Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.03.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-03-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010308011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901030801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901030801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-03
- Tag1901-03-08
- Monat1901-03
- Jahr1901
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezug-«Preis dl der Hauptexpedition oder den im Stadt bezirk und den Bororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich ^l 4.50, bet zweimaliger täglicher Zustellung in« .Haus ^l 5.50. Durch di« Post bezogen für Deutschland u. Oesterreich: vierteljährl. ^ll 6. Man abonnirt ferner mit entsprechendem Postaufschlag bet den Postanstalten in der Schweiz, Italien, Belgien, Holland, Luxem burg, Dänemark, Schweden und Norwegen, Rußland, den Donaustaatrn, der Europäischen Türkei, Egypten. Für alle übngen Staate« ist der Bezug nur unter Kreuzband durch die Expedition diese« Blatte« möglich. Die Morgen-An-gabe erscheint nm '/,7 Uhr, di« Abend-Au-gabe Wochentag- nm 5 Uhr. VeLarlion und Expedition: JoharmiSgaffe 8. Filialen: Alfred Hahn vorm. O. Klemm'« Gortim. Unwersitätsstraß« 3 (Paulinum), Loui- Lösche, Latharinenstr. 14, Part, und KSnigSPlatz 7. Morgen-Ausgabe. MipWcr TaMalt Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Nathes und Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. 122. Freitag den 8. März 1901. Anzeigen «Preis die 6 gespaltene Petitzcile 25 H. Reklamen unter dem RedacttonSstrich (4grlpaUen) 75 vor den Familiennoch- richten (6 gespalten) 5V H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend Häher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbcsörderung ./L 60.—, mit Postbesörderung 70.—. ÄnnalMkschlub für Ämeiyen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet« an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 95. Jahrgang. Englische Agrarverhältnisse. Die eigenthümlich« Lage der englischen Landwirthschaft, die eine von der festtänblichen außerordentlich abweichende histo rische Entwickelung der Besitz- und Belrievsoerhättnisse auszu- wei,en Hal, ist seit Langem mit Stecht als lypl>chcs Bespiel dazür angesehen wo^en, was diesem einst auch für trngiand wichtigsten Elweidszweige unter der ausschließlichen Herrschaft des Ge;etzcS von der freien Eoncurrenz deoorfteht. Staatlich fast ohne je-ocn Schutz gelassen, ist sie geographisch in Folge der Lage sämmt- licher englifchen Großstädte, mit Ausnahme von Birmingham, entweder an der See, bezw. an für Seeschiffe zugänglichen Flüssen, oder in unmittelbarer Nähe großer Seehäfen dem aus ländischen Wettbewerb« in der Versorgung mit Nahrungsmitteln weit stärker preisgegeben, als irgend ein anderer europäischer Staat, wo die Beoolterungsccntren und Jndustriebezirke, die für den Absatz landwirthschaftlicher Producte in erster Linie in Be tracht kommen, überall abseits der See gelegen sind. Wird man deshalb bei Betrachtung der Lage der englischen Landwirthschaft naturgemäß auf ein abweichendes Bild der Wirth sch öst lich en Entwickelung gefaßt sein müssen, so eröffnen sich in socialer Hinsicht inleressante Ausblicke, die von dem social demokratischen Idealbild des landwirthschaftlichen EntwickrlungS- ganges erheblich abstechen. Nach beiden Richtungen hin geben uns eine Abhandlung von Max Grabein über die Ergebnisse der eng lischen Agrarenquste in den Jahren 1893—97 und ein Aufsatz von Eduard Berstein in einem unlängst erschienenen Buch „Zur Geschichte und Theorie des Socialismus" erwünschte Aufschlüsse. Die Lage und Aussichten der englischen Landwirthschaft sind trübe. Die Erzcugungslosten für Getreide, insbesondere Weizen und Gerste, übersteigen die Preise der Produkte erheblich, sind also gänzlich unlohnend. Bezüglich der Viehhaltung sind bei gutem Weideland und günstiger Absatzgeleaenheit der Verkauf frischer Milch, die Haltung von Fleischschafen, die Zucht hoch wertiger Pferde, die Schweine- und Geflügelhaltung noch ge winnbringend. Im Allgemeinen aber constatirt die englische Agrarcommission, daß nur bei sehr wenigen Culturen von aus reichender Rentabilität gesprochen werden kann, bei den meisten und vornehmlichsten hingegen der Gewinn fast gleich Null ist, bezw. sich direct in Verlust verwandelt hat. Dieser Niedergang der Rentabilität hat auf dir Grundherren, Pächter und Lohn arbeiter eine gar- verschiedene Wirkung ausgeübt. Für die Grundherren zeigte er sich in starker Verminderung der Pachten, um SO, theilweise sogar 70 Procent in etwa 17 Jahren. Bei sehr großem Besitz und anderweitigen Einnahmen ist dieser Pacht rückgang erträglich gewesen, für mittlere Grundherren schon recht empfindlich, für die kleinen, selbst wirthschaftenden Landeigner vernichtend. Die Lage der Pächter ist in den Grafschaften mit vorherrschendem Kornbau vielfach mißlich, zum Theil unhaltbar, in den Grafschaften mit überwiegender Vieh- und Weidewirth- schaft erträglich, oft günstig. Am besten sind die Landarbeiter wegaekommen. Der Uebergang vom Ackerbau zur Viehwirth- schan hat eine beträchtliche Zahl landwirthschaftlicher Arbeiter überflüssig gemacht, viele andere sind durch die Nähe der Jn- dustriecentren dem Lande entzogen, so daß in der Landwirthschaft Arbeitslosigkeit nie, eher mitunter Arbeitermangel geherrscht, ein Sinken der Löhne fast nirgends stattgefunden hat. Die Agrar commission kommt zu dem Schluß, daß die Landwirthschaft in weiten Kreisen der „coi-v oountivs" einer hoffnungslosen Ver nichtung entgegengeht, in den „xraring eoulltion" bei weiterer Anpassung der Productionsbedingunaen an die Absatz- und PreiSverhältnisse der Betrieb der Landwirthschaft fortdauern wird, freilich .indem er eine noch geringere Grundrente al- heute gewährt, und auch der Gewinn des Pächters sich in bescheidenen Grenzen hält. Hur Abhilfe wird die Politik der kleinen Mittel empfohlen; die Einführung von Schutzzöllen wird abgelehnt, weil die Schutzzollpolitik keine Sicherheit vor einer schweren land wirthschaftlichen Nothlage gewähre, und, auch wenn das vielleicht der Fall sein könnte, bei den wirthschaftSpolitischen Auffassungen und Verhältnissen der Nation nicht an die Rückkehr zum Schutz zoll zu denken sei. Die Lehre, die Deutschland auS dieser Lage der Dinge in England zu ziehen hat, liegt auf der Hand. Ein gänzlicher Uebergang vom Getreidebau zur Viehwirthschaft, der schon für britische Verhältnisse keine Lösung der Agrarkrisis Hu bringen vermocht hat, ist in Deutschland nur in gewissen Küsten- und Gebirgsgegenden allenfalls möglich, Pb auf die Dauer lohnend, sehr zweifelhaft. Jedenfalls kann davon nur in beschränktem Umfange die Rede sein, ebenso wie eine auch nur mäßige Aus dehnung der Anbaufläche für HandelSgewächse, Gemüse, Zucker rüben eine Ucberproduction von verderblichster Wirkung Hervor rufen würde. Der Getreidebau muß auch in Zukunft das Rück grat der deutschen Landwirthschaft bilden. Daß der fort schreitende Niedergang der englischen Landwirthschaft nicht noch weit unheilvoller für das Land gewesen ist, liegt daran, daß der eigentliche Bebauer des BodenS, der Pächter, die Minderung seiner Einnahmen zum guten Theil durch die Zahlung einer ge ringeren Rente auszugleichen, auch die Kosten für Meliorationen u. s. w. auf den Grundherrn abzuwälzen vermag, der Grundherr aber diese Schmälerung seiner Renteneinnahmen verschmerzen kann, weil seine Einnahmen bedeutend sind und theilweise aus anderen Vermögeniobjecten fließen. In Deutschland dagegen, wo mehr al- drei Viertel der Bodenfläche sich im Besitz« von Eigenthümern unter 100 Hektar befindet, trifft die Last einer Krisis mit voller Schwere den Besitzer, den eine Verkürzung seines Reineinkommens um die Hälfte und mehr in die bitterste Noth bringen muß. Die Betrachtung der englischen Agrarverhältnisse enthält also in wirthschaftlicher Hinsicht die beste Rechtfertigung für die Nothwendigkeit deutscher Schutzzollpolitik und den fer neren Ausbau derselben, so lange die internationale Eoncurrenz, die in last allen landwirthschaftlichen Betriebszweigen fühlbar ist, bei fast allen Agrarproducten in Frage kommt, noch auf Jahr zehnte hinaus mindestens in gleicher Stärke, wie bisher, fork- dauern dürfte. — Wir kommen in einem zweiten Artikel auf die reichen Lehren, die aus den englischen Agrarverhältnissen sich ergeben, zurück. Der Lrieg in Südafrika. Artelensnnttrtandlnnse«? Wie die Londoner »Central New»" erfahrt, sind llnter- banblungen zwischen den Boerenfübrern und den britischen Behörden zur Beendigung de« Krieqe« noch im Gange. Die Reise Milner« nach Pretoria stände im engen Zusammen bange mit diesen Unterbandlungen, die britischrrieitS seit Montag von ibm persönlich geleitet würden, de Wet und Steiju scheint» unversöhnlich zu sei». * Pretoria, 5. März. („Reuter'« Bureau.") Hier herrscht eine bostnungsvolle Stimmung bezüglich der Wahrscheinlichkeit vor, daß die Feindseligkeiien bald beendigt sein werden. Man erwartet, daß die Boeren die Initiative ergreifen werden, um Friedens bedingungen zu erlangen. (?) * IohanntSvurg. 5. März. („Reuter'S Bureau.") Die Handelskammer hielt gestern eine Sitzung ab. in der ungefähr rin Drittel der Mitglieder anwesend war. ES wurde eine Eom- mission gewählt, die sich zu Milner begeben und die Nothwenbig- keil hervorhebrn soll, daß er sämmtlichen flüchtigen britiichen Kauf leuten gestatte, zurückzukrhren, damit der Handel w eder auslebe. Eine Colesberger Depesche dcS „Daily Mail" meldet, daß Kitchener eine neue Truppenansammlunz zur Säuberung der ganzen Lranzrfliistcolonie von Süden nach Norden angeoronet habe. Die Colonnen versammeln sich bereit- bei Springfon tein, da- den Aus gangspunkt der Operationen bilden soll. Die Beifolgunz de WetS werde hartnäckig fortgesetzt. Trupps von Boeren seien noch im nordwestlichen Tbeil der Capcolome. * Kapstadt, 6. März. („Reuter'S Bureau.") 