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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.03.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-03-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010314014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901031401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901031401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-03
- Tag1901-03-14
- Monat1901-03
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Anzeigen-Preis die ßgespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem Redactiousstrich (4 gespalten) 7K H, vor den Familtennach- richteu (S gespaUen) SO Dabellarischer und Ziffernsatz entsprecheud höher. — Gebühre» für Nachweisungen und Offertenannahme Sk H (excl. Porto). Extra.Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne PostbefSrderung ^l SV.—, mit Postbesördrrung .4l 7V.—. Aunahmeschluk filr Anzeigen: Ab end-Ausgabe: vormittag« lv Uhr. Morgeo-Au»gab«: Nachmittag- 4 Uhr. vei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet« au die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr- Druck und Verlag vou G. Polz in Leipzig. .V 133. Donnerstag den 14. März 1901. 95. Jahrgang. - Der Antrag des Centrums aus Erlaß eines Neiltisgesetzes betr. die Freiheit der NeUgiousübung. ii. Lande-gesetzliche Vorschriften zur Regelung der Verhältnisse von Staat und Kirche, insbesondere da- Sächsische Gesetz von 1876. Es kann selbstverständlich nicht die Absicht sein, hier daS große und wichtige Gebiet des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche eingebend zu erörtern. Es ist davon auszu gehen, daß der Staat sich grundsätzlich nicht in die inneren Verhältnisse der Kirche einnnscht, daß er die Gewissensfreiheit ach'.et und eS seinen Bürgern überläßt, sich nach ihrer religiösen Ueberzengung zu Kirchen und kircklicken Vereinen zusammen- zuschlteßen. Bei dem engen Verwachsensein des Staates mit den großen historischen Landeskirchen wird eS nur manchmal zweifelhaft sei», ob etwas lediglich als innere Angclegenbeit der Kirche erscheine. Der Staat wird sich die volle Souveränität der Gesetzgebung auf seinem Gebiete wahren und Elnrichtuiigen treffen müssen, welche ihm die Durch führung seiner Gesetze gewährleisten, er wird Schutzmaßregeln nicht aufgeben können, welche ihn und seine Bürger gegen Uebergriffe der Kirche sichern, und er wird den Frieden zwischen den einzelnen Kirchen und Eonfeisionen im Interesse eines eigenen Friedens erhalten müssen. Diese Maßnahmen «rt Einrichtungen bilden nun den Gegenstand der gesetzlichen Regelung, bei welcher der motkrne Staat mit den mittel alterlichen Ansprüchen und Auffassungen der katholischen Kirchen vielfach in Differenzen und Kämpfe gerätb. DaS Verbältniß zur evangelischen Kirche in schon deshalb ein grundsätzlich anderes, weil diese immer Landeskirche ist, während die katbolffche Kirche unter einem fremden Ober haupte, welches den Anspruch erhebt, unfehlbarer Stellvertreter Gottes aus Erden za sein, eine an da- Staatsgebiet geographisch nicht gebundene Universalkirch« daistellt. Sie bestricket rem Staate schon die Berechtigung zur Gesetzgebung, indem sie verlangt, daß die Regelung ihrer Verhältnisse zum Staate nur durch Vertrag zwischen ihr und dem Staate erfolge. Namentlich ist eS die Enchclica des Papstes PiuS IX. vom 22. November 1864 und der durch sie verkündete Syllabus, welche die Autorität deS Staates unbedingt der der Kirche untero>dnen, so namentlich die Artikel des Syllabus H VI, 39, 42, 54. Aber auch materiell erkennt sie die Be rechtigung des Staates zu den Sckutzmaßregeln, die er gegen Uebergriffe der katholischen Kirche für nölbig hält, zum Tocil nickt an, und dieses Grenzgebiet ist eS haaplsäcklich gewesen, auf welchem sich die Gegensätze zwischen Staat und kalbo- lischer Kirche in den letzten Decennien entwickelt und den Frieden gestöit haben. Durch die Bewegung deS Jahres 1848, bei welcher auch die Freiheit der Kircke in kurzsichtiger Weise proclamirt wurde, waren die Ansprüche der katholischen Kirche ans Un- abbängkeit vom Staate außerordentlich gefördert worden, und eS saben sich deshalb viele Staaten aenölbigt, den Weg des EoncordateS zu beschreiten. Insbesondere in Preußen aber batte die durch die VeifassungS-Urkunde von 1851 garantirte „Selbstständigkeit" der Kirche dahin geführt, Preußen allmählich zu einem Eldorado der kirchlichen „Freiheit" zu machen, dir aber immer mebr zur Gefahr für das Staats wesen selbst wurde. Bekanntlich führte dies dazu, die betr. Artikel der preußischen Veifassung aufzubcben und eincNcihe von Einzelgeseyen zu erlassen, aus den:n der in Aller Erinnerung stehende Culturkampf sich entw ckelte. Auck die einzelnen deutschen Staaten sahen, als der Weg der Reichsgesetzgebung verlassen wurde, soweit sie nickt von früher her ausreichende gesetzliche Bestimmungen besaßen, sich genötbigt, den Weg selbst ständiger staatlicher Gesetzgebung zu beschreiten. Auck Oester reich ging diesen Weg, und die Schweiz nahm Bestimmungen in die Bundesverfassung auf, durch welche gewisse von den Eautonalveriassungen einznhaliende Normen ausgestellt wurden. (Vergl. über die Entwicklung: Zorn, die wichtigsten neueren kirckeustaatsrecktlichen Gesetze Deutschlands, Oester reich«, der Schweiz und Italiens, Nördlingen 1876.) ES ist nickt tbunlich, an dieser Stelle auf die Einzel heiten der erlaßenen Gesetze einzugeben, eS kann nur im All gemeinen das Gebiet angedeutet werden, auf welchem sie sich bewegen, und daS ist im Wesentlichen bas folgende: ES wird zum Theil für beide Kirchen die evangelische und die katbolische gemeinsam oder auch für jede besonders die Stellung als Landeskirche, als öffentliche Corporation, mit dem Rechte freier Lffei tlicber Religionsübung und freien Verkehrs mit den Oberen, anerkannt, dir Gesetze regeln sodann die Stellung der übrigen religiösen Gemeinschaften und die Bildung neuer religiöser Vereine, die Ver waltung der eigenen Angelegenheiten durch die Kirche, die Bildung neuer Kirchengemeinden, die Voraussetzungen zu Ausübung eines KirckenamteS, die geistlichen BilkungS- anstalten, die Aussichtsrechte deS Staates bei der Vermögens verwaltung, die Zulassung von geistlicken Orden, die Stellung der Kircke zu Schule und Unterricht, zur Ebe, das Recht der Kintererziehung, die Unterwerfung unter die Gesetze deS Staates im Allgemeinen, zu diesem Zwecke die Genebmigung geistlicher Verordnungen durch den Staat (Placet) oder doch die Anzeigepflicht der Kircke, die Grenzen der Staatsgewalt gegenüber der Kircke und die Folgen von Strafen deS Staate« auf die Ausübung des kirchlichen Amte«, den AmtSmißbrauch der Geistlichen, zum Tbeil auck de« BegräbnißwesenS. Im All gemeinen sind ja die Verbältnisse nach gleichen Gesichtspunkten geordnet, aber e« sind doch Verschiedenheiten da, und e« fragt sich deSbalb, ob diese zu den „DiSparitäten" gehören, welche nach Ansicht de« Herrn Reichskanzler« verschwinden möchten? Er bat allerduig« von einer au« „älterer Zeit stammenden Gesetzgebung" gesprochen, indeß da bei der Debatte hauptsächlich auch Sachsen und dessen Gesetz von 1876 in Frage stand, so ist nickt auSgtschloffen, daß er unter der „älteren Gesetzgebung" auch die organischen Gesetze mit meint, die in den deutschen Staaten nach dem Baticanum erlassen worden sind, jedenfalls würde da« bayerische ReligionSedict von >818, das württembergiscke Gesetz von 1862, betr. die Regelung des Verhältnisses der Staatsgewalt zur katholischen Kirche, daS badische Gesetz vom 9. October 1860, die recht liche Stellung der Kirche und kirchlichen Vereine im Staate betr., unter riese „ackere Gesetzgebung" fallen, ja die Reichs gesetzgebung selbst würde diesen Stempel erkalten. Es braucht ja wobl nickt erst gesagt zu werden, welcher Widerstand, welche Kämpfe in allen kiesen Staaten heiaus- beschworen werden würden, wenn man dort an eine Revision der staaiskirckenrecktlichen Gesetze geben wollte, um dem persönlichen Wunsche deS Reichskanzleis nack Verschwinden der „DiSparitäten" zu entsprechen. Bor Allem würde e- sick fragen, welche Gesetzgebung denn als Norm zu dienen Kälte, wenn Uebereinslimmung bergestellt werden soll? Der Herr Reichskanzler sagt: Vorschriften, die mit den im größten Tbeile deS Reiches anerkannten Grundsätzen freier ReligionS- abung nicht überall im Einklang sieben. Ja, welche sind denn dies; darüber kann man sehr verschiedener Meinung sein. Nebmen wir z. B. die Zulassung geistlicher Orden. Nach dem preußischen Gesetze vom 31. Mai 1878 waren alle Orden und ordensäbnlichen Corporationen der katholischen Kirche, mit AuSnabme derer, welche sich ausschließlich der Krankenpflege widmen, ausgeschlossen. Dies ist durch Gesetz vom 29. April 1887 abgeändert, und eS werden wieder zu gelassen diejenigen Orden und ordensäbnlichen Co gregationen, welche sich der AuSbilfe in der Seelsorge, der Uebung der christlichen Nächstenliebe, dem Unterrichte und der Erziebung der weiblichen Jugend in den köderen Mädchenschulen und gleichartigen ErziebuugSanstalten widmen, deren Mitglieder ein beschauliches Leben führen. Neuerdings bat das Centrum eine Erweiterung dieser Bestimmungen bekanntlich be antragt. Nach dem badischen Gesetze vom 9. Oktober 1860 tz 1l kann obne Genebmigung der StaatS- regi-rnng kein religiöser Orden einaefübrt und keine einzelne Anstalt eines eingefübrten Ordens errichtet werden; die Genebmigung ist widerruflich. Nach dem württem- bergischen Gesetze vom 30. Januar 1862 können geistliche Orden und Congregationen vom Bischof nur mit ausdrück licher Genebmigung der Staatsre^ierung eingesührt werden, welche auch erforderlich ist, so oft ein im Lande schon zu- aelassener Orden eine neue Niederlassung gründen will; die SlaatSregierung ist jedoch keinenfallS befugt, odne besondere Ermächtigung durch Gesetz die Jesuiten oder ihm verwandte Orden und Congregationen im Lande zuzulassen; die Ge nebmigung ist jederzeit widerruflich. Nack dem großberzoglick hessischen Ges tze vom 23. April 1875, die religiösen Orden betreffend, sind neue Niederlassungen oder Anstalten von reli giöse» Orden oder ordensäbnlichen Congregationen im Groß- herzogtbum nickt zugelassen, die beliebenden Niederlassungen die'er Art dürfen neue Mitglieder nicht aufnebmen. Aus nahmen sind zu Gunsten von Orden gemacht, welche sich ausschließlick der Krankenpflege widmen. Durch Gesetz vom 1. Juni 1895 ist eS gewissen Orden gestattet, sich auf dem Stande vom 1. October 1879 zu erkalten. DaS sächsische Gesetz, die Ausübung des staatlichen OberaufsichiSrechtS über die katholischen Kirche betreffend vom 23. August 1876, schreibt in ß 30 vor: Mitglieder von Orden oder ordenSähnlichen Congregationen dürfen auch al- Einzelne ihre Orden-thätigkeit innerhalb de« Königreichs nicht auSüben; nur reichsangehörige Mitglieder solcher Frauencongregationen, welche innerhalb de- deutschen Reich- ihre Niederlassung haben und sich au-schließlich der Kranken- und Kinderpflege widmen, dürfen auch ferner al« Einzelne mit Geneh- migung und unter Aussicht der Staatsregierung ihre Orden-tdütlg- leit im Lande ausüben; die Genehmigung ist jederzeit widerruflich. Geistliche Brüderschaften, welche mit Orden oder ordenSähnlichen Congregationen in Verbindung stehen, dürfen nicht errichtet werden. Bereits die Sächsische Verfassungsurkunde enthält in tz 56 die Bestimmung: E- dürfe« weder neue Klöster errichtet, noch Jesuiten oder irgend «in anderer geistlicher Orden jemals im Lande aus genommen werden. Kann eS denn im Sinne de« ReickSkanzldrS gelegen haben, seine persönlich« Ansicht dabin zu äußern, daß solche Disparitäten verschwinden möchten? Gewiß wird die Frage zu verneinen sein, denn diese Ansicht stänke in zu schroffem Widerspruche mit der im Namen der verbündeten Regie rungen verlesenen Erklärung, als daß man sie dem Reichs kanzler zutrauen könnte. Wie eS aber bezüglich dieser einen Materie steht, so wird e» auch mit den meisten anderen Materien stehen. Bezüglich der im Reichstag gegen Sachsen vor gebrachten Beschwerden aber liegt die Sache so, daß die hier vorliegenden DiSparitäten vom Standpuncte des Auf- sichtSreckteS eine- fast ganz protestantischen Staates durchau« zu rechtfertigen sind. Der Abg. Rickert bat zwar sofort gesagt: „was die Frage der Handbabunader Gesetze au« der Verwaltung in den Staaten Sachsen, Mecklenburg, Braun schweig betrifft, so sind wir der Meinung, daß Sir volle« Recht haben zu Beschwerden, und e« ist gut, daß Sie mit diesen Beschwerden vor den Reichstag kommen; nachdem der Herr Reichskanzler erklärt hat, daß er persönlich den Wunsch bat, daß diese „Mißstande" — ein mrlder Ausdruck I Ich würde viel schärfer darüber urtbcile» — verschwinden." Aber waS weiß denn Herr Rickert von den sächsischen Gesetzen? Offen bar gar nicht«, man steht eben, wir obenbin solche Ding« im Reichstag behandelt werden. DaS sächsisch« Gesetz von 1876 ist ein Werk deS Ministers v. Gerber, und mau kann im Vorau« davon überzeugt sein, daß ein so au-gezeichneter Jurist und zugleich so maßvoller Mann kein Gesetz vorgelegt baden wird, welche« zu einem solchen Nrtheil be rechtigen könnte, wie e« hier ausgesprochen worden ist. Auch der Bericht der Deputation der II. Kammer au« der Fever de« Oberbürgermeister« Streit ist ein Muster von rubiger und vbiectiver, jede Schärfe vorsichtig vermeidender Darstellung. Der Abg. vr. Pichler bat e« hauptsächlich unternommen, die Beschwerden gegen Sachsen vorzubringen und zu formulireu, uud da leider der Vertreter der sächsischen Regierung nicht recht genügend auf diese Nuklagrpunctt zu antworten vermocht hat, so mag auf Einige« hier ringegaogrn werken: 1) Pichler sagt: „Keine kirchliche Streitigkeit irgend welcher Art kann, auch nicht in der Berufungsinstanz, nach Rom gebracht werden. ES ist aus drücklich vorgesehen, datz nur das sächsische VicariotSgrricht al- oberste Instanz zu sungiren habe. Nun, meine Herren, wie ist da» zusammengeletzt? Die oberste Instanz in kirchlichen Streitigkeiten in Sachsen ist das VicariatSgericht; da- bat fünf Räthe, drei welt liche, zwei geistliche. Von den drei weltlichen, meine Herren, sind zwei protestantisch". Darauf ist Folgende» zu erwidern: 8 16 deS Gesetze- bestimmt nun, daß kirchliche Streitig keiten in allen äußeren Angelegenheiten der katholischen Kirche von den deshalb im Lande bestehenden Behörden und nach den LankeSgesetzen, soweit diese darauf Anwendung er- leiken, zur Erledigung zu bringen sind. DicS entspricht nur der Entwickelung des deutschen gemeinen ReckleS; schon Carl V. verbot die Recurse nach Rom, und auSfübrlich be stimmt der jüngste Reicksabsckied vom Jahre 1654: „daß den Nunliis dergleichen odnznverlässigcS Verfahren im Reick unk über dessen Glieder und Untcrtdanen mit Ernst verboten" (vergl. Friedberg, die Grenzen zwischen Staat und Kircke, S. 83, mit vielfachen Beispielen). Der sogenannte recmsus ab akusu aber ist in tz 9 des citirten Gesetzes eingeschränkt auf Verletzung eines StaatSgesetzeS durch Mißbrauch der kirchlichen Straf- und Zuchtgewalt, und Sachsen hält sich damit durchaus in den Grenzen, in welchen auch tu andern Staaten, z. B. Bayern, dieser RecurS zulässig ist. — WaS aber die Zusammensetzung der geistlichen Gerichte anlangt, so werden die Rälbe des VicariatS,>ericktS, mit Ausnahme der aus dem obersten Gerichtshöfe zu deputirenden, auf Vor schlag des apostolischen VicarS und aus Vortrag der SlaatS regierung vom Könige bestätigt. Daß die aus dem obersten Gerichtshöfe keputirten Mitglieder Protestanten sein können, ist wobl möglick, wenn es an katboliscken Mitgliedern feblt, daß aber die Deputirung von zwei Mitgliedern deS höchsten Gerichtshofes der katholischen Kircke zu irgend einer Be- jchwerbe gedient bade, ist nicht anzunehmen, wenigstens ist unseres Wissens eine solche nie geführt worden. 2) Pichler sagt weiter: „Da- Placet, meine Herren, besteht in Sachsen selbstverständlich auch. Das Eigenthümlicke ist für Sachse« nur, daß daS Placet hier in einer Weise ausgedehnt ist, wie nirgend anderswo." Tas ist unwahr; allerdings besteht daS Placet, die Be stimmungen in ß 3 bleiben aber sogar hinter dem zurück, was in manchen Staaten gilt; einer Genebmigung bedürfen nur diejenigen Verordnungen allgemeinen Inhalts, welche ganz oder theilwcise, sei es auch unmittelbar, in staatliche unk bürgerliche Verhältnisse eingreisen, Verordnungen, welche ausschließlich und allein dem Gebiet der inneren kirchlichen Angelegenheiten angehören, sind nur vor der Verkündung vorzulegen. 3) Pichler sagt ferner: „Dann sind auch Sammlungen für kirchliche Zweck« u. s. w. nicht gestattet." Wo steht daS? Alle Sammlungen bedürfen in Sachsen sei eS der ortspolizeilichen, sei eS der ministeriellen Genehmi gung. Daß diese grunbiätzlich für katboliiche kirchliche Zwecke verweigert werde, mag einmal nackgewiesen werden. 4) Pichler sagt weiter: „Auch in Brzug auf die Lorbildung der Geistlichen ist natürlich Vorsorge getroffen. Speciell ist die Bestimmung dahin getroffen, daß in Sachsen kein Geistlicher zu irgend einem kirchlichen Amte berufen werde, der einem unter Leitung de- Jesuitenordens oder einer diesem Orden verwandten religiösen Genossenschaft stehenden Seminar seine Vorbildung verdankt." Gewiß bat da- sächsische Gesetz auch Vorschriften über die Vorbildung zu einem geistlichen Amte, wie wohl alle staatS- kirchenrechtlichen Gesetze, und man wird gewiß nicht sagen können, daß dieselben strenger sind als andere. ES wird außer der Reicks(nicht Staat--)angehörigkeit nur verlangt die Abgangsprüfung auf einem deutschen Gymnasium und die Zurücklegung eines dreijährigen rheologischen Studiums auf einer deutschen Universität, und nur für Canvidaten, welche ihre Vorbildung nicht in dieser Weise dargethan haben, besteht die Vorschrift einer wissenschaftlichen Piüfung, diese wird aber mit der theologischen AmlSprüsung verbunden, also von der katholischen PrüfungSbehörde abgenommen, und es ist dabei die SlaatSregierung nur, genau wie bei den protestantischen theologischen Prüfungen, durch einen Commifsar vertreten. Aon den Vorschriften kann aber die Staats regierung in einzelnem Falle aus erbebliLen Gründen ent binden; i» daS Gesetz bat e« bi« auf weitere Bestimmung der Staatsregierung bei der bisherigen Einrichtung belassen, wonach auch Theologen, welche auf dem sogenannten wen dischen Seminare in Prag gebildet worden sind, zu einem geistlichen Amte berufen werden dürfen. Und in welchem Geiste diese Erleichterung von Regierung und Ständen ge handhabt wird, da« kann man daraus ersehen, daß, nachdem da- Gesetz 1876 erlassen worden, die SlaatSregierung beute noch keine andere Bestimmung getroffen bat, ja daß au- sächsischen Staatsmitteln diese- Seminar mit jährlich 900 -ck und außerdem mit 900 zu Stipendien für erbländiscke Studirende der Theologie auf diesem Seminar unterstützt wird, letztere neben 3000 zur Unterstützung solcher säch sischer Staatsangehöriger, welche eia Gymnasium oder ein« Universität im deutschen Reiche besuchen. um sich dem Stu dium der katboliscken Theologie behufs Erlangung eine geistlichen Amte- in Täcksen zu widmen. — Richtig ist, daß di« Vorbildung durch ein unter Leitung de« Jesuitenorden« siebende» Seminar ausgeschlossen ist, inkeß ist die- doch eine fast selbstverstänrliche Consequenz der Aus schließung de« Jesuitenorden« durch eie Verfassung- Urkunde und durch da- Reich-gesrtz, und übrigen- fordert auch Baden von denen, die ibre Studien au einer von Jesuiten geleiteten Anstalt gemacht haben, noch indispensabel einen dreijährigen Besuch «wer deutschen Universität, wa« wohl thatsächlich auf dasselbe binau-läuft, und ebenso erscheint io Preußen durch die Gesetze vom 11. Mai 1873, und vcm 21. Mai 1886 in Verbindung mit dem reichsaesetzlicken Verbote deS Jesuiten ordens die Vorbildung der Geistlichen durch ein von Jesuiten geleitetes Seminar ausgeschlossen. WaS nun aber die Functionen anlangt, für welche die gesetzlich bestimmte Vorbildung vorausgesetzt wird, so bestimmt 8 26: „Die Vorschriften i« 8 19 bi- 2b kommen zur Anwendung, gleichviel, ob do« Amt dauernd oder widerruflich übertragen werde, oder nur eine Stellvertretung oder zur Hltf-Ieistuag tu demselben stattfinden soll. Auch einzelne geistliche Amtshandlungen dürfe« nur vo« Personen vorgenommen werden, welch« zu einem hierzu ermächtigenden Amte oder zur Stellvertretung oder zur Hils-leistung i« einem solchen Amte berufen worden sind," und hiermit kommen wir zu den Fällen Thammenhain und Wechselburg. Es ist selbstverständlich, daß, wenn überhaupt Vorschriften über die geistliche Vorbildung gegeben werden, dann auch der Wirkungskreis näher bezeichnet werden muß, bei welchen diese Vorbildung die Voraussetzung ist, und Hand in Hand damit müssen gewisse Vorschriften geben über die Ausübung deS geistlichen Amtes. DaS Preußische Gesetz vom 11. Mai 1873 über die Vorbildung von Geistlichen enthielt strenge Bestimmungen darüber; dieselben sind zum Tbeil auf gehoben und erleichtert durch die Gesetze vom 21. Mai 1886 und 29. April 1887, insonderheit ist durch letztere daS Lesen stiller Messen und Eribeilung der Sterbesakramente nicht mebr unter Strafe gestellt, aber im klebrigen trifft nach Artikel 2 deS Preußischen Gesetzes vom 21. Mai 1874 noch jeden Geistlichen Strafe, welcher Amtshandlungen voraimmt, ohne den Nachweis führen zu können, daß er zu einem bierzu ermächtigenden Amte oder zur Stellvertretung oder zur Hilfs leistung in einem solchen Amte unter Beobachtung der Vor schriften des Gesetze- berufen worden sei. Auch das öster- reichücke Gesetz vcm 7. Mai 1874 enthaltend: Bestimmungen zur Regeltuug der äußeren Rechtverhältnisse der katholischen Kirche bestimmt in tz 2, daß die von Staatswegen zur Er langung kirchlicher Aemter vorgeschriebene Befähigung auch bei jenen geistlichen Personen erfordert werden, welche zur Stellvertrekung oder provisorischen Versetzung dieser Aemter oder zur Hilfeleistung bei denselben berufen werden. AlS nun ß 26, welcher die Conscquenzen au« den Vor schriften die Vorbildung der Geistlichen zog, in der Depu tation der Zweiten Kammer beratden wurde, tbeilte, nach dem von dieicr erstatteten Berichte, die königliche SlaatS regierung zu Absatz I erläuterung-weise mit, daß dieser sich auf Privatgeistliche beziehe, welche zugleich den Charakter von Pfarrgebilfen haben oder thatsäcklich beanspruchen, daß dagegen eigentliche HauSgeistliche, d. h. solche, welche ein Familienhaupt bloS zur Seelsorge für sich und die mit ihm ein und dieselbe Hausbaltunz bildenden Personen, ein schließlich seiner mit ihm in demselben Hause wohnhaften Dienerschaft, angenommen bat, den Vorschriften der ZK 19 bis 28 nicht unterliegen. Der Deputationsbericht bemerkt dazu: „DieTeputation hat anzuerkennen, daß bei Hausgeisilichen der zuletzt gedachten Art von einem eigentlichen geistlichen Amte keine Reee sein könne, und daß diese Hausgeisilichen, wenn und jo lange sie sich auf die bezeichnete Privatthätigkeit innerhalb einer und derselben Familie beschränken, zu dieser Thätigkeit staatlicher Genehmigung nicht bedürfen. Der Deputation erscheint die- eine unbestreitbare Consequenz der in der Verfasiungsurkunde gewährleisteten Gewissens freiheit zu sein." Die Frage ist also einfach die: Hat die SlaatSregierung das Recht und dir Pflicht, darüber zu wachen, daß ein unter Nichtbeachtung der für die Anstellung eines Geistlichen vor- geschriebene» Voraussetzungen augestellter Privatgeistlicher die Functionen eine« geistlichen Amte» auSübe? oder bat sie ruhig weiter zuzuseben, wenn ein solcher Hau-geistlicher, wie Ab geordneter Vr. Pichler sagt, dann „so schlau ist, dem Ein züge der Strafen au« dem Wege zu gehen"? Eine solche Umgebung deS Gesetzes würde ebensowenig in der „besseren Heimath" Preußen als in Oesterreich geduldet werden; die zu Gunsten von HauScaplänen gewährte Erleichterung kann nurPlatz greisen, wenn und solange die Tbäligkeit diese-Geistlichen sich auf die Privattbätigkeit innerhalb einer und derselben Familie beschränkt. Auch der kirchliche Ansturm gegen die Maigesetze in Preußen hat eS nur erreicht, daß das Lesen einer stillen Messe und Ertbeilung von Sterbesakramenten außer Strafe gestellt ist; da- steht aber hier gar nicht in Frage, sondern die AuSübuug der sonstigen Funciionen deS geistlichen Amte«. Entsteht hier daS Bedürsnitz weiterer geistlicher Versorgung, so ist auf dem geordneten Wege vor- zugehen, aber die HauScapläne können in die Lücke nicht ein treten. Nun beschwert sich der Abg. vr. Pichler da, über, daß neue kirchliche Einrichtungen nur mit Genehmigung der SlaatSregierung vorgenommen werden dürfen, und daß dazu auch di« Abhaltung öffentlicher Gottesdienste gekört. Die Einrichtung „öffentlicher Gottesdienste" steht mit den geord nete« Parochialverbältnissen in innigem Zusammenhang, mit vollem Rechte hat darauf daS sächsische Ministerium in seiner im Reichstage verlesenen Verordnung aufmerksam gemacht, und die Regelung der Parvchialverhältniffe wird wohl überall im Einvernehmen mit der Staat-regierung zu erfolgen haben. So sagt z. V. da- württembergifche Gesetz von 1862 in Artikel l7 au-drLcklich: „Die Bildung «euer kirchlicher Gemeinden und die Abänderung bestehender kirchlicher Gemeinde- und Bezirk-rtntdeilungen kann von dem Bischof nur im Einverständniß mit der Staat-rrgieru«- ver fügt werd««." In Sachse« ist eine Verständigung mit der Staat regierung aber schon de-halb thatsacklich notbwendig, weil die Kosten der Pastorirung zum ganz überwieg,«den Ldeile au« Staatsmitteln getragen werden. Der sächsische Staat giebt zu den Kosten der geistlichen Behörden einen Zuschuß, der im laufenden Budget mit 36 650 .< da- ist mit 3220 mebr gegen die Vorprriode wegen GedaltSerböhnoarn ein gestellt ,st, und für katholische Krrchen und wvhlttzStige
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