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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.02.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-02-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010225023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901022502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901022502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-02
- Tag1901-02-25
- Monat1901-02
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Bezugs-Preis In der Hauptexpedition oder den im Stadt bezirk und den Bororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich4 50, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Hau- ^l K.SO. Durch die Post bezogen für Deutschland u. Oesterreich: vierteljährl. 6. Man abonnirt ferner mit entsprechendem Postausschlag bei den Postanstaltcn in der Schweiz, Italien, Belgien, Holland, Luxem burg, Dänemark, Schweden und Norwegen, Rußland, den Donaustaaten, der Europäischen Türkei, Egypten. Für alle übrigen Staaten ist der Bezug nur unter Kreuzband durch die Expedition dieses Blattes möglich. Die Morgen-Ausgabe erscheint um '/,7 Uhr, l die Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr./ Redaktion nnd Expedition: Zsohannisgasse 8. Filialen: Alfred Hahn vorm. O. Klemm's Sortim. Universitätsstraße 3 (Paulinum), Louis Lösche, Katharinenstr. 14, pari, und Königsvlatz 7. M. Abend-AnsgaVe. MpWcrTagMalt Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Nattjes und Nalizei-Ämtes der Stadt Leipzig.. Montag den 25. Februar 1901. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 2S H. Reclameu unter dem Redactioussttüh (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach richten («gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Extra Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung ./< 70.—. Ännahmeschluk für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen uud Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Tie Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 95. Jahrgang. Die Wirren in China. Der Kabelcorrespondenz wird von Peking unter dem 22. Februar gemeldet: Graf WalSersee hat mit seiner energischen Maßregel, mag sie wirklich nur ein Schreckschuß gewesen sein oder nicht, eineu glänzenden Erfolg gebabt. Die geplante Expedition nach Singan-fu bat er officiell aufgegeben, weil die chinesische Regierung sich bereit erklärt bat, die Bedingungen der Vertreter derverbündeten Großmächte in vollstem Umfange zu erfüllen, und daS ist alles, was zu wünschen übrig war. WaS auch immer gesagt werden mag, und was auch immer die principicllen Gegner eines den Umständen entsprechenden ehrlichen und rücksichtslosen Vorgehens gegen die chinesischen Machenschaften vorzubriugen haben, so bat doch der deutsche Feld marschall mit seinem knappen militärischen Befehl, die Jntriguen der chinesischen Machthaber durch einen bewaffneten Schachzuz zu Schanden zu bringen, in allerkürzester Frist gerade das erzielt, waS die diplomatischen Verhandlungen der letzten Wochen sich vergebens bemühten, berbeizuführen. Man gralulirt hier, gern oder ungern, Deutschland in seinem Vertreter, dem Feldmarsckall, allseitig zu dem langersehnten Erfolg, zumal bereits gemeldet wird, daß die beiden Hauptübeltbater Tuan und Tschuang in der Nähe von Singan-fu flüchtender Weise von kaiserlichen Soldaten ergriffen wurden und angeblich ihrer Bestrafung jetzt entgegensehen. Sir Robert Hart'S Protest. Die römisch-officiöse „Agenzia Stefan»" veröffentlicht Folgendes: Hinsichtlich der Besetzung von Grund stücken, die srüher der chinesischen Zollver waltung gehörten, zum Zwecke der Unterbringung der Gesandtschaften sind folgende Einzelheiten bekannt: Im November wurde beschlossen, um Gebäude für den Sitz der Gesandtschaften zu beschaffen, auch durch Italien zusammen mit den anderen Mächten einen Streifen des Landes, das zur Zeit der chinesischen Zollverwaltung gehört, auf dem Wege der Compensation zu besetzen. Ausgeschlossen sollte ein Robert Hart persönlich gehörendes Stück Land sein. Infolge eines Abkommens besetzten die Gesandtschaften Deutsch lands, Oesterreich-Ungarns und Italiens Terrains der Zoll verwaltung, während die russische, die amerikanische und die belgische Gesandtschaft Räumlichkeiten anderer Regierungs gebäude besetzten. Deutschland beginnt bereits auf dem von ihm besetzten Streifen Land zu bauen. Hart widersetzte sich diesen Besetzungen nicht, er verlangte nur eine Compen- sation, die ihm sofort zugestanden wurde. Ter italienische Gesandte Salvago Raggi vergewisserte sich bei dem englischen Gesandten Satow, daß das zum Schutze des italienischen GesandtschastSgebäudes benötkigte Terrain nicht Hart, sondern der chinesischen Zollverwaltung gehörte. Verlustliste Rr. S. Abkürzungen: T. --- Todt. L. v. — Leicht verwundet, fr. --- früher. A. H. — Amtshauptmannschaft. Gmde. — Gemeinde. Kr. — Kreis. Landw. B. ----- Landwehrbezirk. Laz. ----- Lazaret. Oberamt. ----- OberamlSbezirk. St. — Stadt. Die fehlenden Angaben über Zeit und Ort des Todes sowie der Todesursache werden den Angehörigen sofort nach Eingang weiterer Nachrichten mitgethcilt werden. Gefecht bei Li-nau-tsang am 7. No vember 1900. OstasiatischeS Reiter-Regiment. 4. ES- cadron. 1) Gefreiter Karl Hoellein, aus Dreißizacker, Kr. Meiningen, Meiningen; fr. Dragoner-Regiment, Frhr. v. Manteuffel, 5. ESe., L. v. Gewehrschuß in r. Arm. Garnis.-Laz. I in Tientsin. Außerdem gestorben bezw. verwundet. 3. OstasiatischeS Infanterie-Regiment. 4. Com pagnie. 2) Musk. Hermann Schul; II, aus Neu-Kösternitz, Kreis Schlawe; fr. Inf.-N. 49, 2. Comp., T. 18. l l. 00. Garnis.-Laz. II, Tientsin, Typbuö und Lungenentzündung. 5. OstasiatischeS Infanterie-Regiment. 2. Compagnie 3) Musketier Hermann Brandenburg I, aus Karlow, Ki. Saatzig; fr. Landw. B. Stargard, T. 20. 1l. 00. Garnis.-Laz. II Tientsin, Unterleibstyphus und Lungenent zündung. Stab des 2. Bataillons. 4) Trainsolk. Adolf BcdnarSki, auS Mörken, Kr. Osterode; fr. Landw B. II Bochum, T. 5. Compagnie 5) Gefrt. Hermann GlcSke, auS Waitzena», Kr. Strasburg; fr. Landw. B. Gelsen kirchen, T. OstasiatischeS Reiter-Regiment. 2. EScadron. 6) Reiter Gottfried Eiscnmann, aus Weidenhof, Gmde. Tirckenkirnberg, Obcramt. Welzheim, Württemberg; fr. Württ- Ulan.-R. König Kart, 2. Esc., T. OstasiatischeS Feldartillerie-Regiment. 2. Batterie. 7) Unteroff. Gustav Berndt, aus Sietenbollentien, Kr. Demmin; fr. Felkart.-R. 17, 3. Batt., L. v. 4. 11. 00 durch Explosion einer Mine bei Pei-wn-tsun. Feldlaz. II, Peking. Ostasiatische Mnnitions- Colonnen-Abtbeilung. Artillerie-Munitions-Colonne 1. 8)Kanon.Paul Roeder, anSPold itz, A.H.Döbeln,Sacksen; fr. sächs. Feldart.-N. 32, 3. Batt., T. Artillerie-Munitions- Colonne 2. 9) Kanonier Kurt Ortmann, aus Erfurt, St. Erfurt; sr. Landw.-B. Erfurt, T. Feldhaubitz-Munitions- Colonne. 10) Kanonier Heinrich Eisele, aus Oberstraß, Schweiz; fr. württ. Feldart.-N. 49, 1. B., T. — Be richtigungen. Zu Verlustliste Nr. 6. 3. OstasiatischeS Infanterie-Regiment. 5. Comp. 16) Die Todesnachricht, seinerzeit infolge unrichtiger Angabe deS früheren Truppentheils im Telegramm auf den Musketier Armin Sckulz bezogen, betrifft den Musketier Hermann Schulz II. (Verlustliste Nr. 9, 2.) Ost asiatisches Pionier-Bataillon. 1. und 2. Compagnie. 37) Pionier Karl Tbielebein. Lies Kreis Helmstedt, nicht Kelmstett. Zu Verlustliste Nr. 7. 5. OstasiatischeS In fanterie-Regiment. 2. Compagnie. 21) Tie Todesnachricht, seinerzeit infolge unrichtiger Angabe dcS Dienstgrades im Telegramm auf den Musketier Emil Brandenburg bezogen, betrifft den Musketier Hermann Brandenburg I. (Verlust liste Nr. 9, 3.) Der Krieg in Südafrika. Te Wct. -C. Die wilde Jagd hinter Christian De Wet mit seinen 3500 zum Aeußersten entschlossenen Burghers nimmt ihren Fortgang. Heute liegen darüber die folgenden leider wieder nicht mit einander in Einklang zu bringende Meldungen vor: k. London, 25. Februar. tPrivattelegr amm.) Anstsapstavtwird«nterm 24.Februar gcmcldet: Tc Wet schlug nach einem zweistündigen vlcsccht die Brigade Plumer bei Tlssclsontcin, westlich von Hoprtowu, zurück und überschritt Sen Lranjeriver, indem er dabei zwei Kanone» ausgab. Tic Engländer und Sie Bocren hatten starke Verluste. * Kapstadt, 24. Februar. („Reuter's Bureau") Oberst Plumer verwickelte gestern De Wet in ein Gefecht bei Dissel- fontein» am Südufer des Oranje-Flusses, nahm eine Kanone, rin Ponipomgeschütz und einige Wagen und machte 50 Ge fangene. Die Boeren zerstreuen sich; Plumer fetzt die Verfolgung fort. De Wet soll in einem Boote mit einer Handvoll Leuten über den Fluß entkommen sein. * London, 25 Februar. (Telegramm.) Lord Kitchener telegraphirt aus Middelburg unter dem 24. Februar: Plumer berichtet: Oberst Owen hat gestern von De Wet einen F unf- zehnpfünder, ein Pompomgeschütz und einige Wagen erbeutet und 50 Gefangene gemacht. Die Engländer hatten keine Verluste. Der Feind zerstreut sich in vollem Rückzüge und wird heftig verfolgt. De Wet'S Einfall in die Colonie ist augenscheinlich vollständig fehlgeschlagen. Wägt man alle drei Nachrichten vorsichtig ab, so scheint sich zu ergeben, daß De Wct abermals entwischt ist, daß er aber doch vom Feind hart verfolgt und stark bedrängt wird. Immerhin kann man noch nicht sagen, daß er sich auf der — Flucht, im eigentlichen Sinne des Wortes, befindet und daß sein Einfall in die Capcolonie völlig gescheitert ist. Wer kann behaupten, daß es überhaupt in seiner Absicht lag, nördlich von Capstadt mit Hertzog und den anderen Boerenführern zusammenzutreffen'? Ebenso viel Wahrscheinlichkeit hat die Annahme für sich, daß sein Plan der ist, zu den bereits zahlreich vorhandenen Kriegsschauplätzen noch einen weiteren binzuzufügen und die englischen Streitkräfte über immer größere Gebiete aus einanderzuziehen. Es fragt sich auch noch sehr, ob Plumer bei Disselsontein das ganze De Wet'sche Corps engagirt bat und nicht vielleicht bloS eine Abtheilung desselben, denn vor wenigen Tagen erst meldete eine Depesche des „Daily Telegr.", die Boeren hätten sich bei Strydenburg getheilt, die eine Hälfte sei nördlich gegen Hopetown, die andere nordwestlich gezogen, um bei Leeuwberg die Straße Hopetown- Griquatown und Vic Neadsdrift zu erreichen. Bei Neadsdrift sollen ja auch bereitSZusammenstöße stattgefunden haben und es hieß, dort würden De Wet und Fromann von General Knox bedrängt. Man hat darüber nichts weiter gehört, weshalb eS wohl möglich ist, daß der Uebergang der einen Abtheilung bei Neadsdrift bereits gelungen ist. Vielleicht