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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.02.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-02-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010227026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901022702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901022702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-02
- Tag1901-02-27
- Monat1901-02
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Anzeigen.PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem Redaction-strich (-gespalten) 75 H, vor den Familiennach richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbesürderung 70.—. Annahmeschlub für Anzeigen: Abenb-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. ' Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig., Mittwoch den 27. Februar 1901. 95. Jahrgang. Die Wirren in China. Hinrichtungen nnd Telbstentlcibungcn. * Peking» 26. Februar. („Reuter s Bureau.") Tie Hinrichtung Tfchthsiu'S und Hsntfchengyn'S ist beute gemäß dem kaiserlichen Edikt und Sen Aordernnge» der Mächte vollzogen worden. * Peking, 26. Februar. („Reuter s Bureau ") Tie Straße, in der Sie Hinrichtungen Tfchihsiu's und Hsut- schengyn's vollzogen wurden, war von deutschen, franzö sischen und amerikanischen Truppen besetzt. Tie vernrthcilten chinesischen Würdenträger wurde» in einem Karren heran gebracht, der von japanischen Truppen geleitet war, beide trugen ihre Track«» als chinesische Beamte, aber ohne die Abzeichen ihres Ranges. * Shanghai, 26. Februar. Rach Mittheilungen ans chinesischen Quellen von Peking vom 24. Februar haben Ntngnicn und Tschaoschn-tschiao Selbstmord vollsührt. " Schanghai, 26. Februar. (Telegramm.) Der Hof hat Zuan-schi-hai besohlen, eine große Truppenabtheilung nach Schantung abzusenden, um das chinesische Militär in der Unter drückung des Aufstandes in Kansu zu unterstützen. * Wladiwostok, 26. Februar. Die Legung der Schienen in der Mandschurei zwischen Nikolokoje und Charbin ist be- endet. Die Länge der Strecke beträgt 624 Werst. Der Krieg in Südafrika. Louis Botha, der bekanntlich in der Richtung auf Komatipoort „ent kommen" ist, zeigt sich noch recht actionsfähig. Man be richtet unS: k'. London, 27. Februar. (Privattelegramm.) Aus Durban wird uaterm heutigen Datum gemeldet: Botha mauöve- rirte, mehrfach erfolgreich kämpfend, englische EorpS auS, welche er auf Middelburg zurückdrängte, die Division French bleibt in der Front und im Rücken von den Boeren bedrängt. Das Telegramm bestätigt unsere Auffassung, das; Botha sich in der Nähe der Delegoabahn sestsetzen werde. Die Meldung von dem angeblichen llnterwerfungöan- gebot Bo tha's wird von unterrichteter Seite in London dahin erklärt, daß Lord Kitchener dein Oberbefehlshaber der Trans vaaltruppen Angebote betreffs Einstellung der Feindselig keiten gemacht habe. Kitchener batte nach London gemeldet, es sei ihm unmöglich, zu gleicher Zeit den Kampf gegen Botha im Norden und gegen Dewet im Süden fortzuführen. Da- scheint auch so. Die „Humanität" englischer Kriegführung. * London, 26. Februar. Im Unterhaus theilte Lord Balfour mit, daß dem Hause eine Nachtragsforderung von mehr als einer Million Pfund für die Flotte und von drei Millionen für LaS Heer zugehen werde. Bei der Fortsetzung der Adrrßdebatte be- antragt Dillon ein Amendement, in dem er scharf das massen hafte Niederbrennen von Boerenhäusern in Süd afrika, wie die Deportation der Frauen und Kinder al- der Kriegführung civilisirter Nationen widersprechend verurtheilt. Den Regierungen Transvaals und des Orange-Freistaates sollten Friedensbedingungen angeboten werden, die tapfere und I ehrenwerthe Männer annehmen könnten. Der Kriegsminister Brodrick bemerkt dazu, er bestreite, daß in Südafrika allgemein das Land vernichtet worden sei. Viele Farmen, die von Len Boeren verlassen gewesen, seien von Koffern niedergebrannt worden. In anderen Fällen habe es sich um Farmen gehandelt, die nieder gebrannt worden seien, weil die Bewohner verrätherisch gehandelt hätten, oder weil es sich nm den Schutz der Verbindungslinien vor An griffen gehandelt habe. Der Krieg in Südafrika könne, was Humanität der Kriegsführung betreffe, mitjedem bis her geführten Kriege sehr wohl einen Vergleich aus halten. (!?) (Beifall.) Was das Angebot von Friedensbcdinguugeu sür die Boeren angeh», so habe er seinen früheren Erklärungen nichts hinzuzusügen; die Absichten der Regierung seien ja bekannt. Dillon's Amendement wird mit 243 gegen 91 Stimmen ab- gelehnt, und die Adresse mit 299 gegen 78 Stimmen ange- nomine n. Politische Tagesschau. * Leipzig, 27. Februar. Endlich ist im Reichstage gestern der Militäretat au die Reihe gekommen. Hoffentlich wird seine Bcratbung nicht lange Zeit beanspruchen, ist er in diesem Jahre doch gründ licher und eingehender als jemals in der Budgetcommission geprüft worden. Eine angenehme Folge dieser Gründlichkeit war eS bereits, daß in der Eommission die socialdemo- kratischen Mitglieder des größten Theileö ihrer Angriffs waffen beraubt wurden. Zahlreich waren diese überhaupt nicht. Dem Etat selbst mit seinen tausend subtilen Einzel heiten etatsrechtlicher Natur bringt ja die Socialdemokratie nicht das mindeste Verständniß entgegen. In dieser Beziehung haben sich die „Genossen" von jeher damit begnügt, den ChoruS für den Abg. Richter zu bilden. Da aber dieser genaue Kenner der etalsrechtlichen Subtilitäten die Lust verloren hat, sich mit der alten Lebhaftigkeit an den Arbeiten der Budget commission zu betheiligen, so mußten auch die Socialocnw- kraten davon absehen, aus den Positionen des Etats Stoff und Nahrung für ihr Agitationsbcdürfniß zu ziehen. Auch Las übrige Besckwcrdemalerial der „Genossen" war in diesem Jahre dürftiger als je. Der planmäßige Kampf, den die Verwaltung deS ReichsheereS gegen die mißbräuchliche An wendung der Gewalt der Vorgesetzten über die Untergebenen führt, hat jedenfalls besten Erfolg gehabt. Von Solvaten- mißbandlungen ist wenig mehr die Rede, nnd wo wirklich eine Ausschreitung stattfindet, da mag es dem Mißhandelten nachgerade Loch rathsamer erscheinen, auf dem geordneten Weg der Beschwerde ihr persönliches Interesse zu wahren, als durch Denunciationen der Socialdemokratie Gelegenheit zu geben, um einzelner Vorkommnisse willen die deutsche Armee in den Augen der Welt berabzusetzen. Nach dem nun bereits in der Commission die Beschwerdepuncte der „Genossen" gründlich geprüft und zu allermeist als unberechtigt nachgewiesen waren, blieb den Herren sür die zweite Plenar- berathung fast nur noch der „Duell-Unfug" übrig, gegen den sie denn auch, unterstützt vom Centrum, mit der ganzen sittlichen Entrüstung zu Felde zogen, die Leuten so wohl ansteht, in deren Reihen nicht selten die Faust Beleidigungen abwäscht. Die Aufklärungen, die der Kriegs Minister über die zur Sprache gebrachten Fälle gab, werden Jedem genügen, der einsieht, daß das Duell im Heere bei gewissen Beleidigungen noch weniger radikal beseitigt werden kann, als in anderen Berufskreisen, und daß die angeordncten Vorbeugungsmaß regeln bereits eine Wirkung ausgeübt haben, die man noch vor kurzer Zeit nicht erwarten zu dürfen glaubte. Die Behauptung deS Abg. Bebel, daß eine geheime CabinetS- ordre des Königs Albert diekaiserlicheCabinetsordrevon 1885 für Sachsen beseitigt habe, hätte von dem militärischen Bevoll mächtigten der sächsischen Negierung nicht gestern erst zurückge- wiesen zu werden gebraucht, wenn diese Behauptung, die s. Z. lang und breit im „Bert. Tagebl." unter Berufung auf eine an gebliche militärische Autorität erörtert worden war, rechtzeitig aus ihren wahren Werth zurückgefübrt worden wäre. An Anregung dazu hat cs nicht gefehlt. Was den Etat selbst anlangt, so bietet er in den großen Ziffern kaum etwas Be- merkcnSwerlhes. Nach Abzug der eigenen Einnahmen von den Ausgaben war für 1900 ein Nettobedars von rund 693 Millionen veranschlagt. Der Jahresabschluß wird aber um etwa 3 Millionen niedriger sein. Für 1901 waren rund 699 Millionen in den Etatsentwurf eingestellt. Davon Hal die Budgetcommission abgcstrichen 726 564 im Etat der fortdauernden, 4,4 Millionen im Etat der ordentlichen und l,5 Millionen an den außerordentlichen einmaligen Ausgaben, zusammen 6,6 Millionen, so daß also der Voranschlag für 1901 in der Hauptsumme noch um einige Hunderttausend Mark niedriger abschließen soll, als der Entwurf für 1900. Es muß aber betont werden, und wir werden durch die Ent schließungen Frankreichs betreffs der Reorganisation der französischen Feldartillerie lebhaft wieder daran erinnert, daß das Bewaffnungs- wie das Befestigungswesen unmöglich einen Stillstand auf allen Gebieten gestattet. Die nächsten Jahre dürsten in dieser Hinsicht manche neue Aufgabe reifen, also auch manche neue Anforderung herantreten lassen. Die Nachricht, daß der Kaiser im Einvernehmen mit dem Prinzregenten Luitpold und den Königen von Sachsen und Württemberg bestimmt habe, beim Lst- afintischcn (§xpc-itionScorpS die Hoheitsabzeichen der Einzelstaaten durch die des Reiches zu ersetzen uno ieu neuen Bedarf au KleidunzS- und Ausrüstung-, stücken einheitlich zu gestalten, hat das Organ der bayerische» C e n t r u m s p a r t e i in die tiefste Bckümmerniß versetzt. „So sinkt Eins ums Andere dahin", ruft cS aus, „bis nichts mehr übrig ist, als der Einheits staat", worauf der Ausdruck des Wunsches folgt, die Bundesstaaten möchten doch möglichst rasch im Reiche aufgehen, da ja doch nichts mehr helfe. — Wie wenig eine militärische Anordnung der gedachten Art als Auf gehen der Bundesstaaten im Reiche anzusprechen ist, bedarf für keinen vorurtheilslos urtheilendeu Politiker langer Erörterungen. Gerade in Ostasien, wo der Interessen gegensatz zwischen den Großmächten Reibungen genug hervor ruft, ist es überaus wünschenswerth, daß die Geschlossenheit der deutschen Macht auch innerlich in möglichst sinnfälliger Form in die Erscheinung tritt. Wenn dergleichen für eine Vernichtung der Bundesstaaten ausgegeben wird, so ist das nur durch das