Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.02.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-02-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000220017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900022001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900022001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-02
- Tag1900-02-20
- Monat1900-02
- Jahr1900
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-Preis k der Hauptexpeditton oder den im Stadt bezirk und den Vororten errichteten AuS- aavesttllen ab geholt: vierttijährlich ^l4.5O, vei zweimaliger täglicher Zustellung in» Haus 5.50. Durch die Host bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertel,äbrlich ^l 6.—. Dtrecte tägliche Kreuzbandienbung ins Ausland: monatlich 7.50. Die Morgen-AuSgabe erscheint um '/,? Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentag- um 5 Uhr. Ur-action und Lrpe-itionr AatzanniSgaffr 8. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abend» 7 Uhr. Filialen: Alfred Hahn vorm. v. Klemm'» Eortim. Universitätsstraßr 3 (Paulinum), L-uis Lösche, Sathariuenstr. 14, Part, und König-Platz 7. 92. Morgen-Ausgabe. MpMr. Tageblatt Anzeiger. Amtsblatt des Hömglichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Raches und Rottzei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Rrclamen unter dem Redaclionsslrich (4ge- spalten- 50>^, vor den Familienuachrichrea (6 gespalten) 40-^. Größere Schriften laut unseren: Preis- verzeichnlß. Tabellarischer und Ziffernjatz nach höheren: Tarif. tjeptra-Beilagm (gesalzts, nur mit der Morgen>Ausgabe, ohne Poslbesörderung 60.—, mit Poslbesörderung 70.—. Fnnahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen fr eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck «nd Verlag von E. Polz in Leipzig. Dienstag den 20. Februar 190A 9-t. Jahrgang. Die Auseinandersetzung mit England. U.L. Einen fast ebenso großen Raum wie die Schilderung der Ereignisse auf dem Kriegsschauplatz haben seit dem Aus bruch der südafrikanischen Krisis in der Presse aller Länder die Erörterungen über das Verhältnis Englands zu den übrigen Staaten eingenommen, und wenn man eS in London auch nicht wahr haben will, so läßt sich doch schlechter dings nicht bestreiten, daß man von dort mit nur schlecht verhehlter Besorgniß nach dem Eontinent hinüber blickte. Wozu e» auch leugnen? Man hatte in der That allen Grund zu Befürchtungen, wußte man doch daS eigene Conto gegenüber allen in Betracht kommenden Staaten belastet und war es doch außerordentlich wahrscheinlich, daß der eine oder andere die günstige Gelegenheit benützen würde, um sich gewisse Vortheile zu sichern, die er nicht hatte erreichen können, so lange England Uber seine Machtmittel frei verfügte. Dazu kam, daß die öffentliche Meinung in Festeuropa keinen Zweifel über ihre Antipathien gegen den Inselstaat auf kommen ließ und der Gedanke e:nes ContincntalbunveS, der seine Spitze gegen Großbritannien und seine Erobe rungspolitik richten sollte, neue Anhänger zu gewinnen schien. Mit großer Befriedigung können wir feststellen, daß bei all diesen Erörterungen und Speculationen die Stellung nahme Deutschlands die hervorragendste Nolle spielte und daß von Anfang an unser Vaterland gewissermaßen als das Zünglein an der Waage angesehen wurde. Wir lassen vorläufig außer Betracht, ob die übrigen Staaten wirklich ernsthaft an ein ehrliches Zusammengehen mit der deutschen Negierung dachten, oder ob es ihnen nur darum zu thun war, uns in einen Kampf zu verwickeln, der uns, wenn wir ohne Unterstützung blieben, leicht hätte verhängniß- voll werden können — jedenfalls verfolgte man auch iu England unsere Politik mit der größten Aufmerk samkeit und hielt es für angebracht, gerade Deutsch land durch Zugeständnisse bei guter Laune zu erhalten. Wir schenken den officiösen Versicherungen, daß da» Samoa- Abkommen keine geheime Clausel über die Neutralität Deutsch land» enthalte, gern Glauben, trotzdem aber sind wir über zeugt, daß der Vertrag unter anderen Verhältnissen nicht so glatt zustande gekommen wäre, und schon die Haltung der eng lischen Presse, die noch wenige Monate zuvor die Berechtigung deutscher Ansprüche in der Südsee durchaus geleugnet hatte, ist unS ein Beweis, daß der Verzicht auf Samoa einzig und allein auf das Bestreben zurückzusühren ist, die öffelNtiche Meinung in Deutschland der englischen Politik günstig zu stimmen. Einen zweiten Versuch :n dieser Richtung machte dann in der ihm eigenen etwas sonderbaren Art der eng lische Colonialstaatssekretär. Als Chamberlain von dem großen angelsächsisch-germanischen Bunde sprach, war er wohl der Meinung, daß die Aussichten, die er hier eröffnete, dem deutschen Volk begehrenswerth genug erscheinen würden, um ihnen zu liebe sein Verhalten iu den gegen wärtigen, für England so ungünstigen Zeitläuften zu ändern; aber er batte sich — nicht zum ersten Mal — über die Wirkung seiner Worte getäuscht: in: Volke spottete man über das liebenswürdige Angebot der englischen Freundschaft und die der Leitung unserer auswärtigen Politik nahe stehenden Organe hatten nur eine recht kühle Antwort auf die Chamberlain'schen Tiraden. Wenige Wochen später legte England den deutschen Handelsschiffen gegenüber ein Verhalten an den Tag, das sich mit der Bündnißrede ganz und gar nicht in Ein klang bringen ließ, im Gegenthcil einen: „unk'ieuckl)- uct" außerordentlich ähnlich sah. Der Aerger über die ablehnende Ausnahme, di« die ministeriellen FreundschaftSversicherunaen in Deutschland gefunden, mag die Veranlassung zu diesem Vorgehen gebildet haben, aber ohne Zweifel würde es nicht erfolgt sein, wenn man in England nicht in der Zwischen- zeit zu der Ueberzeugung gekommen wäre, daß die Furcht vor einem Continentalbunde grundlos sei. Nun konnte man die MaSke fallen lassen und sich auch Deutschland gegenüber wieder in seiner wahren Gestalt zeigen, mochte man es auch für unzweckmäßig halten, eS unter den gegenwärtigen Verhältnissen zum äußersten kommen zu lassen. Dem größten Optimisten — und unser Vaterland besitzt deren nicht wenige — muß es damals klar geworden sein, daß unser Verbältniß zu England die wichtigste Frage unserer auswärtigen Politik ist, daß eS sich hier um ein Problem handelt, da» über kurz oder lang seine Lösung finden muß. Zn England giebt man sich über diesen Charakter der Frage, die nur zeitweilig durch andere Schwierigkeiten in den Hintergrund gedrängt wird, keiner Täuschung hin und auch besonnene Politiker haben begonnen, sich mit dem Gedanken vertraut zu machen, daß am letzten Ende die Lösung de» Problems mit den Waffen berbeigeführt werden muß. Groß- britannien hat von jeher den EntwickelungSaang Deutsch land» mit neidischen Blicken verfolgt; die Mißgunst steigert« sich aber zu erbittertem Haß, als wir ansingen Weltpolitik zu treiben und damit ein Feld betraten, das Großbritannien bi« dahin als sein eigenstes Dominium betrachtet hatte. Unser Handel blühte unmer mehr empor, wir erwarben Landbesitz jenseits der Meere, unsere Industrie und unser Capital betheiligte sich an der wirthschaftlichen Erschließung exotischer Länder, kurzum eS mehrten sich von Jahr zu Jahr die Reibung-flachen zwischen den beiden Staaten. England bemühte sich, seinem Concurrenten allenthalben Stein« in den Weg zu legen, und eS erreichte damit, daß sich im Laufe der Zeit in Deutschland ein gewaltiger Ingrimm gegen Großbritannien aufspeicherte, der sich bin und w:edrr in den heftigsten Aus drücken Luft machte. Es fehlt zwar auf beiden Seiten de« Canal» nicht an redlichen Beschwichtigungsversuchen, aber die Flamme ist nicht mehr zu ersticken, immer wieder treten die Gegensätze in voller Schärfe hervor und wir müssen dannt rechnen, daß un- die Zukunft rin« kriegerische Auseinandersetzung mit dem Insel staat bringen werde. Wie Deutschland in Europa nicht eher eine Rolle spielen konnte, als bi» es mit Frankreich die Waffen gekreuzt batte, so wird seine Weltpolitik keinen gedeihlichen Fortgang nehmen können, «he «S mit Eng land abgerechnrt hat. Abkommen und Verträge können den >offenen Ausbruch dieser Krisis Wohl hinauszögern, ihn dauernd zu verhindern vermögen sie nicht, dafür ist der Gegensatz zwischen den beiderseitigen Interessen zu groß. Wir haben also Alles zu thun, um der Aufgabe, die unserer wartet, gewachsen zu sein. Ein Krieg gegen England würde schon heute in Deutschland ziemlich populär sein, aber so hoch auch die Begeisterung anzuschlagen ist, so ist es doch die Stärke der Bataillone oder in diesem Falle die Stärke der Seestreitkräste, die die Schlachten ent scheidet. In der Erbitterung gegen die englische Politik ist bisher — wenn man so sagen darf — zu wenig System gewesen und es ist Zeit, daß die tönenden Phrasen und das Säbelgerassel ungestümer Draufgänger allmälig kübler Ueberlegung Platz machen. Die Leute, denen das patriotische Herz gar zu leicht mit dem politischen Verstände durchgeht, müssen sich mit den friedliebenden Optimisten und den ängstlichen Ge mütbern, denen der Gedanke an einen ernstlichen Conslict mit England absurd erscheint, auf der Mittellinie der Erkenntniß vereinigen, daß die Abrechnung mit England zwar eine Existenzbedingung für uns ist, daß aber dieser über die Zukunft Deutschlands entscheidende Kampf gewaltiger Vorbereitungen bedarf, und zwar um so mehr, als wir in diesem Kampfe einzig und allein auf unsere Kraft angewiesen sind. Der Dreibund kann unS nicht von Nutzen sein, denn abgesehen davon, daß in dem Bündnißvertrage von einem Zusammenstöße mit England keine Rede ist, hat Oesterreich genug mit sich selbst zu thun und in Italien würde man auS seinen Sympathien für England wohl kein Hehl machen. Rußland, dessen Freundschaft uns jetzt so warm empfohlen wird, würde wohl die Gelegenheit benutzen, nm in Asien wieder einige Schritte vorwärts zu thun, sich im Uebrigen aber auf abwartendes Zuschauen beschränken. Und Frankreich? — Ist eS nothwendig, daran zu er innern, daß Frankreich „nur einen Feind" Hatte, als daS Krügertelegramm die englischen Gemüther erregte; ist eS noth- wendist, auf die fragwürdige Haltung hinzuwcisen, die die französische Presse auch in der gegenwärtigen Krisis wieder einnimmt? Auch ohnedies wird wohl Niemand daran zweifeln, daß eine Halbwegs aufrichtige Freundschaft der Franzosen nur durch die für ewig unmögliche Ab tretung Elsaß-Lothringens zu erkaufen wäre; eS würde also schon eine günstige Constellation sein, wenn Frankreich sich aus irgend welchen Gründen genöthigt sähe, neutral zu bleiben. Vielleicht daß die Niederlande auf unsere Seite treten würden; eine große Verstärkung wü:de das nickt bedeuten, immerhin aber Ware eS vortheilhafter, als wenn sie mit England gemeinsame Sache machten. Die vornehmste Aufgabe für unsere Diplomatie aber ist es, dafür zu sorgen, daß auch England militärisch isolirt wird, m. a. W. daß vor allem die Vereinigten Staaten, die beute noch durch ge wisse Bande der Sympathie mit den Briten verbunden sind, eine — wenn irgend möglich wohlwollende Neutralität be wahren, wenn der Kampf zum Ausbruch kommt. ES ist erfreulich, daß sich unser Verhältniß zu Amerika in der letzten Zeit gebessert hat und daß auch dort der englische Bündnißrausch gar bald verflogen ist; aber das junge Staatengebilde jenseits des Oceans ist politisch noch recht unzuverlässig und es kann heute niemand sagen, woher morgen der Wind wehen wird. Es gilt also, thälig zu sein und — so weit es unbeschadet der deutschen Ehre und berechtigter deutscher Interessen möglich ist — gute Beziehungen mit veu Vereinigten Staaten zu unterhalten. Die Hauptsache aber ist und bleibt, daß wir kein Opfer scheuen, um uns selbst kampfbereit zu machen; halten wir eS für nothwendig, Weltpolitik zu treiben, so müssen wir auch für den Zusammenstoß mit England gerüstet sein. Wir sind überzeugt, daß die Leiter unserer Politik bis hinauf zur höchsten Spitze diese Conseguenz zu ziehen wagen. Wer zwischen den Zeilen zu lesen versteht, dem redeten die Ausführungen, mit denen Graf Bülow zu Beginn der Session auf die Flottenvorlagc hinwieS, eine deutliche Sprache. Möge daS deutsche Volk diese Sprache verstehen und dieZeit die England nötbig hat, um sich von den schweren Schlägen in Südafrika zu erholen, in der rechten Weise benutzen. Wenn dann die Auseinandersetzung erfolgt ist, dann w:rd vielleicht auch ein mal eine Zeit kommen, wo der Chamberlain'sche Gedanke eine-Hand-in-HandgehenS der Germanen und der Angelsachsen wieder auflebt, ohne daß jene zu befürchten brauchten, auS- genutzt und übervortheilt zu werden. Der Krieg in Südafrika. —p. Wenn nicht Alle» trügt, wird den Engländern unter Generalissimus Roberts die Befreiung Kimberley» und seines Juwels, Cecil Rhode», wenn e» schon so weit ist, recht übel bekommen. Unser unter den „Letzten Nachrichten* de» gestrigen Abendblattes mitgetheilte» Londoner Privat telegramm beleuchtet die Lage in dieser Hinsicht mit keineswegs rosigem Lichte. Robert-' Vorwärtsbewegung vom Modderflusse nack Osten gen Bloemfontein scheint be denklich ins Stocken geratben zu sein, nicht bloS wegen der Unwegsamkeit der Straßen und der durch Regengüsse angeschwollenen Wasserläufe, sondern vor Allem des halb, weil Robert» nicht wagen kann, die Verfolgung Cronje'» mit genügender Streitkraft durchzuführen — er muß jeden Augenblick fürchten, von irgend einer Seite durch die überall hin auSgewichrneu, in der Gegend de» Modder» und Rietflusse» zurückgebliebenen Boerentruppen an gefallen zu werden, von denen er nicht weiß, wo sie sich ver borgen halten. Uebrr den „Rückzug* Eronjr'» wird un» berichtet: * Lantzan, 19. Februar. Die Abendblätter berichten an» Modderrlver unter dem 18. d. M.: Nach den letzten hier ein getroffenen Nachrichten bedrängt« die Division Kelly Kenny'» noch immer die ans dem Rückzug« befindlichen Boeren. wurde Wetter« Lent» gemocht; tm Lanzen sind 150 Wagen erbeutet worden, auch zahlreiche blecherne, mit Munition gefüllt» L«»eoitbüchsen, di» nach Pretoria über di» Delagoa-Vat adressirt wann. Zugegeben, daß Cronje's Train thatsächlick so starke Ein buße erlitten habe und die Londoner Abendblätter den Mund nicht zu voll nehmen, auch die Boeren haben 200 Wagen, von denen jeder mit neun Paar Ochsen bespannt ist, weg genommen und sich so von vornherein schadlos gehalten. Dergleichen Abtreibereien, welche sich fast mit Nothwendig- keit aus der Lage, dem Durcheinander der beiderseitigen Heerestheile ergeben, sind nicht von großer Bedeutung. Die Hauptsache bleibt, daß Robert»' Divisionen im Stande sind, in Feindesland wirkliche Fortschritte zu machen und vor Allem, ob Roberts verhüten kann, daß er von seiner Ver bindungslinie nach dem Süden abgeschnitten wird. Daß man sich auch in London in dieser Beziehung ernsten Be sorgnissen hingiebt, geht aus folgender Meldung hervor: * London, IS. Februar. (Telegramm.) (Neuter's Bureau.) Militärische Beurtheiler stimmen in der Ansicht überein, daß, obwohl der Marsch Lord Robert-, soweit es sich um den Entsatz von Kimberley handelte, von Erfolg gekrönt sei und die Lage sich nicht entschieden zu Gunsten der Engländer gebessert habe, e» klar sei, daß der Feld zug jetzt erst ernstlich begonnen habe und noch viele Hindernisse zu überwinden seien, namentlich die Schwierigkeiten des gefahrvollrn Marsches durch Feindesland, wobei die ungeheuren englischen Ver bindungslinien den feindlichen Angriffen aus gesetzt seien. Fast mit denselben Worten haben wir uns sofort nach dem Eintreffen der ersten Meldungen über den Vorstoß nach Kimberley geäußert, und die gleichen Bedenken finden wir auch sonst :n der Presse wieder. Wir lassen einige ZeitungS- stimmen folgen. So schreibt di« „Kölnische Zeitung": Was wird nun geschehen? Soll das englische Heer, immer die Boeren- commaudos in der rechten Flanke und im Rücken, nach Mafeking weiterziehen ? Lord Roberts soll ja dem Obersten Baden-Powell baldigen Entsatz versprochen haben. Trotzdem vermögen wir an eine solche abenteuerliche Absicht der englischen Oberleitung nicht zu glauben. Mit einer schwachen Entsendung von Truppen nordwärts wäre e» nicht gethan. Die Sicherung der rückwärtigen Verbindung würde den Rest der Truppen verschlinge» und mit dir Verzettelung der englischen Streitkräfte ständ« e» dann Glimmer al» vor der Akra Robert» - Kitchener. Die Ent- scrmug von Kimberley bis Mafeking beträgt in der Luftlinie 350 Icm. Oder soll das siegreiche Entsatzheer sich von Kimberley nach Bloemfontein wenden? Die Entfernung beträgt nur 145 üm in der Luftlinie, aber der Weg führt durch zum Theil recht unbequeme» Gelände, welche» auch einen etwaigen Eisenbahnbau dorthin wesentlich erschwert. Kitchrnrr ist ja Meister in solchen Anlagen, aber die Bodrngestaltung des Freistaats ist von: Nilthal recht verschieden. Nichts ist ver kehrter, als die Annahme de» „Globe", daß da bei Kimberley siegreiche englische Heer den Oranje- Freistaat „beherrsche". Zudem setzt ein Vorgehen voy, Kimberley auf Bloemfontein die sichere Cooperation der Truppen Vorau», die über den Oranjeflnß nordwärts vorrücken. Damit aber haprrts. Man könnte ferner daran denken, von den: Modder über Jacobsdal den Anschluß an die Zweigbahn Faurc- smith-Tpringsontein zu suchen (lOO üw). Wollte man aber soweit südlich zurückgrrifen, jo wäre eS besser, die Mehrzahl der Truppen einfach über de Aar-Naauwpoort nach ColeSberg zurücksahren zu lassen. Vielleicht werden die Ereignisse dort zu dieser Maßregel zwingen. Auch darf man überzeugt sein, daß die Boeren nach dem etwaigen englischen Erfolge bei Kimberley sich auf die noch wenig geübte Zerstörung der rückwärtigen Verbindungen be« sinnen, unter denen ein Heer von der Eigenart des englischen doppelt schwer leidet. Der „Neuen Freien Presse" entnehmen wir folgende Be trachtung: Es scheint gewiß zu sein, daß sich die Boeren nicht nur gegen Bloemfontein, sondern auch in anderenRichtungen und speciell nach Norden und Nordwesten z urückgezogen haben. Wir es scheint, wollen die Boeren-Generalr es vermeiden, den Engländern mit ihren vereinigten Streitkräften in einer offenen Feldjchlacht grgenüberzutretrn in der sie angesichts der englischen Uebermacht rin« vernichtende Nieder lage «rleiden könnten. Die Boeren dürsten jetzt die Invasion ihre» Gebiete» durch die Engländer durch Entfesselung de» Volks kriege» zu bekämpfen suchen. Da» Heer Cronje'» hat sich demnach auch in mehrere Gruppen getheilt und sich sternförmig zerstreut. Anstatt den Engländern mit einer vereinigten Streitmacht entgegenzutreten, dürsten nun zahl reiche Boerencorp» gegen dieBrrbindung Lord Robert» mit der Capstadt, die über Oranjrriver Station und de Aar läuft, Vordringen. Schon wird au» dem ersteren Orte den „Times" gemeldet, daß Boeren, di» wahrscheinlich au» Griqualand gekommen sind, die Eisenbahn-Linie bei GraSpan bedrohen. (Südlich vom Modderflusse. D. Red.) Denselben Zweck der Unterbrechung der Rückzugslinie der Eng- länder dürft« der Vorstoß verfolgen, welchen die Boeren von Lolesbrrg gegen Rrnsburg unternommen haben. Dies« Offensiv« begann am Sonnabend den 10. d. Mt». Nach lebhaften Gefechten an diesem und am folgenden Tag« gelang e» den Boeren, di« Engländer, welch« Eol«»b«rg beinah« voll ständig «ingeschloss«» hatten, au» der Umgebung dieser Stadt zu verdrängen, indem sie den all« Positionen beherrschenden Lole-kov eroberten. Am 18. d. M., Dien-tag, griffen di« voeren da» eng lisch» Hauptquartier R«n»burg selbst an und zwangen nach zwei- tägig«» Kämpfen d«n dort commandirrnden englisch«» General Ll«m«nt», dirse Stadt zn räumen und sich auf Arundel zurück- zuziehen. Mit w«lch«m Erfolg di« vo«r«a hier fochten, beweist di« Thatsachr, daß r» ihnen in d«m Kamps» am Mittwoch g«lung,n ist, zw«i Compagnien d<» wiltshtr«r R«gimrnt» gefangen zu nehmen »nd »in» LompognI» d,S australisch» Yniwllligrneorv» von N«u- Südwales einzuschließen und, da sie sich nicht ergeben wollte, nieder- zumachen. Es wurde schon mehrfach hervorgehoben, daß die plötzliche Offensive der von General Delorey geführten Boereo-Colonne von Colesberg gegen RenSburg ebenfalls der Verbindungslinie der Armee Lord Roberts gelten dürfte. Wenn es den Boeren hier gelingt, Naauwpoort und de Aar zu gewinnen und an diesen Orten, wenn auch nur zeitweilig, die nach der Capstadt führende Eisenbahnlinie zu zerstören, so würden für Lord Robert- ernste Verlegenheiten entstehen, denn die Eisenbahn von Capstadt über de Aar in der Richtung auf Kimberley ist die einzige Ver bindung, welche die englische Armee hat, die eben im Be griffe ist, über Jacobsdal in Las Gebiet des Oranje-Freistaates einzudringen. Diese Invasion dürfte sich aber auchn icht so leicht durchführen lassen, als man vielleicht im englischen Haupt quartier anfänglich dachte. Vom Modderriver führt keine Eisenbahn nach Bloemfontein. Auf dieser 150 Kilometer langen Strecke muß der Nach schubsdienst durch mit Ochsen bespannte Wagen versehen werden. Wenn nun aber schon General Buller für sein etwa 25 000 Mann starkes Corps, mit welchem er den Flankenmarsch von Freie nach dem oberen Tugela unternahm zur Fortschassung eines zwanzigtägigen Proviant- vorrathes «inen Train von 5000 Wagen brauchte, so wird Marschall Robert» für eine fast doppelt so starke Armee gewiß 10000 Wagen benöthigen. E» ist überhaupt fraglich, ob eine solche Menge von Fuhrwerken in der Tapcolonie, aufzutreiben war. Noch am 7. d. machte der Director de» Tran-portwesenS in Capstadt öffentlich be kannt, daß die Armeeleitung Ochsenwagen mit Gespann von je 16 Ochsen zu hohen Preisen und unter Bürgschaft für den Schaden in unbeschränkter Zahl zu miethen suche, wohl rin Be weis, daß der Bedarf wenige Tage vor Beginn der Offensive Robert»' noch nicht gedeckt war. Vor Beginn der Operation gegen Bloemfontein wird die englische Heeres leitung überhaupt für di« Einrichtung einer Etapp«nstraße mit Hauptstationrn und Proviant-Depots in Jacobsdal, Emmaus u. s. w. Vorsorge treffen müssen. Auch diese Etappenstraße wird aber ebenso wie die Eisenbahn von de Aar und Naauwpoort nach Oranjeriver-Station und weiter nach Kimberley durch auSreiche: Truppenabthiilungen gegen Uebersälle von Seiten der Boeren schützt werden müssen, die ihre Angriffe täglich und stündlich tu allen Seiten erneuern dürften. Dirse Erwägungen eröffnen eine höchst betrübende Perspective für die Friedensfreunde und lassen die Befürchtung gerechtfertigt erscheinen, daß der Kampf um die Vorherrschaft in Süd-Afrika nun, nachdem er den Charakter eines Volkskrieges anzunehmcn droht, erst anzusangen beginnt. Sehr plausibel ist folgendes Rechenexempel, welche« Generalmajor z. D. v. Schmeling im „Berl. Loc.-Anz." auf stellt. Er schreibt: England schwimmt heute noch in einem Meere von Glück ob des einen Telegramms vom Eintreffen seiner Cavallerie-Tivision in Kimberley. Wir müssen letztere Thatsache gelten lassen, meinen aber, daß in Kurzem aus den Jubel in Loudon eine große Ernüchterung, eine Depression folgen kann, wie nie zuvor. Machen wir zu dem Zwecke ein kleines Rechenexempel mit Kilometern, die ja bekanntermaßen im Kriege Len Ausschlag geben, wenn? sich darum handelt, ob ein erreichter Erfolg nur ein Las große Publicum blendendes Unternehmen war, wie jetzt etwa der Entsatz von Kimberley, oder eine dnrch Sicherung der rück wärtigen Verbindungen wohlvorbereitete Operation, an die sich Schlag auf Schlag weitere Erfolge schließen können. Also 1) Dir rückwärtige Verbindung des Generals Roberts ist auf die Eisenbahn Capstadt —de Aar — Hopetown—Modderrtver- Station angewiesen. 2) General Robert- hat sein durch diese Bahn zu füllendes Hauptmagazin in der Nähe letztgenannter Station, die von Bloem fontein 120 Kilometer entfernt liegt. 3) Dir Boeren stehen zu einem Theil zwischen Modderriver - Station und Bloemfontein, zum andern Theil brt Lolesbrrg, hier nur 100 Kilometer von d» Aar, aber 200 Kilometer vom Corv- de- General» Robert» entfernt, mag diese» bei Kimberley stehen bleiben oder auf Bloemfontein marschiren. Die Verbindungen dec »oeren mit dem östlichen fruchtbaren Theil de» OranjrstaateS, brzw. mit der Hauptbahn LoleSberg-Bloemfontein sind gesichert, so lance dem General Robert» «ine entsprechend« Streitmacht wir jetzt gegen über bleibt. 4) Den Boeren bei Colr»berg stehen nur schwächere englische Abthellungrn entgegen, die seit einer Woche in stetem Rückzüge nach Süden sind. Schlußfolge. DIeSachlagr ergirbt die einfache Rechnung, daß von EolrSberg au» binnen zwei Tagen eine berittene Lorrenabthrilung von einig«n tausend Mann und ein paar Batterien der Eisenbahn zwischen de Aar und Hopetown für Monat« unbrauchbar machen kann, r» sei drnn, daß G«neral Robert» zur Deckung dieser Babu so starke Kräfte zurückgrlassrn hätte, daß rin erfolgreicher Bormarsch auf Bloemfontein für ihn ausgeschlossen wäre. Der kleine Erfolg von Kimberley könnt« sich demnach in «Ine schwere Katastrophe v«r- wandeln, wenn General Cronje den Engländern b«i Kimberley nur «ine Maske gemacht hätte und mit seinen Hauptkrästeu bei ColeS- brrg wäre. Nun noch eine englische Preßstimme. Die „Time»" lassen sich vernehmen: So wünfchenswerth der Entsatz Kimberley» wäre, so kann er doch »icht al« großer strategischer Erfolg aufgesaßt werden, »nd Lord Robert» den» sicherlich an «inen weiteren Action»- kni». Die Lage ist augenblicklich recht sonderbar. Al« er sich «nt- schied, sein Hauptgewicht am Modder »inzusrtzen, unternahm Lord Robert» militärische Operationen 240 lcm nördlich von einer starken Vorrrnmacht bei Colesberg, dir neuerdings unt»r einigen Verlusten uni«rr Truppen, von Lenen sie angeblich «ingrschlossei: war, zum Rückzug« zwang. Dies« Boerenmacht sttht kaum 100 dm
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite