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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.03.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-03-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000329024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900032902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900032902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-03
- Tag1900-03-29
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BezsgS'Prei- der Hauptexpedition oder den im Stadt« tirk und den Vororten errichteten Aut- bestellen ab geholt: vierteljährlich^ 4.50, > zweimaliger täglicher Zustellung in- iu» SEO. Durch die Post bezogen für lutfchland und Oesterreich: viertehäbrUch k.—. Direkte tägliche Kreuzbandsendung in- Ausland: monatlich 7.50. Abend-Ausgabe. eiMer TllMatt Anzeiger. Amtsblatt des Königliche« Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes «nd Molizei-Ämtes der Lladt Leipzig. Anzeigen Prei- die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter dem RedactionSstrich (-ge spalten) 50/H, vor den Familiennachrichtea (6 gespalten) 40^. Größere Schristen laut unserem Preis- verzcichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilage» (gefalzt), nur mit der Morgen. Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Annahmeschluß für Änzeizen: Ab end »Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen« Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je ei» halbe Stunde früher. Anjkiven sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig Z 161. Donnerstag den 29. März 1900. St. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 29. März. Da da- Plenum des Reichstags gestern, nachdem es Hals über Kopf die dritte Berathung des Etats zu Ende geführt, die Osterferien angetreten hat, die bis zum 24. April dauern sollen, so braucht die Budget commission ihre Sitzungen von heute ab nicht mehr deS Beginnes der Plenarberathungen halber zu unterbrechen. Es scheint auch nicht, als ob sie eS sehr eilig hätte, dem Bei spiele des Plenums zu folgen; ihre ersten Heiden Be- rathungen ließen nach den vorliegenden Berichten nichts von Ermüdung und Ueberhastnng spüren. So darf man denn erwarten, daß sie die Berathung der Flottenvorlage vor Ostern noch weit genug fördert, um ihren Mitgliedern — von denen natürlich abgesehen, die schlechterdings nicht belebrt sei» wollen — volle Klarheit über alle Einzelheiten der Vorlage wie über die zwingenden Gründe zu versckaffen, die ihre Einbringung veranlaßt haben. Auch in der gestrigen Sitzung scheinen die vertraulichen Mittbeilungen derRegicrungs- vertreter tiefen Eindruck auf die Mehrheit der Mitglieder gemacht zu haben. Die „Nat.-Lib. Corr." saßt wenigstens das Ergebniß dieser Sitzung folgendermaßen zusammen: „In der gestrigen Berathung der Budgetcommission wurde das erste Capitel, in welchem die Fragen über di« Nothwendigkeit und den Umfang der Flottenvermehrung zusammen gefaßt sind, zu Ende berathen und vom zweiten Abschnitte, der die Kosten und Beschaffung der Mittel behandelt, die erste Frage erledigt, welche Steigerung der sonstigen Neichsausgaben, insbesondere für Wehr und Ueberscezwecke, bis zum Jahre 1920 zu erwarten sind. Das Er- gebniß dieser Debatte war eine Verstärkung der vorgestern gewonnenen befriedigenden Eindrücke. Tie Situation wird dadurch gekennzeichnet, daß der Eentrumsabgeordncte Gröber den Abgeordneten Richter darauf sestnagelte, daß er sich nur gegen die „Bindung" in der Floltennovelle, keineswegs aber gegen dicVermehrung dev Flotte selbst erklärt und sogar eine Bindung für einige Jahre zugestanden habe. Besonders bemerkenswerth waren die Aufklärungen deS Staatssekretärs Gras Bülow über die Ziele der Vorlage und über die Beziehungen der Regierung zu den großen Mächten, delieo Graf Bülow nachher vertrauliche Mittheilungen hinzusügte, deren Ergebniß dahin zusainmenzusasseu ist, daß gerade jetzt ein besonders freundschaftliches Verhältnis zu Rußland besteht. Zum Schluß gab der Staatssekretär Freiherr v. Thiel mann ein an schauliche- Bild von dem naturgemäßen Wachsthum der Reichs einnahmen, und wies nach, daß, soweit irgend eine Voraus berechnung möglich ist, finanziell keine Besorgnisse wegen der Durchführung der Flottennovelle zu bestehen brauchen." Auch eine Auslassung deS Organes der Leiter des Bundes der Landwirthe, der „Deutsch. TageSztg.", läßt darauf schließen, daß die Verhandlungen der Budgetcommission über die „gräßliche Flotte" nicht ungünstig verlaufen. Diese Auslassung lautet: „Wir haben seit dem Bekanntwerden des Flottenplanes und ins- besondere seit der Veröffentlichung des neue» Flottengesetzeutwurfs etwa 400 Zuschriften über das Flottengrsctz aus unserm Leser kreise erhalten. Die meisten waren nicht zur Veröffentlichung, sondern nur zu unjerer Kenntnißnahme bestimmt. Von diesen 400 Zuschriften haben sich nur etwa 10 unbedingt zu- stimmend zur Flottenfrage ausgesprochen, während fast die Hälfte auf einem unbedingt ablehnenden Standpunkt stand. Die anderen Zuschriften, die also die kleinere Hälfte bilden, sprachen sich dahin aus, daß einer Flottenvermehrung erst dann zugestimmt werden könnte, wenn unbedingte Sicherheit dafür geschaffen wäre, Laß die berechtigten Forderungen der Land- wirthschast Erfüllung fänden. Wir glauben diese Mittheiluugen machen zu sollen, um ein Bild von der Stimmung im Laude zu geben. Hinzufügen möchten wir, daß die unbedingt ablehnenden oder nur bedingt zustimmenden Zuschriften nicht nur von Land- wirthen, sondern auch aus städtischen Kreisen stammen und daß ihre Absender zum Theil den ältesten und ersten Familien des Landes angehören und im Heere hohe Stellungen eingenommen haben." Zu einer solchen verschleierten Drohung mit einem Plebiscjt gegen die „gräßliche Flotte" würde sich die „Deutsche Tageszeitung" gewiß nicht verstiegen haben, wenn sie nicht besorgte, daß die stillen Bemühungen deS Herrn Oi. Hahn, das Ccntrum gegen die Vorlage aufzureizen, erfolglos bleiben werden. Uebrigens bemerkt auch der „Vorwärts": „So viel darf gesagt werden, daß die Centrums-Abgcordneten, soweit sie bisher zu Worte kamen, nämlich die Herren Gröber, Müller-Fulda, Prinz Arenberg, eine Haltung zu den Flotten forderungen einnahmen, die bei den Regierungsvertretern das Gefühl hoher Befriedigung erweckte." Auf die Vaterlandsliebe der Tocialöemokrarie fällt rin neues Schlaglicht durch die Behauptung des „Vorwärts", es sei nicht wahr, daß ein Theil der Commissionsberathung über die Flottenvorlage aus Gründen der nationalen Sicherheit geheim geführt werden muß. Das socialdemokratische Central organ stellt sogar in Abrede, „daß da ernstlich Verhältnisse internationaler Art vorliegen könnten, die zu verschweigen eine Forderung politischer Klugheit wäre". So ungeheuerlich diese angebliche Naivetät des „Vorwärts" ist, so verwerflich ist der Volksbetrug, Len der „Vorwärts" verübt, indem er als den allein berechtigten Anlaß zur Geheimhaltung gewisser Commissivnsbcrathungen die Ueberzeugung der Regierung ausgiebt, „daß eine Bekanntgabe ihrer aller geheimsten Gründe nur eine allgemeine erstaunende Heiterkeit über die Nichtigkeit und Hohlheit des Begründungsmaterials entfachen müßte." „Darum ist eS denn freilich besser", schließt der „VprwärtS", „man hüllt sich in die