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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.03.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-03-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010321028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901032102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901032102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-03
- Tag1901-03-21
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Amtsblatt des Königlichen Land- nnd Änttsgerichtes Leipzig, des Nathes nnd Nokizei-Ättttes der Stadt Leipzig. Anzeige«-Prei- die t'gespaltt'ne Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem Redactionsstrich s-t gespalten) 77, vor den Familiennach richten (N gespalten) 50 Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend hoher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 (exrl. Porto). Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung .6 VO.—, mit Postbesörderung 70.- . ^nnahmeschlutz für Anzeigen: Abend-Ansgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr- Druck und Verlag von E. Potz in Leipz>. .N 147. Donnerstag den 21. Mär; 1901. 85. Jahrgang. Die Wirren in China. Tcr russisch-englische Zwist -L>. Der „New Jork Herald" meldet aus Tientsin vom 19., 6 Uhr 55 Minuten Abends: Feldmarschall Waldersee ist von Kiautschau heute nm 4 Ubr hier angekommen. Er wurde am Bahnhof von den Generälen Wogack, Campbell und Anderen empfangen. Der Felv- marschall hatte sodann mit dem russischen und dem englischen Truppencommandanten lange private Besprechungen. General Wogack weigerte sich aber im Namen Rußlands, die Rechtsfrage des EigenthumS so lange zu erörtern, als die englischen Truppen sich nicht von dem von den Russen in Anspruch genommenen Gebiet zurückgezogen hätten und das Gebiet von russischen Truppen besetzt sei. General Campbell erklärte andererseits, daß er nach den Weisungen seiner Regierung seine Stellung nicht aufgeben könne. Man ist also nack wie vor in einer Sackgasse. Graf Waldersee reiste im Verlauf einer Stunde nach Peking zurück. Im Laufe des Tages ist es zwischen französischen nnd eng lischen Soldaten zu zahlreichen Reibungen gekommen, die mdeß bisher zu keinen ernsten Folgen führten. Der Vorschlag Walde rsee's ging dahin, die Bewachung des streitigen Gebietes einer neutralen Truppenmacht anzuver trauen und die beiderseitigen Rechtsansprüche zu prüfen. Die Verhandlungen an Ort und Stelle sind vollständig ab gebrochen, Alles wird dircct zwischen Petersburg und London verhandelt. Im Laufe des gestrigen TagcS belästigte ein heftiger Staubregen die englischen und russischen Truppen, die jedoch trotzdem ihre beiderseitigen Stellungen auf dein streitigen Gebiet nicht verließen. Aus Petersburg sind gestern strenge Weisungen hier cingetroffen. Da General Campbell noch nicht klar zu erkennen gegeben halte, welche Haltung er einzunehmen gedenke, so haben die Russen ihm infolge dessen mit gewohnter Bestimmtheit begreiflich gemacht, daß er sich zurnckziehen müßte, sofern er nicht verziehen sollte, sich zu schlagen. Es heißt, daß die Russen Truppen nach Tientsin von Port Arthur aus nachschieben. Es scheint ferner nicht mehr zweifelhaft, daß die Franzosen die Ein setzung eines KriegSratheS gefordert haben, der über den Fäll des Hauptmanns Bocler aburtheilen soll, des englischen OfficierS, der in einem Streite nut französischen Soldaten einen von diesen mit der Faust niederschlug. Hauptmann Bocler behauptet, daß er in Nothwehr gehandelt habe. Der russische General Wogack erklärte dem Berichterstatter dcS „New Jork Herald": Die Frage, über die wir augenblicklich ver schiedener Ansicht sind, ist nicht, zu wissen, ob das streitige Gebiet uns gehört oder der chinesffchen Regierung oder der Eisenbahngescllsckast, sondern zu wissen, ob die Eng länder ihren Üebergriff wieder gut machen werden. In