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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.03.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-03-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010315023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901031502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901031502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-03
- Tag1901-03-15
- Monat1901-03
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Amtsblatt -es Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, -es Nathes und Nalizei-Amtes -er Lta-t Leipzig. Freitag den 15. März 1901. Anzeige«-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 H. Rerlamen unter dem Redaction-strick (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach» richten (0 gespalten) 50 Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren sür Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 00.—, mit Postbesörderung 70.—. Ännahmeschluß sür Anzeige»: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stuude früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Tie Expedition ist Wochentags ununterbrochen geüssnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr- Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 95. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika i Die Frietzcusgerüchlc. Nach der „Daily News" ermächtigte die Regierung Kitchener, bestimmt zu versprechen, daß die neuen Colonien eine Re gierungsform erhalten sollten, welche völlige Gewährung freier Institutionen in sich begriffe. In Brüsseler Transvaalkreisen wird bestätigt, daß England an Botha eine allgemeine Amnestie mit Einschluß Stcijns und De Wet's, sowie ausgedehnte Autonomie für beide Boerenstaaten gewährt habe. Diese Meldungen haben vorläufig nur den Werth privater Vermutchungen. Die Prst. * Eapstadt, 14. März. („Reuter s Burrau" ) TiePcst breitet sich i» ernster Weise ans. Tic Behörden haben vorgeschlagen. Sie Truppen in Sen Laaer» und Caseriicn zu consianiren. Die «ab! Ser Pestfälle unter den Europäern nimmt zu. Leute sind vier Europäer und acht Einacborenc erkrankt. Bis jetzt sind 37 Personen an Ser Pest gestorben. Man hat eine allgemeine Fmpsnng begonnen; heute sind 2000 Eingeborene geimpft worden. Auch in Malmessbury ist die Pest ansgcbrochcn. Ta» Lager der gefangenen Ausländer bei Ragama auf Ecylo». Die „Köln. Ztg." schreibt: Der Deutsche, dessen Erlebnisse als Krankenpfleger unter De Wet wir zu veröffentlichen begonnen haben, hat auf seiner Heimreise das Lager der gefangenen aus ländischen Kriegstheilnehmer auf Ceylon besucht. Diese, die ursprünglich mit den gefangenen Boeren bei Diyatalawa ver einigt waren, sind seit einiger Zeit in einem besonderen Lager bei Ragama, eine halbe Stunde Eisenbahnfahrt von Colombo entfernt, untergebracht. Nach einigen Schwierigkeiten wurde unserem Gewährsmann« der Zutritt gestattet. Unter den ge fangenen Ausländern, so erzählt er, befinden sich etwa 120 Deutsche, von denen eine ganze Menge ehemalige preußische Offi- ciere sind. Allgemein glauben die Deutschen, sie würden in nächster Zeit entlassen werden, weil sie von Diyatalawa hierher gebracht worden seien. Mein Führer meinte indeß, die Aus länder würden gefangen bleiben, bis der Krieg zu Ende sei. Wahrscheinlich sei die Uebersiedelung von Burenkamp hierher mit den zahlreichen Fluchtversuchen in Verbindung zu bringen, die in letzter Zeit gemacht wurden. Man wolle es vermeiden, die intelligenten Ausländer mit den Boeren