300 Boeren machten gestern einen Angriff auf Aberdeen, sie wurden aber nach einem vierstündigen Kampfe zurückgewiesen. Dir Bejatzung halte keine Verluste. — Nach Ueberschreitung beS Lranje-Flussr- wandte sich de Wet nordwärts in der Richtung auf Philip ps! iS. — Malansaschützen, die anscheinend von de Wet's Corps detachirt waren, feuerten gestern bei BiojeSpoort aus einen Bahn zug, sie wurden jedoch von einer aus dem Zuge befindlichen Ab- theilung de- australischen Contingent- zuriickgetrieben. — Eine kleine feindliche Abtheilung überfiel am 3. März Pella (in Trans vaal) und führte vier Gefangene fort. Die Pcst. * Kapstadt, V. März. („Reuter'« Bureau") Heute sind süns neue Fälle von Pcstcrkrankungeu, ^oci Fälle von pcftvcrdachltgen Erkrankungen, sowie acht Falle von Berührung mit Prsttranke» zur Anzeige gebr cht wo, den. Aus Stellenbosch w rd ein Fall v n Pcstvcrdacht gemeldet; der brtrrsscnde Pattrnt ist ein Wcrtzer. Australien — ein Opfer des Südasrikauischen Krieges. Die „Deutsch-Australische Post" schreibt unterm 26. Januar: England wünscht mehr coloniale Soldaten, und die australischen Colonien haben sich sehr bereitwillig gezeigt, diesem Gesuche in weitgehender Weise nachzukommen. Es kann im Grunde Nie mand etwas dagegen haben, daß die Colonien, die sich aus be greiflichem Anhänglichkeitsgefühl an das Mutterland mit dem selben identisch fühlen, große Opfer bringen, um dem alten Vaterlande aus der Klemme zu helfen; es kommt dabei gar nicht darauf an, von welchem Standpunkte aus sie den Krieg be trachten. Aber Eines ist denn doch dabei in Betracht zu ziehen: der Bundesstaat Australien, der den Windeln noch lange nicht entwachsen ist, giebt seine besten Kräfte weg; viele der besten Männer sind dem schmachvollen Krieg« bereits zum Opfer gefallen; die Landwirthschaft schreit vergebens nach ge eigneten Arbeitskräften, die Ernte kann nicht einaeheimst werden, die schädlichen Thiere nehmen überhand, und dies Alles, ver bunden mit den ungünstigen Witterungsverhältnissen der letzten Jahre und der durchaus nicht übergroßen Vorliebe des Eng länders für die Bodenkultur, muß selbstverständlich von bösen Folgen begleitet sein. Dies ist aber noch nicht AlleS: Wie bereits bei früherer Gelegenheit bestätigt worden ist, suchen di« süd afrikanischen Großkapitalistin und mit ihnen die englische Re gierung selbst, die Leut« im Boerenlande festzuhalten, um mög lichst viele waffenkundige Männer, auf di« sie sich verlassen können, anzusiedeln. Welchen wirklichen Wirth die großen Ver sprechungen haben, die den Buschleuten gemacht werden, entzieht sich natürlich unserer Beurtheilung, aber je werthvoller sie sind, um so gefährlicher sind sie für Australien. Ja, wenn inan die unzählig«n Stadtbummlrr dorthin versetzen könnte! Aber die werden sich nur ausnahmsweise darauf einlassen und meisten- theilS für den Zweck ungeeignet sein. Selbst der mittelmäßige Landarbeiter ist für hiesige Verhältnisse von großem Werth«, und gerade diese Leute, die hier nicht zu ersetzen sind, gehen weg. Es ist ja klar, daß Niemand diese Männer zwingen wird und kann, in Südafrika zu bleiben; wenn der Krieg vorbei ist, kommen sie vielleicht zurück, ober eS liegt in der Natur deS Menschen, den ihm gebotenen Bortheil auszunühen, und manche werden den gleißen den Versprechungen nicht widerstehen können. Wenn der Krieg vorbei ist. mag übrigens ganz gut klingen, ober «S ist zweifellos, daß die Engländer so viel Haß und Verbitterung unter das freie Boerenvolk gesäet haben werden, daß die Gährung unter den nach Rache dürstenden Gcmüthern zu jeder Zeit eine neue blutige Saat aufgehen lassen kann. Um diese verhängnißvollen Folgen abzu wenden, müssen große Streitkräfte in dem eroberten Lande unter halben werden, und wer eignet sich besser dazu, als d«r «probte australische Buschmann! Solche Betrachtungen sollen wohl ge eignet sein, die gar zu leicht entflammte Begeisterung für kriegerische Heldenthoten etwas zu dämpfen. Wie die Verhältnisse liegen, muß zugegeben werden, daß dieser unglückselige Krieg für Australien ganz einfach von ver- hiingnißvoller Bedeutung werden kann, und der einsichtig« Patriot kann nur mit Bedauern sehen, wie die junge Nation nicht nur durch Geld, sondern auch durch eine häufig nur künstlich hervorgerufene Begeisterung seine arbeitsfähigsten, tüchtigsten und brauchbarsten Männer ruS dem Lande, daS deren so sehr bedarf, hinauScomplimentirt und dadurch rine Opferwilligkeit und Freigebigkeit beweist, dir ihr selbst wohl zur Ehre, ab« kaum zum eigenen Dortheil« in irgend welcher Hinsicht gerechnet werden kann. Was im klebrigen Australien von der Dankbarkeit Englands zu erwarten hat, das würde sich wohl erst noch in Zukunft zu ergeben hoben. Wir wollen ganz gewiß nicht etwa dem „Der Mohr hat seine Schuldigkeit gethan. — Der Mohr kann geh«» —" weiter vorgreifen, hoffen und wünschen ab« zu versichtlich, daß Jung-Australien d«n Keim de» Fortschritte», der in ihm liegt, nicht selbst ersticken wird." Deutsches Reich. * Leipzig, 7. März. Zu dem thätlichen Angriff auf den Kaiser liegt beute Abend nur wenig ergänzendes Material vor. Einige Mitlheitungen finden unsere Leser in ken Ansprachen der Präsidenten deS Reichstages und deS preußischen Abgeordnetenhauses, jedoch stimmen diese Millbeiiungen z. Th. nicht mir den bisher eingelauseneu Nachrichten überein. So sagt das bekannt gegebene ärztliche Bulletin ausdrücklich; „Die Wunde wurde ohne Naht durch den Verband geschlossen", während der Präsident des Abgeordnetenhauses vom Nähen der Wunde spricht. Wir können bei dieser Gelegenheit gleich mit Genugthuung richtig stellen, daß eS in dem Bulletin nicht heißt: „Tie Wunde blutete stark", sondern: „Die Wunde blutete mäßig", wie von Wolsf'S Bureau jetzt festgestellt wird. — Aus Bremen tbeilt die „Voss. Ztg." in der traurigen Sache noch mit: Ueber die Beweggründe zu dem Angriff auf den Kaiser ist wenig zu ermitteln. Der Tbäter behauptet, nichts zu wissen; er müsse bas Eisen unbewußt von sich geworfen haben. Die Untersuchungen über seine Geistesgestört heit sind noch nicht abgeschlossen. Bürgermeister Schultz reiste heute früh nach Berlin, um die Theilnahme deS Senats auszusprechen. Eiu Complott erscheint un bedingt ausgeschlossen. 7 Leipzig, 7. März. Aus Anlaß des Todes des Herrn Pro fessors B i e d er m a n n hat der Vorsitzende der nationalliberalen Landtagsfraction, Geh. Commerzienrarh Niethammer, der sich zur Zeit fern von der Heimath aufhält, in einem Telegramm dem Vorstande des Landesoereins seine Theilnahme aus gesprochen: „Für uns Nationallibcrale bedeutet Biedermann s Tov einen schweren Verlust. Wenn auch die Partei sich rühmen darf, in ihren Neib-n eifrige, tapfere, unerschrockene, geschickte Kämpfer, charakter voll«, da- Wohi de- Vaterlandes auf fürsorgcndem Herzen tragende Männer zu besitzen, so that es doch immer wohl, zu wissen, daß die Partei in Biedermann einen Mann besaß, der mit vor genannten Eigenschaften die Weisheit und Erfahrung und Ruhe de» Alter- vereinte, und daß sie auf seinen Rath in allen schweren Fragen rechnen durfte. Seine großen Verdienste um das engere und weitere Vaterland werde» von Freund und Feind anerkannt werden. Wir Nationallibcralen, in tiefe Trauer versetzt, weroen dem Verstorbenen ein treues, dankbare- Andenken bewahren." Der Dichter Ernst Scherenberg, ebenfalls zur Zeit unterwegs, hat Auftrag ertheilt, in seinem'Namen einen Lorbeer kranz auf Sem Sarge des „Vorkämpfers deutscher Einigung" niederzulegen. 0. 1l. Berlin, 7. März. Der B e r l i n «r V e r e in vom Rothen Kreuz hat seinen neuesten Bericht veröffentlicht; er kommt in demselben in einem Capitel auf die Vor bereitungen für den Kriegsfall zu sprechen. Es ist selbstverständlich, daß er auf Einzelheiten der Vorbereitungen nicht eingeht; im Großen und Ganzen aber skizzirt er eine Art Programm, aus dem ersichtlich wird, wie wir uns auf alle Even tualitäten einrichten. „Eine gemeinsame Mobilmachung» - commission hatte die Aufgabe festzustellen, was an ärztlichem und Verwaltungspersonal für den Kriegsfall in Berlin erforder sich ist, und ferner zu beschließen, welche Hilfskräfte durch die Männervereine, und welche durch die Fraucnvereine zu stellen sind. In Frage kommen das auf den Bahnhöfen, in den Depots und in den Lazarethen erforderliche Verwaltungs- und Krankenträgetpetsonal, sowie das ärztliche und das Pflege personal. Dementsprechend hatten beide Vereine Listen auf zustellen und auf dem Laufenden zu erhalten, aus Venen ganz genau ersichtlich ist, wer sich für den Fall des Krieges ehren amtlich oder gegen Entgelt bereit erklärt hat, sich in den Dienst der Organisasion zu stellen. Es sei weiter angeführt, daß die einzelnen Bahnhöfe unter Berücksichtigung der durch den Krieg entstehenden Veränderungen genau vertheilt und hierfür die er forderlichen Ehrendamen und Männer unter einem ent sprechenden Comito, ferner Aerzte, Krankenträger und Pflege rinnen vorgesehen, auch die geeigneten Localitäten bereits auf jedem Bahnhofe unter festen Abmachungen mit der Eisenbahn- direction Berlin bestimmt sind. Für die in den städtischen Turn hallen vorgesehenen Lazarethe, sowie für die Privatkliniken sind bindende Abmachungen in Bezug auf ihre Bereitstellung für die Zwecke deS Vereins vom Rothen Kreuz getroffen. Für vier von dem Vereine im Falle eines Krieges neu zu errichtende DereinS- lazarethe ist das VerfügungSrecht über die erforderlichen Flächen gesichert." Wie man sieht, ist AlleS gethan, um im Ernstfälle auk bem Humanitären Gebiete gerüstet zu sein. Ist auch der politische Himmel ^ur Zeit wolkenrein, so muß eS doch Joden mit Befriedi gung erfüllen, daß nichts verabsäumt wird. Vcrlt», 7. März. (Einbeziehung des Hand werks in die Unfallversicherung.) Noch ehe die Novell« zum Gewerbeunfallversicherungsgesehe zur völligen Durchführung gelangt ist, wird schon wieder in einigen Blättern der Wunsch nach der Einbeziehung des gesammtcn Handwerks in die Unsallversicherungspflicht ausgesprochen. Demgegenüber darf doch daran «innert werden, daß ein Entwurf, der sowohl das gesammte Handwerk wie das Handelsgcwerbe der Unfall vcrsicherungspflicht unterwerfen wollte, Mitte der neunziger Jahre ausgearbeikt und im „Reichsanzriger" veröffentlicht worden ist. Damals aber wurde aus den Kreisen der zunächst Betheiligten, dabei auch vornehmlich der Handwerker, Einspruch gegen eine solche gesetzliche Regelung, und zwar unter Betonung des zwischen Unfallgefahrenhöhe und Kostenaufwand zu erwartenden Miß verhältnisses «hoben. Die Regierung ließ in Folge dessen daS ganze Projekt fallen und dürfte wohl schwerlich an seine Wieder aufnahme eher herantreten, als sie die Ueberzeugung erlangt, daß im Handwerk eine ganz andere Anschauung vorherrschend gewor den ist. Zudem bleibt doch zunächst die Wirkung der neuen, aus einen Theil des Handwerks bezüglichen Bestimmungen der Un fallversicherungsnovclle abzuwarten. In dieser Novelle sind unter Anderem ganze HandwerkSzweige, wie die der Schlosser und Schmiede, völlig neu in den Kreis der Unfallversicherung ein bezogen, einzeln«, so diejenigen der Fleischer und Brauer, die früher nur theilweise der VerficherungSpflicht unterlagen, find jetzt ganz dem Gesetze unterstellt worden, die Bestimmungen für das gesammte Baugewerbe sind in einschneidender Weise abge ändert u. a. m. Alle diese, auf Erweiterung des Kreises der Unsallversicherten abzielenden Bestimmungen des neuen Gesetzes sind materiell noch gar nicht in Kraft getreten. Gegenwärtig wird recht eifrig an den Vorbereitungen für die Durchführung der Einbeziehung aller dieser Betriebe in die Unfalloersicherungs pflicht gearbeitet, und zwar insofern, als :s sich darum handelt, die Organisation zu bestimmen, welche auf dieselben Anwendung finden soll. Es darf als ganz sicher angesehen werden, daß zum größten Theile als Ergebniß der Arbeit sich der Anschluß der Betriebe an schon bestehende BerufSgenossenschaften Herausstellen wird, indessen ist auch die Möglichkeit vorhanden, daß der Wunsch einiger Interessenten auf di? Errichtung eigener« Berufs genossenschaften ausgeht. Aber wie auch immer die Organisation aeregelt werden wird, es darf doch, ehe man in eine erneute Prü fung der Frage nach der Nothwendigkeit oser Zweckmäßigkeit der Einbeziehung des gesammten Handwerks in die Unfallversiche rungspflicht eintritt, vorausgesetzt werden, daß zunächst abge wartet wird, ob es sich nicht herausstellt, daß schon durch die jetzige gesetzliche Regelung dem Bedürfnisse Genüge gethan ist. Auf so lange wird man doch also wohl unter allen Umständen die Frage nach der Einbeziehung des gesammten Handwerks in die Unsallversicherungspflicht zurückstellen müssen. -r- Berlin, 7. März. (Die Lohnzahlungsbücher für minderjährige Fabrikarbeiter.) Es ist streitig geworoen und es besteht auch schon eine Meinungsver schiedenheit zwischen den Gewerbe-Jnspectoren verschiedener Be zirke, in welcher Weise 8 110, Satz 1, und K 111, Absatz 2 bis 4 der Gewerbeordnung auf das Lohnzahlungsbuch für minderjährige Fabrikarbeiter in Anwendung zu bringen sind, ob also nur das sogenannte „Titelblatt" des Lohn zahlungsbuches, wie Manche wollen, oder aber jede einzelne Eintragung über den Betrag des verdienten Lohnes vom Arbeitgeber oder dem Betriebsleiter der Fabrik unterschrieben werden muß. Der letzteren An sicht giebt ein hervorragender Kenner des Gewerberechis, Over tan desgerichtsrathNeukamp-Köln, in der „So- cialenPraxis" wegen des Wortlautes, des Zwecks und der Entstehungsgeschichte des Gesetzes den Vorzug. Neukamp'S Aus führungen lassen sich wie folgt zusammenfasscn: Der Thatsache, daß die Unterschrift unter jeder einzelnen Lohneintragung zu einer sehr großen Belästigung deS Arbeitgebers führen kann, ist sich der Gesetzgeber vollkommen bewußt gewesen; Aeußcrungen des Regierungsvertreters in der Commission und mehrerer Abgeord neten im Plenum lassen daran keinen Zweifel. Die Behauptung aber, der Ausweis über die Höhe des verdienten Lohnes sei ohne di« Unterschrift des Arbeitgeber» für ausreichend erachtet, hält näherer Betrachtung nicht Stand, da gerade der Urbeber der Lohnzahlungsbücher deren Einführung um deswillen für nöthig dielt, weil die bisher üblichen Lohnlisten und Lohnzettel leicht eine Täuschung der Eltern des Arbeiters über die Höhe des ver dienten Lohnes zuließen, und zwar offenbar gerade mit Rücksicht darauf, daß den Vermerken über sie Höhe ses Lohnes eine Unter schrift fehlte. Wenn weiterhin geltend gemacht ist, die ZA 110 und 111 der Gewerbeordnung bezögen sich nur auf solche, die Person de» Arbeiters betreffende Angaben, welche jeder Arbeit geber nur einmal zu machen hat, so ist dies nur insoweit richtig, als tz 111 sich ursprünglich nur auf das durch is 107 eingefiihrte Arbeitsbuch bezog. Dagegen hat der neue 114a auch auf d'e Eintragungen in die durch diese Vorschrift cingefiihrten Lohnbücher des § 211, Absatz 2 bis 4, für ent sprechend anwendbar erklärt. Die Anschauung ferner, die An wendung des Z 111, Absatz 2 bis 4, könne sich nur auf das „Titelblatt" beziehen, weil dieser Paragraph nach dem 8 110, Satz 1 citirt sei, ist unzutreffend. Denn das Gesetz selbst weiß überhaupt nichts von einem sogenannten „Titelblatt", und der Hinweis auf 8 110, Sah 1, ist offenbar nur deshalb erfolgt, uni die Jdentificirung deS für jeden minderjährigen Fabrikarbeiter bestimmten LobnzcihlungsbucheL in bestimmter Form herbeizu führen. Auch schreibt K 110, Absatz 1 gerade vor, baß die Ein tragung über den Namen des Arbeiter?, den Ort, das Jahr und den Tag seiner Geburt u. s. w., die Unterschrift des Arbeiters, nicht aber di: des Arbeitgebers enthalten muß. Hiernach kann sich die Anwendung der Vorschriften des H 111, Absatz 2 bis -1, zunächst nur auf die sonstigen vom Arbeitgeber zu machenden Ein tragungen, also im vorliegenden Falle insbesondere auf seir Betrag des verdienten Lohnes beziehen. (-) Berit», 7. Mär;. (Telegramm.) Der Kaiser bat beule Mittag 12 Uhr den Reichskanzler Graf von Bülow empfangen. (D WilhrliuSstnvrn, 7. März. (Telegram in.) Der In specteur der zweiten Marine-Jnspection, Contreadmical Frantzius, machte bei der Besichtigung des Ablösungstrans Ports den Ofsicieren und Mannschaften die Mittheilung von dem Attentate auf den Kaiser und verlas ein Tele gramm des Kaisers, in dem dem Transporte glücklich' Reise gewünscht wird. Contreadmiral Frantzius brachte, indem er der Vorsehung dankte, daß Se. Majestät vor Unalück bewahrt worden sei, ein Hurrah auf den Kaiser aus. Die Capelle spielte die Nationalhvmne. Ter Dampfer „Andalusier" trat mit de::: Ablösungstransporie Nachmittag 2 Uhr unter ven lebhaften Kundgebungen der Bevölkerung die Reise nach Ostasien an. * Aus (loburg-Kotha. Der Regierung-Verweser nahm am Dienstag ans Schloß Friedenstein in Gegenwart des Staatsministers Hentig einen längeren Vortrag des Professors l)r. Breitung-Coburg über die Errichtung einer Dolksheilstätte für Lungenkranke entgegen. Um dem in allen Schichten der Bevölkerung unzweifelhaft bestehenden lebhaften Interesse für die Sache cntgegenzukommen, hat der Regierung-Verweser je eine öffentliche Versammlung in Coburg und Gotha in Aussicht genommen, in welcher das Thema der Bekämpfung der Tuberkulose behandelt werden soll. v. Rndalstadt, 6. März. Sowohl für Schwarzburg- Rudolstadt, als auch für Schwarzburg-Sonders hausen ist die Geburt eines Sohnes des Prinzen Sizzo von Schwarzburg-Rudolstadt, die gestern in Großhartau bei Dresden erfolgte, von großer Wichtigkeit. In beiden Ländern besteht die Primogenitur und gegenseitige Succession. In Sondershausen ist Ser Fürst ohne directe männliche Erben, dec Bruder desselben ist unvermählt. Fürst Günther von Schwarz
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite