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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.04.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-04-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010418013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901041801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901041801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-04
- Tag1901-04-18
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Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Ratyes und Votizei-Ämtes -er Stadt Leipzig. Anzeigen »Preis die 6 gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem RedacnonSstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offrrtenannahme 25 H (excl. Porto). Grtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expeditton ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr- Druck und Verlag von L. Polz iu Leipzig. 93. Jahrgang. Die Formationsanderungen im Heere. n. Trotz der scheinbaren Vollkommenheit unserer Heeresein- richtungcn wird fortgesetzt an deren Verbesserung und Aus gestaltung weitergearbeitet; fordern doch die nie rastenden Fort schritte auf dem Gebiete der Technik, insbesondere der Kriegs technik, zu solchen Verbesserungen gebieterisch auf. Aber auch die Organisation verlangt fortschreitende Aenderungen, wenn der Stillstand nicht sofort Rückschritt werden soll, und diesem Ver langen wird in dem am 1. April begonnenen neuen Etatsjahre durch verschiedene Neuerrichtungen Folge gegeben, von denen zunächst die Aufstellung einer besonderen Versuchsabt Hei lung der Verkehrstruppen mit dem Standort Berlin bereits erfolgt ist. Diese neue Abtheilung besteht aus einem Regimentskommandeur als Vorstand, dem fünf Hauptleute und zwei Leutnants beigegeben sind; sie gliedert sich nach den drei Truppengattungen unserer Verkehrstruppen in die Unter- abtheilungen für Eisenbahnwesen, Telegraphenwesen und Luft schifferwesen. Bei dem letzteren ist in Folge dieser Neuorgani sation die bisherige Versuchs-Section der Luftschisfer-Abtheilung in Fortfall gekommen. Diese Neuerrichtung konnte bereits am 1. April ins Leben treten, weil damit die Aufstellung von Truppenverbänden nicht verknüpft war. Das Gleiche ist der Fall mit dem neu errichteten wissenschaftlichen Senat bei der Kaiser Wilhelms- Akademie für das militärärztliche Bildungswesen, besten Auf gabe es ist, in medicin-wistenschaftlichen Fragen als begut achtende Behörde dem Generalstabsarzt der Armee, der zu gleich Vorsitzender dieses Senates ist, zur Seite zu sichen; der Senat umfaßt außerdem einen Stellvertreter des Vorsitzenden und 15 ordentliche Mitglieder. Beim SanitätSofficier- corpS sind endlich auch die Oberstabsärzte 2. Elaste abgeschafft und es giebt fortan nur Oberstabsärzte, welche den Rana als Major haben und deren Dienstgradabzeichen haben. Die speci- fisch militärärztliche Prüfung, welche die Stabsärzte vor der Beförderung zum Oberstabsarzt abzulegen hatten, ist endlich auch beseitigt und die Prüfungskommission für Militär-Ober ärzte aufgehoben worden. Alle Neuerrichtungen von Truppengattungen sind aus An laß deS Etats für den 1. Oktober 1901 bestimmt worden; als ihre wichtigsten sind die Maschinengewehr-Abtheilungen zu be zeichnen, von denen eine für das Gardecorps in Potsdam, eine für das I. Armeecorps (Ostpreußen) in Ortelsburg, zwei für das XV. Armeecorps (Elsaß) in Bitsch und eine für daS XVII. Armeecorps (Westpreußen) in Culm aufgestellt werden. Diese Abtheilungen werden den Jägerbataillonen in diesen Standorten angegliedert und erhalten eine Friedensstärke von 3 Officieren, 67 Mann, 9 Reit- und 34 Zugpferden. Die Mannschaften dieser Abtheilungen werden als „Schütze" be zeichnet nnd auch so aufgerufen und angeredet. Die weiteren Neuformationen betreffen fünf Escadrons Jäger zu Pferde (Meldereiter) in Posen, ein Fußartillerie-Regiment Nr. 13 unter Verwendung des jetzigen Bataillons Nr. 13 mit dem Stab und dem I. Bataillon in Ulm, dem II. in Altbreisach, eine Com pagnie davon vorläufig in Neubreisach. Das in den letzten beiden genannten Standorten garnisonirende I. Bataillon des badischen Fußartillerie-Regiments Nr. 15 wird zum 1. Oktober 1901 nach Mölsheim verlegt, wo es bei der Besetzung der dort aus geführten Fortificationen Verwendung finden soll. Bis zur Fertigstellung deS Casernements wird dieses Bataillon vorläufig in Straßburg i. E. untergebracht. Das nach dem verstärkten HeereSetat von 1899 noch fehlende Pionier-Bataillon Nr. 21 wird für das XVIII. Armeecorps neu in Mainz formirt; das dort bisher seit seiner im September 1866 erfolgten Errichtung garnisonirende hessische Pionier-Bataillon Nr. 11 tritt aus dem XVIII. Corps in den Verband des XI. Armeekorps über und wird nach Hannoversch-Münden verlegt, wo bisher noch keine Garnison gestanden hat. Die Luftschiffer erhalten eine Ver stärkung von einer Compagnie und nehmen dann die Bezeichnung „Luftschiffer-Bataillon" anstatt Abtheilung an. Dieses Ba taillon wird vom Eisenbahn-Regiment Nr. 1 in allen bisher noch bestandenen Beziehungen losgelöst und wird ein völlig selbst ständiger Truppentheil, bei welchem jedoch eine Annahme von Fahnenjunkern als Officierersatz nicht stattfindet; dagegen wird bei dem Bataillon ein eigenes Ehrengericht gebildet. Das Bataillon wird später die für dasselbe in Tegel erbauten Casernen beziehen. Der Train wird um eine Compagnie beim groh- herzoglich hessischen Trainbataillon, das an Stelle der Nummer 25 die Nummer 18 erhält, und um eine Bespannungsabtheilung beim Garde-Trainbataillon vermehrt. Eine fast gänzliche Umgestaltung erfährt das Feuerwerks personal, das fortan der Feldzeugmcisterei unterstellt wird, während et bisher der Generalinspection der Fußartillerie zu- getheilt war. ^Die Unterklassen desselben, die Oberfcuerwerker und die Feuerwerker, werden Gehaltsempfänger und haben sich ihre Uniformen, über die noch neue Bestimmungen zu erwarten sind, aus eigenen Mitteln zu beschaffen und zu erhalten. Bei diesem Personal tritt also eine ebensolche Organisation ein, wie sic sich beim Zeugpersonal schon auf das Beste bewährt hat. Die Wirren in China. Wiederaufleben der vaxertewegung. „Reuter'S Bureau" meldet au« Peking, 17. April: Morgen geben 1100 Mann deutsche und 1000 Mann französische Truppen ab, um sich einer Expedition an- zuschließen, die von Partingfu gegen Linkwanting und einige Tausend Chinesen entsandt wird, die sich weigern, Li-hung-tsckang betreffs der Innehaltung der vereinbarten Grenzen Gehorsam zu leisten. Liu hält eine starke Stellung bei Huailu, 120 Meilen von Paotingfu, besetzt. 5000 deutsche und 3000 französische Truppen werden zu einer Expedition gegen ihn verwandt. Weitere Truppen gehen morgen und Freitag von Peking ab. Die Expedition befehligt Generalmajor v. Gayl. Die chinesische Streitmacht soll 10000 Mann stark sein. E» wird rin heftige« Gefecht erwartet. Die chinesische Stellung befindet sich mehrere Meilen innerhalb de« von Feldmarschall Graf Waldersee al» OperationSsphäre der verbündeten Truppen bestimmten Gebiete«. Liu hat sich hisher geweigert, sich zurückzoziehen, indem er erklärte, wenn die Verbündeten wünschen, baß er sich zurückziehe, thäten sie besser, zu kommen und ihn zu zwingen. Nach einem heute hier eingegangenen französischen Berichte glaubt man zwar, daß er sich jetzt zurückziehe, man nimmt jedoch an, daß, wenn dies wirklich der Fall ist, eö nur ein Rückzug von 7 oder 8 Meilen ist, um eine stärkere Stellung einzunehmen. Reform vc« Tsunglt-Vamen. * Peking, 17. April. („Rcuter's Bureau".) Die Gesandten beschlossen in einer Zusammenkunft, das Archiv des Tsungli» Pa mens den Chinesen auszuliescrn. * Loudon, 17. April. (Telegramm.) Nach einem Telegramme der „Times" aus Peking vom 16. April beschlossen die fremden Gesandten in einer Besprechung am 15. April dem Anträge Nockbill-Komura gemäß, zu dem Artikel 12 dec gemeinsamen Note betreffs der Reform des Tsungli-Zamens und der Aende- rung des Hofceremoniells bei den Empfängen der Gesandten, daß an Stelle des Tjungli-NamenS ein Ministerium des Aeußeren geschaffen werden solle, das aus einem kaiserlichen Prinzen als Präsidenten und zwei Ministern zusammengesetzt ist, die direkten Zutritt beim Kaiser hätten. ES sollten ferner zwei Biceminister ernannt werden, von denen einer einer fremden Sprache mächtig sein müsse. Rußland und Japan. Der „Standard" erfährt au« Odessa vom 16. April: AuS Petersburg wird heute privatim, aber autoritativ ge meldet, daß die zwischen Rußland und Japan schwebenden Unterhandlungen nicht unwahrscheinlich den Abschluß eines friedlichen Abkommens zwischen beiden Mächten zur Folge haben werden, dessen Grundlage eine Vereinbarung hin sichtlich Koreas bildet. In amtlichen Kreisen wird all gemein geglaubt, daß ein Compromiß das einzige Mittel ist, Japan zu besänftigen und einen Bruch zu vermeiden, den Rußland trotz seiner gegenwärtigen trotzigen (?) Haltung und seines Geredes von bosti posmckontes nicht unt Gieich- muth oder Zuversicht betrachten könne. Tic erste Tühne. * Peking, 26. Februar. Die Hinrichtung der beiden hohen Staatsbeamten, di« heute Nachmittag auf dem alten Richtplatz in der Chincsenstadt stattgefunden hat. ist ein wichtiges Glied in der Kette von Ereignissen nnd Entwickelungen, die sich hier seit dem Entsatz von Peking abspielen. Es ist die erste sichtbare Sühne, die die chinesische Regierung öffentlich auf Befehl der verbündeten Mächte für die von ihr verschuldeten und geduldeten Greuel des Boxcraufstandes zahlt. Die Hinrichtung von Ketteler's Mörder hatte nicht die Bedeutung der beiden heute vollzogenen Strafen. Enhai, der mandschurisch« Untrrofficier, der als Befehlshaber dec Wach« auf der Hatamienstraße den deutschen Gesandten nieder- schoß, hatte ja nur den Befehl seines Vorgesetzten ausgeführt, wonach jeder Fremde, der an jenem Morgen des 20. Juni die Straße entlang kommen würde, gitödtet werden sollt«. Daß dieser Mann mehr als vier Monate nach seiner Verhaftung doch noch hingerichtet wurde, geschah weniger seiner Schuld wegen, die nach unfern eignen militärischen Begriffen gar keine Schuld war, als vielmehr aus Rücksicht auf chinesische Anschauungen, wonach der Mörder des Gesandten unmöglich straffrei auSgehen konnte. Di« beiden heute Hingerichteten Beamten aber waren wirklich schwere Verbrecher, zwei d«r einflußreichsten und thätigsten Führer der frcmdenfeindlichen Bewegung des vorigen Jahres. Tschihsiu, Mitglied des großen Staatsraths und des Tsung-li-NamenS, Vorsitzender des Ceremonienamtes, war einer der höchstgesttegenen Mandschu, der sich von Anfang an mit den Anhängern der großen Faust befreundete und dafür sorgte, daß die fr«mdenfeindliche Bewegung bei Hofe und in den Ministerien gehörig geschürt wurde. Seit 1891, wo er stellvertretender Schatzmeister der Mandschurei war, hatte er rasch die ganze Stufenletter der höheren und höchsten A«mtrr durchlaufen, war Vorsitzender des LifanyuanS geworden, jener obersten Behörde der Mandschu, die all« mongolischen Angelegenheiten regelt, dann Hofmarschall des Kaisers und schließlich vor zwei Jahren Cere- monienmeister. Er hatte große Reichthümer gesammelt und würde ohne Zweifel noch «ine sehr bedeutende Rolle in der Re gierung seines Landes gespielt haben, wenn ihn jetzt nicht das wohlverdient« Geschick ereilt hätte. Uebrigens muß man ihm lassen, daß er mit großem Anstand zu sterben wußte. Als er in seinem mit einem Maulthier bespannten Karren vom Straf amt, wo ihm das kaiserlich« Urthcil verlesen worden war, unter einer japanischen Jnfanterirbedeckung auf dem Richtplatz ange kommen war, stieg er ruhig aus, schritt, angethan mit seinen schweren seidenen Kleidern, rasch und ohne den Blick nach rechts oder links zu wenden, auf den Henk«r zu, kniete nieder und ließ sich das schon ganz ergraute Haupt abschlagen, ohne eine Spur von Erregung zu zeigen. Weniger gefaßt benahm sich sein Leidensgefährte Hsütschöngi, der ebenfalls Mitglied der obersten Behörde gewesen und zuletzt stellvertretender Direktor des Strafamtes gewesen war. Er hatte eine ganze Reihe hoher Beamter, darunter mehrere aus s«in«m eigenen Ministerium, wegen ihrer Fremdenfreundlichkcit hinrichten lassen, und zwar auf derselben Stelle, wo er heute Nachmittag seinen Kopf auf Befehl der fremden Mächte lassen mußte. Er war «in Sohn von Hsütung, dem Großsekretär, ein Vollblutchines«, der, wie sein Vater, hoch in der Gunst des Kaiserhofes gestanden hatte. Er hatte seinem alten Vater vorgeschlagen, durch gemeinsamen Selbstmord der Rache der Fremden zu entgehen. Der alte Hsütung ging sofort darauf ein, und erhängte sich trotz seiner 82 Jahre. Der Sohn aber betrog ihn, bereut« sein Versprechen, blieb am Leben und floh, bi» er der seiner dreisten Rückkehr nach Peking den findigen Japanern in di« Hände fi«l. Dieselbe Feigheit, die ihn vom Selbstmord abhielt, ließ ihn den Tod von Henkershand derart fürchten, daß er sich durch ein« starke Gabe Opiums völlig bewußtlos gemacht hatte, ehe er den letzten Gang antrat. Es war «in widerliches Schauspiel, als der schon halbtodte Mann, eben falls schon ein älterer Mann mit grauem Bart und Haar, auf die Strohmatte gelegt wurde, die bei chinesischen Hinrichtungen das Sckaffott vertritt. Sine ungeheure Menschenmenge hatte sich schon Mittags auf dem südlich vom Schuntschimien auf der, jetzt Walderseestraße genannten, langen Westoststraße gelegenen Ge- müsemarkt eingefunden, dem TschiSscko, der seit der Thron besteigung des jetzigen Herrscherhauses als Ruhtplotz gedient boi. Hunderte von Officieren und Syldaten, meist Deutsche, aber auch all« anderen Nationen waren vertr«ten, mit Ausnahme der Russen, hatten sich als Zuschauer eingefunden und belagerten den Platz, der von deutschen Seesoldaten und amerikanischen In fanteristen abgesperrt gehalten wurde. Trotzdem aber gelang es Dutzenden von Neugierigen, bis auf zwei oder drei Schritt an die Stelle heranzukommen, wo der Scharfrichter mit seinen blutbespritzten Gehilfen seines Amtes walten sollte. Auch die einheimische Bevölkerung nahm an der Vollstreckung des Urtheils an zwei so hohen Beamten den größten Antheil. Alle Dächer der Häuser am Markt waren dicht mit gierigen Zuschauern besetzt, und zwischen ihnen, wie unten auch auf dem Platze selbst, lauerten unzählige Photographen, mu oder ohne Uniform, um den großenAugenblick festzuhalten, wo das uralte, schon sägenartig ausgebrochcne'kurz« Messer auf die am Zopf vorgezerrten Köpfe niedersausen würde. Im Auftrage des Kaisers waren der jetzig« Minister des Strafamtes und der Justizminister als amtliche Zeugen der Urtheilsvollftreckung erschienen. Gleichzeitig sollte in Singanfu, der Hauptstadt Schensis, der frühere Gouverneur Nühsien hingerichtet werden, der von allen Todeskandidaten wohl der schlimmste Würger gewesen ist. Der französische Bischof in der Provinz, der auch während der Boxerunruhcn seinen Sitz nicht verlassen hat. sollte dabei als Zeuge die Identität des Vcc- urtheiltcn feststellen. („Köln. Ztg.") Der Krieg in Südafrika. Hygicinische Enthüllungen ans Capstadt. Das „British Medical Journal" bringt die Nachricht, daß die Regierung beabsichtigt, 6 Aerzte bei einem Gehalte von 15 000 Mark bei freier Hin- und Rückfahrt zur Beaufsichtigung der Zu stände in Capstadt zu entsenden. Diese einfache Thatsache führt eine beredte Sprache, wenn man sie mit anderen Nachrichten zu sammenhält, die neuerdings aus Südafrika gekommen sind. Erst jetzt sind die Kreise der obersten Regierung in England darüber aufgeklärt worden, wie es mit der Gesundheitspflege in der süd afrikanischen Hauptstadt und besonders mit den dortigen Wohnungsverhältnissen bestellt ist, und sie Haven daraus die Ueberzeugung gewonnen, daß cs ganz unerläßlich ist, die Be hörden von Capstadt unter eine scharfe Aufsicht zu stellen. Die Pest hat ihren Einzug in Capstadt gehalten und ist von dort in verschiedene F«ldlage- des britischen Heeres üb-raeaangen. Daß es dazu hat kommen können, t^un nuri ch me un glaubliche Verlotterung der Zustände in Cap stadt erklärt werden. Wären jene 6 Aerzte schon vor einem halben Jahre ernannt worden, so wäre möglicher Weise die Pest in ihrem Vordringen aufgehalten worden, und die Engländer stünden heute in Südafrika nicht vor einer derartigen Gefahr wie gegenwärtig. Wie di« niedrigen Classen der Eingeborenen in den südafrikanischen Städten wohnen, davon scheint man in Europa kaum einen Begriff gehabt zu haben, oder man hat sich wenigstens nicht weiter darum gekümmert. Erst eine Epidemie lehrt dann den wahren Stand der Dinge kennen, und jetzt wird man allerdings den überfüllten, elenden und schmutzigen Höhlen der Eingeborenen in Capstadt Aufmerksamkeit schenken. Nach der genannten Londoner ärztlichen Zeitschrift soll Niemand mehr erstaunt bei der Lektüre des Berichts über einen Besuch dieser Wohnstätten gewesen sein, als der Gouverneur in Cap stadt selbst. Die älteren Theile der Stadt haben breite Straßen mit geräumigen Häusern, bi« von den holländischen Ansiedlern erbaut worben sind. Daneben liegen die Züge der erst kürzlich er richteten Hütten der Eingeborenen mit schlecht gepflasterten, un sagbar schmutzigen, von widerlichen Gerüchen verpesteten Straßen,, ohne genügende Entwässerung, eng und sonnenlos, und «lend wie das Bild der Häuser ist das Leben ihrer hungern den Bewohner. Das Londoner Blatt sagt geradezu, daß weder in Indien, noch in China der Würgengel der Pest eine Stätte zu finden vermöchte, wo er eine reichere und leichtere Ernte halten könnt« als in den Straßen von Capstadt. Vertreter von allen Nationen drängen sich in dieser kosmopolitischen Stadt zu sammen, außer den Europäern finden sich Inder, Malayen und Chinesen, und dazu kommen di« eingeborenen Zulu«, Koffern und Fingos, die vom Lande her nach der Stadt kommen, um in den Docks, an den Eisenbahnen oder in anderen öffentlichen Werkstätten zu arbeiten, um dann nach einem möglichst kärglichen Leben der daheim gelassenen Familie rin Ersparniß mitzubringen. Die Sorte von Arbeitern nimmt den Armen und Aermsten der in Capstadt selbst ansässigen Arbeiter noch das Nothwenbigste zum Lebensbedarf. Sic schlafen zu 30 bis 40 Männern in kleinen Hütten von je 3 Kammern. Was das Schlimmste ist, diese Hütten liegen nicht in einem besonderen Viertel zusammen, sondern häufig rings um die besseren Häuser der Europäer berum, zu denen auch eine gewisse Beziehung besteht. Di« kleinen bürgerlichen Europäer nehmen sich oft eine Frau aus einer Misch rasse, da eine solche mit einem bescheideneren Leb«n zufrieden und billiger ist als eine europäische Frau. Dadurch entsteht ein beständiger Verkehr zwischen beiden Rassen, der die Ausbreitung einer Epidemie noch außerordentlich begünstigt. Das „British Medical Journal" schließt seinen Bericht mit den Worten: „Die Regierung bat wohl daran gethan, dis örtlichen Sanitäts behörden ihres Amtes zu entheben und die Angelegenheit selbst in die Hand zu nehmen. Eine Stadt, die sich nach Belieben aus dehnen kann, in der die Einwohner sich niedcrlasten dürfen, wo sie wollen, und Hütten bauen, Wie sie wollen, muhte ein Ende mit Schrecken nehmen, und die jetzt in Capstadt eingezogene Pest ist nur di« natürlich« Folge einer fortgesetzten Vernachlässigung und Umgehung aller, selbst der einfachsten Regeln der Ge sundheitspflege." Deutsches Reich. Berlin, 17. April. (Dissonanzen im Eentruin.) Der Ausfall der Kölner GewerbegerichtSwahlen fährt fort, innerhalb der Erntrum«partei seine Kreise zu ziehen. Dem agrarischen CentrumSblatte der Rheinprovinz, der „Rheinischen Volk« stimme", erscheint jener Wablau«- fall al« Anzeichen für da« „FiaSco de« Berbätsckelung«- systemS", welche« die großstädtische CentrumSpressc bezüglich der Fabrikarbeiter stets beobacht«; rin Vierteljabrhundert socialer Gesetzgebung babe mit solchen Mißerfolgen sogar im „deutschen Rom" geendet. Diese Aus lassung de« katholischen Agrarierblattc« hat da« VerbandSorgan der katholischen Arbeitervereine West- Deutschland«, die „Westdeutsche Arbeiterztg.", in Harnisch gebracht. Sir drobt, nachdem erst jüngst ihr Redactrur GieSbert« auf der Versammlung de« rheinischen Bauernvereins für eine mäßige Getreidezollerhöhung ein getreten, mit einer Revision der Stellung, welche die katho lischen Arbeiter in der Getreidezollfrage einnehmen. Die „Westdeutsche Arbeiterztg." richtet an den rheinischen Bauern verein kategorisch die Frage, ob er die arbeiterfeindliche Stellungnahme der „Rhein. Volksstimme" billige; falls der Bauernverein die Fabrikarbeiter auf dem Fuße der Gegenseitigkeit behandle, „dann fällt auch für uns ter Grund fort, für die Erhöhung der Geireidezölle ein zutreten." — Dem führenden Eentrumsorgan, der „Köln. Volkztg.", ist dieser Streit im eigenen Lager begreiflicher weise hockst fatal. Die „Köln. Volksztg." mahnt das Organ der katholischen Arbeitervereine, die bisherige sachliche Haltung in der Getreidezollfrage bcizubehalten, pflichtet aber im Uebrigen der Zurückweisung bei, welche die „Wesld. Arbeiterzeitung." der „Rhein. Volksstimme" wegen ihrer eingangs mitgetheilten Auslassung zu Theil werden ließ. Daß der rheinische Bauernverein und sein Vorsitzender, Graf Spee, ihr Organ förmlich desavouiren werden, ist nach einer Andeutung der „Köln. VolkSztg." nicht wahrscheinlich. Welche Wirkung diese Unterlassung auf die katholischen Arbeitervereine ausüben wird, muß abgewartet werken. Jedenfalls bat daS katholische Agrarierblatt einen Erisapfel unter die Anhänger der Cen- trumSpartei geworfen. Braucht man die Folgen hiervon vor der Hand auch nicht zu überschätzen, so sollten doch die be reits jetzt zu Tage getretenen Dissonanzen innerhalb der Centruinspartei rem extremen Agrarierthum eine Mahnung zum Maßhalten sein. -r- Berlin, 17. April. (Der Bund der Landwirthe und die bayerischen Agrarier.) Bekanntlich hat nach einer Erklärung des Herausgebers der „Neuen Bayerischen LandeSztg.", des Herrn Memm inger, der Bund der Land wirthe durch den bayerischen Abg. Lutz, Mitglied deS Vor standes des Bundes der Landwirthe, Herrn Memminger für jede im Interesse des Bundes abzubaltende Versammlung ,50 und für jede« Exemplar seiner Zeitung 70 jährlich angeboten. Die „Deutsche TageSztg.", die zuerst eine vage Bemerkung zu Vorstehendem veröffentlicht hatte, kommt heute ans die Angelegenheit in einer Weise zurück, welche die Eiklärung Memminger» in oer Huuptjacoc bestätigt. Die „Deutsche TageSztg." bestreitet zwar, daß der „engere Vorstand" des Bundes der Landwirthe das Angebot an Memminger veranlaßt oder vorher Kenntniß davon gehabt habe, aber die „Deutsche TageSztg." stellt nicht in Abrede, „daß Herr Lutz im