länger zusammen zu lassen, damit die Letzteren nicht unnöthiger Weise aufgeregt wür den. Die Deutschen wohnen in einem langen, mit Palmblättern gedeckten Gebäude, das nach allen Seiten offen ist, um der Luft Zutritt zu gewähren. Rings um das Lager ziehen sich zwei riesige Stachelzäune, zwischen diesen ist nochmals Stacheldraht kreuz und quer gezogen, so daß ein Entweichen durch dieses Drahtgewirr mit -der größten Schwierigkeit verbunden ist. Sol daten sind natürlich in großer Menge zur Bewachung da. Worüber die Deutschen besonders klagen, ist die tödtliche Lange weile. Sie haben sich bald gegenseitig ausgesprochen, und da es ihnen an genügender deutscher Lectüre fehlt, so wissen sie die Zeit nicht todtzuschlagen. Kegelbahnen, Schießstänbe u. s. w., die im alten Lager sich befanden, sind hier noch nicht eingerichtet, werden es auch wahrscheinlich überhaupt nicht, lieber das Essen, sowie die sonstige Behandlung habe ich von den Deutschen keine Klagen gehört. Nur wurde sehr geklagt, daß sie so wenig Unterzeug und Socken erhielten; Viele hatten überhaupt keine Strümpfe. Die Wirren in Ehina. Das russische Mandschurei-Abkommen. In Londoner politischen Kreisen will man wissen, der Haupt gegenstand des vorgestrigen CabinetsratheS seien die chinesischen Angelegenheiten gewesen, einmal oer Widerstand des russischen Gesandten gegen die von den Vertretern Englands, Deutschlands, Frankreichs, Italiens, Oesterreichs, Belgiens und Hollands ge forderte Hinrichtung einer weiteren Anzahl von schuldigen chinesischen Beamten, und dann die Frage des russischen Ab- kommens, das nicht blos die Mandschurei, sondern denganzen Norden Chinas umfasse. Man regt sich in manchen Kreisen über beide Puncte ganz erl-eblich auf, und „Daily Mai!" versäumt nicht, dabei wieder der Regierung scharf für ihre matte, schwankende Haltung den Text zu lesen. Am Schlüsse des Ar tikels heißt es: Der Hauptfactor in dem gegenwärtigen Ringen in Ostasien ist Japan. Japan ist kein Ton Quijote unter den Nationen, vielmehr ist keine Macht, Rußland abgerechnet, so kühl berechnend. Indessen es giebt plötzliche Entwickelungen in der Diplomatie, und nichts ist unmöglich. Jedenfalls wird ein treuer Chronist der Diplomatie, selbst wenn keine weiteren Er eignisse eintreten, eines Tages über 1901 bemerkenswerthe Ge schichten zu erzählen haben, und wahrscheinlich zu dem Schlüsse gelangen, daß Niemand den russischen Diplomaten erreicht. Nach einer Meldung des „Standard" aus Shanghai berichten die chinesischen Beamten aus Singanfu, Z) unglu sei oer eigent liche Urheber des russischen Abkommens, und habe den Nankinger Viceiönig Liukunyi gewarnt, ja keinen Einspruch dagegen zu er heben, um einen Häuptzug nicht zu hindern. Nach demselben Gewährsmann hätten die Japaner der chinesischen Regierung angekündigt, sie würden alle Vorrechte, die Rußland in der Man dschurei erlange, in der Provinz Fukien beanspruchen. Es liege Grund zu der Annahme vor, daß verkleidete japanische Senvlinge seit Monaten in ganz Fukien in Thäligkeit seien. * Peking, 14. März. („Reuter s Bureau».) In einer heute abgehaltenen Versammlung der Gesandten wurde über die Frage der Entschädigungen berathen. — Tas Befinden Li tz u n g - T s ch a n g ' s ist dem Vernehmen nach wieder gut. Politische Tagesschau. * Leipzig, 15. Mär;. Der Reichstag hat gestern, wie vorauszusehen war, auf die Tagesordnung seiner heutigen Sitzung die neue Cbina- vorlage gesetzt; wenn aber daS, was die „Nat.