dem Augenblicke, als die Engländer versuchten, von dem strittigen Gebiet Besitz zu ergreifen, stand dies unter russischer Flagge und war bestimmt abgegrenzt. Die russische Fahne wurde fortgenommen und von einer Gruppe englischer Soldaten mit ihren Kulis bei Seite geworfen, bis letztere von unlern Wacht- mannschaften vertrieben wurden. Bevor wir die Frage deS EigenthumS erörtern können, ist es nothwendig, daß die Eng länder, die sich noch auf einem Tbeile unseres Gebiets befinden, sich zurückziehen. Wenn dieser Rückzug bewerk stelligt ist, dann bin ich überzeugt, daß die kaiserlich russische Regierung alle bedauernswenhen Vergewaltigungen ver gessen nnd bereit sein wird, dem Gehör zu geben, was die englische Negierung hinsichtlich der endgilligen Besetzung des I strittigen Gebiets geltend zu machen wünscht. ES liegt für I Niemanden ein Zweifel vor, daß, wenn die Engländer die 1 Erlaub»iß nachgesucht hätten, auf diesem Gebiete eine AuswcichesteUe der Bahn anzulegen, wir sie ihnen sofort be willigt hätten. Unglücklicherweise haben sie aber versucht, diesen Zweck durch Gewaltmittel zu erreichen. Es giebt keine andre Losung, als die Zurückziehung der englischen Truppen vom russischen Gebiet. Wenn der „New Dork Herald" nicht in Sensation macht, muß die Lage thatsächlich als kritisch gelten. Uns wird weiter in diesem Sinne berichtet: * Sh äug Hai, 20. Mär;. (Rcuter'S Bureau.) Tie „b iiua Gazette" veröffentlicht folgcnves Telegramm aus Tokio von heute: Tw in japanischen Häsen anwesend gewesene» russischen Kriegsschiffe sind nach Korea iu Lee gegangen. Tie japa ursche Flotte macht sich bereit, nm tm Nothfall sofort nach Vor koreanischen Küste abgchcn zu können. k. Lonoou, 21. Mär;, t Pri v at»clcgr(am m.) Berschiedcuc Meldungen stelle» 0ic Krisis in Ostasicn als eine plüstuch beörohlich geworbene dar. Eng land weist Rußlands Forderung um Abbitte wegen der Vorgänge in Ticntnu zurück, auch Waldcrsee's Vermittel« ug sei angeblich ge scheitert. Japan mobilisirt und die russische Flotte couceutrirt sich am Aa-Ln-Flnsz. Von da bis zum wirklichen Ausbruch des Krieges zwischen Rußland, England und Japan, denen wohl auch die Ver einigten Staaten secundiren würden, ist allerdings noch ein weiter Schrilt. Selbst ein Chauvinistenblatt von reinstem Wasser, wie die Londoner „Daily Mail", räch zu „Mäßigung". England, meint das Blatt, habe schon mit einem dem Ende noch nicht nahen Kriege zu lhun und Rußlands Anspruch auf die Mandschurei habe England schon durch Rückzug von Port Arthur im Jahre 1897 halb zugestanden. Gegenwärtig sei der Augenblick zur Einleitung einer neuen energischen Politik in China nicht günstig, erst müsse der Krieg in Südafrika zu Ende und das Heer schlag fertig sein. Auf der andern Seite wird mau sich's in Petersburg doch noch hundertmal überlegen, ehe man loSschlägt, denn England und Japan zusammen sind doch höchst gefährliche Gegner, zumal Englands Seegcwalt noch keine Einbuße er fahren hat. Die große Abrechnung in Ostasien wirb sich aber in der Hauptsache auf der See vollziehen. Eine sehr interessante Meldung, welche die Stellung Teutschlands zu den streitenden Parteien beleuchtet, geht uns aus London zu. Darnach berichten die „Times" aus Peking, 19. März: PrinzT schlug bestätigte in einer Unterredung mit dem Bericht erstatter der „Times", der chinesische Gesandte in Petersburg habe telegraphirt, Rußland habe eingemilligt, auf die Clausel zu verzichten, durch die ihm>a usjchließliche Vorrechte in der Mongvlei eingeräumt werden, sowie einige andere Claujeln abzuändern. Priuz Tsching erkannte den China durch die Intervention Eng- lands, Amerikas und Japans geleisteten Beistand an. Der Artikel der Convention, der Rußland Vorzugsrechte, betreffend die Eisenbahn, Bergwerke und den Handel, verleiht, wird beibchalten. Ter abgeänderte Artikel, welcher Rußland das Recht verleiht, eine