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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.03.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-03-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010313020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901031302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901031302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-03
- Tag1901-03-13
- Monat1901-03
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Amtsblatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, -es Rathes und Volizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem Redactionsstrich (4 gehalten) 75 H, vor den Familiennach» richten (L gespalten) 50 'Tabellarischer und Ziffernsay entsprechend hoher. — Gebühren für Nachweisungen nnd Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbrsörderung ./L «0.—, mit Postbesürderung 70—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abende 7 Uhr. Truck und Verlag von E. Polz in Lechz-;. W. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Louis Botha. Zn einer Versammlung der Boerenfreunde in Münster äußerte sich der Boerencommandant Joste wie folgt: „Tie Kunde von den Friedenüverbandlungen ist eine alte Geschichte, sie liegt im Bereiche der Möglichkeit, aber ich glaube nicht daran, am wenigsten glaube ick, daß Botha sich ergeben wird. Wenn er Frieden schließt, so thut er das, wonach wir alle uns sehnen, wir und alle unsere Freunde in Deruschland, nach Frieden und Freiheit für unser Land. Daß er sich bedingungslos ergiebt, daß er den edlen Präsidenten Steijn und den tapferen General De Wek ihrem Schicksal überläßt, das ist eine Lüge, die niemals wahr werden kann." Und an anderer Stelle: „Botha hat nickt das Reckt, Frieden zu schließen, Botha ist nichl der Gott von Transvaal: unser Bolk führt den Krieg und das Bolk macht bei uns Alles." In Bezug auf die gegenwärtige Stimmung der Loeren führte Joste auS: „Wir sind jetzt so weit, daß wir nichts mehr zu verlieren haben, das Blut ist uns warm geworden und Jeder schreit nach Rache." Bekanntlich bat „Reuter" die Suggestion nach England lancirt, daß, wenn auch mit Botha ein ehrenvoller Frieden geschloffen würde, Steijn uni» Tc Wrt unter allen Umständen von den etwaigen Arrangements aus zunehmen und mit aller Schärfe deS KriegSrcchtcs zu „be strafen" sei. DaS ist wieder einmal echt „großbritannisch"! Wahr scheinlich weil Christian De Wel und Präsident Steijn mehr Heldenmuth, mehr Tapferkeit und mehr Geschick lichkeit bewiesen haben, als irgend welche anderen Boerenführcr und als die sänimtlichen englischen Generäle znsammengenommen, deshalb müssen sie von den Regeln der Ewilisanon und der vvckerrechllichen Kriegsführung ausgeschlossen werden, auf das die Herren Jingos ihre Rache haben und vielleicht diese beiden Helden doch noch zu Todte Hetzen können. Die augenblickliche Stim mung in Eu>il«uL^»ürfre jedoch überw.egend gegen ei.-cu solchen Auswuchs rachsüchtiger Politik sein, und im Giunve genommen genießt gerade Christian De Wet trotz aller Ver sickerungen vom Gegentbeil unter den Engländern aller Elassen mehr stille und offene Bewunderung und Popularität, als die meisten in diesem südafrikanischen Kriege so plötzlich in die Höbe gewucherten brillscheu „Ralionalheldeu" in Generalsuniform. Das Bureau „Reuter" hat in englischen Diensten und Interessen manche fette südafrikanische Ente in die Welt gesandt, aber die plnmpstc und albernste Luge, die im Lause des Krieges geleistet wurde, ist jedenfalls die Meldung, welcke „Reuter" unter dem 10. März von Bloemfontein