ist De Wet dort schon über den Oranje fluß hinübergrlangt, während bei Disselsontein ein anderer Commandanl das Gefecht mit Plumer gehabt hat Ob De Wet in West-Griqualand die Vereinigung mit Hertzog und Kritzinger anstrebt, ist ungewiß. Die Nachricht über Be wegungen der Letzteren in nördlicher Richtung lauten zu unbestimmt. Die Meldung des obscuren „Weekly Despatch", nach der LoniS Botha, der boerische Gencral-Commandirende, der bekanntlich im öst lichen Transvaal operirt, völlig umzingelt, seine Capitulation angeboten habe, ist wohl Niemand glaubhaft erschienen. Die Reutertelegramme und die amtlichen Depeschen wissen nichts davon. Uns wird berichtet: * Pretoria, 24. Februar. („Reuter's Bureau.") Ueber die Be wegungen des Generals French sind keine weiterenMeldungen eingetroffen. Seit einer Woche sind strömende Regengüsse nieder- gegangen. Die Flüsse, die infolgedessen ausgetreten «sind, hindern einen raschen Fortschritt. * Pretoria, 25. Februar. (Telegramm.) Lord Kitchener meldet Weiler aus Middelburg: General French berichtet aus Piet Retief unter dem 22. Februar: Das Ergebnis! der Be wegungen der das Land säubernden Colonnen ist. Laß die Boeren zersplittert in ungeordneten Trupps zurückgehen und etwa 5000 Mann vor der britischen Front stehen Amsterdam und Piet Retief sind besetzt. Die Truppen schilpen die Grenze dcsSwazilandes. General French wird weiter Vorgehen, er wird aber durch ständige Regengüsse sehr ausgehalten. Der Gesammtverlust des Feindes beträgt bis zum 16. Februar, soweit bekannt ist: 282 Mann sind im Kampfe getödtet und verwundet worden, 56 Kriegsgefangene sind gemacht worden und 183 Mann haben sich ergeben. Erbeutet wurden: ein Fünfzehn pfänder, 462 Gewehre, 160000 Kleingewehrpatronen sammt Pa- tronengürteln, 3500 Pferde, 74 Manlthiere, 3530 Zugochsen, 18 700 Stück Rindvieh, 155 400 Schafe, 1070 Wagen und Karren. Tie Engländer Hutten 5 Ofsiciere und 41 Mann als todt und 4 Ofsiciere und 108 Mann als verwundet zu verzekchnrn. „Actionsunfähig" sind hiernach im Augenblick nicht die Boeren, sondern die Engländer. Bedenklich könnte ihre Lage nur werden, wenn sie vom Swazilande vollständig abgcschnittcu würden. Politische Tagesschau. * Leipzig, 25. Februar. Wenn der König von vnglanS, der heute zum Besuche der Kaiserin Friedrich in Cronbcrg eingetroffen ist, deutsche Blätter liest, so wird rr finden, daß die drastische Vermahnung der „Nordk. Allgem. Ztg.", diesen Besuch nicht zu einem poli tischen Ereigniß zu stempeln und sich „giftiger Angriffe" zu enthalten, das Gegentbeil von dem herbeigcfübrt hat, was sie berbeifübren sollte. Gerade die indirekte Versicherung des osficiösen Organs, der Besuch sei kein politisckes Ereigniß, scheint viele Blätter zu der Vermutbunz gebracht zu haben, daß cs sich doch um ein politisches Ereigniß handle oder daß wenigstens aus dem „Acte brüderlicher Pietät" eine StaatSaclion werden könne, wenn nicht vorgebeugt werde. So glaubt die „Deutsche Wacht" an Kaiser Wilhelm folgende Bitte richten zu sollen: „In den Tagen, da EduardsVII. auf Schloß Friedrichshof weilt, wird das Gespräch sich nicht lediglich um den Zustand nnd das Leiden der Wittwe Kaiser Friedrich's drehen; Englands König braucht hente, wo ihn schwere Sorge erfüllt und das Gottesgericht mit schwarzen Wetterwolken schon am Himmel ausznziehen beginnt, einen Freund, der Worte und Thaten für ihn hat. Die Worte wird er ihm mit Zins und Zinseszins zurückgeben, zu freund lichen Thaten ist England weder seiner undankbaren Natur, noch seiner gegenwärtigen Lage nach fähig — es ist eine Freundschaft, bei der Deutschland allewege der gebende Theil ist. Das deutsche Volk verachtet eine solche Freundschaft: dem Schwachen bietet es gern die Hand, ihm zu helfen, wies edle deutsche Art war: aber einem blutgierigen, treulosen Räubervolke will es nicht durch das Ansehen des deutschen Namens das unrecht erworbene Gut sichern und mehren Helsen. O möge doch des Volkes Stimme zu Kaiser Wilhelm empordringen, sie ist laut genug, daß auch rin Kaiserohc sie vernehmen kann. Möchte er doch in der stillen Einsamkeit des Schlosses im Taunus, im Angesichte der kranken Mutter, wieder zum Sprecher seines Volkes werden und dem englischen Herrscher aus deutschem Boden Worte sagen, aus denen das deutsche Volks empfinden machtvoll herausklingt!" Andere Blätter glauben wenigstens Einsprache gegen einen Besuch König Eduard'S in Berlin erheben zu müssen; so der „ReichSbote", indem er ausführt: „Wir glauben nicht, wie manche Zeitungen gerüchtweise melden daß der König jetzt nach Berlin komnien und hier eine Parade der Feirrllrtsn» 2 Die Landstreicherin. Oberbayerische Erzählung von Anton Frhr. v. ,Perfa 1 l. üiachdrua verboten. „Seedorf? Kann ich bekommen Arbeit in Seedorf?" fragte das Mädchen weiter. „Arbeit? Mitten im Winter? Das wird sich hart machen, mei' Madl!" meinte der Baperl. „Was machst denn nachher für a Arbeit?" mischte sich dec Cigarrentoni ein. „Für Bauernarbeit schaugst D' grad net her. Und a Kind dazua, paßt a net Jed'n." "Das Mädchen schwieg und nickte traurig mit dem Kopfe, die immer noch scheue Kleine an sich pressend. „Wast hast denn fürerst trieb'n?" fragte der Cigarrentoni rücksichtslos weiter, mit mißtrauischem Blicke die Fremde musternd. „Oh, war Alles gut — junger Mann — schöner Wagen, schöne Pferde, ein Löw', ein Bär, zwei Wölf' und seltene Vogel — Alles vom Vater bekommen. Js wohlhabender Mann gewesen, der Vater, aber immer Unglück — viel Unglück mit die Thier — dann is Vater gestorben und Mann und Löw' in einem Jahr. — Hab' ich so lieb gehabt den Löw'!" „Den Löw'?" Der Cigarrentoni lachte. „No und die jungen Mann net a a bisl?" Di« Fremde warf jäh den Kopf auf. „Nein, habe ich nicht." ES flammte jäh auf in ihren dunklen Augen. „Er war nicht gut mit mir und Biela, — er hat getrunken, mich geschlagen. Der Löw' hat ihn todt gebissen. Er Hot es oft gesehen, wie er mich geschlagen, — daS hat ihn bös gemacht — und dann — dann war eS aus. Thiere wurden mir genommen vom Gericht -- ich und Biela saßen auf der Straße —" Alles schwieg, mit offenem Munde die Fremde aasta'-rend, die abenteuerliche Erzählung, das Fremdartige der Ereizn sie beschäftigte vollauf die schlichte, einförmige Phantasie. Ein Frauenzrmmer, das einen Löwen zum guten Freunde hatte, da! war ihnen noch nicht vorgekommen, und Bären und Wölf' nach dazu! Und wie sie das erzählt hat vom Todtbeißen, daß Einem ganz kalt über'» Rücken 'nunterg'lauf'n ist, und jetzt schaut ff wieder drein, als ob s' keine fünfe zähl'n könnt', so liab und guat. Der Cigarrentoni aber trat dicht vor sie hin, sein Hüt'I rückend und den schwarzen Bart sich streichend. „Mei' Frauerk, da wird ff Dir nur halbat pass'« bei dir Küah, wenn Du solche Viecher g'wohnt bist, — grad 'raus, i nehmat Di net, wenn i a Bauer wär'." Er beugte sich dicht zu ihrem Ohre, „als Dirn net." „Aber i nehm' s', und damit hat das G'red a End'." Der Blonde sprech die Worte, der die ganze Zeit über kein Auge von der Fremden verloren. „Ja wohl, i! Schaug nur