-Lib. Corr." meldet, richtig ist, so wird er heute keinen besonders großen Tag haben. Diese Meldung lautet nämlich: Was die geschäftliche Behandlung der neuen China- Vorlage betrifft, so besteht bei verschiedenen Parteien des Reichs- tags der Wunsch, von einer Commisjionsverweisung ab- zusehen. Sollte die Mehrheit diesen Weg beschreiten, so würde das im Lande begrüßt werden. Die erste Chinavorlage ist in der Commission lange und eingehend berathen worden. Keine wesent liche Forderung der Regierung konnte angefochten werden. Auch im Auslande würde eine schleunige Berathung der Vorlage ihres Eindrucks nicht verlustig gehen und dahin aufgefaßt werden, daß die deutsche Chinapolitik durch das rückhaltlose Vertrauen der Mehrheit des Reichstags gestützt ist. Wenn nickt auch bei der Centrumspartei der Wunsch herrschte, die Vorlage rasch im Plenum zu erledigen, so wäre keine Aussicht dafür vorhanden, daß dieser Weg beschritten werden würde. DaS Centrum muß also geneigt sein, bei der neuen Chinavorlage der Negierung keine Schwierigkeiten zu machen. Wahrscheinlich hat zu dieser Neigung der Ver laus der gestrigen Sitzung des preußische» AbgrorSnctcn- hauses beigelragen, in der bekanntlich u. A. der Antrag, die Regierung um schleunige Einbringung eines Schuldvtations- gese tze s zu ersuchen, berathen wurde. Zu der Tebatte über diesen Antrag, der einstimmig angenommen wurde, vermied es zwar der klerikale Redner, Abg. Or. Porsch, den alten CentrumS- wunsch nach baldiger Vorlegung eines Volksschulgesetzes zu erneuern; ja, er erkannte sogar an, daß mit der Schaffung eines SchulvotationSgesetzeS nicht gewartet werden lönne, bis ein Volksschulgesetz ausgearbeitet sei; dafür aber richtete der conservative Äbg. vr. v. Heydebrand au den Cnltus- minisler die Mahnung, für die Ausarbeitung eines solchen Gesetzes zu sorgen, und fügte hinzu, wenn der Minister glaube, daß gegen ein eonfessionelles Volksschulgesetz wieder eine solche Stimmung im Lande sich geltend mache, wie vor Zähren, so verkenne er die Situation. Cultusminister Studt ant wortete auf diese Mahnung und Belehrung nicht, aber keine Antwort ist zuweilen auch eine Antwort nnd daS Centrum scheint anzunehmen, daß das Schweigen des Ministers als Zustimmung auszufassen sei. Der Herr Reichskanzler wird Henle vermuthlich im Reichstage die Früchte danon ernten, daß sein preußischer Cultuscollege die Auferstehung des Zetlitz'schen Schulgesetzes nicht verredet hat. Seltsam muthet daher die folgende Meldung an, die den „Münchener Neuesten Nachrichten" auS Berlin zugeht: Das Gerücht, daß der Cultusminister vr. Studt amts müde sei und deiliifsioniren wolle, wird uns als unbegründet bezeichnet. Vorläufig ist in keinem Ministerium eine Aenderung zu erwarten. Sehr fest dürste die Position des Herrn Studt allerdings wohl nicht sein. Von Festigkeit kann ja eigentlich bei der Stellung keines preußischen Ministers die Rede sein, aber jedenfalls liegt kein Grund vor, die Position des Herrn Studt für wackeliger anznsehen, als die eines seiner Collegen. Seinem Auftrage, das Centrum zu „versöhnen", kommt er ja mit ebensoviel Eifer wie Erfolg nach. Nachdem der liberale Straßburger Bürgerverein den Neichstagsabgeordnelen sür Straßburg aufgefordert hat, im Verein mit den übrigen elsaß-lothringischen Neichstagsabge ordnelen im Reichstage den Antrag zu stellen, daß Elsast- Lothringcn durch Zutheilung von Stimmen zum Bundesrathe an der Souveränität des Reiches betheiligt werde, ist es wahrscheinlich, daß ein entsprechender Antrag über kurz oder lang den Reichs tag beschäftigen wird. Aber auch wenn dies nicht ze- gefchehen sollte, verlohnt eS sich, die Forderung der Straß bnrger Liberalen einer Prüfung zu unterziehen. Bekanntlich hat Elsaß-Lothringen im Bundesrathe keine Stimme, weil in den Rückständen ein besonderer Träger der Staatsgewalt, dem diese zusteheu könnte, nicht existirt, das Reich vielmehr selbst Inhaber der Staatsgewalt ist, deren Ausübung dem Kaiser zusteht. Nach dem Reichs gesetz, betreffend die Verfassung und die Verwaltung Elsaß- LolhringcnS, vom 4. Znli 1879, besitzt jedoch der Statthalter die Befugniß, Commissare zur Vertretung der Vorlagen auS dein Bereiche der Landesgesetzgebung jeder der Interessen Elsaß-Lothringens bei Gegenständen der Reichsgesetz gebung in den DnndeSrath zu entsenden. Diese sind aber keine stimmsühreiiden Mitglieder, wie die Be vollmächtigten der Einzelstaaten, sondern nehmen nur an den Berathungen des Bundesraths über die betreffenden Angelegenheiten tbeil. Wollte man ihnen gleich den übrigen Mitgliedern des Bundesraths das Stimmrecht verleihen, so stünde man vor Schwierigkeiten, die Fürst Bismarck in der Neichstagssitzuug vom 21. März 1879 zutreffend wie olgt geschildert hat: „Jede Berechtigung sür das Ncichsland, Mitglieder des Bundes- raihs zu ernennen, wenn sie ebenso ausgeübt werden soll, wie sür die übrigen Bestandtheile Les Reichsgebiets, würde in letzter Instanz nichts weiter sei», als eine Vermehrung der preußischen Stimmen von 17 ans 19 oder 20, je nachdem man 2 oder 3 nimmt, denn Ee. Maj. der Kaiser kann unmöglich diebundesräthliche Vertretungsürdie Reichslande persönlich anders construiren wollen als sür das Königreich Preußen, und für Beide beruht die Bestimmung schließlich auf dem persön lichen Willen und der persönlichen Entscheidung LeS Monarchen, sie mag durch ministerielle Verantwortlichkeit gedeckt oder getragen sein, wie sie wolle. Tie preußischen und die elsässischen Vertreter im Bundes rathe würden nicht gegeneinander stimmen können. Eine Ver schiebung der jetzigen Stimmverhältnisse im Bundesrath wäre eine wesentliche Verfassungsänderung, und ich mag sür deren Initiative die Verantwortung nicht auf mich nehmen, ich glaube, sie würde auch wenig Aussicht auf Erfolg haben, und von den preußischen 17 Stimmen einige an die Reichslande abzu treten, würde ja eben nur rein Formsache sein, da sie doch nicht anders instruirt werden können, als die übrigen 15 oder 14 Stimmen, und da schon jetzt der Kaiser instruirt und dabei in seiner Eigenschaft als Inhaber der landesherrlichen Rechte des Elsaß doch auch den Berus in sich fühlen wird, die Interessen der Elsässer wahrzunehmen." Die hier auSeiandergesetzte Schwierigkeit hat ein Mit glied deS Straßburger Bürgervereins dadurch zu umgehen gesucht, daß es das Verlangen nach Einsetzung einer nichtpreußischen Dynastie für die Reichslande aussprach. Von allem Anderen abgesehen, muß es als ganz ausgeschlossen erscheinen, daß der Kaiser jemals in eine derartige Verkürzung seiner Neckte willigen werde. Stimmberechtigte Mitglieder des Bundesratbs etwa vom rcichsländischen LandeSausschusse ernennen zu lasse» — ein Gedanke, den Fürst Bismarck seinerzeit eben falls erwähnt hat —, daS würde in den Bundesrath ein neues Element hineinbringeu, zu dem auch heute nock nickt das nölhige Vertrauen vorhanden sein kann und das seinem Ursprünge nach kein Analogon unter den stimmberechtigten Bundesrathsmitgliedern batte. Die Beschaffung billiger Wohnungen für die arbeitenden Classen sowohl in den großen Städten als auf dem flachen Lande bildet augenblicklich in England eine viel umstrittene Frage. Lord Salisbury hat sich kürzlich in demselben Sinne geäußert, wie der preußische Finanzminister, nämlich, daß der Staat allein über den Kreis seiner Beamten und Arbeiter hinaus verhältnißmäßig wenig ihun könne, er sei nur in der Lage, verschiedene in der Gesetz gebung vorhandene Hindernisse zu beseitigen, anregend zu wirken und insbesondere die communale wie die Prioatthätigkeit auf dein Gebiete dec Verbesserung des Wohnungswesens zu fördern. Sehr bemerkenswerth erscheint ein Artikel, welchen die „Nineteenlh Century" vom März zu der Frage veröffentlicht. Ein Architekt entwickelt da ausführlich und beweiskräftig, wie gerade die Arbeitslöhne auf dem Baumarkte in den letzten Jahrzehnten auck in England durch die Agitation der Trade-Unions mit aller LrirNletsn. sj Zwei Brüder. Roman vonFranz Rosen. Nachdruck »crl'otcn. Mit grausamer Klarheit hatten sich ihr die Nachtseiten des Lebens aufgethan; ihre zarte Seele bebte zurück vor dem, was sie da kennen lernte, und was es ihr immer unmöglicher machte, ihn zu lieben. Seine wilde, leidenschaftliche Art, die ihr schon Scheu eingeftößt hatte, wo sie sich in flüchtigen Stunden kurzen Liebesrausches über sie ergoß, wurd« ihr ein Grauen, nun sie dieselbe in den Folgen wüster Gewohnheiten kennen lernte. Nicolas Lazinsky war selbstsüchtig, launenhaft, unwahr; er war ein Spieler von der schlimmsten Sorte, und er war seinem jungen Weibe nicht treu. Er hatte nicht einmal die Rücksicht, ihr das Alles nach Kräften zu verbergen. Nach Ablauf eines Jahres hatte Elisabeth ein iodtes Kind und dann keins mehr. Also auch diese Quelle des Glückes — der Entschädigung für so manchen Mangel ihres Lebens, blieb ihr verschlossen. Da Lazinsky es verstand, all' seine unsauberen Händel im Geheimen abzumachen und der Welt >oas glatte, liebenswürdige und tadellose Wesen zu zeigen, durch tvelches man sie gewinnt, erfreute er sich, namentlich bei den Damen, einer allgemeinen Beliebtheit. Und da er sich im Dienste nichts zu Schulden kommen ließ, im Gegentheil seine Vorgesetzten und Unter gebenen immer zu nehmen verstand, kam er überall vorwärts. Die einzige, die ihn kannte, war Elisabeth. Vielleicht einige seiner Kameraden. Und warum sie es ertragen hatte sechs Jahre hindurch und noch ertrug? Sie hielt ihre Treue heilig, und ihre Pflicht hoch. Darum ertrug sie. Sie wollte ihren Eltern Kummer und Vorwürfe ersparen — darum ertrug sie schkveigend. Sie hatte die Seelen stärke, zu leiden, ohne zu klagen; zu kämpfen ohne andere Unter stützung als ihren zielbewußten Willen. Sie hoffte auch immer noch, sic könnte Nicolas Lazinsky ge winnen — beeinflussen — zur Umkehr bringen. Sie betrachtete daS als ihre Aufgabe, als ihre heilige Mission. Sie betete alle Tag« für seine Seele. Sie begegnete seiner Rauhheit mit immer währender Geduld. — Sie kitt Alles, was er ihr aufbürdete, ohnr Borwürfe, ohn« bittere Worte. Sie versuchte, aus ihrem Letzen für sich und ihn da» Best« zu machen. Und Alles ohne Liebe. Der Mensch gewöhnt sich ja zuletzt an Alles — auch an sein Unglück. Und so war auch Elisabeth Lazinsky in ihrem Unglück still und in gewisser Weise zufrieden geworden. Sie hatte sich in ihr Leben gefunden; sie sah, daß cs nicht anders sein konnte, als es war, und voraussichtlich niemals anders werden würde. So fand sie sich darein mit der Resignation und Willensstärke eines gläubigen Gemüthes. Sie verstand es, ihrem Manne niemals lästig zu fallen. Sie zeigte der Welt ein lächelndes Gesicht und zog sich ganz in ihre eigene Welt zurück. In die Welt, in der sie ihre Thränen weinte, und in der sie ihre Stärke fand, Und nun, in diesem Winter, war Alles so anders geworden. Ihr Frieden, ihre Ergebung waren dahin. Rebellion und Auf ruhr in ihrem Innern. Das Leben, von oem sie längst nichts mehr für sich verlangte, zeigte ihr noch einmal seine kostbarsten Güter. „Nimm sie, sei glücklich. Jeder hat einen Antheil an Lebnes- gliick. Thor, wer aus übergroßer Gewissenhaftigkeit darauf verzichtet. Andere sind auch glücklich und fragen nicht erst, ob sie dürfen." Und eine andere Stimme erhob sich in ihrem Innern. „Es wird doch nicht von ungefähr sein, daß Peter Waldburg Deinen Lebensweg kreuzen mußte. Gott hat Deine einsame Noth gesehen und wollte Dir einen Lichtstrahl in Dein dunkles Leben senden. Laß ihn nur. Verschließe Dich nicht der Güte Gottes. Genieße, was sie Dir beschicken hat." In solchen Stunden innerer Anfechtung fand Elisabeth keine Ruhe in ihrem schönen, behaglichen, glücklosen Heim. Dann lief sie hinaus in den Wintersturm — in das Frühlingsbrausen, und je schlechter das Wetter war, um so Wohler that es ihr. Dann lief sie herum, Stunden lang. Sie hatte so viel Zeit, und es war ihr so gleichgiltig, was sie damit anfing. Niemand, der nach ihr verlangte. > Aufgeregt und geschwollen brauste der Fluß vorüber; seine grauen Fluthen peitschten ungestüm die weithin aufgemauerten Uferwände. Der frische Wind wehte den weißen Schaum weit hin durch die noch kahlen Büsche, bis auf den feuchten Weg, bis dicht vor Elisabcth's eilig dahinschreitenden Füße. Sie hatte einen plötzlichen, seltsamen Wunsch empfunden und war im Be griff, ihn sich zu erfüllen. Sie wollte sich das Haus ansehen, in dem Peter Waldburq wohnte. Sie ging auf der freien Seit« der nur einreihig und lückenhaft mit Häusern besetzten Straße, und als sie ihrem Ziele nahe war, verlangsamte sie ihren Schritt. Alle Fenster der Vorderzimmer standen weit offen. Die weißen Vorhänge blähten sich im Winde. Nichts Menschliches war zu sehen. Aber in dem Vorgärtchen blühte es blau von Veilchen, die ihren süßen Duft bis zu Elisabeth hinüberwehen ließen. Sie blieb einen Augenblick stehen und athmete ihn lang sam ein. Es liegt etwas merkwürdig Berauschendes, Beglücken des, Anheimelndes in dem Duft eines Hauses, in dem etwas Geliebtes wohnt. Ein paar Schritte weiterhin begegnete er ihr. Er grüßte sie höflich, und da er stehen blieb, gab sie ihm die Hand, wie sie cs immer that, wenn sie zusammenkamen. „Wie lange habe ich Sie nicht gesehen", sagte Peter. „Darf ich Sie ein Stück Weges begleiten?" Sie nickte und begann langsam auszuschreiten. Peter war erst zwei Mal im Lazinsky'schcn Hause gewesen. Einmal, als er seinen ersten Besuch machte, zum zweiten Male, als er daraufhin zu einer Abendgesellschaft «iugeladen wurde. Dann nie wieder. Er hatte Elisabeth aber überall angetroffen, wo die Wintergeselligkeit dazu Gelegenheit bot. Seit jenem Abend im Spielzimmer des Casinos hatte er auch das vermieden. Als er ihr nun so unerwartet begegnete, konnte er es nicht hindern — wußte es vielleicht gar nicht — daß seine Augen einen strahlenden, freudig bewegten Ausdruck an nahmen. Es lag vielleicht an Beiden, daß sie auf die Dauer keine ober flächliche Unterhaltung zu führen im Stande waren. Von den naheliegendsten Alltäglichkeiten ausgehend, bewegte sie sich alle mal bald den ernsteren Lebensinteressen zu. Elisabeth hatte eine ruhige, unbefangene Art, ihre Ansichten zu äußern, die durch den Einfluß einsamer, schwerer Jahre ihrem Alter voraus geklärt und gereift waren. Es lag keine Spur von Herbheit oder Bitterkeit in ihrem Urthril, ihren Auf fassungen. Alles an ihr war Milde und Versöhnlichkeit. Nein, wie sie ins Leben trat, hatte sie es mit seinem Kampfe ausge nommen, ohne das Staub und Schmutz an den Flügeln ihrer Seele hängen bleiben konnte. Sie war «ine jener Sonntags naturen, deren Stirne der Schmerz verklärt, wo er sie bei Anderen in scharfe Falten zieht. Nur, wer genauer zufah, fand die Eindrücke ihrer Erlebnisse in der dunklen Tiefe ihrer klaren, traurigen Augen. Peter that das Herz weh, wenn er 'n diese Augen sah, deren stumme Sprocke keiner so gut verstand, als er. Er em pfand einen wahren Haß gegen den, von dem diese Sprache er zählte. Diese Sprache, die niemals Worte suchte. Tenn Elisa beth hielt die Geheimnisse ihres Lebens viel zu heilig, um sie Anderen — auch dem Derständnißvollsten — preis zu geben. „Kommen Sie heute Abend zum Obersten?" fragte Elisabeth, als sie sich in der Nähe ihrer Wohnung trennten. Er hatte nicht Re Absicht gehabt. Nun änderte er plötzlich seine Pläne. „Es ist der letzte Abend für diesen Winter", fügte sie noch hinzu. „Es wird ja nun Frühling —", ein plötzlicker Glanz entstrahltc ihren Augen. Aber er erlosch gleich wieder. XIII. Im Hause des Obersten herrschte seit einiger Zeit ein« sehr schlechte, ungemüthliche Stimmung, wie die Heirathsangelegen- hciten der Töchter sie so mit sich zu bringen pflegen. Manfred Waldburg bewarb sich in sehr auffälliger Weise um Maria. Maria nahm seine Werbung an, und ihre Mutter unterstützte sie darin. Der Oberst aber wollte von der ganzen Sache nichts wissen. Maria hatte das Unglaubliche fertig gebracht, ihr Herz an zwei zu hängen. In Mansrcd's hübsches Gesicht und ritterliches Wesen hatte sie sich verliebt mit einer frischen, fröhlichen, prak tischen Liebe. Nikolas Lazinsky flößte ihr eine romantische Schwärmerei «in, die mit Freundschaft schon lange nichts mehr zu thun hatte. Jenen wollte sie heirathen; mit diesem «inen kleinen Roman erleben. Ein Mann wie Lazinsky wäre Vie! interessanter gewesen; ein Mann wie Manfred Waldburg wvr viel bequemer. Und da sie doch auf jeden Fall entschlossen war, einmal zu heiraihen, und nicht über sentimentalen Gedanken ihre beste Jugend un genützt vergehen zu lassen, beschloß sie, gleich zu heirathen. Ihr Roman mit Lazinsky brauchte darum nicht aufzuhören — ver sprach im Gegentheil, noch anziehender zu werden. — Unter all' ihren heirathsfähigen Verehrern war aber Manfred Waldburg derjenige, der ihr entschieden am besten gefiel. Daß er arm war, stört« sie nicht. Sie wußte, daß sie selbst einmal eine hübsche Zulage haben würde, und ihre junge Ver liebtheit ließ sie zu weikergehenden Erwägungen noch nich! lammen. Ihre geselligen Erlebnisse pflegte sie sehr eingehend mit ihrer Mutier zu besprechen. Nur ihre Erlebnisse mit Lazinsky machten dabei eine Ausnahme. Als Frau von Rosen merkte, daß Manfred Waldburg sich der besonderen Gunst ihrer Tochter erfreute, ergriff sie sofort Partei für ihn und ließ sich noch Art aller schwachen Mütter in ihren Wünschen ganz durch die Neigung der Tochter bestim men. Der Oberst setzte diesen Wünschen einen entschiedenen Widerstand entgegen, dem aber einstweilen von weiblicher Seste keine große Wichtigkeit beigelegt wurde. Heute, vor der letzten geselligen Vereinigung im eignen Haus«,
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