Bedürfniß nach Verhetzung der Massen ver mittels unlauterer Speculation auf den ParticulariSmus zu erklären. Die britisch-indische Regierung rückt den längst er kannten Schäden in der Kriegsbereitschaft jetzt mit Energie zu Leibe und ist eifrigst darauf bedacht, wenigstens die allergröbslen abzuschaffeu. Die Neubewaffnung der Infanterie ist bis auf einen kleinen Rest vollständig durch geführt und damit ist die Schlagfertigkeit der indischen Armee, die nunmehr nur noch ein einziges Gewehrmodell an Stelle der früheren drei besitzt, ganz erheblich erhöht. Es wird im Anschluß hieran übrigens mteressiren, daß die Polizei in verschiedenen Grenzdistricten AssamS und Birmas mit Mausergewehren, die in Afrika erobert wurden, bewaffnet wird. Trotz dieser gewaltigen Ausgaben bat e» die indische Regierung noch ermöglicht, einen Zuschuß von 500 000 Rupien (circa 650 000 Mark) zum Bau der äußerst wichtigen strategischen Bahn Kbusalgarh—Kohat—Tball zu leisten. Nach Vollendung dieser Bahn, welche von Khusal- garh am Indus auSgeht und am Fuße der Afridiberge endigt und virecten Anschluß an das große Bahnnetz der North- West-Railway hat, wird es möglich sein, Truppen in zwei parallelen Linien an die afghanische Grenze zu werfen, um einem von Kabul aus operirenden Fernde, der durch den Kbyberpaß und das Tochi-Thal zu deployiren beabsichtigt, den Weg zu verlegen. Gerade in Bezug auf da- Tochi-Tbal wird sich diese Bahn als von ganz besonderem Werthe erweisen. Von verschiedenen Seiten ist die Forderung gestellt worden, daß die Zahl der britischen, iu Indien zeit weilig garnisonirenden Truppen permanent um 10 000 Mann vermindert werden solle. Es ist jedoch zu erwarten, daß Lord Curzon darauf nicht eingehen wird. Die Lectionen deS Afridi-FeldzugeS des Jahres 1897/1898 sind noch nicht vergessen; damals hatte man nur mit schlecht be waffneten, undiSciplinirten, wenn auch tapferen VolkSstämmrn, die überdies keine Artillerie besaßen, zu kämpfen, und trotzdem mußte eine Macht von 60 000 britischen und Sapoytruppen mobil gemacht werden. Im Falle (iner ernsthaften Ver wickelung mit Rußland müßte man die britische Garnison Indiens zum Mindesten auf das Doppelte erhöhen. Es wäre unter diesen Umständen geradezu eine selbstmörderische Politik, wollte man diesem Rathe folgen, und gerade zur Zeit, wo die indische Regierung bestrebt ist, mit dem alten militärischen Schlendrian aufzuräumen, die Schlagfähigkeit deS indischen Heeres auf andere Weise herabmindern. Deutsches Reich. L. 0. Berlin, 26. Februar. Von den Ergebnissen der Volkszählung vom 1. December 1900 tragen wir auS der Darstellung, welche demnächst in den „Vierteljahr heften zur Statistik deS deutschen Reichs" erscheinen wird, noch Folgendes nach: Vergegenwärtigt man sich die Ergebnisse aller seil Bestand deS deutschen Reichs veranstalteten Volks- zählungen, wonach gezahlt wurden: Zuwachs von Jahrfünft Einwohner zu Jahrfünft absolut v. H. am 1. December 1871: 41 058 792 — - 1. - 1875: 42 727 360 1668 568 4.06 - 1. 1880: 45 234 061 2 506 701 5,87 - 1. - 1885: 46 855 704 1 621 643 3,59 . 1. 1890: 49428470 2 572 766 5,49 - 2. - 1895: 52 279 901 2 851 431 5,77 - 1. - 1900: 56 345 014 4 065113 7,78 so findet man. daß die höchste Zuwachsrate auf das letzte Jahrfünft 1895 bis 1900, die geringste auf das Jahrfünft 1880 bis 1885 entfällt. Die Verschiedenheit deS WachsthumS in den einzelnen ZählungSperioden beruht theilS auf der un gleichen Höhe des Geburtenüberschusses über die Sterbefälle, tbeils auf der verschiedenen Stärke der Auswanderung. Im Ganzen hat die Einwohnerzahl deS Reiches sich seit 1871 um 15 286 222, bei Ausschluß Helgolands um 15 283 997, also um 37,22 vom Hundert ver mehrt. Verglichen mit noch frühern ZählungSergebuissen, ist FerrrHrtsn. Die Landstreicherin. Aberbayrrische Erzählung von Anton Frhr. v. ,Perfall. Nachdruck rerdolen. Capitel III. Der Lawiner war Reisjäger im königlichen Revier. Er hatte die Berechtigung, Raubzeug abzuschießen, dann und wann mit Erlaubniß des Jagdverwaltrrs, des Försters, ein Stück Wild ooer eine Gams, als Gegenleistuna war er zum Jagdschutz ver pflichtet. Die Vergünstigung der Reisjägerei wurde an zwei Kategorien der ländlichen Bevölkerung verliehen. An die Großbauern mit ausschlagenden Stimmen im Ge meinderath im Fall einer Verpachtung oder irgend einer anderen jagdlichen Frage, oder an die „Kritischen", in deren Adern das Wikoererblut sich gar nicht geben wollte, an Männer von sonst unantastbarem Rufe, die aber in diesem Puncte anrüchig waren, «infach, um ihrer nie ausrottbaren Leidenschaft ein Be- thätigungsfeld zu geben, sic ungefährlich zu machen. Der Lawiner gehörte zu beiden Kategorien. Er hatte eine gewichtige Stimme im Rath und soll kein Guter gewesen sein auf der Wildbcchn als Junger, die Wilderei lag früher sozusagen auf dem Hause. Doch er war schon seit Jahren behäbig geworden und machte keinen Gebrauch mehr von seinem Recht, ja, seinem Buben, dem Ambros, in dem sich auch einmal das alte Blut rührte, ver bot er geradezu den Rcvierbegang. Die Zeiten seien endgiltig herum, der Bauer habe jetzt genug mit seinem Fortkommen zu kämpfen und keine Zeit mehr für die Jägerei. Um so mehr fiel es auf, ihn eines Morgens mit der Büchse auf der Schulter durch den fußhohen Schnee dem Berge zu schreiten zu sehen. Der Schluß war rasch fertig: die „Zigeune rische", die er gestern als Dirne ausgenommen. Wie ein Lauffeuer hatte sich das Gerücht von dem Ereigniß auf der Sölden, verschiedenartig aufgeputzt, im ganzen Thale verbreitet. „Das wenn ein gut thät, wär' ja all's verkehrt auf der Welt." Es war ihm selber nicht wohl bei der Geschicht", d'rum ging er mit der Büchs auf den Berg, unterdeß wird wohl d' Bärbl das Haus reinigen. „Die Bärbl und a fremd's Frau'nzimmer im Hau«, dann fallt d' Welt ein." Der Lawiner ging erst planlos, den Kopf gebeugt, die Arme nach rückwärts über sen Büchsenkolben gelegt. Was war denn eigentlich g'scheh'n seit gestern so b'sonderes? — Daß er ein arm's Weib mit ihr'm Kind in sein'm Haus auf- g'nomma, Arbeit geb'n hat? Hm! Es sind schon viel arme Weiber auf den Lawinerhof komma, — aber — aber keine, die sein Sohn Tags zuvor aus 'n Schnee 'rausgrab'n hat. — Das is do was anders! — Also weg'n oem Ambros hat s' auf- g'nomma? — Weg'n dem Ambros? Er? Er laßt sich von sein'm Sohn a Dirn' ins Haus bringa? Liiag' Di' do' net so an, La winer! — Sie selb'r hat Dir 's anthan, — ihr G'schau. — Scham' Di' mit Deine grau'n Haar. — Aber dem Bärbl hat sie's ja a anthan. Also handelt sich's um ganz was Anderes, — gar net um das, was er so fürcht'. — Aber sie hat's ja selb'r verzählt gestern bei der Lamp'n, kein Viech war ihr z' wild, kein Löw', kein Bär, kein Wolf, alle san's um sie herumg'leg'n wia die zahm'n Katz'n. Er hat dann g'fragt, wia ma denn das macht? Mit dem Blick hat s' g'antwort', nur mit dem Blick! Dabei hat s' 'hn ang'schaut, daß ihm selb'r war, als mllaßt' er's g'rad' so mach'n wie die Katzen, — als miiaßt' er sich schlag'n, tödt'n lass'» von ihr. Er hatte den Hochwald betreten. Ein krystallisches Flimmern, ein bläuliches Leuchten ringsum, und das Sonnenlicht zeichnen feuriges Gezitter auf dem Schnee, ließ die Stämme der Fichten wie Feuersäulen erglühen. Feierliche Ruhe, die nicht einmal die Empfindung des Pflanzenlebens störte, dieses leise Knistern und Fühlen des sommerlichen Waldes. Der Lawiner war schon lange nicht mehr in den Wald ge kommen, die Zimmerluft hatte ihn ganz weich gemacht. Jetzt blieb ec stehen, dehnte weit die Arme'im wonnigen Kraftgefühl. So an Narr, bei der Bärbl daheim sitz'n blieb'n den ganz'» Wint'r, da muaß ma sich ja selb'r alt vorkomma. — Er und alt? Mit jedem Jungen nimmt er's auf, wrnn'S darauf ankommt'. Er stampfte durch den Schnee bergauf und freute sich, je höher er wurde, bis über die Knie, keinen Schnaufer mehr machte er deshalb. Wildpretfäbrten kreuzten sich, ganz neu — das Jägerblut rübrte sich. Er folgte ibnen. sorgfältig pürschend. Sie führten ihn zu einem schmalen Schlag. Ein ganzes Ruder stand darauf und wärmte sich in der Sonne, ein starker Zehner hirsch, Ztvei schwächere und Mutterwild. Dem Lawiner schlug das Herz vor Freude! Das war ein mal gewiß nicht alt, wie vor dreißig Jahren, als er den ersten heimlichen Pürschgang machte, gerade so frisch. — Wenn jetzt ein Schmalstück dabei wär'. — Er hatte noch eins gut vom Förster aus für dieses Jahr. Er ging ja keinen Schritt darum bis heul', und jetzt hätt' er, weiß Gott, was darum gegeben. Noch einmal musterte er die Schaar, irren durfte er sich nicht. Der Förster war streng und gewissenhaft, da trat noch eines aus dem Holz — die Hand zitterte ihm — kein Kalb folgte, — ein Schmalstück'l, gerade wie er's brauchte. — Büchs an die Wang'! Jetzt stand es still. Ein Knall, vom Schnee ringsum gedänmpft. Das Stück hob sich vorn; dann schlug es einen Haken und ver schwand mit hohen Fluchten in den Hochwald. — Der Lawiner sprang athemlos auf die Fährte. Rothe Tropfen leuchteten im Schnee. Getroffen war's. „Da wird s' schau'n. glei' den ersten Tag." Er nannte sich selbst keinen Namen und eilte vorwärts, der Fährte nach. Zuerst zog sie durch den Hochwald. Die rothen Tropfen ließen nicht aus, mehrten sich eher. Er folgte ihnen tief gebeugt, mit gierigen Augen, wie ein Raubthier; dann führten sie in eine Dickung. Er mußte durch Schneelabyrinthe kriegen, herauf, bergab. Die dürren Gerten der Büsche peitschten sein Gesicht. Er achtete nicht darauf, das heiße Verlangen nach der Beute wuchs in ihm. Er wußte gar nicht mehr, wo er war, so äffte ihn die Fährte. Das kranke Stück, welches er selbst immer wieder auftrieb, kam sichtlich nicht mehr vorwärts, breite rothe Flecke zeigten die Stellen, an denen es anhielt, sie mehrten sich in immer kleineren Zwischenräumen. Der Lawiner kannte sich aus und mäßigte seine Eile. Richtig, da stand es an einen Baum gelehnt und blickte hilflos zurück auf seinen Verfolger. Der Lawiner gab ihm den Fangschuß. Als es stürzte, stieß er einen gellen Juchschrei aus, — jetzt schämte er sich, das that doch nur ein ganz grüner Bursch', — dann aber sprang er zu dem gefällten Stück und knickte es. Ein warmer Blutstrom rieselte ihm zwischen die Finger. „Da wird s' schauen!" Schon wieder der Gedanke! Die Bärbl? Zum Lachen, die Bärbl! Was kümmert sich denn die um so was; aber die Andere, die Marion, die ging wohl selbst am liebsten mit. Er sah sie deutlich vor sich stehen, das röche Tuch im Haar. „Die ganze Jagerei is nix, wenn ma' Niemand hak daheim, den 's a Freud' macht, wenn ma' was mitbringt. — Das hat's ihm auch verleid't, die Jagd; — aber jetzt!" Er versuchte das Stück auf die Achsel zu schwingen, früher war's ihm ein Leichtes, aber jetzt ging's nicht mehr, obwohl er sich anstrengte, daß ihm das Blut aus der Nase floß. In diesem Augenblicke vernahm er Axthiebe, gar nicht weit, Holzer waren in der Nähe. „Hub!" rief der Lawiner, daß es durch den Wald, hallte. „Hub!" die Antwort. Der Lawiner machte sich daran, das Stück aufzubrechen, unterdeß wird der Bursch' wohl kommen. „Da schau', der Lawiner!" ertönte plötzlich eine Stimm« neben ihm, Der Lawiner fuhr ganz erschreckt auf, seine Stirn zog sich in Falten. „Was führt denn Di' daher, Cigarrentoni?" fragte er un wirsch. „Mi? Die Arbet! Und Di', wenn ma' frag'n darf?" er widerte der Toni lauernd. „Was i weiß, hast' scho' lang' kein Büchs mehr ang'riihrt. Wird Dir halt' d' Bärbl kein Ruah lass'n hab'n." „Is sonst Keiner in der Näh', zum 'runterbringa?" fragte dec Lawiner. „I möcht' Di' net wied'r an's Wildprett g'wohna", setzte er hämisch dazu, auf die fragliche Vergangenheit Toni's anspielend. „Meinst? No, — i reih' mi' grad net d'rum. Dee Ambros wird eh' glei' komma." Da gab es dem Lawiner einen Stich. „Der Ambros? Ja, wia kummt denn der Ambros —?" „Wir arbet'n halt' z'samm' unt'n auf'n groß'n Schlag, schau. — A net der Recht', der Ambros? Da kimmt er scho'." Ambros trat heran. Der Anblick des Vaters vor dem er legten Stück verschlug ihm die Sprache. Er war wach der schlafe losen Nacht noch so erfüllt von einen Gedanken, daß er rasch die Beziehung fand zwischen dem plötzlich wieder erwachten Jagdtrieb und — Marion. Der Lawiner wünscht« in seinem Innern alle Beide zum Teufel. Wie er sich die Heimkehr schön ausgemalt hat und nun — der Toni war ihm schon lange in der Seel zuwider, der falsche Tiroler, vor dem er den Förster schon lange gewarnt hat. Der Ambros aber war ihm in diesem Augenblicke erst recht unbequem. Warum starrte er ihn denn so an, was war so besonderes daran, daß er auf die Jagd gegangen, ein Stück geschossen? Als der Junge aber sich in den Schnee kniete, mit einem Ruck ohne fremde Hilfe das Stück auf seine breite Schulter lud, da war es ganz aus. „Hab' i' Dir was «'schafft? Wenn Du Di' nur von der Arbet druck'» kannst. Der Cigarrentoni geht mit, laß Di' net aufhalt'n." Ambros ließ das Stück auf den Boden gleiten. „I hätt' mi' net z' lang verhalt'» daheim. Hätst' Di' net kümmern dürf'n, Vater —" „Greif' an, Toni!" befahl dieser, ohne auf den Sohn weiter zu achten. Der Cigarrentoni ergriff das Stück bei den Hinterläufen und schleifte es im Schnee bergab, gefolgt von dem Lawiner, der keinen Blick mehr zurückwarf auf Ambros. — Marion war glücklich in ihrem neuen Heim. Eine warme Stube, ein gutes Bett, kräftige Kost für die kleine Biela. Das war der Himmel nach sorgenvollen Monaten. Sie war fest, ent«
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