herüber kabelt. Es heißt da wörtlich: „Richt nur hier, sondern auch in Brandfort und Kroon- stav giebt es jetzt Compagnien von früheren BurgherS (?), weiche jetzt die Waffen gegen die noch im Felde stehenden Boeren tragen." — Daß cs sich hierbei natürlich nur um Engländer handelt, welcke aus Geschäftsrücksickken fick früher dem Transvaal oder im Freistaat naturalisircn ließen, verschweigt Reuter natürlich absichtlich, um die Well LenrListsW-. Zwei Lrüder. Roman von Franz Rosen. Riecht ruck rnleicn. Aber trotz all' seiner Bemühungen kam er nicht recht vor wärts. Sie war immer gleichmäßig freundlich zu ihm, würdigte ihn aber gar keiner besonderen Beachtung. So wie mit ihm, scherzte uns lachte sie mit Jedem, der eS wollte; bedankte sich in derselben unbefangenen Weise für die mancherlei kleinen Hul digungen, die sie alle ausnahmslos annahm; hatte auf jedem Ball einen andern Berehrer, mit dem sie sich intensiv amüsirte, und fand ein sichtliches Vergnügen daran, gefeiert zu werden. Da Manfred cs unter seiner Würde fand, mit Andern ein Wettrennen um ihre Gunst zu veranstalten, sah er sich oft mit stillem Grimm in den Hintergrund geschoben, uns machte seinem Aerger Luft, indem er bei nächster Gelegenheit Maria mit ge flissentlicher Nachlässigkeit behandelte. Doch schien sie diese Nach lässigkeit ebenso wenig zu bemerken, wie seine Huldigungen. Noch ein Anderes kam dazu, ihm das Gelingen zu erschweren. Das war der Umstand, daß Maria's Later sein Vorgesetzter war. Wenn junge Ofsiciere sich um dec Töchter ihrer Vorgesetzten bemühen, haben sie alle Veranlassung, sich besonders tadellos zu führen. Der Oberst Rosen war noch dazu ein ganz ungewöhn lich strammer Vorgesetzter, vor dem seine Untergebenen sammt und sonders einen gewaltigen Respect hatten. — In demselben Maße aber, in welchem Manfred's Gefühle für Maria an Wärme und Tiefe zunahmen, und sein Verhalten gegen sie dies bekundete, nahm seines Obersten Freundlichkeit und Wohlwollen gegen ihn ab. Manfred fühlte es im Dienst sowohl, wie im Privatleben. Es geschah durchaus nichts Auffallendes; nichts, das ein Dritter hätte bemerken können, nur verständlich für Den, der gemeint war. Und es gehörte kein besonderer Scharfblick dazu, um zu erkennen, daß der Oberst seine Absichten durch schaut hatte und ihnen sein väterliches Uebelwollen entgegensetzte. So war Manfred's Laune bald die übcrmiithigste — bald die denkbar schlechteste. Er sprach aber noch zu Niemand, auch nicht zu Peter über daS, was ihm Herz und Sinn bewegte. Daß Nicolas Lazinsky Maria fortgesetzt mit zarten Aufmerk samkeiten verfolgte, lange Gespräche mit ihr hatte und sie dabei mit seinen vielsagenden Augen immer vertraulicher ansah, kümmerte ihn nicht. Er wußte es kaum. Lazinsky kam als Ehemann dabei überhaupt nicht in Betracht. — glauben zu machen, daß jetzt Boeren gegen Boeren zu Felde ziehen, und daS Alles zur Ehre und zum Nuinne der ge liebten englischen Eindringlinge. Wer lacht da'??? —. ÜricgSkostcn. In der „Morning Post" wirv folgende Bertbeilung der auf 120 000 000 Lstrl. veranscklagtenKiiegskbsteu vorgescklagen: Antheit England- 90 000 000 Lstrl., Antdcil Transvaals und der Oranjesluß-Colouie zusammen 20 000 00" Lstrl , Antbeil der Capcolonie und Natals zusammen tu 000 000 Lstrl. Zur Wicderansiedelung der Boeren sollen Transvaal und die Oranjeflußcolouie mittels einer in England unterzubringenden Anleihe von 10 000 000 Lstrl. den Farmern das erforderliche Geld leihen. Außerdem sei Auswanderung von Farmern nach Südafrika zu fördern. * Bloemfontein, 12. März. In den letzten Tagen sind hier eine große Anzahl im Süden gefangen genommener Boeren, sowie ebenfalls viel im Süden erbeutetes Vieh eingelrofscn. Plumer's Truppen brachten 28 Gefangene hierher. Heute sind wieder IkrO Gefangene hier angekommen. * irnpstatzt, 12 Mär;. („Reuters Bureau.") Honte sind 12 neue Peitfällc ;n vcr;oichncn. linier den Er krankte» befinden sich drei kLuropäer, von dencr einer ge storben ist. Politische TlMsschllu. Leipzig, i:!. Mär;. Die angesichts der sonst geübten principicllen Zurückhaltung immerhin auffällige Thatsache, daß die sociatöcinotratisch'n Abgeordneten Ser Zweiten hessischen Kammer unlängst der Einladung des Kammerpräsidenten Geh. Regicrungsrath T>r. Haas zu einem parlamentarischen Abend Folge gegeben haben, scheint in den Reihen der „zielbcwußtcn Genosten" doch einiger- maßen übel vermerkt worden zu sein. Der „Vorwärts" beeilt sich wenigstens, dieses verdächtig bourgeoismäßige Verhalten der Erwählten des arbeitenden Volkes in einer längeren Auslastung, der man das volle Unbehagen ansieht, zu oertheidigen. Da heißt es denn, daß seit den etwa Itz Jahren, s-it die dei.-ukraiische Abge-cÄ.elc m de» hessischen Landtag rn.janvl habe, sich diese nie an derartigen geselligen Arrangements be- tbeiligt hätten, da deren Veranstalter stets die Minister gewesen seien. Da dieses Mal aber der Einladende der Kammerpräsident gewesen sei, dem auch der politische Gegner die Anerkennung nicht versagen könne, daß er die Geschäfte des Hauses in un parteiischster Weise führe, hätten die „Abgeordnetengenosten" es für wenig angebracht gehalten, dem parlamentarischen Abend fernznbleiben. Nachdem toer Großharzog in Cidil er schienen, habe derselbe nach einiger Zeit in Begleitung des Gast gebers den socialdemokratischen Äbg. Ulrich ausgesucht, sich zu ihm gesetzt und in nahezu dreiviertelstündiger Unterhaltung alle bedeutsamen Tagesfragen durchgesprochen. Der Großherzog habe hierbei thatsächlich einzelnen politischen, und socialen Fragen gegenüber recht tiefes Verständniß gezeigt (wie gnädig! D. Red.), und er werde gefunden haben, daß das, was ihm Ulrich mit- theilte, wesentlich abstach von d.m, was er bisher zu hören Ge legenheit hatte. Ohne Schaden an seiner Person genommen zu haben, habe der hessische Landesherr sodann seine frühere Tisch Gesellschaft wieder ausgesucht. Draußen im Reiche, besonders in Preußen, Sachsen, Weimar und anderen Ländern und Ländchen, werde man diese Scene nicht recht verstehen können; in Hessen jedoch, wo man cs auch in Regierungstreisen längst aufaegeben Maria Rosen hatte in der That noch mit keinem besonderen Geoanken an Manfred gedacht. Sie hatte gleich von Anfang an so viel Bewunderer, daß sie gar nicht dazu kam, chre Gedanken, die sie an Alle gleichmäßig vertheilte, auf einen Besonderen zu concentriren. Sie gefiel sich darin, in wolkiger H^hc unerreich bar über Allen zu schweben, und zog den Weihrauch, den sic ihr streuten, mit Behagen in ihre niedliche Nase. Mit Nicolas LazinSky war das etwas ganz Anderes. Der hatte von Anfang an chre Gedanken nachhaltig zu beschäftigen verstanden. Und der kam als Freier gar nicht in Betracht. Um so unbesenklicher tonnte sie sich au; ein kleines Freundschasts- verhältniß mit ihm einlasten, das ihr ungemein reizvoll erzchien. Lazinsky war unstreitig der schönste Mann ihrer Bekanntschaft. Er war geistreich und gefühlvoll. Er war interessant und welt erfahren. Er war umgeben mit dem geheimnißoollen NimouS einer Bergangenheit, mit der Mäctyrcrglorie eines zweifelhaften Rufes, den er mit der lächelnden Nichtachtung des guren Ge wissens unentkräftet ließ. Er war der Gegenstand allgemeiner, scheuer Neugier in der Damenwelt und heimlicher, amüsanter Anekdoten, die sich die Männer erzählten. Und oiesen Mann hatte sie, die Jüngste, zu fesseln verstanden. Lor ihr öffnet« er sein Herz, VaS er der vcrständnitzlosen Menge verschloß. Ihr sprach er von seiner rauhen Jugend» von dem Kampf ums Dasein, den er, fern von leitender Elternhanv, um geben von Versuchungen aller Art, führen muß»; von seinen getäuschten Illusionen, seinen fehlgeschlagenen Hoffnungen; von fernen Idealen, die er sich trotz alledem zu bewahren gewußt. Er ließ sie sogar ahnen, daß das Eheglück ihn trog. — Und sie hörte ihm ernst und andächtig zu, und ihr Herz füllte sich mit bewunderndem Miklcid für den unglücklichen, innerlich verein samten Mann, den sie allein verstand, der von ihr allein ver standen sein wollte. Maria Rosen war ein aus den verschiedensten Stoffen zu sammengesetztes Ganzes. Sie war kindlich und thaufrisch und hatte ein argloses Gcmüth. Dennoch betrat sie die Welt nicht in der Meinung, lauter liebliche Blum«n und echte Perlen zu finden. Im Hause des Obersten herrschten sehr praktische, nüch terne und reale Lebensanschauungen, und man halt« sich nie gescheut, in Gegenwart der Heranwachsenden Töchter über alle vorkomimeNdcn Verhältnisse mit unverblümter Offenheit zu sprechen. So war Maria zwar Dank ihres glücklichen Tempera ments frisch, freudig und heiter, aber ohne Illusionen. Sie war von einer natürlichen Klugheit, die schnell auffaßt und praktisch verwerthet. Ihrem Wesen mischte sich eine ganz unschuldige, aber sehr schlaue kleine Berechnungsmanier bei, trotz welcher sie immer verstand, natürlich zu scheinen. All diese Anlagen und Eigenschaften hätten sehr gefährlich habe, die Socialdemokraten als minderwerthige Menschen zu be trachten, sei man davon nicht besonders überrascht. Der Volks- charakter des Hefsenländchens sei !m Allgemeinen persönlicher, diesem Einflüsse könnten sich auch die regierenden Kreise nicht ganz verschließen. Die „Parteigenossen", welche diesen Abend besuchten, seien zu ihrer Thätigkeit zurückgrkehrt, ohne Scha den an ihrer Gesinnung erlitten zu haben. Dem officiellen Besuch und dem Fe st essen bei Groß Herzogs anläßlich der jeweiligen Eröffnung des Landtags würden die Ge nosten natürlich auch in der Folge fernbleiben, und sie wären auch dem Besuche dieses parlamentarischen Abends serngebliebcn, wenn dabei monarchische Huldigungsacte, wie Hochs und Hurrahs zu erwarten gewesen wären. Dieses war aber im Voraus ausgeschlossen, cveshalb irgend welche Bedenken zur Ablehnung der Einladung des Kammerpräsidenten nicht gut geltend zu machen waren. „Genosse" Ulrich werde auch nach der Unterredung mit dem hessischen Landesfürsten da bleiben. was er war. — So weit der „Borwärts", bei dem die Helle Verlegenheit aus jedem Worte seiner Mohrenwäsche au den hessischen Genossen förmlich herausleuchtct. Denn kurz und gut ist doch das, was die hessischen socialdemo kratischen Genossen gethan haben, um mit Bebel zu reden, infame „Stegmüllerei"! Es ist „ein Faust schlag in das Gesicht des arbeitenden Volkes", sich mit satten Bourgeoises bei „Hummer, Lachs und frischem Bärenschinken" und schäumendem Bier, wohl gar auch Wein, an gemeinsamer Tafel niederzulassen, und auf Kosten des steuerzahlenden Volkes Genüssen zu fr'öhnen, die diesem im Allgemeinen nicht zugänglich sind, obwohl nach der neuesten socialdemokratischen Reichstags weisheit der „Seci" ein Getränk des arbeitenden Volte» in Deutschland ist. Wir möchten annchmeu, daß die hessischen Ge nossen über ihren „versöhnlicheren Loltscharakter" auf dem nächsten socialdemolraiischeu Parteitage werden Vtede und Ant wort stehen müssen; es dürfte ihnen begreiflich gemacht werden, daß „versöhnliche Neigungen" mit der socialdemokratischen Partcivoctrin in unversöhnlichem Gegensatz« stehen, uno daß der Bourgeoisie nie und nirgends auch nur der kleine Finger gereicht iverden darf. Also wollen cs die Parieigötter Bebel, Singer c.- lutll rzuunti, die vorläufig das Heft noch fest in Händen haben. Immerhin ist der Vorgang an sich intercssant; er ergänzt '" **"7, svc'.crlb»nmk'a«ischen B-mer»ng Süüncstdeursch'a-dS pro.:.,ch cns zunäch» noch plaionizch« Verlangen der badischen Genossen auf Vertretung im Reichstagspräsioium durch den Ge nossen Singer. (Zur vivra vorru! AuS juristischen Kreisen schreibt mau uns: Dem Reichs tage ist ein Antrag zugegangen, der sick auf die Milderung Ser Strafen für einige EigenthuniSdelicte bezieht. Um rie wesentlickstcn Abänderungsvorschläge hervorzubebc», sei an geführt: 1) das; die Strafe für einfachen Diebstahl unter Um ständen auch in einer Geldstrafe soll bestehen können, 2) daß rie Höchststrafe für das Vergeben der Unterschlagung berab- gemindert werden soll, daß der Begriff kcö Mundraubs envcilert werden soll. In diesen Vorschlägen befinvet sich insofern ein socialer Ausgleich, als der erste derselben im Wesentlichen wohlhabenderen Personen, ter letzcrwäbnte den Aermsten der Armen zn Gute kommen wird. Tas Vergcuen des Diebstahls wird naturgemäß zum weitaus größten Tbeil von gering bemitteltenPersoiieu begangen. Immerhin kommt eS nickt allzu selten vor, daß selbst wobtbemittelte Personen sick dieses Vergehen zu Schulden kommen lassen. Es sei hier an die Sammlerdiebstähle erinnert, tic manchmal von hockst wohl habenden Personen begangen werde::, Li« leidenschaftliche Briefmarkensammler, Münzsammler und dergl. sind und die wenden können, wenn sie nicht mit einem von Grund auS guten Herzen verbunden gewesen wären. Dies Herz ging ost nu. ihr Lurch, und machte ihrc kleine Politik zu schänden. Dies Herz, vereint mit ihrer mangelnden Lebenserfahrung und Menschenkenntniß, vielleicht auch mit einer gewissen weib lichen Eitelkeit, war die einzige Erk.arung dafür, vaß sie einem Lazinsky ihr Vertrauen, ihr« Freundschaft und ihre bewundernde Zuneigung schenkte. Erst ziemlich spät zog Manfred Wackburg ihre besondere Aufmerksamkeit auf sich. Es war nach Weihnachten, auf dem ersten Hofball. Manfred hatte sich über ihre Freundlichkeiten gegen Anvere geärgert und übersah sie in sehr auffälliger Weise. Seine Aufmerksamkeiten waren ihr nie besonders aufgefallen; seine Unaufmerksamkeit, nach Art aller verwöhnten Mädchen, bemerkre sie sofort. Er hatte sie überhaupt nicht begrüßt und stand nun dicht neben ihr, in eifriger Unterhaltung mit einer Andern, als habe er keine Ahnung von ihrer Gegenwart. Maria gewahrte eS mit wachsender Verstimmung. Und gewohnt, mit den gewag testen Manövern Glück zu haben, fragt« sie, ihn auS nächster Nähe ansehend: „Warum sind Sie eigentlich so unausstehlich zu mir?" Manfred hob langsam die Augen und erwiderie prompt: „Weil Sie mir noch keine Veranlassung gegeben haben, anders zu sein." Maria sah einen Augenblick verblüfft aus. Dann lachte sie laut und herzlich. „Sie sind ja ein ganz geharnischter Krieasmann! Da ist es ja recht gut, daß ich das Eis gebrochen habe — sonst wären wir einander womöglich fremd geblieben — und das wäre doch schade gewesen um zwei so nette Leute!" setzte sie mit prickelndem Muthwillcn hinzu. Manfred wurde plötzlich ausgelassen lustig, und da sie sehr bereit war, in diesen Ton mit cinzustimmen, ging ihrc Uiuer- Haltung fröhlich hin und her. Dabei hingen seine Blicke mit zärtlicher Bewunderung an dem Liebreiz ihrer beweglichen Ge stalt, der in dem zartblauen Gazckleide mit graziösem Schmuck weißgrüner Schneeglöckchen mehr denn je zur Geltung kam. — Dann wollte er den Stehtanz von ihr haben, der eben beginnen sollte. „Ja — das müssen Sie ein andermal früher sagen", ent gegnete sie mit einem allerliebsten kleinen Siezcsbewußtsein. !,Für den freundlichen Zufall habe ick mir nichts aufgehoben." Manfred ärgerte sich, daß er sich selbst um das Vergnügen gebracht hatte, mit ihr zu tanzen. Er suchte Entschädigung, indem er ihr jede freie Minute des weiteren Abends widmete. — Er wußte nicht, was sich inzwischen in diesem Stehtanz, den er nicht bekommen konnte, ereignet hatte. Maria tanzte ihn mit NicolaS Lazinsky. Als er kam, sie von dem Verlangen, sick in den Besitz eines zu einer fremden Sammlung gehörenden ihn in die Augen steckenden Stückes zu setzen, sich derart hinreißen lassen, daß sie die Begriffe des Mein und Dein verwechseln. Es fei ferner au den noch häufiger vorkommendcn Fall erinnert, daß wohl habende Frauen in einem Putzgeschäfte Seidenstoffe, Straußen federn otcr Derartiges entwenden. Nach dem bestebenden Gesetze müssen derartige Personen — vorausgesetzt, daß sich nickt ihre Unzurechnungsfähigkeit herauSstellt, unter alten Umständen iuS Gefängniß wandern. Wenn die Möglichkeit gegeben wäre, sie zu einer hohen Geldstrafe zn verurlheiten, so würden sie vor der Entehrung be wahrt werben und zugleich wäre Loch der Gerechtigkeit Genüge geschehen. Wie diese Reform z. Th. auch Angehörigen der wohlhabenderen Classen zu Gute kommen würbe, so wäre eine Erweiterung teS Begriffs des Mundraubs ein Segen für manchen armen Teufei, der eine That begeht, die gewiß bestraft werden muß, bei der aber die denkbar mildeste Strafe angemessen erscheint. DaS be stellende Gesetz sieht eö, wenn Jemand, der von Notb und Hunger geplagt ist, ein Stück Brod oder eine Wurst stiehlt und zur Stillung seines Hungers alsbald verzehrt, mit Recht nickt als ein Vergehen, sondern nur als eine gering zu ahndende Uebertretung an. Das gegenwärtige Gesetz aber kennt diese Erleichterung nur bei der Entwendung von Nahrungs- nnd Genußmitteln, während nach dem Anträge noch hinzngesügt werden soll, Heil-, Heizuugs- und BeleuchtungSm ittel, eine Aendcruug, di« sicherlich allgemeine Zustimmung finden wird. WaS schließlich dir Herabminderung Les Höchstmaßes ter S'caic für einfache Unterschlagung von ,'Z Jahren Gefängniß auf 2 Jahre aubrtrisfc, so können wir Liese schon von unserem principielleu Standpuncte aus gulbeißen, daß mit langfristigen Strafen gar nichts gewonnen wirb. Ucvcc Italiens Stellung im Trcidun-e wiro der Wiener „Neuen Freien Prcffe" aus Rom, L. März, geschrieben: Von hervorragender Seite wird Ihrem Mitarbeiter die nachfolgende Information miigetheilt über die in den letzten Tagen in Italien mir '>i-»le.nde anlässlich vee letzten p." lamentarischcn Kund gcbung des Ministers des Äeußern, Pri netti, so viel oen- rilirtc Frage, ob Italien im Dreibünde verbleiben werde: „Prinetri's Erklärungen in der Kammer waren in der That außerordentlich kühl, und es ist wohl begreiflich, daß sie in Berlin nicht freundlich ausgenommen wurden. Aber man geht zu weit, wenn man aus ihnen herauslesen will. Laß Italien im Begriffe siehe, von der Allianz mit den Centralmächtcn zurückzutreten. Es ist vielmehr Folgendes zu erwägen: Fast gleichzeitig mit dein Erlöschen der Handelsverträge er lischt auch der Bundesvertraz Italiens mit Deutschland und Oesterreich - Ungarn. Prinetti nun, wohl wissend, daß cs den Empfinvuiiaen des italienischen Volles uno dessen wirihschaftücheu Interessen nicht entsprechen könne, die Allianz mit den Centralmächten um jeden Preis zu er neuern, hat sich mit großer Reserve geäußert, um Italien den bisherigen Alliirten nichr mit gebundenen Händen wirthschaftlich auszuliesern. Pr-netn hat documentircn wollen, daß die deut scheu Agrarier und Industriellen, die durch ihre Forderungen die empfindlichsten ökonomischen Interessen Italiens zu verletzen im Begriff: stehen, dies nicht ungestraft thätcn, wenn die deutsche > Aeichcregierung ihnen ganz zu Gebote wäre. Italien exporürt I nah Deutschland Citronen, Orangen, unzählige Primeurs an I Gemüsen, Blumen, dazu allerhand Jndujtri«artikel, wie Hüte, 1 Seid« u. s. w. Schon jetzt waren die Chancen Italiens in zu holen, siel sie sofort und unwillkürlich aus der übermüthig fröhlichen Stimmung in eine romantisch ernst«, die ihr gut stand, weil sie ihr frisches,'manchmal reichlich sicheres Wesen mit einer wohlthucnden Weichheit üoeraoß. Lazinsky ließ, während ec neben ihr stand, seine Blicke sehr zwanglos auf ihr ruhen. Seine Augen nahmen dabei einen schwermüth.g lächelnden Ausdruck an. „Wissen Sie, daß >sl« heute wieder die Hübscheste von Allen sind, Maria?" fragte er. Er nannte sie meist bei ihrem Vor namen, ohne jemals ihre Erlaubniß dazu erfragt zu haben. Maria, die unter seinen Blicken langsam tief erröthet war, ent gegnete scheinbar abwehrend: „Sie sollen mir nicht immer Schmeicheleien sagen." Lazinsky sah auf seine blanken Stieselspiß«n und lächelte gedankenvoll. »Ich sage überhaupt nie Schmeicheleien. Ich sage nur di; Wahrheit. Ich würde Ihnen auch nicht solche banale Wahrheit sagen, die Sie außerdem schon oft und von Vielen gehört haben werden — wenn ich nicht unter „hübsch" noch Anderes verstände, als eine gewisse Schönheit und Harmonie der Gesichtszüge. — Die Anmuth Les Geistes und der Seele, welche die leiblich« Hüll; durchleuchten — die ist's, welche die Schönheit des Weibes aus macht." Maria schwieg verlegen. „Ich glaube, Sic wissen gar nicht, welch' ein ungeahntes Glück mir durch Ihre Bekanntschaft, durch den Verkehr mit Ihnen ge worden ist", begann Lazinsty wieder, als eine kurze Ruhepaus; in der rhythmischen Bewegung der Paare eintrat. „Darf ich es Ihnen sagen, Maria?" Sic verneinte nicht. Und er fuhr im Tone unterdrückter Leidenschaftlichkeit, den er meisterhaft zu treffen wußte, fort: „Sehen Sie, Maria, der Mann kann nicht ohne da» innig', austauschende Verständniß eines weiblichen Wesens leben. Ec bedarf des liebevoll veredelnden Einflusses Lines Geschöpfes, das von der Natur sanfter, reiner und besser geschaffen wurde, als er selber. — Und es ist ein Unglück, wenn er dies Verständniß bei einer anderen findet, als bei seiner Frau", schloß er mit rauher Plötzlichkeit. „DaS darf er eben nicht", fiel Maria ein. „Er darf nicht?! — O, Maria, Sie sind jung und glücklich, in Ihrem Leben haben noch niemals Neigung und Pflicht in starkem Widerstreit gelegen. Wer kann seinem Herzen befehlen — wer kann zu sich selber sagen: Liebe, wen Du mußt, und sei glücklich, wo Du bist? Das Herz kehrt sich nicht daran; das kenn! nur ein Müssen: das aus den tiefsten Wurzeln seiner Eigenart mit elementarer Gewalt entspringende." Maria war dieser Sprache nicht gewachsen; um so größeren Eindruck macht« sie ihr. Sie fühlte sich ihrer gleichäiltig schwatzenden Umgebung entrückt, in rin schwüles Dunkel, und ihr ward banne. „Elisabeth ist so schön und so gut —" stammelte sie.
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