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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.02.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-02-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010223013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901022301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901022301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-02
- Tag1901-02-23
- Monat1901-02
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Ämtsvlatt des königlichen Land- «nd Amtsgerichtes Leipzig, des Aathes und Valizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 25 H. Reclamen unter dem Redaction«strich («gespalten) 75 H, vor den Familiennach richten («gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Grtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung ./L 60.—, mit Postbeförderung ^l 70.-. Annaifmelchlub für Anzeigen: Ab end-Ausgabe: Bormittag- 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet« an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Truck und Verlag von E. P olz in Leipzig. Sonnabend den 23. Februar 1901. 95. Jahrgang. Wohnungsnot!! und Denkmäler. LS Der Herzog von Meiningen hat soeben in Verbindung mit dem Meininger Landtage einen Beweis hochherziger Ge sinnung gegeben. In dem schönen Thüringerlanoe herrschen, insbesondere wegen der dort überall eingebürgerten Haus industrie, sehr ungünstige Wohnungsverhältniffe, die auf die Gesundheit der Bevölkerung einen schlimmen Grrfluß ausüben. Es sind nun von Staats wegen Mittel zur Verfügung gestellt worden, zum Theil aus den persönlichen Einkünf ten des Herzogs, um als Darlehen zwecks Beschaffung billiger und der Gesundheit entsprechender Wohnungen hingc- geben zu werden. Die „Köln. Ztg.", der wir diese Mittheilung entnehmen, schließt ihren Bericht mit den Worten: „Die Anregung, die der Herzog von Meiningen zur Hebung der Wohnungs- und Ge sundheitsverhältnisse und somit auch zur Besserung der sitt lichen Zustände der Arbeiterbevölkerung seines Landes gegeben hat, verdient die höchste Anerkennung und wird sicher auch in anderen Staaten Nachahmung finden." Wir können uns diesem Wunsche nur aNschließen und der Hoffnung Ausdruck geben, baß zu diesen anderen Staaten in erster Reihe Preußen ge hören möge. Der Kaiser soll sich einmal in sehr scharfen Worten über die Arbeiterwohnungen auf seinem Gute Cadinen ausgesprochen haben, und diese Aeußerung ist dann wacker gegen die Wohnungsverhältnisse auf dem platten Lande über haupt ausgebeutet worden. Nun, in der Haupt- und Residenz stadt des preußischen Königs selbst sind die Wohnungsverhält- Nisse sicherlich nicht besser, als in Cadinen oder auf anderen ost elbischen Landgütern. Di« Häuser in der Manteuffelstraße oder der Mulackstraße oder der Steinmetzstraße oder Vie immer die Arbeiterquartiere heißen mögen, sehen äußerlich allerdings «präsentabler auS, als die „Schwein«ställe" in Cadinen, aber daß es 'sich in diesen Arbeitermassenquartieren gesunder wohne, als in den halb verfallenen Arbeiterhütten auf dem platten Land«, wird Niemand behaupten wollen, der einmal zur heißen Sommerzeit durch solche Arbeiterwohnungen gegangen ist. Man kann in den letzten IZH Jahrzehnten in der Reichs hauptstadt ein lebhaftes Bestreben zur Verschönerung der Stadt durch Verbreiterung der Straßen, durch Ausschmückung der freien Plätze und durch Errichtung von Denkmälern finden: be sonders die letzteren schießen wie Pilze aus der Erde. D:e/e Bestrebungen sind noch lange nicht zum Abschlüsse gelangt. Per sonen, die von tiefster Sehnsucht nach einem Ordensbändchen erfüllt sind, sind auf den Gedanken gekommen, nach dem Muster der Schloßfreiheitslotterie eine neu« Lotterie zu veranstalten, um mit den aus dieser Lotterie zu erzielenden Ueberschüssen die unansehnlichen Häuser gegenüber dem Schlosse nieverzureißen und an ihre Stelle ein „Pantheon" zu setzen. Niederreißen — so lautet überhaupt die Parole. Und dieser Wahrspruch erinnert einigermaßen an die Bestrebungen in den fünfziger und sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, Paris zu verschönern. Diese Bemühungen waren an sich gewiß höchst verdienstlich, aber sie dienten doch mit dazu, die socialen Gegensätze zu verschärfen. Die Arbeiter, die in den entsetzlichen Arbeiterquartieren von Paris, die allerdings noch weit schlimmer waren und sind, als di« in Berlin, leben mußten, wurden in ihrem Hasse gegen di« besitzenden Classen nur be stärkt, wenn sie am Sonntag auf die breiten, herrlichen Boule vards kamen. Und so folgte auf die Aera des Barons Hauß mann diejenige der Commune, die auch niederriß, aber auf ihre ganz besondere Art und Weise. Wir besorgen nicht, daß die 'Schreckenszustände der Com mune eine Neuauflage in Berlin erleben könnten: aber daß bei denjenigen, die in den Arbeiterquartieren wohnen und di« von Jahr zu Jahr in der Miethe für ihre jämmerlichen Woh nungen gesteigert werden, bis sie schließlich die Mieth« nicht mehr zahlen können und obdachlos werden, ein lebhaftes Gefühl des Hasses gegen die besitzenden Classen entsteht, wenn sie sehen, wie Millionen für Verschönerungszweck« mit leichter Hand aus gegeben werden, wie zurückhaltend man aber ist, wenn es die Verbesserung der Wohnungsverhältmsse gilt, darüber darf man sich nicht weiter wundern. Es ist in der Geschichte des Hohenzollernhauses nichts I Seltenes, daß der Fürst den Häuserbau gefördert hat; Berlin und Potsdam sind dessen Zeugen. Friedrich Wilhelm I. half sogar mit dem Stocke nach. Heute ist der Stock nicht mehr angängig, aber auch nicht mehr nöthiq. Denn so paradox eS klingt: Hand in Hand mit der Schaffung konstitutioneller Ein richtungen ist die Neigung gewachsen, nach oben zu blicken und daS Beispiel des Fürsten als vorbildlich anzusehen. Der Kaiser tbue in der Wohnungsfrage, zunächst in seiner Hauptstadt, einen Schritt, und die städtischen Körperschaften wie Vie Einzelnen werden sich lebhafter regen als bisher. Und wenn erst Berlin voranschreitet, so werden die anderen großen Städte Preußens es nicht an sich fehlen lassen; daS Beispiel des größten deutschen Bundesstaates wiederum aber muß auf die Einzelstaaten einen Einfluß auSiiben, viel wirksamer und umfassender, als daS Bei spiel Meiningens eS vermag. Es ist nur ein starker Wille nöthiq, um daS Empfinden, daß die Wohnungsfrage die aller erste sociale und hpgieinische Frage ist, auSzulösen und zur Be- thätigung zu bringen. Die Wirren in China. Einigung über tz 1 -er Srieden-dedingungen. * Peking, 21. F-bruar. (Reuter'« Bureau.) Prinz Tschiuq uud L'-Hung-Dchang haben vom Hose «el,graphisch Instruction erkalten, den Gesandten mitzutheilen, daß da« Edikt über die Be strafung der Würdenträger gemäß den Forderungen der Mächte der- öffentlich» worden sei. Tunasuhstang werde degradirt und seine« Rang,« entkleidet, Prinz Tuan und Herzog Lan fielen in Ungnade und würden verbannt, Prinz Lschuang, yingnieo uud Tsktao- schu tlchioo würden Selbstmord begeben, Hsutscheagyu, ffühsten »nd Tlchihfin würden entbauptet werden. * Pari-, 22. Febiuar. (Telegramm.) Im heutigen Ministerrath«, dem der Ministerpräsident Waldeck-Rousseau seine« leidenden Zustand,« wegen noch nicht beiwohnte, theilte der Minister de« Autwärtigea Deleassö mit, daß Edina ringewilliqt hab«, den in der Lollectvnot« der Mächte enthaltene» Artikel betreff« der Bestraf»ng der Schuldige» durchzuführr«. Der Vormarsch vertagt. * Berlin, 22. Februar. (Telegramm.) „Wolff's Telegr. Bureau" berichtet aus Peking unter dem 2l. Februar: Feld marschall Graf Walderfee hat den geplanten Vormarsch vertaqt, nachdem die chinesische Regierung die von Len Gesandten gestellten Strassorderungen zugestanden hat. (Wiederholt.) Der Krieg in Südafrika. E« bat natürlich nicht geringe Ueberraschung in London erregt, daß Kitchcner, obne einen Grund dafür anzugeben, mit so außerordentlich großer Eile De Aar wieder verließ und nach dem Norden zurückkebrte. Allerhand Vermutbungen über die ent- sp-echenden möglichen Veranlassungen werden laut, und im Allgemeinen nimmt man eS nicht gerade als ein gutes Zeichen, daß die persönliche Anwesenheit des Ober- generalS im Transvaal so plötzlich wieder ersvrderiick wird. Eine mysteriöse Nachricht ist eS besonders, welche diesen Befürchtungen Nahrung giebt, und zwar die erneute Meldung, daß das Hauptquartier in Pretoria seit dem 16. d. M. ohne jede Nachricht von der Colonne des Generals Smith- Dor rieu ist, welche unter dem Oberbefehl des Generals French im Osten gegen Louis Botba operirt und von diesem bekanntlich bei Botbwell empfindlich aufs Haupt geschlagen wurde. Da außerdem die Nachrichten über die Vorgänge bei der „Verfolgung" Boiha's überhaupt sebr spärlich einlaufen, so befürchtet man in London bereits, daß dem General Smilh-Torrien etwas Menschliches zu gestoßen ist, was Kilchener oder das Kriegsamt bis heule auS leicht erklärlicher Zurückhaltung noch nicht zu publiciren wünschten. Es wäre demnach nicht unmöglich, baß die Lage im östlichen Transvaal durch einen besonderen Umstand sich derartig zu Ungunsten der englischen Truppen verschoben hätte, daß Kilchener sogar irmen LirblingSplan, persönlich die Operationen gegen De Wei zu leiten und dessen Einbruch in die Capcolonie unschädlich zu machen, aufgeben mußte, um HalS über Kopf nach Pretoria zurückzueilen und im Transvaal nach dem Rechten zu sehen. — Tie nächsten Tage dürften vielleicht in mebr als einer Hinsicht Ucberraschuugen bringen, die durchaus nicht alle er freulich für die Engländer sein mögen. Ueber die Bewegungen De Wct'S veröffentlicht nach einem Londoner Telegramm der „Boss. Ztg." di Capregierung folgenden Bericht: De Wet wurde am 19. Februar zul-tzt dicht am Oranjefluß bemerkt; Plumer war dicht hinter ibm. Der Rest des Commandos und mehrere andere kleine Boerencorp« waren im Begriff, Griqualanv an der Vereinigung des Oranje und des Vaal zu betreten. Hertzog setzte den Rück;ug nach Norden fort, wahrscheinlich in der Absicht, zu De Wet zu stoßen Ein Tbeil dieses Commandos plünderte unterwegs Vosburg. Kritzinger fabre fort, sich nack Norden zurückzuzieben; Oberst Haig folge ihm und besetzte Murrays bürg, ebe die Boeren dahin gelangen konnten. Neuester Meldung zufolge steht Kritzinger in Tweefontein nöidlick von Graffreinet. Oberst GornngS stoße sein Commando nach S eenwberg vor. Cvmmandant ScheeperS Aufenthalt sei unbekannt, aber er bade die Absicht, nach Beaufort West zu gelangen, aufgegeben und sich in östlicher Richtung zurückgezogen. Die Obersten Par so ns und GrenfeU verfolgen ibn. Boerenablheilungen, wovon eine 300 Mann stark, plündern fortgesetzt in den Bezirken Middelburg und SleynSburg. Die Truppen werden zuiammeugezogen, um die Gegend von Marodeuren zu säubern. Der Berichterstatter der „Daily Mail" bei Hennicker's Colonne depeschirte am 20. Februar vierzig Meilen westlich von Hopeiown: Unsere Patrouillen folgten den Boeren heute nach dem Brakflusse, der unpassirbar war, der Feind versuchte, seine Pferde über den Fluß schwimmen zu lassen, aber da dies mißlang, wendete er sich westwärts. General Knox ist heute fällig bei Klipdrist und bat wabrscheinlich schon Füblung mit rem Feinde. Seit dem Eindringen in die Capcolonie bat De Wet den Verlust von etwa 30 Tobten und 60 Gefangenen erlitten, außerdem sind viele Binger desertirt. De Wet bat über 400 Pferde, lOO OOO Patronen, 6000 Granaten unv niedrere K sten Füufzebnpfünber-Munition eingebüßt. Die Boeren baden nur Vie Muniuon, die sie in ihren Bandeliers tragen. (??) Pin englische- Zcugnitz über Te Wets Charakter. Der in Dundee erscheinende „Corning Telegraph" veröffent licht den Brief eines Sergeanten der Hochlänber-Jnfanterie in Südafrika, dessen Inhalt in mehr als einer Hinsicht Interesse verdient. Diefer englische Soldat schreibt u. A. Folgendes: „Hier in Südafrika giebt es überhaupt nur einen General, und daS ist De Wet. Er ist wirklich schneidiger und geschickter als alle unsere Generäle zusammcngenommen. Morgens hören wir von ihm, daß er hundert Meilen weit von unserem Corps entfernt ist, und Mittags kommt dann schon die Meldung, daß er in einer Distanz von nur wenigen Meilen in unserer rechten oder linken Flanke sitzt. Für ihn scheint nichts unmöglich zu sein. Jeden Tag heiht eS, er ist umzingelt, und dann — Prosit die Mahlzeit — hält er unsere klugen General« immer aufs Neue wieder zum Narren und lockt sie kreuz und quer im Lande um her, wie eS ihm gerade paßt. Alle unsere Leute, die seine Gefangenen gewesen sind, — und Gott sei's geklagt, ihre Zahl ist Legion, — wissen seine Freund lichkeit und Liebenswürdigkeit nicht genug zu loben. Er thut wirklich Alles für die gefangenen Tommis, aber er haßt die Freiwilligen, die Aromen und die colonialen BolunteerS, ohne sie aber deshalb gerade schlechter zu behandeln. Er ist ein ganzer Kerl. Die Regierung scheint jetzt Alles zu versuchen, um neue Leute für ihre Polizeitruppen u. s. w. zu bekommen, oder um die alten TroupierS zum Weiterdienen zu veranlassen. An Löhnung sollen jetzt für diese Polizisten 7—10 Schilling pro Tag bei freien Rationen gezahlt werden, aber viel Erfolg hat da» auch nicht, denn Jeder weiß ganz genau, daß wir hier in den nächsten Jahren noch eine böse Zeit haben werden. 8» ist nämlich That- sache, daß die Boeren den Kampf niemals aufgeben werden, bi» sie ihre Unabhängigkeit, di« sie übrigen» reichlich ver dienen, wieder erlarwt haben. So lange außerdem ein Mann wie De Wet ihr General ist, und unseren Führern zeigt, was Krieg führen heißt, sind unsere Chancen verteufelt gering." * London, 22. Februar. (Telegramm.) Tie „Times" be- richten aus Capstadt: Oberst Schermbrucker richtete einen Aufruf an die an der Grenze wohnenden Deutschen, sich Len Vertheidigungstruppen anzufchleßen, worauf der deutsche Generalconsul eine Bekanntmachung erlassen bat, iu der er die deutschen Unterthanen zur stricteu Neutralität er mahnte. Der Aufruf Schermbrllcker's war an die deutschen Ein wohner gerichtet, er sollte sich aber, wie es beißt, nui aus die britischen Unterthanen deutscher Abstammung beziehen. Es giebt nur wenige deutsche Unterhalte» an der Grenze. (Wiederholt.) Deutsches Reich -i- Berlin, 22. Februar. (Der diplomatische Der - k e k> r zwischen Berlin und Petersburg.) Die Nachricht, daß General von Werder in einer diplomatischen Mission sich nach Petersburg begeben werde, hat die Erinne rung an ähnliche Sendungen dieses hohen Officiers wieder auf gefrischt. Unerörtert aber ist in der Presse der Umstand ge blieben, daß der diplomatische Verkehr zwischen Berlin und Petersburg seit langer Zeit ungewöhnliche Bahnen eingeschlagen hat. Fürst Bismarck tonnte, wie er in seinen „Gedanken und Erinnerungen" erzählt, nie eine Aenderung in der alten Gewohnheit erlangen, daß unsere Militärbeoollmächtigten in Petersburg nicht, wie die anderen, durch das Auswärtige Amt, sondern direct in eigen händigen Briefen an den Monarchen berichteten — einer Ge wohnheit, die aus der Zeit Friedrich Wilhelm's HI. stammte. Die diplomatischen Verhandlungen zwischen beiden Cabineten haben ihren Schwerpunkt, wie zur Zeit Rauch's und Münster's, oft mehr in den Berichten des Militärbevollmächtigten, als in denen der amtlich beglaubigten Gesandten gefunden. Da indessen Kaiser Wilhelm I. niemals versäumt«, dem Fürsten Bismarck die Co^respondenz mit d:n Militärbevollmächtigten in Peters burg nachträglich, wenn auch oft zu sp , mitzutheilen, und politische Entschlüsse nie ohne Erwägung an amtlicher Stelle faßte, so beschränkten sich die Nachtheile dieses directen Verkehrs auf Verspätung von Informationen, die in solchen Jmmediai- berichten enthalten waren. Außerhalb dieser Gewohnheit im Geschäftsverkehr« lag es, daß Kaiser Alexander II., wie Bis marck annimmt, auf Anregung des Fürsten Gortschakow, im Jahre 1876 den damaligen Militärbevollmächtigten von Werver zur Absendung eines Telegrammes an den deutschen Reichs kanzler veranlaßte, worin er von Letzterem im Auftrage des Kaisers Alexander eine Aeußerung darüber verlangie, ob wir neutral bleiben würden, wenn Rußland mit Oesterreich in Krieg oeriethe. Bismarck hat es Damals zunächst mit dilatorischen Rückäußcrungen versucht und auf wiederholtes Drängen empfohlen, die Frage auf amtlichem, «wenn auch vertraulichem Wege durch den russischen Botschafter in Berlin im Auswärtigen Amte zu stellen. Jedoch schnitten wiederholte Interpellationen durch Weroer'sche Telegramme diesen Weg ab. Inzwischen hatte BiSmarck seinen Souverän gebeten, Herrn von Werder, der diplomatisch gemißbraucht werde, ohne sich dessen erwehren zu können, telegraphisch zu sich zu berufen und ihm die Uebernahme von diplomatischen und politischen Aufträgen zu untersagen, als eine Leistung, die dem russischen Dienste angehöre. Der Kaiser ging auf Bismarck's Wunsch nicht ein; und da Kaiser Alexander auf Grund seiner persönlichen Beziehungen zu Bismarck von Letzterem die Aussprache seiner Meinung verlangte, blieb nichts weiter übrig, als durch den Botschafter von Schweinitz Kaiser Alexander wissen zu lassen: Deutschland könne zwar ertragen, daß seine Freunde, Rußland und Oesterreich, gegen einander Schlachten gewönnen oder verlören, aber nicht, daß durch den Krieg die Stellung einer von beiden als europäischer Großmacht gefährdet würde. Nach dieser Erklärung verzog sich damals das russische Gewitter von Ost-Galizien nach dem Balkan. — Die Erinnerung an jenen Zwischenfall ist besonders geeignet, zu veranschaulichen, wie eigenartig der diplomatische Verkehr zwischen Berlin und Petersburg ist. * Berlin, 22. Februar. (Die wissenschaftliche Loyalität unserer Ultramontanen.) Von den zwei oder mehr Seelen, die in der Brust des Centrums wohnen, legi das Folgende Zeugniß ab. Unterm 18 dsS. Mts. wird der „Germ." aus Rom geschrieben, daß „unsere hochbe- rühmte Gregorianische Universität, auf welcher ja auch ein großer Theil unserer deutschen Geistlichkeit seine Studien vollendet hat", soeben ihren Jahresbericht ver öffentlicht hat. Es sei daraus vor Allem di« erfreuliche That- sache festzustellen, daß die Hochschule wieder gewaltige Fort schritte unter der intelligenten Leitung der dort lehrenden her vorragenden Jesuitenpatres gemacht habe. Als einer der hervorragendsten Patres aus der Gesellschaft Jesu an der Gre- goriana wird dann Professor Biederlack, ein Deutsch- Oesterreicher, genannt. Von diesem selben Pater Biederlack, Professor des kanonischen Rechtes an der päpstlichen Normal- und Musteruniversität, theilt« nun die „Köln. VolkSztg." unterm 15. dss. Mts. erst mit, daß sein« Artikel über daS Verhältniß von Staat und Kirche im Staotslexicon der Görresgesellschaft, an dem sämmtliche Koriphäen des Centrums mitgearbeitet haben, in dessen im Erscheinen begriffener zweiter Auflage theils gar nicht mehr, theils nur in verbesserter Form Aufnahme finden würden. Biederlack hat in diesem Lexicon einen Artikel über das Oberaufsichtsrecht des Staates gegenüber den verschiedenen Kirchen veröffentlicht, in dem er die viel berufen« Parität derConfessionen für ein« vernunftlose Ein richtung erklärt. Sodann hat er «inen Artikel über den Svllabus verfaßt, in dem für die Verdammungsurtheile desselben der innere Glaubensgehorsam der Katholiken verlangt wird. Da» ist für das Centrum bei seinen jetzigen kirchen politischen Bestrebungen natürlich nicht mehr zeitgemäß. Die „Köln, volktzta." bat deswegen schon früher einmal erklärt, daß die rein aprioristischen Deduktionen der Biederlack'schen Artikel zwar theoretisch unanfechtbar, aber von der geschichtlichen Ent wickelung und der v i e l g e st a l t i g e n Wirklichkeit der Ding« (sie!) zu sehr absehen. Jetzt formulirt sie daS Derdict dahin, daß in diesen Artikeln „zwischen den katholischen Prin- cipien und deren Anwendung auf die Gegenwart — da» ist die vorstehende Wirklichkeit der Dinge — zwischen fest stehenden Lehren der katholischen Kirche und mehr oder minder autoritativen Schulmeinungen nicht unterschieden ist." Die Jesutiten haben cs also an der Beachtung des berühmten Grund satzes der päpstlichen Diplomatie fehlem lassen, der in dem teru- l>orura rntivne stabil» steckt. („Voss. Ztg.") * Berlin, 22. Februar. (Zur Diätenfrage.) Gleich der konservativen ReickStagSfraction ist auch die conservative Presse in ihrer Haltung zur Diätenfrage getbeilt. Die „Kreuzztg." beharrt nack wie vor unter Anführung der alten Grünre in der Gegnerschaft. Aber eine große Frage mackl sie nicht mebr auS der Angelegenheit, sie ist beim tolerari po886 angeiangt. Gegen die Form, die das Cenlrum für die Entschädigung der Abgeordneten Vorschläge, erbebt das Blatt Bedenken, die nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen sind. Bo» den Anwejenheitsgeldcrn sollen die Tagegelder ab gerechnet werden, die ein Mitglied de« Reichstage« in seiner beionderen Eigenschaft als Mitglied eines Landtage- bezieht. „Gegenüber einer derartigen Bestimmung", schreibt die „Kreuzztg.", „ist sicherlich die Frage berechtigt, wie daS deutsche Reich dazu kommt, einen großen Theil der von ihm für notdwendig er achteten Entschädigung der Reichstagsabgevrdneten für den durch ihre Theilnahme an den Sitzungen veranlaßten Aufwand den Lassen der Einzel st aaten zur Last zu legen. Endlich ist zu erwägen, daß die Zahlung der Anwesenheitsgelber unter allen Um stände» eiur Controle der Anwesenheit der einzelne» Ab geordneten nothwendig machen würde, daß aber die Controle, möge sie in noch so schonenden Formen geübt werden, für gewissenhafte Abgeordnete geradezu demüthigend sein muß. Wenn man durchaus mit der Diätenlosigkeit brechen will, so hüte man sich vor je. Regelung, die kleinliche Controlcn nöthig macht. Daun zahle ma. den Mitgliedern des Reichstages Tagegelder nach den gleich«, Grundsätzen wie den Mitgliedern des preußischen Abgeordneten hauses. Hiergegen würden wir zwar von unserem Standpuncte die oben mitgeiheilteii Bedenken ebenfalls erheben können. Aber man könnt« eine derartige Regelung wenigstens u:cht mit der Begründung lnkämpien, daß sie demjenigen, der auf persönliche Würde hält, eine recht harte Zumuthung stellt." Ganz anders siebt Vie „Deutsche TageSztg.* die Sacke an. Hier kommen die Interessen der Mittelstands politiker zu Worte, Vie auck gern ins Parlament wollen, darauf aber jetzt aus pecuniärcn Gründen verzichte» muffen. Las Blatt zieht die AnwefenbeitSgelver den Diäten vor und begründet das im Gegensatz zur „Kreuz-Zkg." wie folgt: „Man führt gegen die Anwejeiihriksgelder immer die Schwierigkeit und die Unwürdigkeit der Cumrole an. Unseres Erachtens ist das kein Gegengrund. Man muß doch im All gemeinen von der Annahme ausgehen, daß die erwählten Ver treter des deutschen Volkes anständige Männer sind, die richtige Angaben über ihre Anweienheir machen werden. ES wäre deshalb vielleicht möglich, auf jede Controle zu verzichten und die eigenen Angaben der Abgeordneten zur Grundlage zu nehmen. Die gesell- schastlick und politisch ganz unmöglich machende und vernichtende Bloßstellung, die eine Folge falscher Angaben sein würbe, dürfte genügens abschreckend wirken." Nur für Abgeordnete, die in Berlin oder einem Boro», ihren Wohnsitz bade», findet das Blait eine Eulichädtguag unnötbig, wünichl also noch eine weitere kleinliche Beschränkung. (-) Berlin, 22. Februar. (Telegramm.) Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: Der König von England gedenkt in den nächsten Tagen nach Deutschland zu reifen. Daß die Veranlassung zu dieser Reise des britischen Herrschers in dem schwer leidenden Zustande seiner erlauchten Schwester, der Kaiserin Friedrich, liegt, ist leider nur allzu gewiß. Obgleich also der Besuch in Cronberg als Act brüderlicher Pietät einen rein familiären Cbarakler trägt, haben doch einzelne deutsche Blätter daraus ein politisches Ereigniß zu machen gesucht, um sich in giftigen Angriffen zu ergehen, die auch den Kaiser aufs Tiefste verletzen müssen. Es wird damit ein G>ad von GesinnungSrohheit vcrrachcn, der die schärfste Zuiückweisung verdient. (-) Berlin, 22. Februar. (Telegramm.) Die „Nordd. Alla. Ztg." stellt fest, daß auf Zugkreuzungsstationen Reifende mit directen Fahrtausweisen beim Uedcrgang aus einem V-Zug in den nächsten anschließenden O-Zug gegen Abgabe ihrer bisherigen Platzkarten für die Weiterreise gebührenfreie Platzkarten erhalten bezw. eingetauscht bekommen. Nur auf Stationen, wo O-Züge fahrplanmäßig enden oder beginnen, wie Berlin, Hamburg, Altona, sind bei der Weiterfahrt neue Platzkarten zu lösen. (-) Homburg v. d. Höhe, 22. Februar. (Telegramm.) Der Kaiser machte beute früh einen Spaziergang im Harth wald und erledigte alsdann RcgierungSangeleqenhe.tcn. Zur gestrigen Frübstückstasel waren der Chef deS Milltärcabiuet« v. Hahnke, der Ches deS Gcneralstabes General der Cavallerie Graf v. Schlieffen und der Krieg-minister v. Goßler geladen. Lesterreich-Ungarn. * Wien, 22. Februar. (Abgeordnetenhaus.) Bor Ueber- gang zur Tagesordnung fragt der Abgeordnete Brzorad, warum nur drei lleberietzuiig,» der eingebracliten tschechiicken Intervella- tione» heule verlesen worden seien Abgeordneter Forst fragt au, wer dir Uebcrietzungeu besorgt dobc. Der Präsident erwidert unter großem Lärm aus den Bänken der Tschechen, da feine Ent- jcheidung bezüglich der nichtdeutjchra Jnterpellaiione» erst vorgestern getroffen worden fei, hätten nickt mehr Uebrrfetzungen vom Bureau des ReicksgefetzblalteS vorgenvinmen werden können. (Neuerlicher Larin auf den Bänken der Tschechen.) Hierauf geht das Hau« zur BrroihttNg de- DrinalickkeiiSantragS deS Abgeordneten Bta»cht»i aus Aufbebung der Weinzollclaufel über. Die Dringlichkeit wird nach kurzer Debatte obgelehnt. Es folgen weilere Dringlichkeit«- anträge, darunter ei» Antrag deS Abgeordneten Kaftan wegen Ausbaues der Wasserstraßen. Frankreich. Italienische« Geschwader; Kammer * Pari-, 22.Februar. (Telegramm.) Wie der „Figaro" berichte», wird da« italienische Geschwader, da« Anfang
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