Interesse des Buntes zu handeln glaubte, als er das Angebot machte", und die „Deutsche TageSztg." fährt als dann fort: „ES ist auch nicht unmöglich, daß der Vorstand des Bundes ter Landwirthe damals nach Lage der Sache ihm (Herrn Lutz) zugeslimmt hätte." — Bei solchen Ein geständnissen ist cS nicht verwunderlich, wenn die „Deutsche TageSztg." ihrerseits von jeder Kritik des fraglichen Angebots an den Herausgeber der „Reuen Bayer. LandeSztg." absieht. Wer nicht in so naben Beziehungen zum Bunde der Land wirthe steht, wie das genannte Blatt, wird eine derartige Zurückhaltung nickt üben. Das Angebot deS Herrn Lutz an Memminger verdient vielmehr, in der Oeffentlickkeit mit dem größten Nachdrucke verurtheilt zu werden. Be deutet eö doch den Versuch des Kaufs der politischen Gesinnung einer einflußreichen, über eine Tageszeitung verfügenden Persönlichkeit. Ist dieses Verfahren für die Skrupellosigkeit bezeichnend, mit welcher die leitenden Herren deS Bundes der Landwirthe die Agitation für ihre Ziele betrieben, so gilt das Gleiche für die ebenfalls von Herrn Memminger jetzt in die Oeffentlichkeit gebrachte Mittbeilung, der zufolge am 23. April 1893 in einer geheimen Versammlung hervor ragender Anhänger und Vorstandsmitglieder des Bundes zu Würzburg au« der Mitte der letzteren die Be merkung siel, „daß es den Herren vom Bunde der Land wirthe in Berlin selbst erwünscht wäre, wenn die Bayern als daS radicalere, mehr demokratische Element die Ein peitscher der conservativen Junker machen würden. — Die „Deutsche TageSztg." hüllt sich in Bezug auf diese Memminger'sche Mittbeilung in ein beredtes Schweigen! Die Neigung, durch die bayerischen Agrarier sich wirth- schastlich und politisch in ein radikal-demokratisches Fahr wasser treiben zu lassen, wird allerdings gerade jetzt im bündlerischen Lager peinlich empfunden werden, — weil man sich eben jetzt auf dieser Seite als Stütze der Autorität in Erinnerung gebracht bat. * Berlin, 17. April. Die Unterbringung deutscher Lehrlinge in den Ostmarten ist ein neues Mittel, durch LaS der Ostmarkenverein das Deutsckthum in jenen Ge bieten zu stützen sucht. Durch diese Maßregel will er einen Gedanken in die Thal umsctzcn, der von keinem Geringeren als Friedrich II. bereits vor 130 Jahren gefaßt worden war. Friedrich der Große legte damals, um den neuerworbenen Netzedistrict „rascher mit Deutschen zu ropcmpliervn", den Beamten dringend ans Herz, daß Jungens von 12—11 Jahren dort untergebracht werden. Damals wußten die Beamten nicht, sie zu verwenden, denn es fehlte noch an jedem Handwerk, und so unterblieb die Ausführung dieser genialen Idee, deren Bedeutung die Bewohner des Ostens erst jetzt völlig zu würdigen wissen, wo gerade durch die Ab wanderung der deutschen Jugend der stärkste Rückgang de« DeuticktbumS berbeigeführt wird. Als der deutsche Ostmarken-Verein vor einiger Zeit durch seine Ortsgruppen Umfrage ballen ließ nach Handwerkern, die deutsche Lehrlinge wünsckten,da mcltetensich nicht weniger als 250 tüchtige deutsche Meister, aus manchen Städten sogar deren 10—12, und alle boten ungemein vortheilhafte Bedingungen. Es kann nickt genug anerkannt werden, daß die deutschen Handwerker selbst erhebliche Zugeständnisse nicht scheuten, nur um deutsche Lehrlinge zu be kommen. Selbstverständlich war c« dem Ostmarken-Verein nickt möglich, bei der ersten praktischen Durchführung jenes Planes auch gleich etwas Vollkommene« zu schaffen, da« alle Wünsche befriedigt hätte. Um nun diese neue Arbeit gleich in vollem Umfange aufzunehmcn, hat der Verein bei dcr Geschäftsstelle in Berlin eine besondere Abtheilung für Waisen« und LebrlingSsachen eingerichtet, Vie ausschließlich diese Fragen behandeln wird.
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