so, Toni, i nimm' s', der Lawiner." „Du?" Der Cigarrentoni stemmte die Arme in die Seite und sah ihn feindselig an. „Das is ja Dein Vater, der La winer." „Mein Vater wird's mir net weigern, und am End' is das mein Sach'. Magst Frau?" wandte er sich an die Fremde, „g'rad bis D' was bess'res find'st. Soll Dir nix fehl'n beim Lawiner, Dir net und der Klein' net." Die Fremde gab sich keine Mühe, ihre Freude zu verhehlen. „Js Ernst? Wirklich mit Ihnen? Ich und Biela? Oh, wiä will ich arbeiten, Alles, Alles! Oh, ich kann arbeiten, viel ar beiten, aber wenn Vater — Ihr Vater nicht will?" „O, der will scho', kümmere Di' net, Frauerl, der will scho', wenn er Di' sieht, verlaß Di' drauf." Der Cigarrentoni sagte es mit einem höhnischen Blick auf Ambros, welcher diesem das Blut ins Gesicht trieb. „Laß' das mein' Sach' sein, Frau", sagte er, „der red't gar viel, wenn der Tag 'ang is." Dann rüstete er die Lagerstätte in der Ecke, die sonst der Forstgehilfe einnahm, wenn er in der Stube übernachtete. Jeder bot seine Decke an, Jeder wollte dem Schützling was Gutes thun. Die Ermattung kam erst jetzt zur Geltung. Ambros fing noch einen letzten dankbaren Blick auf; dann entschlief die Fremde, das Kind fest im Arm. Sorgfältig jedes Geräusch vermeidend, die harten Stimmen gewaltsam dämpfend, krochen die Männer in das Gelieger, ein« respektvolle Lücke lassend, zwischen der Mutter mit dem Kinde. In der anderen Ecke lag Ambros auf dem Rücken und starrte in die kleine Flamme des Oellämpchens oben auf dem Quer balken, das heute ausnahmsweise brannte. Der Kopf glüht« ihm. DaS war sein erstes Erlebniß. DaS blaffe Gesicht im Schnee, g'rad wie von einer Heiligen unten in der Seedorfer Kirche, aufg'wachs'n bei Löwen und Bären und Wölf'. Und der Löw' hat ihren Mann zerrissen, auS Zorn, weil er sie g'schlag'n hat. Ja, da kann ma' auch zornig werd'n, wenn ma' auch kein Löw' iS. Das begriff er ganz gut. Er sah den Mann verbluten unter der Tatze der Bestie. Ganz recht iS ihm g'scheh'n, wia kann ma' denn so a liab'S Weffn schlag'». WaS der Vater sag'« wird, wenn er sie bringt. „Der will scho', wenn rr die siecht!" Wia er das g'sagt hat, der Toni. Er hat ihn wohl verstanden. Wenn das wär'? Wenn der Vater desweg'n — und was gang's denn ihn an! Will er denn was von der Person? G'fall'n darf s'Einem do'. — Und wrnn's ihm amal gang, wia dem Toni damals auf der Alm, wenn er seh'n müaht. — Aber der hat's ja liab g'häbt, sein Rcserl — und er denkt ja gar net. — Unruhig wälzt er sich auf die andere Seite; <r hob sich etwas, um zu sehen, ob sie schlief. Ein breiter Rücken nahm ihm die Aussicht — der Toni! Aufrecht saß er da, den Kopf in die Hand gestützt, und blickte unverwandt auf die Fremde in der Ecke. Das ärgerte ihn; was hatte der Mensch so zu gaffen. Eben wollte er ihn darum anreden, da ließ sich der Toni schwerfällig zurückfallen und athmet« tief aus. Jetzt hatte Ambros ein wohliges Gefühl, er gedachte ihres dankbaren Blickes, ihres warmen Händedruckes. „Da kannst' lang' wart'n, Toni", flüsterte er vor sich hin. Dann verlangte vie Natur ihr Recht, rr schlief ein. Es war eine unruhige Nacht in der Stube. Ein ständiges Stöhnen, Aufsprechen, Hin- und Herwälzen. — Der alte Baperl schrie einmal laut auf: „Der Löw'! Halt hn auf!" — Nur die Mutier mit dem Kinde rührte sich nicht; der Schein des Oellämpchens übergoß sie mit einer feierlichen Glorie, in mitten der schnarchenden Männer, des alten Gerümpels an den geschwärzten Holzwänden. Zweites Capitel. Das Schneien hatte