Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.01.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-01-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190001143
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19000114
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19000114
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-01
- Tag1900-01-14
- Monat1900-01
- Jahr1900
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.01.1900
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-Preis k der Hauptexpeditiou oder den im St.Lk« brzirk und den Bororten errichteten A.:'- uaveslrUen ad geh oll: vierteljährlich-/t 4 50, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Haus ./l. 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertel,äl)rlich 6.—. Direkte tägliche ttrruzbandiendung ins Ausland: monatlich ./L 7.50. Tie Morgkn.AuSgabe erscheint um '/x7 Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Redaktion und Expedition: JohanniSgaffc 8. Tie Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filialen: Alfted Hahn vorm. O. Klemm'- Sorttin. Universitätsstraße 3 (Paulinum), Louis Lösche, Katharinenstr. 14, part. und KöuigSplatz 7. KiMgcr,Tageblatt Anzeiger. Amts b kalt des Königlichen Land- «nd Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Polizei-Amtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Prei- die 6 gespaltene Petitzeile 20 Psg. Reclamen unter dem Nedactionssirich s4g» spaltech LO H, vor den Familiennachrichua lt! gespalten, 40 H. Größere Schriften laut unserem Preis- Verzeichnis. Tabellarischer und Zifirrnsap nach höherem Taris. Extra-Beilage«« (gesalzt), nur mit der Mvrgen-Ausgabe, ohne Postbesördrruug LO.—, mit Poftbesörderung 70.—. Annahmeschluß für Äuzrigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 24. Sonntag den 14. Januar 1900. 94. Jahrgang- Aus der Woche. Wir haben dieser Tage einen Aufsatz der „Frankfurter Zeitung" veröffentlicht, in dem sich dieses demokratische Blatt über die „militärische" Ausbildung einer Truppe, wie sie die englischen Ljeomanry genießen, weidlich lustig macht und dem „Drill" wie der Disciplin ohne alle Ironie ihre Verdienste zuerkennt. DaS war eine mindestens ebenso Werkwürdige Erscheinung, wie daS Hersagen deS konstitutionellen Eredos durch die preußischen konservativen im Abgeordnetenhaus?, das Herrn Richter einen BelustigungS- sloff dargebotcn hat.' Eö ist noch gar nicht lange her, daß die „Frankfurter Zeitung" eS in der Gewohnheit hatte, die Ausbildung deS deutschen Soldaten und die ihm beigebrachte Disciplin als ein System der Verdummung, ja der Menschen kind Mannesentwürdigung zu „brandmarken." Die Wandlung des demokratischen HauptorganS wird bei dem süddeutschen Siubennachbar, der aus dem Boerenkriege bekanntlich die Nichtsnutzigkeit der europäisch-festländischen HeereSeinrichtunzen demonstriren möchte, einiges Mißbehagen Hervorrufen. Wenn sich aber im Ernstfälle, d. h. wenn es sich um irgend eine Mehrfordernng für die deutsche Armee handelt, die Beiden finden, dann werden sie sich trotz alledem gleich wieder ver stehen. Dennoch verlohnt es sich, das Bild der vor dem Altar des „Moloch Militarismus" ihre Berbeugunz machenden Demokratie zu siriren. Die nicht mebr geleugnete Abneigung der Negierung, sich in allernächster Zeit über die Beschlagnahme deutscher Schiffe durch die Engländer im Reichstag interpelliren zu lassen, ruft in agrarischen Organen eine Entrüstung hervor, die nicht waschecht ist. Man mag über die Führung der auswärtigen Geschäfte Deutschlands wie immer denken, „im währenden Streit" mit einer fremden Macht muß eine Regierung daS Recht beanspruchen dürfen, zu schweigen, so lange sic dies als zweckmäßig bezeichnet. UcberdieS wird eS