Schleier der diplomatischen Geheimnisse, man läßt vaS Volt in Andacht vor dem Unbekannten, vor deu in magischem Nebel drohenden Gefahrenbildern erschauern und trotzt ihm in der Hypnose die Flottenmilliarden ab." — Selbst unter den ungebildeten Anhängern der Socialdemo kratie wird eS nicht wenige geben, die genug gesunden Menschenverstand haben, um einzusehen, daß in allen An gelegenheiten der LandeSvertheidigung ein Staat geradezu militärischen Selbstmord beginge, wenn er vor den Ohren der ganzen Welt Licht über die Pläne seines Vertheidigungs- systems und über seine Beziehungen zu den Mächten verbreitete. Den Herren vom „Vorwärts" ist dieses Mindestmaß gesunden Menschenverstandes zweifellos eigen. Ta sie aber nicht davon Gebrauch machen, so müssen sie an die Praxis erinnert werden, die das socialdemokratische Parteiparla ment, der Parteitag, seit Jahren befolgt. Jene Praxis besteht in dem Verfahren, für Angelegenheiten, die infolge von Zwist unter den Parteigenossen entstanden und die Partei zu compromittiren geeignet sind, Commissionen ein zusetzen, die sich hinter verschlossenen Thüren als Tribunal constituiren und nur daS Ergebniß ihrer Verhandlungen vor das Plenum deS Parteitages bringen. So wurde beispiels weise im Falle Lütgenau und im Falle der Braunschweiger Scandale, um blos zwei Beispiele anzuführen, verfahren. Wenn so die Vertretung einer Partei handelt, die die Wahrung des demokratischen Grundsatzes der Oesfentlicbkeit doch zu allererst bei der Erledigung ihrer eigenen Angelegen heiten anwenden müßte, dann ermißt man, welchen Werth die Bekämpfung der Geheimhaltung eines Theils der Commissionsberathungen durch den „Vorwärts" hat. AusFrankreich kommt die Meldung, daß Graf Bcncdetti gestorben ist. Kein Mensch hat wohl noch an das Dasein dieses Lakaien der Weltgeschichte gedacht, der mit seiner Hand die Thüre zum Ruhme Frankreichs öffnen wollte und nach der Oeffnung zu spät bemerkte, daß Deutschland iu der Thürfüllung stand. Wie alle jene Diplomaten der alten Schule liebte der Graf die Jntrigue und cs war für ihn ein gefundener Posten, als er 1864 als Talleyrand- Pörigord's Nachfolger als Botschafter nach Berlin ging. Hier wollte cr sein Licht leuchten lassen und tsier versuchte er mit Versprechungen und Hinhaltungen 1866 Compensationen und Preußens Zustimmung zur Annexion Belgiens und Luxemburgs durch Frankreich zu erlangen. Aber die Zeiten des Schacherns waren vorbei, in Bismarck fand er bald seinen Meister und dies wurmte ihn so sehr, daß er, wie man sagt, gegen den Willen Napoleon's III., in EmS den König in beleidigender Weise herauSsorderte. Dort im Curgartcn bezeichnet ein einfacher in den Boden eingelassener Stein die Stelle, wo ihm König Wilhelm sagte: „Melden Sie Seiner Majestät, daß ich Ihnen nichts mehr zu sagen habe", und in jenem Augenblicke riß sich Preußen — Deutschland von der schimpflichen Vormundschaft Frankreichs los und ging seinem Glück und Ruhm entgegen. Diese kleine Scene ist in den Gemüthern aller Deutschen haften geblieben und so kommt cs, daß man Benedetti bei uns besser kennt als in Frankreich. Nun hat auch dieser Zeuge großer Ereignisse seine Augen geschlossen. Er war am 29. April 1817 als der Sproß einer alten corsischen Familie in Bastia geboren und trat frühzeitig in den diplomatischen Dienst. Er bekleidete erst die Consulatsposten in Kairo und in Palermo und wurde dann zum Ersten Sekretär der Botschaft in Konstantinopel, später zum Gesandten in Teheran ernannt. Als Director in LqS Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten zurückberufen, fungirte er als Protokollführer der Pariser Conferenz deS JahreS 1856. Hier schloß er sich eng an den Grafen Cavour an, was seine Ernennung zum Gesandten in Turin zur Folge hatte. Nachdem er dann einige Zeit im Ruhestande verbracht batte, wurde er am 5. November 1864 als Nachfolger des Barons v. Talleyrand- Pvrigord zum Botschafter in Berlin ernannt. Nach Be endigung des KriegcS begab cr sich nach seiner Heimath Cvrsica und ließ sich in Ajaccio als Advocat nieder. Die Niederlage, mit der seine lange diplomatische Laufbahn endigte, hat er bis an das Ende seines Lebens nicht verwunden. Ein erheblicher Theil der englischen Presse, voran die „Times", setzt seine Klagen über „deutsche Gereiztheit" fort und kommt wieder und wieder auf die „Beleidigungen" zurück, „denen britische Unterthancn in Dresden" auSgesetzt seien, obgleich das Cityblatt erst kürzlich von einer in Dresden jebenden englischen Dame darüber aufgeklärt worden ist, wie thöricht cs sei, die Brutalitäten einiger Lümmel als Symptom der Stimmung und des Verhaltens der ganzen Bevölkerung einer Stadt oder gar eines Reiches hinzustellen. Angesichts dieser Empfindlichkeit ist es wohl am Platze, an eine Schilderung zu erinnern, die HanS Wachenbusen im Jahr gang 1871 seines „Hausfreund" unter der Ueberschrrft „Die Ueben Engländer" veröffentlichte. Sie lautet: „Als die fünf Milliarden dictirt waren, sprang John Bull bis an die Decke seines Parlaments. Fünf Milliarden, welch eine Menge Geld — und England konnte es nicht einstreichen! Bon da ab hatten wir Deutschen cs mit den Engländern verdorben . . . und daher kommt es, Laß sich schon seit Monaten das Londoner Volk über die Maßen an folgender albernen Harlekinade ergötzt. Im Alcazar und anderen öffentlichen Etablissements führt man nämlich auf den Bühnen eine überaus kindische Farce auf: Zuerst tritt ein Frauenzimmer aus der Coulisse aus die Bühne, als Göttin der Freiheit gekleidet, mit der französischen Tricolore in der Hand. Die Göttin singt die Marseillaise und das ganze Publicum brüllt ihr seinen Beifall zu. Danach erscheint auf der anderen Seite der Bühne eia Preu- ßischer Soldat, mit der Pickelhaube aus dem Kopfe, in grüner Uniform, die preußische Fahne in der Hand, und singt die Wacht am Rhein. Furchtbares Gezische, Gepfeife, Trommeln und Bellen. Man hört kein Wort von der Wacht am Rhein. Tas Publicum verhöhnt den Preußen und schreit: Frankreich t'or ever! Jetzt tritt aus dem Hintergründe ein englischer Matrose mit der britischen Flagge auf und singt Iluls Lritannia. Endloser Jubel. Sobald sich das Publicum ausgetobt hat, tritt der Matrose in die Mitte der Bühne, blickt erst die Göttin Frank reich, dann den Preußen an und macht Beiden eine Panto mime, sie auffordernd, sich Loch zur Versöhnung die Hände zu reichen. Göttin Frankreich zuckt verächtlich die Achseln. Der Preuße dreht ebenso verächtlich dec Göttin den Rücken und will mit feiner Fahne auf der Schulter in die Coulisse gehen. Ter englische Matrose eilt ihm nach und giebt ihm einen Fußtritt, ehe er ver schwindet. Das ganze Publicum geräth iu die wahnsinnigste Freude und der Vorhang fällt über dieser Albernheit. Diese be wundernswürdige Scene muß nun jeden Abend abgespielt werden, nicht in einem, sondern in zehn Localen, und opponiren di« anwesenden Deutschen dagegen, so werden sie glorreich hinausgeprügelt zur Ehre Frankreichs und zurGeuug» thuung des englischen Pöbels." Und daS war nach einem Kriege, den Frankreich vom Zaune gebrochen und Deutschland aufgezwungen hatte, während jetzt — koch wozu wiederholen, was die besonnensten Eng länder selbst über die Entstehung und den Zweck des süd afrikanischen Feldzuges sagen? Wenn angesichts solcher eng lischer Stimmen das deutsche Gerechtigkeitsgefühl hier und da bei einem trunkenen Hausen einmal überschäumt, so gehört eine Heuchelei ohne Gleichen dazu, wenn die englische Presse, aus bereu Erinnerung die Londoner Vorgänge von 1871 sicherlich noch nicht völlig verwischt sind, über „deutsche Ge reiztheit" und Unfreundlichkeit klagt. Der Krieg in Südafrika. Heule Morgen meldeten wir den Tod General Jouberts, jetzt müssen wir mittheilen, daß General Delarey schwer an Influenza erkrankt ist. Hoffentlich über windet er den Anfall, der aber zeigt, daß die JnsectionS- krankheiten jetzt auch bei den Boeren, die doch da- Klima 3) Drei Teilhaber. Roman von Bret Harte. Nachdruck verdolcn. Die beiden Anderen lachten. „Für schreienden Undank gegen die Vorsehung würde ich's halten, wollten wir die Himmelsgabe so bald wieder zurückgebcn", meinte Stacy. „Auch könnte ja der erste beste Goldgräber, der «des Weges käme, den Schatz finden und behalten. Du weißt, das ist Bergmannsrecht, wenn man das Land nicht durch Vorkauf erworben hat." Der Gedanke an sine solche Möglichkeit brachte Barker einigermaßen aus der Fassung; er wußte nichts zu erwidern. Demorest war aufgestanden. „Nach meinem Gefühl", sagte cr, „thut Ihr jetzt Beide am besten, Euch schlafen zu legen, denn morgen müssen wir früh munter sein." Er breitete die Deckewieder über die kostbare Pfanne im Winkel und fügte lachend hinzu: „Damit die Goldklumpen bei Nacht nicht lebendig werden und Euch Alpdrücken machen." Nun schloß er die Thür, di« nur kose in den Angeln hing und weder Schloß noch Riegel hatte. Stacy bemerkte, daß er einen flüchtigen Seitenblick darauf warf und seufzte. „Dies Gefühl der Sicherheit werden wir in San Francisco vermissen — vielleicht sogar schon in Boomville", murmelte er. Obgleich es kaum zehn Uhr war, begannen Stacy und Barker jetzt unter häufigem Gähnen sich auszükleidcn. Ihr Gespräch sprang dabei fortwährend von einem Gegenstand zu anderen über. Barker hakte, schon «inen «Strumpf ausgezogen und sich da- Beinkleid über den Arm gehängt, als er noch «mitten in einer lustigen Geschichte war; gleich daraus lagen sie Beide bequem ausgvstreckt in «ihren Schlafkojen. „Na, Demorest, gehst Du denn nicht auch zur Ruhe?" klang Stach's Stimme unter der Bettdecke hervor. „Noch nicht", gab der Angeredete von seinem Platz am Feuer zurück. „Wißt Ihr, 'S ist unsere letzte Nacht in der alten Hütte, und di« möchte ich nicht verschlafen." „Richtig", rief Barker voll Eifer und versuchte sich der Decken -u entledigen. „Hört einmal, JungenS: wir sollten «ine ordent liche Nachtwache halten und alle Drei wenigstens bis Mitternacht munter bleiben. Wartet nur — gleich stehe ich wieder auf!" Allein Demorest hatte schon mit einer Hand den nackten Fuß seines jugendlichen Genossen ergriffen, noch ehe dieser damit den Boden berühren konnte. Er steckte ihn sorgfältig wieder unter die wollene Decke, die er dicht um ihn hüllte, und sagte mit fester Stimme und wahrhaft väterlicher Miene: „Das laß nur gefälligst bleiben. Sprich Dein Gebet, mein Sohn, und leg' Dich schlafen. Morgen früh sollst Du so frisch sein wie eine Lerche beim Wiedersehen mit Fräulein Kitty. Nach dem Schmaus kannst Du Wache halten, so lange und so viel Du willst. Ich habe Dir schon Gute Nacht gesagt, und damit Punctum!" Barker's schwacher Widerspruch war nur von kurzer Dauer; er schmiegte sich fest in die Kissen, und dann folgte eine plötzliche Stille. Bald darauf tönte von Stacy's Lager her ein vernehm liches Schnarchen; dann herrschte lautloses Schweigen. Nachdem Demovest das Feuer geschürt und einen riesigen Wurzelstock in die Flamme geschoben hatte, nahm er seinen Platz wieder ein, löhnte sich in 'den Stuhl zurück, senkte die Augenlider und begann zu träumen. Es war der alte Traum, '.den er nun schon seit drei Jahren alltäglich träumte. Oft hatte er ihn sogar beim Nachmittags schlaf befallen, wenn er im Schatten eines Kastanienbaumes auf seiner Parzelle von der Arbeit ruhte; und saß er Nachts am Feuer, während seine Kameraden schliefen, so blieb er niemals aus. Ein Traum aus vergangener Zeit war es; aber so lebendig, daß er nicht selten Gegenwart und Wirklichkeit in einen traum haften Zustand verwandelte, aus dem der Schläfer bald zu er wachen hoffte. Kein Wunder, daß dies Traumbild ihn auch an jenem Abend heimsuchte, wie schon so oft zuvor. Allmählich tauchte aus der Dunkelheit die Erscheinung eines blonden jungen Mädchens auf, das ihm gegenüber auf einem der leeren Stühle saß. Es war stets dasselbe hübsche Kinderzesicht mit dem halb ängstlichen, halb erstaunten Ausdruck; dieselbe schlanke, anmuthige 'Gestalt, aber immer in glänzendem Diamantenschmuck und Perlen gekleidet — im grellsten Gegensatz zu seinem eigenen groben Anzug und der armseligen Umgebung. Schweigend, mit halb geöffneten Lippen saß sie da, bis der flüsternde Nachtwind irgend eine Saite der Erinnerung berührte und eine wohlbekannte Stimme sich der seimgrn zugefellte. Denn zu solchen Zeiten war ihm, als spräche er, obgleich seine Lippen geschlossen blieben und Vie Worte für keines Menschen Ohr vernehmbar waren, außer für daS ihrige. „Ja, so ist's", sagte er traurig. „So ist eS", wiederholte die Stimme in leisem Flüsterton. „Du weißt nun Alles", fuhr er fort. „Du weißt, daß mir endlich beschieden ist, um was ich gearbeitet und gebetet habe. Alles, waL wir zu unserem Glück brauchten, womit ich Dich hätte erringen können, ist mir schließlich zu Theil geworden; aber ach, zu spät!" „Zu spät!" tönte es auch aus ihrem Munde. „Erinnerst Du Dich noch des Tages, an dem wir zum letzten Mal beisammen «waren?" hob er wieder an. „Deine Eltern und Angehörigen bestanden darauf, Du solltest mich aufgeben, um meiner Armuth willen. Sie hatten Dir Vorwürfe gemacht und Dir einzureden gesucht, daß mich nur Dein Reichrhum anlockte. Da beschloß ich, in die weit« Welt zu gehen und erst zurück- zukchren, wenn dieser Argwohn mich nicht mehr treffen könnte. Weißt Du es noch, Geliebte? Du klammertest Dich an mich und flehtest, ich möchte bei Dir bleiben oder Dich initnehmen. Nur mit ihnen allein lassen sollte ich Dich nicht;'lieber wolltest Du mit mir fliehen. Damals trugst Du dasselbe Kleid wie heut«, mein Herzblatt; derselbe Ausdruck banger Furcht stand in Deinen Kinderaugen zu lesen, un«d ich sehe noch, wie Deine Diamanten funkelten, als Du Dich zitternd an mich schmiegtest und ich Dir die Bitte abschlug. Ich war zu stolz, um Dein Verlangen zu ge währen, oder vielmehr zu schwach und zu feige. Ich ging fort und verzehrte mich hier vor Sehnsucht zwischen Bergen und Felsgestein; aber meine Körperkraft wuchs; und Du, mein Lieb, wohl geborgen im Schutz und Schirm der Deinigen, Du —" Er hielt inne und begrub sein Gesicht in den Händen. Der Nachtwind fegte durch den Kamin, daß die Asche im Herde auf wirbelte. „Ich bin gestorben", flüsterte die leise Stimme. „Dann ward mir Alles auf Erden gleichgiltig", fuhr er fort. „Manchmal nur erwärmte sich mein Herz für meinen jungen Kameraden, wenn ich seine unschuldige, treue Liebe zu dem Mädchen sah, an das doch seine Hoffnungen nicht heran reichen durften, trotz ihrem niedrigen Stande. In ihm bemit leidete ich mich selber. 'Um Heimath, Freunde und Glück kümmerte ich mich nicht mehr — mein altes Leben war vergessen. Jetzt aber kehrt mir das Alles wieder zurück — nur damit ich erfahre, wie hohl und leer die Erdengüter sind, für di« ich Dich dahingegeben habe, und mich erfüllt Schmerz und Bitterkeit. Meine Verbannung geht zu Ende, aber in 'dieser letzten Nacht sehe ich beim Blick in die Zukunft nichts als Neid, Mißtrauen und gemein« Selbstsucht, die rings ihr Haupt erheben. Zu spät! Zu spät!" Jetzt fehlend der ängstlich fragende Blick aus den Augen, die noch immer auf ihn gerichtet waren; klar und hell schauten sie ihn an, als wollten st« Gutes verkündigen. War es das Stöhnen des Windes im Kamin, oder vernahm er wirklich die geflüsterten Worte: „Für mich ist es zu spät, Geliebter, aber nicht für Dick. Ich bin zwar lobt, aber noch lebt die Liebe. Sei gljicklich, Philipp. In Deinem Glück kann auch ich wieder zum Leben erwachen!" Er fuhr empor. Beim flackernden Feuecschein sah er, daß der Stuhl leer war. Er hörte das Rauschen eines Gewandes — oder hatte ein Windstoß die Asche knisternd bewegt? Kühle Luft quoll ihm entgegen, und es roch nach frisch aufgegrabener Erde. Ein Schauer lief ihm durch Mark und Bein; dann saß er hoch aufgerichtet da. Nein, das war kein Traum, keine abergläubische Wahnvorstellung. Er fühlte wirklich einen schwachen, feuchten Luftzug, der an feinen Füßen vorbei auf dem Boden nach dem Kamine zu strömte. Schon wollte er sich erheben, als er plötz lich lauschend innehielt und regungslos auf seinem Platz ver harrte. Ein seltsamer Ton, den er schon vernommen hatte, als er noch ganz von dem Traumgesicht befangen war, kam ihm jetzt deutlich zum Bewußtsein. Es hörte sich an, als streif« ein Schleppkleid über den Boden oder als fege mdn mit einem weichen Besen die Sandwege rein. Sein Ohr war gewöhnt, jeden Laut in Berg und Wald zu unterscheiden, aber das klang weder wie das Nagen des Eichhorns oder der Ratte, noch wie das Kratzen der Wildkatze; auch rieb sich kein Bär das zottige Fell. Es rührte auch nicht von einem Menschen her; die langen, tiefen Athemzüge seiner schlafenden Kameraden unterschieden sich deut lich von jenem einförmigen Laut. Nicht einmal, ob er aus dem Innern der Hütte oder von draußen kam, vermochte er zu sagen. Plötzlich fiel sein Blick aus den Haufen im Winkel. Wahrhaftig, das Tuch, wölches über den Goldschatz gedeckt war, bewegte sich hin und her! Demorest schnellte von seinem Sitz empor — geräuschlos, vorsichtig, drohend und entschlossen. Der Träumer, der Ver lassene, der stolze Verächter des Reichthums war auf einmal wie umgswandelt bei diesem mitternächtigen Angriff auf feinen kost baren Besitz. Jetzt bewegte sich das Tuch nicht möhr, ober der leise, raschelnde Ton ließ sich wieder vernehmen. Schnell zog er «in langes, blitzendes Jagdmesser aus dem Stiefelschaft und stand mit drei unhörbaren Schritten neben dem Haufen. Da sah er nichts Anderes, als was er zu sehen erwartet hatte — sine schmale, wagerechte Oeffnung zwischen dem Gebälk der Hütte und dein Lehmboden, die von draußen durch bas langsame Wühlen unsichtbarer Hände immer breiter und tiefer wurde. Die kalte Luft, 'welche durch den 'Spalt in den gsheizten Hüttenrrrum strömte, machte sich jetzt deutlich fühlbar. Das Rascheln begann von Neuem; jetzt hörte es auf und vier Finger einer Hand, deren Fläche nach unten gekehrt war, schoben sich vorsichtig zwischen dem freigelegten Fußboden und dem untersten Balken hindurch. Wie ein Blitzstrahl fuhr Demorest's Jagdmesser auf die der- »ätherisch' Hand nieder. Man vernahm keinen Schrei. Trotz der Spannung des Augenblickes konnte sich Demorest nicht des Gefühls der Bewunderung erwehren für die Selbstbeherrschung
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