während der Nacht aufgehört, — ein krystallklarer Wintertag. Auf der Sölden lagen noch kalte, blaue Schatten, während draußen Berg und Thal schon im goldigen Sonnenlichte flimmerten und glänzten. Ambros ließ erst die Schlitten mit ihrer Last voraus als Wegmacher, dann folgte er mit der Fremden und dem Kind«. Die Sache war doch nicht so einfach, wie er sich dieselbe gestern gedacht. Sein Vater, der Lawiner, wie der Hausnam« lautete, wohl von der ständigen Lawinengefahr, unter welcher sein dicht an der Berglehne liegendes Anlvesen seit undenklicher Zeit litt, war Wittwer, ein Mann in den Fünfzig, in voller Rüstigkeit, ein rastloser Arbeiter, der seine Sache in strenger Ordnung hielt, über auch ein eiserner Kopf, mit dem schwer ein Auskommen war, ein Haustyrann. So kam es auch, daß Ambros, der einzige Sohn, als Holzknrcht im Staatsforst arbeitete, anstatt im eigenen Anwesen; doch alle oft erneuten Versuche schlugen fehl, kaum, daß eß «in Knecht «»»halten konnte, der Sohn rrst recht nicht. Der Lawiner sah in ihm nur den künftigen Besitzer seines Grund und Bodens, den er frevelhaft liebte. Das war für ihn so viel als sein Feind, der auf seinen Tod lauerte. Und jetzt kommt er ihm mit einer wildfremden Person und einem Kinde in das Haus, mit einer Ausländerin noch dazu, die mit Bär und Wolf im Lande herumgezogen, und will ihn zwingen, sie als Magd zu dingen? Freilich, wenn er die ganze Geschichte selber mitgemacht hätt', wie sie sich ereignet, wenn er sie geseh'n hätt', im Schnee ver graben, mehr todt als lebendig — er war ja kein Unmensch, der Vater — da fiel ihm plötzlich die Andeutung des Toni rin von gestern Abend. Von der Seit« hatte rr noch nie Gelegenheit ge habt, den Vater anzuschauen — aber der Toni mußte doch etwas Näheres wissen — Herrgott, wenn es das wäre — wenn der Vater selber — dann lieber gieich umkehren — „Paß auf, daß Di' net a der Löw' z'rreißt", hat ihm der Toni höhnisch nachgerufen. Ein banges Gefühl überkam ihn; er blieb stehen; die Frau mit dem Kinde war ohnehin zurückgeblieben in dem Schnee, und mit dem argwöhnischen Nachschauen des Toni war eS auch zu End'. Der Wald schloß sich auf beiden Seiten, und der Schnee füllte jede Lücke. Sie trug jetzt das Kind in dem Quersack und ging dadurch etwas gebeugt. Das Haar fiel ihr unordentlich in das Gesicht, das rothe Tuch war nachlässig gebunden. Sie gefiel ihm gar nicht mehr. So eine Zigeunerische und ein Bauer, zum Lachen. Da braucht rr wahrlich keine Angst zu haben, für den Vater nicht und für sich selber erst recht nicht. „Wie heißt Du denn eigentlich?" begann er in absichtlich barschem Tone. „I muaß Di' do' n«nna könna." „Marion — Herr, — Marion Dotritschau." Der Name gefiel ihm erst recht nicht in seiner Fremdartig» leit. Er rückte daS Hüt'! und kratzte sich hinter dem Ohre. „Der Vater wird fvoili' schau'n, wenn i' Di' daher bring', mit an Kind a no." Da blieb sie stehen, kerzengerade. „Ich will nicht lästig fallen — Herr — o nein —Etwas Feindseliges lag in ihrer ganzen Haltung, und doch zitterte ihre Stimme. „Gehen Sie nur, ich finde den Weg schon alloin —" Ambros ärgerte sich über sich selbst, er war doch ein recht garstiger Mensch. Zuerst renommiren vor Allen, mitnehmen, und nachher so waS sagen! „So war's net g'meint", «ntschuldigte rr sich, „g'wiß net. I muaß ma' g'rad die Sach' a biSl z'recht leg'«. Marion! Werd' Di' steh n lassen mitten im Wald — so was! La wär' i ja schlecht'? wia die wild'n Thier'." —
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