eher nach Bieler Geschmack sein, aar nicht aufgeklärt zu werden, als sich etwa vom BundesrcuhStisch erzählen zu lasten, was, Ivie wir gemeldet, in der „Köln. Zig." zn lesen war, daß nämlich die englische Regierung geradezu ungebalten darüber sei, daß ihre Ossiciere in Turban in den Ermittelungen über die Ladung des Dampfers „Vundesrath" so saumselig sind. Beinahe rührend! Hoffentich ist Deutschland rücksichtsvoll genug, die befreundete Regierung nicht in die Zwangslage zu versetzen, ibre Ossiciere in Turban im Interesse der Disciplin der britischen Armee vor ein Kriegsgericht stellen zu müssen, klebrigen» wird man sich vieler Orten vorläufig dabei be ruhigen, daß mau in London Entschädigungen für die an gehaltenen und verschleppten Schiffe zugesagt hat. Amerika ireilich scheint mehr erreicht zu haben, nämlich eine principielle Erklärung über die Zulässigkeit der Zufuhr von Mehl nach Südafrika. Im Reichstage will der Präsident auf seinem Posten bleiben, weil gewöhnlich niebr als zwei Abgeordnete anwesend sind. Man erkennt den Segen akademischer Ueberlieferungen. Ob eS — auch ohne interessante Abgeordnetenbaussitzungen — so bald besser werden wird, steht dahin. Die socialpolitischen Debatten und insbesondere die Erörterungen über die Ans« tubrung der socialpolitischen Gesetze könnten eine Fundgrube wissenswerther und belehrender Einzelheiten bilden — an Erfahrung auf diesem Gebiete fehlt eS im Reichstage wahrlich nicht —, aber die parteigeschäftliche Ausbeutung der Gelegen heit durch die Socialdemokraten verscheucht Abgeordnete, Publicum und, im weiteren Verlaufe, ZeitungSlcser. AuS den Commcntaren, die der „Vorwärts" zu den Sitzungs berichten liefert, merkt man aber, daß auch den Ge nossen das öde Verächtlichmachen des in Deutschland reichlicher als sonstwo den Arbeitern vom Staate Gebotenen za langweilen begonnen hat. Tas „Eentralorgan" quält nch Tag für Tag ab, durch die albernsten Skurrilitäten über die positiv socialpolitisch wirkenden Gegner im Parla mente die Aufmerksamkeit der Leser zn fesseln. Von dem Allerlei der DiScussion haben übrigens zwei Erklärungen der Regierung besonderes Interesse erregt: die Zusage, daß bei der dritten Lesung Material zur Beurtheilung der agrarischen Klagen über die Ausführung des Börsengesetzes beigebracht werken wird, und eine Bemerkung deS Grafen PosadowSky über die richterliche Auslegung deS Gesetzes wider den un lauteren Wettbewerb. Was Letzteres angeht, so muß man ten stenographischen Bericht abwarten. Vorläufig macht es einiges Aufsehen, daß der Staatssekretär des ReickSamtS des Innern gesagt haben soll: „Ich als Richter würde in einem so und so gelagerten Falle nicht so und so erkennen." Einzelstaatliche Minister halten sich von derartigen Aeußerungen fern, auS Scheu, den Schein zu erwecken, daß sie die Judi- catur beeinflussen oder krilisiren möchten. Allerdings hat daS ReichSamt deS Innern keinerlei IustizverwaltungS- competenzen. Aber für dies Amt ist der Reichskanzler ver antwortlich, der — in engem Umfange, aber für die wichtigste Stelle — an Richterernrnnnngen betheiligt ist. Man sagt: l-riucipi» obsta! Gegenüber der Begründung und Besprechung der Inter pellation wegen der Maßregelung von Beamten un preußischen Abgeordnetenhause hält sich die Presse reservirt, weil eS, wie hier schon betont, unverkennbar ist, daß die conservativen Fraktionen nur im Parteiinteresse, weil sie zur Zeit einigen Grund zur Unzufriedenheit haben, die con- flitutionellen Mißstände beleuchtet und kritisirt haben. Man weiß aber sehr wohl, was die konservativen Reden zu be deuten haben und wohin sie gerichtet sind. Strafford war zwar Berather eines König» und wurde hingerichtet und Polignac war dasselbe und wurde zu lebenslänglicher Hast verurtheilt. Aber Jedermann versteht, daß Herr v. Köller die Geister dieser beiden Staatsmänner nicht nur ihretwegen, sondern wegen der Schicksale ihrer königlichen Herren citirt bat. Der conservative Wortführer hat eS ja auch ganz deutlich gemacht, wohin er zielte, indem er zu der Einflußnahme deS Herrn v. d. Recke auf die canal« feindlichen Beamten im Abzeordaetenhause bemerkt«: „Der Minister hätte sagen sollen: Da- mache ich nicht mit, da bitte ich um meinen Abschied." Die Conservativen — darüber waltet kein Zweifel — aber würden so nicht vor« geben, wenn ihnen nicht Manche- zu wünschen übrig Ware. DaS hindert nicht, daß Leute, die zu beobachten Gelegenheit haben, daS Auftreten der Partei für ein — vom konserva tiven Standpunkte — taktisch richtiges ansehen. Der Reichstagsabgeordnete Frhr. v. Heyl, mil dem wir, beiläufig bemerkt, in vielen Punkten nicht übereinstimmen, bat vor einiger Zeit im Reichstage bedauert, daß er „keine Presse habe". Die Klage war nicht völlig unbegründet. DaS erhellt auS der Thatsache, daß von einer Rede, die dieser Politiker kürzlich in WormS auS Anlaß seines 25 jährigen Abgeordnetenjubiläums hielt, in die mittel- und norddeutschen Zeitungen kaum mehr drang als die Feststellung, Herr v. Heyl habe sich nochmals scharf gegen die sogenannte ZuchlhauS- vorlage ausgesprochen. Es versteht sich von selbst, daß diese Presse räumlich weit entfernte Localblätter nicht in Evidenz halten kann. Heute ist eS aber möglich geworden, die Auslassungen des Wormser Redners ausführlicher kennen zu lernen, und wir erachten es als ein Gebot der Billigkeit, einige Bemerkungen ergänzend wiederzugeben. Herr v. Heyl bezeichnete eS — in Uebereinstimmung mit der gesammten nationalliberalen Partei — als nothwendig, die Mißstände der Heimindustrie zu studiren und womöglich durch die Gesetz gebung zu beseitigen, und fügte hinzu: „Dann werden die staatsireuen Arbeiter, die wir heute, Gott fei Dank! in großer Zahl besitzen, auch ferner zu uns halten. Der Zukunstsstaat spukt in den Kopsen von Leuten, die keine rechte philosophijche Bildung haben, die glauben, daß das, was sie sich ausmalen, in der Wirklichkeit sich so entwickeln könnte. Diese Männer sind nicht berufen, die praktische Arbeit zu verrichten; diese wird vielmehr von den Männern geleistet, die die Kämpfe mit dem Leben zu führen haben. Es war ein schöne» Bild, waS wir mit geistigem Auge geschaut haben, als vor wenigen Tagen der mächtigste Mana der Erde, unser deutscher Kaiser, im Zeughaufe in Berliu mit seinen Generalen «nd Ojficiereu vor b*m Altäre niederknirte, als die Fahnen und Standarten unsere- Heere-, die die Ehre der deutschen Armee repräseutiren, neu geschmückt und neu eiogrsrgnet wurden. Wo sich eine derartige Machtstellung mit Frömmigkeit und mit Demuth verbindet, da sind wir sicher, daß auch in Zukunft alle Kämpfe für uns gut verlaufen werden. Ich möchte Sie aber dringend bitten, auch die Machtstellung, die Ehre unseres (Beruf»-) Kreise» ganz mit derselben Demuth und Bescheidenheit auSzuüben und uns klar zu machen, daß wir auch künftig nur mit der aller energischsten und kräftigsten und tüchtigsten Arbeit, die mit Nächsten liebe verbunden ist, siegen können." DaS klingt positiver als eine bloße Polemik gegen daS „Zuchthausgesetz". Die vereinigten Staaten ats Cotoniatmacht. vv. X. Es gewinnt den Anschein, als ob die Bereinigten Staaten sich durch die schweren Opfer an Menschen und Geld, die ihnen die „Pacification" der Philippinen kostet — große Fortschritte hat diese Pacification bis jetzt noch nicht gemacht — nicht abhalten lassen wollten, nach neuen colonialen Erwerbungen auszuschauen. Sie gleichen dem Manne, der einen Bissen im Munde, einen anderen auf der Gabel hat und schon nach dem dritten Dissen lüstern ausschaut. Ganz abgesehen von ihren, wie sie immer hin selbst einsehen, zur Zeit noch unerfüllbaren Plänen in Mittel und Südamerika beabsichtigten sie anscheinend, den dänischen Besitz in Westindien zu erwerben, und sie sollen ferner sich mit dem Plane tragen, die Negerrepublik Liberia an der Küste Westafrikas früher oder später einzustecken, mit der Moti- virung, daß die Bewohner dieser Republik vorwiegend aus frei gelassenen Sklaven der Bereinigten Staaten bestehen. Die Vereinigten Staaten sind also auf dem besten Wege, den selben unersättlichen Colonialhunger zu entwickeln, wie ihre angelsächsischen Vettern, die von dem berühmten französischen Romanschriftsteller Jules Verne sehr zutreffend und geistreich die „Lumpensammler des Oceans" genannt werden. Wenn ein Blatt meint, die Amerikaner könnten sich durch die großen Geld kosten von weiteren Erwerbungen abschrecken lassen — werden doch allein die in Folge des Philippinenkrieges nothwendigen Pensionszahlungen, bei denen die Vereinigten Staaten immer sehr nobel find und bei denen daneben noch erfahrungsmäßig große Schwindeleien unterlaufen, jährlich viele Millionen Dol lars verschlingen —, so verkennt dieses Blatt völlig den National charakter der AankeeS. Als der Secessionskrieg am Beginne der Mer Jahre sich zunächst für die Nordstaaten recht ungünstig anließ, war es der einzige Trost der Aankers, daß sie für ihr Kriegsherr täglich die ungeheure Summe von Millionen Dollars auszugeben hatten. Diese nationale Eigenthümlichkeit des GeldprotzenthumS hat sich seit jener Zeit nur noch verschärft. Der Uankee ist stolz darauf, viel Geld für eine Sache ausgeben zu können. Wie Parvenüs in einem Geschäfte einen Gegenstand nicht der Schönheit wegen, sondern nur um des hohen Preises willen kaufen, so wird für den Banker ein Krieg erst dann interessant, wenn er recht viel Geld kostet. Und da die wirth- schaftliche Krisis in den Vereinigten Staaten sich in den letzten Jahren unzweifelhaft sehr gebessert hat, so kann man es sich ja auch leisten, viel Geld auszugeben. Je mehr Geld der Staat aufbraucht, desto mehr bleibt auch an den Fingern der Aemter- jäger, Armeelieferanten u. s. w. hängen. Diese Leute haben also nur ein Interesse an einer unruhigen und abenteuerlustigen Politik, und gerade sie sind es, die, mag wer immer auch Präsident sein, einen starken Einfluß auf die Regierung besitzen. An der Möglichkeit oder vielmehr an der Gewißheit ge steigerter Geldausgaben braucht also eine abenteuerlustige Politi in Amerika keineswegs zu scheitern. Viel schwieriger ist schon die Beschaffung des erforderlichen Kanonenfutters. Die Amerikaner halten sich für geborene Soldaten, weil sie sich im vorigen Jahr hundert in glorreichem Unabhängigkeitskriege von dem englischen Joche freimachtrn, und weil sie im Secefsionskriege viele Hundert tausend« von Kämpfern aufzustellen vermochten. Die Zeiten haben sich aber geändert und di« Verhältnisse auch. Im Unab hängigkeitskriege waren die Amerikaner vorwiegend ein Farmer volk, das die Büchse jederzeit in der Hand trug und überhaupt ein Leben führte, das die denkbar beste Vorbereitung für einen Krieg war. Sie glichen in Erziehung und Lebensgewohnheiten den Boeren, die gegenwärtig so heldenhaft für ihre Unabhängigkeit kämpfen; auch ihre Führer, Allen voran der edle Washington, besaßen jene urwüchsige Reinheit des Charakters und Einfachheit des Wesens, die heute den Boerenführern eigen ist. Im Se- cessionskriege waren diese Eigenschaften, wenn auch stark ab geblaßt, so doch theilweise noch vorhanden (beispielsweise bei Lincoln und Sherman), und obendrein kämpften die Amerikaner in diesem Kriege, wie im Unabhängigkeitskriege, auf eigenem Boden und um die eigene Existenz. All' dies ist heute anders geworden. Die Vereinigten Staaten ind heute zu einem erheblichen Theile, besonders im Osten, In dustriestaat, und auch in den Ackerbau treibenden Bezirken führt die Bevölkerung nicht mehr zenes einfache und rauhe Kriegs- und Hungerleben, wie zu Washingtons Zeiten. Es handelt sich erner nicht um einen Kampf auf heimischer Erde, sondern in ernen Ländern, und cs gilt schließlich nicht, die eigene Existenz zu vertheidigen, sondern den Ehrgeiz habgieriger und ruhm- üchtiger Politiker zu befriedigen. So stellt sich also nicht, ein n jenen beiden großen Kriegen die körperliche, geistliche und ittliche Elite des Landes dem Staate zur Verfügung, sondern nur brodloses Gesindel oder allenfalls abenteuerlustige Leute, denen dann, wenn sie die Strapazen des Krieges zu erdulden haben, die Sache bald über wird. So fehlt der imperialistischen Politik in Amerika das Wich- igste: ein Volksheer, das mit Gut und Blut für den Ruhm des Vaterlandes einzustehen bereit ist. Noch ist diese Politik außerordentlich populär, aber sie ist dem Volke nicht Herzens- sache, sondern M o d e angelegenheit, oder, wenn man will, ein aufregender Sport. In England ist die coloniale Politik wenigstens auf eine jahrhundertlange Tradition gestützt, in den Vereinigten Staaten ist sie eine Laune. Und deshalb werden die Vereinigten Staaten viel früher noch als England «inen Zu sammenbruch ihrer colonialen Träume erleben. Der Krieg in Südafrika. Eine entscheidende Nachricht ist bi- jetzt nicht eingetroffen; wenn man aber die Lage der Boeren in Folge der Depeschen Buller'S, daß er daS Südufer deS Tugela besetzt halte und sich der Brücke bemächtigt babe, als eine ungünstige ansehen wollte, so wäre dies gewiß nicht richtig, denn, man höre, die Brücke ist gar keine Brücke, sondern nur ein Fährboot. „Reuter'S Bureau" meldet: * Landon, 13. Januar. Der von General Buller vorgestern besetzte Uebergang über den Tugela bei Potgieters Drift ist keine Brücke, sondern «in Fährboot nördlich von Springfield, IS englische Meilen westlich von Eolrnso. Immerhin scheint Buller am großen Tugela zu stehen, von dem auS, wenn er ihn überschritten und die steilen Höhen am Nordufer genommen hat, gerade und fast ebene Wege nach Ladysmith führen. Wie auf dem östlichen, so liegt auch auf dem westlichen Kriegsschauplatz eine Nachricht von Bedeutung nicht vor. Ein Telegramm meldet zwar ziemlich unvermittelt, daß der GesnndbeitSzustand der inZoutpans- drift im Oranje-Freistaat stehenden britischen Truppen gut sei. Bisher sei eS zu keinem Kampf gekommen, doch soll eine feindliche Abtbeilung in unmittelbarer Nähe sein, allein, so lange man britisckerseitS auf die Feinde warten will, bat eS keine Gefahr für die Boeren. Diese ZoutpanSdrift liegt auf dem östlichen Ufer deö FlusscS östlich von Hopetown. Inzwischen sind neue Truppen auS London nach dem Kriegsschauplätze verladen worden. Eö bat dabei nicht an der üblichen Begeisterung gefehlt. „Reuter'S Bureau" telegraphirt darüber: * Loudon, 13. Januar. (Telegramm.) Heute früh 7 Mr gingen 500 Mann von den „City Imperial BolunteerS" von hier nach Südafrika ab. Sie marichirten ein« Strecke von 5 englischen Meilen durch die Straßen zum Bahnhose und waren aus dem ganzen Wege trotz der frühen Stunde der Gegenstand be geisterter Kundgebungen einer dichtgedrängten Volksmenge, die patriotische Lieder sang. Vom Mansion« House auS wurden sie durch den Lord-Mayor und die Mitglieder der Eity-Eorporation begrüßt. Ob die SwasiS, die jetzt in Transvaal eingefallen sind und eine große Anzahl Kaffern getödtet babe», als Bundesgenossen der Engländer auftreten, ist noch die Frage, vorläufig weiß man nicht recht, was man mit diesem Einbruch anfangen soll. Es kann sehr gut möglich sein, daß sich der Bruder de- verstorbenen Königs der SwasiS, der sich zum Herrscher aufgeworfen hat, auf die Seite der bisherigen Sieger schlägt und in ihrem Sinne Vergeltung für den von englischer Seite angestifteten Mord der wehrlosen Boeren und ihrer Frauen übt. Treten die SwasiS auf die Seite der Boeren, fo kalten sie die Kaffern in Schach, wa« für die ersteren von großem Vortheil ist. WaS die Beschlagnahme deutscher Schiffe anbetrifft, so will, wie der englische Gesandte Plumkett in Brüssel der belgischen Regierung mitgetbeilt hat, die englische Re gierung dem belgischen „Rothen Kreuz" für den durch die Beschlagnahme deS deutschen Dampfers »Herzog" erwachsenen Schaden Grldersatz leisten. Hoffentlich erfahren wir nun bald etwas über da» Schicksal der anderen Beschlagnahmen. Nach einem Tele« aramm aus New Jork, 13. Januar, hat die englische Regierung da- beschlagnahmte Mehl entgegen anderweitigen Nachrichten bi» jetzt noch nicht freigegebcn, da sie an dem Standpuncte festhalt, daß Mehl zwar im Allgemeinen keine KriegScontrebande bilde, aber doch dann als solche zu erachten sei, wenn eS zur Versorgung deö feindlichen Heere» dienen solle. In Folge dessen sind die Verhandlungen zwischen Washington und Lonvon noch nicht abgeschlossen. Di« zweite holländische Ambulanz ist am Donner-tag Nacht in Louren;» MarqnrS angrkommen. Ueber die Lage in London in Folge deS Krieges besagt ein Telegramm der „M. Z.": * Loudon, 13. Iauuar. Cs verlautet, wenn das Parla ment zusammenlrete, werde Dille im Unterhaus« bei ver Adrcßvebatte einen Antrag stellen, der daS Bedauern aus drückt, daß die Ratbgeber der Königin die Wahrscheinlichkeit einesKriegeS nickt vorausgeseheu haben, in welchem die britischen Truppen den vereinigten Streitkräften der südafrika nischen Repu blik und de» OranjesreistaateS gegenüberstehen würden, und daß sie, obwohl Insormationsmittel vollauf vor handen waren, die Ausdehnung und die Natur der für den Erfolg der britischen Waffen nothwendigen militärischen Vor bereitungen falsch schätzten. — Die Zeitung „Morninz Post" betont, daß in Folge der Reden Balfour'S vaS Vertrauen deS Reiches zur gegenwärtigen Negierung erschüttert und die Umbildung des EabinetS geboten sei; die Regierung sollte sich für eine gehörige Leitung deS Feldzuges stärken durch Männer wie Rosebery und Sir Edward Grey. Zum Schluß wollen wir eine Zuschrift an die „Nat.- Ztg." wiedcrzeben, die den englischen Soldaten in keinem günstigen Lickte zeigt. Man schreibt diesem Blatte: Die Wochenschrift „South Africa" veröffentlicht in ihrer Nummer vom 6. Januar auf Seile 65 Folgendes: Laut einem Privatbriefe Les Soldaten H. Byers von den ersten NorthumberlanL-Füsilieren, der bei Belmont verwundet wurde gab es dort reichliche Beute nach der Schlacht. — „Hätte ich nur den Hügel hinauskommen können", sagt er, „einer von unserer Compagnie kriegte 50 Pfund und zwei goldene Uhren; einer der verwundeten Boeren hatte 1400 Pfund in Gold und Werthpapirren bei sich; er starb bald nach der Gefangennahme" u. s. w. Würde ein deutscher Soldat bei solchem Beutemachen ge faßt werden, so wäre ihm eine sehr strenge Strafe gewiß. Im englischen Heere sckeiut jedoch das Plündern und Beute machen eine ganz erlaubte Sache zu sein, andernfalls würden sich die Adressaten doch Wohl gescheut haben, durch die Ver öffentlichung deS Briefes den Mann blo^zuftellen. Ein« deutsche Zeitung würde sich auch wohl schämen, einen der artigen Brief der OeffenUichkeit zu übergeben. Ueber die Dum»Dum- und die neuen Berthon« Geschosse der Engländer schreibt in einer kürzlich erschienenen Broschüre der französische Gelehrte vr. Salle Folgendes: Bei Marke 1, der Erfindung des Generals Tweedy, ist der