensätze verschärft werden, liegt auf der Hand. . . . Wir sind überzeugt, daß weder die Drohungen von der einen Seite, noch die von der anderen sich verwirklichen werden. Es werden di« berechtigten Forderungen der Landwirthschoft befriedigt werden, ohne daß deshalb die Socialdemokralen Revolution machen. Diese vernünftige Lösung der Frage aber wird durch Excesse des UebermuthS jedenfalls nicht erleichtert. Deshalb sollte man auf beiden Seiten sich derselben enthalten." Wir wiederhole», daß Liese Auslastungen gerade darum von besonderer Wichtigkeit sind, weil sie von dem führenden Organe des bape rischen Ernt rums ausgehen. Die gqnze Bedeutung Lieser Auslastung wird »ran ei kennen, wenn Man fick ..n Lie Haltung der bayerische» Centrnmsleute gelegentlich der Handelsverträge von 1893,9t erinnert. Damals standen gerate Lie Bayern im unversöhnliche» Gegensätze zk Len westdeutschen Eeutrumsmännern und es kam zu scharfe« Auseinandersetzungen in öffentlicher Parlamentesitzung zwisckar Le» bayerischen Führern und Herrn Or. Lieber. Damals also gingen Lie Bayern Hand in Hanv mit den conserrar-ve» BünLlern. Daß heule aber die Bündler nickt die miueeste Aussicht haben, LaS Centrum ebenso wie 1893/94 zu spalten, gehl auS den Auslassungen des bayerischen Blattes mit vollster Deutlickkcit hervor. Diese Auslastungen würden nicht so bestimmt und scharf abweisend lauten, wenn nickt in der Gesammtpartei de- CentrumS volle Einmülhigkeit über die Frage der Getreibezölle erzielt worden wäre. So können also die übertriebenen Forderungen der Bündler uur dahin führen, daß daS schon jetzt vorhandene parlamen tarische Uebergewicht deS Centrums bis ins Un gemessene gesteigert wird. Tenn während vor acht Jahren die Conservativen im Großen unv Ganze» geschlossen blieben unv das Centrum sich spaltete, so würde diesmal umgekehrt durch übertriebene Forderungen des Bundes bewiesen werden, daß die Ccnservatwen sich spalten, während das Centrum geschlossen bleibt. Letzteres würde mit seinen Anhängseln dann zwei Drittel der sich auf mittlerer Basis zusammensindenden Mehrheit auSmachen, während das letzte Drittel aus einem Tbeile der Conservativen unv der Mehrheit der Nationalliberalen be- Frrsttlrtsn. Die Geschwister. 141 Roman von Alexander Römer. Ellen flößte dem Patienten einen Löffel Brühe em, und die Medicin, die der Arzt verschrieben hatte. DaS Schlucken war mühsam, es gehört« Geschicklichkeit und Geduld dazu, den Löffel richtig zu dirigiren, den Kranken so weit zu heben, daß die Flüssigkeit in die Kehle glitt. Ellen verrichtete es, wie die geübteste Krankenpflegerin. Sie machte sich geräuschlos ein Lager zurecht auf dem Sopha, und richtete sich für die Nacht ein. Aber der Kranke schlief nicht und sie saß meist an seinem Lager. Die großen, offenen Augen hatten jetzt einen hilflosen, flehen den Ausdruck. Am andern Morgen erst kam Leopold. Er war spät nach Hause gekommen, hatte während der Nacht nicht stören wollen und zuckte nun beim Anblick des Zustandes die Achseln. Er sah, frisch frisirt, in elegantem, modernem Anzug, sehr gut aus u«d schien in gehobener Stimmung zu sein, die er in diesen Raumen nur mühsam abdämpftc. Durch Ellen's Eingreifen hier schien er laum überrascht zu sein, er erwähnte es auch nicht weiter als etwas Besonderes. Er ließ sich von ihr, die übernächtig und recht angegriffen ous- sah, genau berichten, und meint«: „Na, lange kann dieser Zu stand ja natürlich nicht dauern, und ihm ist am wohlsten, wenn der Tod ihn erlöst. Es ist mir sehr lieb, ivenn Du hier ein wenig nach dem Rechten siehst, denn die Leute — inan weiß wohl, wie es bei solchen Gelegenheiten hergrht. Sein Geld wird der Alte unter sicherem Verschluß haben, seine Werthpapiere sind, so viel ich weiß, bei seinem Bankier, und das Testament ist beim Gericht deponirt. Das wäre so weit in Ordnung, aber achte hier ein wenig auf di« Sachen — in dem Schrank da hat er sein Silberzeug verwahrt, kostbare Stücke darunter." Ellen saß in sich zusammengesunken und hörte die Reden des BruderS, in denen kein Wort der Liebe oder Thcilnahme für den armen Kwnken war. Sollte sie ihm sagen, was sie gestern über Susi gehört hatte? Aber nein, wozu? Es würde wenig Ein druck auf ihn machen. Hatte er ein Herz? Er ging seinen gefährlichen Weg — bergab, sagte rbr «ine Stimme in ihrem Jrmern. Und sie sah keine Möglichkeit, ihn zu retten. Aber Gotketz Liebe verliert keinen der Seinen. Welcord's Wort«, die er neulich zu ihr gesprochen, kamen ihr wieder in de» Sinn: „Wir Menschen müssen ^u warten verstehen und Liebe üben an unserem Theil, wo wir können." „Leopold! Du hast dem Manne, der da wohl auf seinem letzten Lager liegt, viel zu danken, vergelte es ihm jetzt wenigstens mit Deiner Liebe »nd Therlnahme, er hört »nd versteht Alles", sagt« sie. „Nun ja, ich kann ihn nicht gcsuno machen", entgegnete Leopold unwirsch, „und Klageweib zu spielen verstehe ich nicht. Da bist Du hier augenblicklich weit bester am Platz als ich." Er küßte sie, was er selten that, und ging. Sie sah ihm lange, mit einem trostlosen Blick, nach. Mit dem Justizrath wendete cs sich aber noch nicht zum Ende. Seine zähe Natur widerstand. Die Lähmungen wichen, er ver mochte bald beide Arme wieder zu bewegen, auch ein paar Mi nuten auf seinen Füßen zu stehen, so daß Schneider ihn außer Bett und zeitweilig auf das Sopha bringen tonnte. Auch die Sprache kehrte zurück, wenn er auch noch schwer mit d«r Zunge anstieß, und sich mühsam ausdrückt«. Da es gerade in die Osterferien fiel, konnte Ellen täglich kommen. Das Schlucken war für den Kranken noch immer sehr beschwerlich, er konnte es nur bewerkstelligen, wenn man ihn genau in die richtige Lage brachte, und das verstand einzig Ellen. Frau Holz hatte Respekt vor ihr bekommen, weil sie in jener ersten graulichen Nacht allein bei dem Herrn ausgehalten, und obgleich sie ganz fremd da hineinschneitr, sich doch so rasch zu helfen gewußt hatte. Ihr war es jetzt bequrm, wenn das Fräu lein kam und anordnete. Daß der Herr es litt, erschien ihr frei lich als ein Wunder. Der Justizrath war mitunter in schlimmer Laune, auf die Holzen hatte er seit der Katastrophe einen grimmen Haß geworfen, sie durfte ihm nicht mehr zu nah: komemn, und sic erklärte draußen trotzig, daß ihr das sehr recht sei. Mit Schneider nörgelte er unablässig. Ellen hört« oft im Vorzimmer, wenn sie Mantel und Hut abl-gtr, seine rauh«, polternde jetzt bei der noch nicht ganz beseitigten Lähmung immer stoßweise herausbrrchende Stimme und Schneider's ärgerliches Gemurmel dagegen. Sobald sie rintoat, glätteten sich die zornige» Menen des Kranken, Ruhe legte sich über das gelbe, hagere, mumienhafte Ge sicht. Er begrüßte sie höflich und überließ sich schweigend ihrer Fürsorge. Er hatte noch kein Wort Uber ihr unerwartetes Kommen und Eingreifen geäußert, ihr auch nicht gedanlt, er fügte sich still, merkwürdig gelosten allen ihren Weisungen. Sie hatte eine ernste, feste Art, mit ihm umzugehen, sie ging umher, als sei st« in diesen Räumen von jeher zu Hause, that Alles, als sei es selbstverständlich. Sie wußte genau die Stun den zu treffen, wo sie dem Kranke» wirklich nöthig war, und kam dann präcise, auf die Minute. Schneider berichtete ihr oft, der Justizrath verlier« kein Auge von der Uhr, bis sie da sei. Es flog dann immer dieser sichtbare Schein von Ruhe über sei» Gesicht. Sie gewahrte es nicht, wie gespannt er jede ihrer Bewegungen verfolgte, wenn sie geräuschlos im Zimmer hin und her glitt, oder halblaut Schneider ihre bestimmten Weisungen ertheilte. Schneider brummte und grollte jetzt nuttlerweile. Ein Paar- Löffel voll Medicin könne er auch cingeben, sei er doch nun seine dreißig Jahr« um den Herrn gewesen. Aber die Augen des Kranken fingen dann wieder an zu rollen. Er sei ein alter Tölpel, dich es, seine Fanst sei viel zu hart, er Wiste den Löffel nicht zu dirigiren. Schneider zuckte die Achseln und war es schließlich zufrieden, wenn Fräulein Kr'ainer kam. Leopold kam täglich und machte seinen formellen Besuch. Er redete dann viel und laut, oberflächliche, Trost spenden sollende Phrasen, kleine aufmnnternde Witze, als spräche er zu einem Kinde. Der Alts erwiderte ihm meistens nichts, seine Augen nur, diese seit der Krankheit so merkwürdig gewordenen, scharf be obachtenden Augen wichen nicht von den: Gesichte seines Besuchers, und Leopold sagte: „Er ist ja nur Hal» zurechnungsfähig, ich wette, «r versteht gar nicht, was man ihm sagt." Ellen, die selten zu der Zeit, wo der Bruder seinen Besuch machte, anwesend war, hegte innerlich eine ganz andere Meinung. Sie sprach sie indrß nicht aus, sie ging überhaupt sehr still und blaß umber. Selbst an ihrer robuste» Gesundheit zehrten alle diese Aufregungen und Strapazen, welche sie willig auf sich nahm, ohne daß von irgend einer Seite besten Erwähnung ge schah. Einmal war sie nah« daran, mit Leopold eine Aussprache zu suchen. Sie erfuhr durch die Zeitung, daß Fräulein Helmke am zweiten Osterfeienage im Hoftheater ausgetreten sei und sehr gefallen bade. So war also Susi hier und konnte Leopold jed.n Tag begegnen. Ellen fragte sich, ob nicht ihr Anblick, die Kunse von ihrer Anwesenheit schon ihn aufrütreln werde, sein Gewissen loecken »nd ihn zu seiner Pflicht zurücksühren. Aber nach längerer Ueberlegung verwarf sie den Gedanken. Jede Stunde, die sie mit dem Bruder zusammen verbrachte, gab ihr aufs Neue den Eindruck, daß er nicht zu beeinflussen sei. Im Rose'schen Hause war st« lange nicht gewesen. Während der Ferien waren auch Angelita's Unterrichtsstunden ausgefallen, und Herr Welcord war dort. Er begegnete ihr eines Tages, als sie aus des Justiz- raths Wohnung trat. Er grüßte sie in seiner ernsten Weise, in der immer eine wohlthuende Wärme lag, und schloß sich ihr auf ihrem Wege an. „Sie haben, wie ich erfahre, noch wieder neue Aufgaben über nommen", sagte er, „war das nothwendig? Sie sehen rckcht gut aus." Sie lächelte. Er war der erste Mensch, der auf ihr Ergehn: achtete, selbst die Mutter sprach nie davon. Sie war in einer fieberhaften Erregung wegen des AusgangeS der Krankheit, im Hinblick auf die möglichen großen Veränderungen für ihren Sohn. Ellen setzte dem theilnehmenden Frager ungefähr die Ver hältnisse auseinander. Die Mutter war zu schwach, um da etwas leisten zu können. „Ich war dem Herrn freilich ganz fremd geblieben", schloß sie ihre Rede, „aber er hat sich bald an mich gewöhnt." „Sie dem Herrn ganz fremd?" fragte Herr Welcord, „ver zeihen Sie, wenn ich Sic da um eine Erklärung bitte. Menn der Justizrath vom Tode Ihres Vaters an stützend eingriff und für Jbren Bruder sorgte, mußte er doch auch Sie kennen?" Elle» lachte. „Gesehen hat er mich als Kind, wenn es sich nicht anders thun ließ, aber er haßt daS weibliche Geschlecht. Später bin ich ihm gerne aus dem Wege gegangen, und ich wüßte nicht, daß er mich je eines Blicke» gewürdigt hätte/ „Er ist eben «in Sonderling", setzte sie nach einer kleinen Pause hinzu. Welcord sah sie mit einem langen, stillen Blick an und nickte dann. „Und jetzt thun Sie, was Christus unS zu thun lehrte. Sie helfen ohne Ansehen der Person." Sic wurde roth und schüttelte den Kopf. „Machen Eie, Litte, nicht mehr daraus, als e» Werth ist", rief sie hastig. „So viel wie der Herr Justizrath für mein« Mutter »nd meinen Bruder gethaii, durfte er wohl erwarten, daß von unserer Seite für ihn geleistet wurde, was in unseren Kräften stand. „Sicher", bestätigte er und sagte nicht» weiter. „Ich möchte Sie nur bitten, sich auch Erholung zu gönnen", begann er nach einer Weile, „und Ruhe !m Gemüth. Sie gehör«: zu den Naturen, welche die Sorge um Andere schwer in ihrem Herzen tragen, und ich tadle Sie wahrhaftig nicht darum. Aber lasten Sie es sich daneben auch in jeder Minute gegenwärtig sein, daß Tie in solcher Sorge nicht auf Ihre eigene Kraft allein angewiesen sind. Der Herr und seine guten Geister helfen Ihnen kragen, und s»
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