Linie von der Mandichurei-Bahn bis zur Großen Mauer zu bauen, erklärt. Laß die Concejsion der Shanhaikwan-Niutschwang-Bahn an eine auswärtige Gesell schaft, eine Verletzung des früheren russisch-chinesischen Abkommens war. Bisher wurde kein Abkommen veröffentlicht, mit dem jene Concession im Widerspruch stehen könnte. Im Laufe der Unterhaltung erwähnte der Berichterstatter den von Li-Hung- Tschang während einer Mission nach Rußland im Jahre 1896 abgeschlossenen Geheimvertrag. Prinz Tsching gab ihn ohne Zögern zu. Er habe Grund, anznnehmen, der ursprüngliche russische Entwurf habe China nur Schutz gegen Japan ver sprochen, sei aber dann auf Ersuchen Chinas dahin umgeändert worden, den Schutz auf die Angriffe aller fremden Mächte auszudehnen. Nachdem Deutschland sich Kiau tschau aneignete, habe China dem Vertrage gemäß den Schutz Rußlands angerufen, Rußland aber habe ihm kein Gehör geschenkt. Irgendwelche wesentliche Aenderuug hat das russisch chinesische Abkommen infolge der Intervention Englands, Japans und Amerikas nicht erfahren. Das hat aber für uns weniger Bedeutung als der Umstand, daß unter den Interventions mächten Deutschland nickt mitgenannt wird. Das entspricht vollkommen den Erklärungen Les Grafen Bülow. Deutschland Hal sich damit begnügt, China mit seinen Wünschen und Beschwerden an die diplomatische Conferen; in Peking zu verweisen, während die drei übrigen Mächte China zum Widerstand gegen Rußland ermuthigt, vielleicht auch direcle Vorstellungen nach Petersburg gerichtet haben. Unser Verhältniß zu Rußland bleibt also zum Glück nach wie vor ein loyales und freundschaftliches, wie dies in vollem Einklang mit der nickts weniger als unfreundlichen Haltung Rußlands uns gegenüber in der Kiautschau-Angelegenheit steht. Auf alle Fälle können wir, Niemandes Feind, Jedermanns Freund, nur auf die Wahrung unserer bis jetzt in keiner Weise bedrohten Interessen bedacht, der Zukunft ruhig ent gegensetzen. Oer Krieg iu Südafrika. Ter Abbruch der FricdcnSverhandlungcn. In Uebcreinstimmung mit unserer Auffassung schreibt zu treffend die „Tägl. Rundsch." zu der Meldung von der Ab lehnung der englischen FriedenSbedingungen durch Botha: So niederschmetternd diese kurze, trockene, aber inhalt- sckwere Ablehnung für di- Engländer an sich schon ist, sie wird zu einer unerhört dcmüthigcnden Niederlage durch die begleitenden Umstände. Die ganze Welt folgte in der letzten Zeit mit atkemloscr Spannung den Friedenövcrhandlungen in Südafrika; sie war dabei naturgemäß auf die Berichte der großen englischen Zeitungen angewiesen, da die britischen amt lichen Stellen sich ausschwiegen und von Boerenseite keine Nachricht nach Europa kam. So berechtigt daö Mißtrauen gegen englische Meldungen von früher her war, man mußte schlechterdings diesmal ihnen glauben, daß es Botha war, der um Frieden gebeten und seine Unterwerfung unter ge wissen Bedingungen angeboten habe. Jetzt stellt sich heraus, daß die englstche Presse das britische Volk und ganz Europa aufs Erbärmlichste belogen hat. Botha war so wenig in verzweifelter Lage und so wenig zur Uebergabe „gezwungen", daß er die von Kitchener freiwillig ihm gemachten Vor schläge kalt ablehnen konnte! Und in welchem Tone! — Hierin scheint uns der Schwer punkt der neuesten Ereignisse im Transvaalkriege zu liegen. Der Bauerngeneral sprickst mit dem grvßmächtigen britischen Lord mit einer schlichten Würde, die nichts von jener angeblichen klcinmüthigcn Zerknirschung, die man ibm angedichtct hat, erkennen läßt. Der stolze Heerführer eines freie», unbesiegten Staates spricht so mit deni General der feindlichen Macht, der er Gleichberechtigung, aber nichts mehr, zugcsteht. Und diesem Mann konnten englische Berichte feigen Verrath an seinem Volke und seinen Kameraden nachsagcn? Botha lehnt es ab, die ibm gestellten Friedensbediiigungcn „seiner Negierung" über Haupt zu empfehlen. Die eifrigst verbreitete Legende, Laß die Boclenstaaten „aufgelöst" seien, daß nur noch einzelne Mordbrennerdanden ohne Zusammenhalt durchs Land zögen, und das; die Bverenführer nur noch der Gedanke beseelte, „Rette sich, wer kann", das ganze, vor den Augen der Well künstlich gestützte Lügengebäude von der Vernichtung der Republiken ist elend zusammengebrochen vor Liesen stolzen, mannhaften Worten Louis Bothas, Les Oberst- commaudireuden Les „unabhängigen Freistaates Transvaal". " Loudon, 21. März. (Telegramm.) Die Mocgenblätter berichten aus Capstaüt, Botha habe die Verhandlungen wegen der Haltung der Unversöhnlichen abgebrochen, er wirke jedoch auf seine Truppen dahin ein, daß sie sich abt Heilungsweise er- geben sollten. (?) Seine Truppen hätten ein Lager bei Middel burg ausgeschlagcn, das von britischen Streitkräften beherrscht werde. (?) Tc Aar, 19. März. (Meldung des „Reuter'jchen Bureaus.") Drei holländische Colo nist en, welche überführt waren, einen Eisenbahn unfall iu der Nähe von Taaibosch herbeigesührt zu haben, wobei 5 Personen das Leben einbüßten, wurden heute hingerichtet, zwei andere wurden zu fünfjähriger Zuchthausstrafe verurtheilt. * Kapstadt, 20. März. Man hat vorgestern begonnen, die Minen im Rand wieder in Betrieb zu setzen. * Wien, 20. März. Abgeordnetenhaus. Im Einlauf befindet sich eine Ansrage Les Abgeordneten Schönerer an Len Ministerpräsidenten, ob Lieser geneigt sei, nach Einvernahme mit der ungarischen Regierung den Minister des Acußern zu veranlassen, daß England und den südafrikanischen Freistaaten die Vermittelung Leslerrcich-Ungarns unter Hinweis auf die Haagener Convention angetragen werde. Politische Tagesschau. * Leipzig, 21. März. Der Reichstag hat gestern die Feier der dreißigsten Wiederkehr des Tages, an dem er zum ersten Male als eines der wichtigsten Wahrzeichen der Einigung deS Vaterlandes zusammentrat, auf bockst seltsame Weite eingeleitet. So viel Ordnungsrufe, wie gestern die Präsidenten zu erlassen gezwungen waren, sind unseres Erinnerns an einem Sitzungs- I tage während jener dreißig Jahre nock nicht erlassen worden. I Und wahrscheinlich geht, wenn die Ferien nickt sehr bald I beginnen, der Tanz von Neuem los, wenn Herr Stöcker Leirslleton. 13, Zwei Brüder. Roman von Franz Rosen. SiaSNnick rerlolrn. XXI. Die Glocken, die den Charfreitag einläuteten, klangen voll und ernst von den Thürmen oer Dome und Kirchen der großen Stadt über Häuser und Gärten, Felder und Wälder dahin. Peter Waldburg lauschte den schwingenden Tönen, während er langsam die schmalen Kirchhofssteige entlang schritt. Wie eine Art Heimweh hatte es ihn aus seiner stillen, engen Wohnung hinausgetriebrn, an dem Grabe seiner Mutter einsame Früh- Ungsandachi zu halten., Frühlingszeit war es und Auferstehungszeii. Auferstehung ist ldie Hoffnung der ganzen Natur. Die Hoff nung der ganzen Menschheit. Die Hoffnung jeder einzelnen Seele; Auferstehung aus dem engen Banne dieses Lebens zur ewigen Freiheit des Jenseitigen. Aber dem großen, allgemeinen Auferstehen muß ein persön liches vorangehen. Jede Seele muß sich schon während ihres Erdenwallens auf dem Staub der Sünde und dem Druck d-S Leides frei und mächtig erheben und die Flügel in muthigem Sonnenfluge kräftigen, wenn sie einst an der großen Auferstehung theilnebmen will. Auferstehung ist die höchste Gnade, die Christus von Gott uns errungen; der schönste, von Gott gewollte Sieg der zu ihm berufenen Menschheit, die dazu nichts weiter zu lhun braucht, als gläubig zu wollen. Aber es giebt kein Ostern ohne Charfreitag. Der Tod ist die Bedingung des Auferstehens, Kampf die Bedingung des Sieges. Man muß die Macht der Angst und Leiden kennen gelernt haben, toenn die Seele sehnsüchtig harrend das Auferstehungsläuten hören will. Darum hörte Peter Waldburg durch die Charfreitagsglocken schon Osterglocken. Als er semen gewohnten Platz unter 'dir Esche einnehmen wollte, saß da schon Jemand. Er blieb enttäuscht stehen und mochte nicht näher kommen. Da stand die Gestalt auf und trat aus dem Schatten der zartbefirderten Zweige heraus in den Hellen Sonnen schein. ES war Elisabeth. — Sie trug ein Helles, knappes Frühlings kleid und einen kleinen Hut, der ihm ihr peinvoll verlegenes Gesicht nicht ganz zu verbergrn vermochte. „Verzeihen Sie, daß ich hier sitze — auf Ihrem Platz — ich gehe schon und störe Sie nicht." Er hätte zur Seite treten müssen, um sie- auf dem schmalen, hier auslaufenden Stege vorbeizulassen; und er that es nicht. „Sie stören mich nicht, und ich will Sie nicht verscheuchen. Lieber gehe ich selber wieder. Over, wenn es Ihnen recht ist, setzen wir uns Beide wieder dahin." Sie zögerte noch einen Augenblick. Dann that sie. ihm den Willen. — Unter dem Eschenbaum war cs warm und still. Das Laub war noch so jung, daß man überall hindurchblicken tonnte, wie durch ein grünes N.h. Oben in der blauen Luft schossen die Schwalben hin und her. Frau Josepha's Grab war schön gesäubert und geputzt, der schmale Kiesweg rings herum sorgfältig geharkt. Auf der blanken Fläche des weißen Kreuzes brachen sich die Sonnenstrahlen und zitterten in blenden der Fluth wie rin Goldschleier rings herum. „Es ist Frühling uns Auferstehungszeii!" sagte Peter so recht aus feiner Stimmung heraus. Er mochte wohl auch absichtlich nichts Persönliches sagen. „Ja, aber der Mensch braucht mehr Zeit zum Auferstehen als di« Natur!" sagte sie schnell. — Sie schien also ähnlichen Gedanken nachgehangen zu sein, wie er. Sie war weich gestimmt; in ihren Augen lag ein tiefes, warmes Licht, und wenn es auch um ihre Lippen zuckte — es lag doch ein unbeschreiblich lieblicher Ausdruck um ihren Mund. „Man muß glauben und wollen; das ist das ganze Geheim- niß", sagte er. „Aber es lernt sich nicht so leicht. Es gehören viele Jahre dazu, voll böser Rückfälle. Wenigstens bei so unvollkommenen Naturen, wie ich eine bin. Ich verlange immer noch zu viel für mich." „Wer könnte Ihnen daraus eine Schuld machen wollen! Das Ich hatte «ine Berechtigung. Und Sie sind jung —" sie schüttelte nachdenklich den Kopf. „Im Allgemeinen mögen Sie Recht haben. Aber es giebt Konstellationen, unter denen der Einzelne nur dann einiger maßen wenigstens zum Frieden kommen wird, wenn er aufhört, etwas für sich selbst zu verlangen. Beim Mann« mag das nicht zutreffen — der ist von Uranfang zum Herrschen und Besitzen geschaffen —; um so sicherer aber bei der Frau, die schon durch ihre Natur zum passiven Theil der Menschheit bestimmt ist." Sie hatte sich in Eifer geredet und brach fast plötzlich ab. Und als er schweigsam blieb, fuhr sie unvermittelt fort: „Ich will Ihnen nichts von meinem Leben erzählen. Aber ich will Ihnen ein Anderes sagen. Ich hatte den Glauben an die Menschen verloren, in furchtbaren Jahren, die mir nur die Nachtseiten des menschlichen Lebens enthüllten. Ich war in Ge fahr, bitter, einsam und menschenscheu zu werden. Ich dachte, es gäbe überhaupt keine rechtschaffenen Menschen mehr. — Sie haben mir diesen verlorenen Glauben wiedergegeben", fuhr sie einfach und natürlich fort. „Wie es zuging, weiß ich nicht; es ist auch gleichgiltig. Sie waren der Erst-, der mir aus der Masse, die ich schaute, als eine Persönlichkeit gegenübertrai. Sie sind gut und ehrenhaft. — Ich danke Ihnen dafür. Wo es einen Solchen giebt, müssen auch noch niehr sein. Und selbst, wenn es nur den einen Einzigen geben sollte, — für mich war es genug." Sie schwieg. Und wie sie so neben ihm saß, die feuchlgewordenen und dadurch um so schöner leuchtenden Augen hinaus in das grüne Gezweig gerichtet, gehörte sein ganzer Manneswille dazu um niederzuhalten, was ihm mit Gewalt die Selbstbeherrschung zu rauben droht«. Er sei ehrenhaft, hatte sie gesagt und ihm dafür gedankt. Er wollte es bleiben. „Ich habe nicht gewußt, daß ich absichlslos so viel ver möchte", sagte er ruhig. „Aber nun ich es weiß, macht es mich glücklich. — Und wenn Sie fortfahren könnten auf diesem Wege — wenn Sie auch sen Glauben an das Glück wiederfinden könnten —" „Ich weiß, daß es rin Glück giebt — viel Glück, großes Glück trotz aller Unvollkommenheiten dieses Lebens. Man kann an das Glück glauben, auch wenn man auf einen persönlichen Antheil daran verzichten muß." Sie sagte das fest und bestimmt. Ihre Worte schienen jede Gegenrede, jede Möglichkeit einer anderen Lebensauffassung für sie auszuschließen. Noch immer klangen die Glockentönc durch die Stille. Ein kleiner Buchfink zwitscherte in den Zweigen. Die Schatten wurden länger; der noch kurze Tag ging zur Rüste. Elisabeth schien dem Frieden ringsum zu lauschen. In ihren Augen lag dabei ein unenträthsetbarer Ausdruck. Hätte sie sich nicht eben das Recht auf jeden Gliicksantheil abgesprochen, man hätte diesen Ausdruck für den Abglanz eines ganz besonders großen, feierlichen Glückes halten können. Dann plötzlich stand sie tiefathmend auf. „So, nun will ich gehen. Sie wissen nun, was ich Ihnen schon lange gern sagen wollt«. Leb«n Sic wohl." Si« reichte ihm unbefangen die Hand. Er nahm sie und hielt sie fest und sagte mit schnellem Entschluß: „Wie fanden Sie sich hierher — woher wußten Sie, daß hier meine Mutter begraben ist — war es ein Zufall —" „Ich gehe gern auf die Kirchhöfe, namentlich an solchen Hellen Sonnentagen. Ihrer Mutter Grab fand ich auf einer dieser Wanderungen und kenne es schon lange. Ich habe auch schon manchmal hier gesessen. Es kommt mir ja eigentlich nicht zu — aber —" Sie brach plötzlich ab; cs würgte sie etwas in dec Kehle, sie verlor ihre Sicherheit. „Leben Sie wohl", sagte sie noch einmal. Er küßte ihr ehr fürchtig die Hand und ließ sie gehen. Er sah ihr nicht nach, wie sie den langen, schnurgeraden Weg hinunterschritt — immer weiter fort von ihm. Er preßte die Hände gegen die Stirn, daß es ihn schmerzte. In ihm ging etwas vor, so wild und so toll, daß er sich -richt gewundert haben würde, wenn es ihn umgebracht hätte. Wäre Nikolas Lazinsty jetzt erschienen — er wäre ihm wie ein blutdürstiges Thier an die Kehle gesprungen. XXII. Nachdem Manfred mit seiner jungen Frau heimgekehrt und sich's im eignen Nest behaglich gemacht hatte, war einer seiner ersten Ausgänge «in Besuch bei seinem Bruder. Es war gegen Abend. Peter saß einsam am Schreibtisch und arbeitete. „Na, hör' mal, glänzend wohnst Du hier grade nicht", sagte er, während er prüfend Umschau hielt, wob«i er sich geräuschvoll den Säbel abschnallte. „Und sie vielen Treppen — konntest Du den« nichts Niedrigeres finden?" „Die Wohnung war billig und gleich zu haben. Außerdem genügt sie meinen Ansprüchen vollkommen", erwiderte Peter ziem lich kurz. Manfred sah den Bruder prüfend an. Dann ließ er sich nach lässig in den Sessel fallen und zündrtc sich eine Cigarette an. Er hatte sich in der kurzen Zeit seiner Ehe ein etwas überlegenes Wesen und sehr großartige Allüren andewöhnt. „Maria läßt Dir herzlich danken für die schönen Rosen, die Du zu ihrem Empfang geschickt hast. Ich hätte sie fast mit gebracht. Aber ihre Schwestern kamen dazwischen." Er erzählte dann von der gemeinsamen Reise und den Herr lichkeiten ihres jungen Hausstandes. Peter hörte theilnehmend, aber schweigsam zu. Manfred empfand das und witterte irgend ein Mißfallen darin, das ihn reizte. Es nahm ihm die Ge- müthlichkeit und er kürzte seinen Besuch so viel wie thunlich ab. „Ich habe den kleinen Mäd«lS versprochen, bald zurück zu sein. Ja, und wie ist es denn mit Deiner Bersetzung, P«ter — Du sprachst doch davon!" „Es hat sich noch nichts gefunden." .Nun, um so besser. Uns kann ja nichts erwünschter sein, als daß Tu immer hier bleibst. Also, lebe wohl — laß Dich bald
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