Neusilbermantcl, welcher das Geschoß umgiebt, in der Längsrichtung zu kleinen Streifen auSgefüllt, mir Ausnahme dcö äußersten Enkes, welches, mtact ge blieben, dazu beiträgt, die Streifen deS Mantels an Orr und Stelle zn balten. Erreicht daS Geschoß sein Ziel, so erheben sich die Streifen deS Mantels wie die Fischbeinstäbe eines Regenschirms, den man öffnet, und erzeugen furchtbare Verwundungen. Die Erfindung veS Generals Tweedy ist aber schon überholt worden, und zwar durch das englische Expansiv geschoß Marke 4, welches man gegenwärtig gegen die Boeren versucht und von welchem in den englischen Arsenalen mebr als 200 Millionen angefertigt worben sind. Auf kurze Entfernungen breiten sich diese Geschosse pilzartig auS, zermalmen die Knochen und werfen die inneren Gewebe nach außen heraus. Die AuSzaugSöffaung zeigt eine entsetzliche Masse von zer rissenen, zerstörten, zersetzten Hautslücken, Muskeln uud Blut gefäßen. Trifft das Geschoß einen Knocken fo zermalmt es ibn: der Mantel zerbricht in kleine Stückchen, welche die X-Strahlen in der ganzen Wunde vertheill erkennen lassen Trifft das Berthon-Geschoß aus Fleisch, so öffnet eS sich wie eine Tulpe und reißt vermöge feiner furchtbaren Rotation Fleisch, Muskeln und Knochen mit sich fort. Deutsches Reich. tl Berlin, 13. Januar. DieNovelle zu den Unfall« vcrsicherunzSgesetzen, die dem Reichstage zugegangen ist, nimmt in erner Reihe eine Erweiterung der Ber- sicherungSpflichtigen in Aussicht. Es sollen in den Kreis der Unfallversicherung neu cinbezogen werden: Die hand werksmäßigen Brauereibetriebe, die an Zahl etwa doppelt so groß sind, wie die bisher schon versicherten fabrikmäßigen Brauereien, da- gesammte Schlosser-und Schmiede-, da» Fensterputzer- und da» Fleischergewerbe. Bon letzterem waren bisher lediglich die mit einem Schlachthausbetrieb ver bundenen Fleischereien in der Fleischer-BerusSgenofsriffchast vereinigt. Ferner sind in den Versicherungskreis der Lage re i- bctrieb und der mit einem Handelsgewerbe ver bundene Fuhrwerks-, Lagerung-« oder Holz- fällungSbetrieb, sofern der Inhaber im Handelsregister eingetragen steht, einbezogen. Gewerbebetriebe, welche sich über haupt aufBauarbeiten erstrecken, sollen in ihrem ganzen Um fange der Unfallversicherung unterstellt werten, während bis her nur die Arbeiter in denselben dann versichert waren, wenn sie unmittelbar bei Bauten beschäftigt waren. Welche Gewerbebetriebe außer dem Maurer-, Ziuimrrer« und Tach- deckcrgewcrbe versicherungSpflickkige B auarbei ten vollsühren, soll durch Beschluß de» BunteSraths erklärt werden. Werk meister und Techniker sollen ten BetrieSbeamteu im Sinne des Gesetzes gleichgestellt, also, soweit ihr JahreS- arbeitSverdienst 2000 .ck nicht übersteigt, versicherungs pflichtig werten. Personen, die in Betrieben beschäftigt werden, die aus einem versickerungspflichtigen und einem nicktversiche- rungspflickligen Tbeile bestehe», z. B. in Apotheken, und die bisber nur für die Folgen der versicherung-pflichtigen Arbeit versichert waren, sollen fortan für alle Beschäftigungen, zu denen sie heranzezogen werden, versicherung-pflichtig werden. DeS Weiteren soll die Versicherung sich auf häus liche und andere Dienste erstrecken, zu denen ver sicherte Personen neben der Beschäftigung im Betriebe von ihren Arbeitgebern oder von deren Beauftragten heran gezogen werden. Endlich sollen der Versicherung-Pflicht dir bisber noch nicht unterworfenen Zweige der Seefischrre« und der Kleinbetrieb der Seeschifffahrt mit Segcl- fahrzeugen von nicht mehr al- 50 cdm Bruttoraumgehall unterstellt werden. Eine besonder- einschneidende Aenderung ist insofern geplant, al- der Kreiß der Aufgaben
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite