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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.04.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-04-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010423015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901042301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901042301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-04
- Tag1901-04-23
- Monat1901-04
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Oft haben wir gebangt im verflossenen Jahre, wenn auS dem Fürstenschlosse schlimme Kunde kam; mit tiefer Betrübniß mußten wir zum ersten Male seit langer Zeit den üblichen Wioterbesuch König Alben'» in Leipzig entbehren, den die Gesundheit-Verhältnisse de« Herrscher« diesmal nicht zugelassen hatten. Aber die innigen Wünsche deS Volkes haben Erhörung gefunden und mit GvtteS Hilfe hat de- Monarchen kernige Natur auch dies mal wieder alle Anfechtungen überwunden und in alter Frische und Gesundheit feiert König Albert heute inmitten seiner treuen Unterthanen die Vollendung seines 73. Lebens jahres. Freilich ist unserem Könige im vergangenen Jahre außer der eigenen Krankheit auch anderes Leid nicht erspart geblieben. Mit tiefer Wehmuth gedenken wir des schrecklichen Unglücks falle« wahrend der letzten Manöver, durch den Prinz Albert, der jüngste der Neffen deS Königs, in voller Iugendblütbe jäh auS dem Leben abberufen wurde. Wie hier vaS Volk mit seinem Könige trauerte, so empfand es mit ihm die Sorge, wenn Königin Carola, die Samariterin auf dem Throne, von Krankheit heimgesucht wurde. Aber auch hier hat Gottes gnädige Fügung Alle- zum Besten gelenkt. In Weisheit, Gerechtigkeit und Milde hat König Albert auch im verflossenen Jahre in treuer Erfüllung seiner Herrscherpflichten als leuchtendes Beispiel unter den Fürsten EurapaS dagestanden. Nichts kann die während vieler Jahre herzlicher Gemeinschaft entstandene Innigkeit der Be ziehungen zwischen Fürst und Volk erschüttern. Scheint sich wirklich an dem klaren Horizonte dieses Verhältnisse» einmal ein Wölkchen zu erheben, so wird es sofort wieder zerstreut, und nicht zum Wenigsten dem eigenen Willen «nd Einfluss« deS Königs dürfte es zumeist zuzuschreibea sein, wenn Mißverständnisse im Keime erstickt werden. So bat eS auch im vergangenen Jahre, als gewisse Vorkommnisse die Herzen der evangelischen Unterthanen König Alberts bedrückten, nicht lange gedauert, bis klare, unzweideutige Erklärungen der Regierung jeden Zweifel und jede Mißstimmung beseitigten und die Sicherheit schafften, daß Wiederholungen nicht zu be sorgen sind. Solche Vorgänge allein schon bieten eine hin reichende Erklärung für die innige Liebe, mit der da- evange lische Sachsenvolk an seinem Könige hängt. Wie König Albert in seinem Lande als Weiser und ge rechter Herrscher, ist er im ganzen Reiche als treue» Bundes glied, als zuverlässigste Stütze de- Kaiser« hochgeschätzt. Unser tbatkräftiger Kaiser weiß den weisen Rath seines väterlichen Freunde» Wohl zu würdigen und bringt unserem König aufrichtige und herzliche Verehrung entgegen, der er bei jeder Gelegenheit Ausdruck verleiht. So wird er auch heute wieder in Dresden persönlich seine Glückwünsche dar bringen und damit aller Welt, inSbesoadere aber dem deutschen Volke und dem Sachsenlande, zeigen, von welchem hohem Werthe die Mitarbeit König Albert'S für die Fortentwicke lung de« Reiche« ist. Mit berechtigtem Stolze blicke« wir Sachsen deshalb heute zum Königsthrone empor, mit Stolz und mit inniger Liebe zu unserem theureu LaudeSvater. Möge er seinem Sachsen lande und dem ganzen deutschen Volke noch viele, viele Jahre erhalten bleiben! Abermals, wie so oft schon, entringt sich un« am heutigen feste-frohen Tage der heiße, flehende Wunsch: Gott segne, Gott schütze, Gott erhalte un« unseren geliebten König! Den sächsischen Industriellen haben wir mitzutbeilen, daß sie sich durch .verständnißlose Gleich giltigkeit" in eine verhäaguißvollr Lage gebracht haben. Hoffentlich sinv sie starknerviz genug, die Eröffnung wenigsten» ohne leibliche Nachtheile hinzunehmen. Die Sache ist nämlich keine Kleinig keit. Unsere Industriellen haben sich die Ungnade de» »Berliner Tageblattes" zugezogen. Da» ist bei dem ragenden Einflüsse diese« Organ- eine Beschädigung für di« Zeitlichkeit «nd e« ist, da die Geschichtschreibung seine Offen barungen ohne alle Frag« bestimmend auf sich einwirken lassen wird, «ine überaus üble Recommandatioa bei den spateren Geschlechtern. Nackhaogend der als Dresdener Fabrikat auSgrgebrae Spiegel, der den Herren vor» gehalten wird. .^Obwohl dem sächsischen Handelsvertragsverein täglich neue Mit glieder beitrrtea, so kann doch im Allgemeinen di« Stellung der sächsisch,. Industriellen gegenüber der Ertangnng günstiger Handels verträge und der drohenden Erhöhung der Getreidezölle wentg befriedigen. Zwar haben sich di« sächsischen Handelskammern für die Wetterführung der Vertrag-Politik «»»gesprochen, aber ein» fest« Stellung gegenüber der KornzollerhShung vermißt man bisher, obgleich «S nicht zweifelhaft iß, daß die ganze HandetSvertra,«Politik stark gefährdet ist, tven» man hier den agrarischen Wünschen der art nachgieöt, wie e» verlangt wird. Auch in den städtischen Ver tretungen »ad in den Senwiaderäthe« gewerblich thätlger Dörfer Dienstag den sitzen vielfach Industrielle. E» muß daher überraschen, daß nicht wenigstens sie, wie da» vereinzelt geschah, sich überall dem Vorgehen der Arbeiter anschließen und gegen jede gesetzliche Vertheuerung deS Brodes Widerspruch erheben. Daß den sächsischen Gemeinden die Berechtigung zu einem derartigen Widerspruch fehlt, wir jetzt vielfach behauptet wird, ist rin Jrrthum. Weder die Städte ordnung, noch die Landgtmeindeordnung verbietet einen derartigen Widersprach. Im Gegentheil, weit eher kann man aus beiden Gesetzen eine Pflicht veS Protestes gegen eine derartige Be lastung der Bevölkerung herauslesen. Es unterliegt nämlich keinem Zweifel, daß nicht nur die sächsischen Städte, sondern auch sehr viel« sächsische industrielle Landgemeinden durch eine etwaige Ver- theuerung des Brodes durch die Getreidezollerhöhung, sowohl was Steuerwesen wie Armenpflege anlongt und auch auf anderen Gebieten, sehr empfindlich getroffen werden. Es ist be dauerlich, daß die bürgerliche Presse, mit wenigen Aus- nahmen, mehr bemüht ist, die Folgen einer derartigen Zollerhöhung in Sachsen zu verschleiern als aufzudecken. Es kann nicht aus bleibe», daß die eigenthümliche Stellung selbst der meisten sächsischen Stadtgemeinden gegenüber der drohenden Lebensmittelvertheuerung, di« verstäudnißlos« Gleichgiltigkeit vieler Industrieller und der Mehrheit der sächsischen bürgerlichen Bevölkerung sich in Sachse» schwer rächen wird, wenn die agrarischen Forderungen Gesetzeskraft erhalten." Wie man siebt, sind e» nickt nur die Industriellen, sondern auch die säcksilchen Handelskammern und Gemeinden, sowie die bürgerliche Presse »mit wenigen Ausnahmen", die diese — anscheinend letzte — Verwarnung von dem hockinögenven Blatte erhalten. Da wir die Ehre haben, nicht zu den be lobigten publicistischen Ausnahmen auf der Schafseile zu ge hören, und unS unter de« Böcken aasbalten, so möge das „Berliner Tageblatt" von unS die Versickerung hinnebmen, daß eS in Sachsen ein Prediger in der Wüste ist und bleiben wird. Gerade weil unser Land ein sehr stark industrielles — wenn auch keineswegs rin „reiner Industriestaat" — ist, ist man hier absolut abgeneigt, sich als Vorspann seiner puren Jmportinteressen gebrauchen zu lassen. Zweitens ist der Liberalismus bei unS nicht verblendet genug, um zu glauben, man könne mit der blindwütdigen Bekämpfung eine, Handelspolitik, die die ganze gemäßigtliberale Bauernschaft will, die aber auch in der süddeutschen Demokratie sehr energische Freunde und sogar in der Socialdemokratic ihre — vorläufig noch theoretisirenden — Vertreter bat, den ConservatismuS und de» UltramontaniSmus aus den Angeln heben. Dieser Wahn ist wohl die stärkste Triebfeder deS Berliner Freisinns, der auck recht gut weiß, daß man den „agrarischen Wünsche» nicht derart nachgeben" wird, „wie es verlangt wird", d. b. von AgitatovSn verlangt wird, die im Reichstage gerade so stark ins Gewicht fallen, wie die Freunde VeS „Berliner Tage blattes" — also ungefähr mit der Wucht des Gefieders einer FrüblingsaanS. Einer Belehrung über die Nützlichkeit der Handelsvertrags politik bedürfen wir in Sachsen von Berlin auS nicht, da gegen könnte man sich dort von hier auS darüber unterrichten lassen, daß die heimische Landwirthschaft als Abnehmerin der Industrie — auch der sächsischen — durchaus nicht zu verachten ist. Die Erfahrung, daß zahlreiche und wichtige Zweige der Industrie mit ihren Arbeitern durch unlobnend niedrige Preise Ver landwirtbschaftlicheu Erzeugnisse stark in Mitleidenschaft gezogen werden, haben wir auch unter der Herrschaft der Handelsverträge gemacht. Dagegen ist nichts davon bekannt geworden, daß der autonome Zolltarif, auf den wir übrigen- nicht ohne zwingende Gründe zurückgegriffen sehen möchten, in Sachsen „Steuerwesen wie Armen pflege" ungünstig beeinflußt habe, mithin diejenigen Interessen, von denen daS „Berliner Tageblatt" für die sächsischen Industriellen, Handelskammern, Gemeinden und Zeitungen „eine Pflicht deS Protestes" berzuleitrn die Ge wogenheit hat. Im Gegentheil. Wir in Sachsen datiren wie die ,^Verständnißlosrn" im ganzen Reiche den soliden wirthsckastlichen Aufschwung dem Jahre 1879. Die glänzende Gründerperiode fällt allerdings vor diesen Zeitpunkt. Ob «S aber eine solide, dauernd fördernde gewesen sei, ist eine Frage, die mau wohl nur in der Umgebung deS „Berliner Tageblattes" bejahen wird und auch dort nur vom eigenen Standpunkte, nicht von dem de« Bürgerthum« und der Arbeiter. Die Wirren in China. Sum Brande de» WinterpalastcS tn Peking. (Schluß.) Oft überkam mich bei derartigen Bränden der Gedanke, daß eS für die Chinesen ein Leichte- sein müsse, der ganzen euro päischen Herrlichkeit «in End« zu machen, wenn sie dazu übergehen wollten, zum Feuer, statt zur Waffengewalt, ihre Zuflucht zu nehmen, und jedesmal, wenn ich diesen Gedanken aussprach, sah man mich fast erschrocken an, al- spräche ich etwas aus, was Viele oder fast Alle fürchteten, aber gerade deshalb nicht zu äußern waaten. Man hielt mir zwar gelegentlich vor, daß di« Chinesen zu sehr an ihremEigenthum hingen und aus allen möglichen, nicht m letzter Linie auS religiösen Rücksichten, vor derartigen Maß nahmen zurückschrecken würden, aber ich -in mit den Chinesen in zu enge Beziehung getreten, vor allen Dingen mit chinesischen Reformern, um an ein« derartige Charakterschilderung dieser Raffe noch glauben zu können. Gewiß, der Chinese hält am Althergebrachten mehr als wir, und er hängt an seinem Eigen- thum — ebenso wie wir — aber die Leut«, di« lächelnd ihren HalS dem Henkerbeil hinzuhalten verstehen, Vie werden auch ver stehen, von dem weniger kostbaren Eigenthum sich zu trennen. Außerdem brauchen es gar nicht Besitzende zu sein, die Eigenthum zerstören. Wer kann aber di« Schuld an dem Brande in Peking trauen, da doch die Wachen mit dem Einlaß in den Winterpalast es so ernst nehmen? Veraeffen wir vor allen Dingen auch hier nicht, daß wir durch den Krieg eine im Gegensatz zu den Kulis, aus denen sich die Boxer hauptsächlich rrcrutirten, gebildete nichts besitzende Chinesenclaffr geschaffen haben. Leute, die Vermögen und Stellung verloren und keine Rettung mehr sehen, sind gefähr- 23. April 1901. licke Elemente in einer Bevölkerung und werden, selbst mittellos geworden, sicherlich nicht vor dem Zerstören des Eigenthums An derer, und sei es auch kaiserliches Eigenthum, zurückschrecken. Für sie giebt es nur noch einen Gedanken, Len ver Rache. — Uebrigens ist auch das monarchische Gefühl in China sehr stark erschüttert, und es wird täglich mehr erschüttert, wenn die fremden Truppen noch länger in Peling bleioen, ohne Laß der Kaiser zurückkehrt. Ein kleines Dorkommniß möge dies illustriren. Ein alter „Boy", der eine Vertrauensstellung einnimmt, erzählte mir. daß er in üppigster Weise Neujahr zu feiern gedächte. Auf meine Frage, ob er nicht wisse, daß ein kaiserliches Edict die Neujahrsfeier wegen der traurigen Lage Les Landes verbiete, antwortete er: „ Lruporor no goock. ancl ino eruperor". Das heißt aus dem chinesischen Englisch ins Deutsche übertragen: „Ach was, der Kaiser ist nichts werth. Nächstens mache ich mich selbst zum Kaiser." Soweit ist es mit dem monarchischen Gefühl unter der Fremdenherrschaft in Nordchina gekommen. An Ele menten, die auf Rache sinnen, fehlt es also wie gesagt nicht, aber wie kommen diese Leute trotz der Wachen in den kaiserlichen Palast? Nun, jeder Officier, ja ich möchte fast sagen, auch die Unterofficiere und Mannschaften, wissen die Kuliardeit zu schätzen, und die Officiere vor allen Dingen haben mindestens einen, wenn nicht mehrere Boys, denen natürlich auch der Zutritt in das sonst streng bewachte Gebiet des Palastes gestattet ist, und die sogar zum Theil darin Hausen. Oft genug finden auch im Hauptquartier Vorstellungen von chinesischen Gauklern statt, unv der Fremde, der den Palast besucht, wird natürlich von chinesi schen Rickshakulis oder Maulthiertreibern hinein'besördert. Wie nun, wenn unter diesen Kulis, Künstlern oder „Boys" sich ein oder mehrere entschlossene 'Gesellen befinden, die früher eine ganz andere Lebensstellung bekleideten, und die augenblick liche nur als Maske benutzen? Was sie früher waren, kann man ihnen nicht ansehen, und gefragt wird nicht danach, weil die Frage aoch eine durchaus unnöthige wäre und der Fragende sicherlich nicht die Wahrheit erfahren würde. Rechnet man nun noch hinzu, vaß die chinesischen Diener nur zu oft nicht wie Menschen, son dern manchmal schlimmer wie Vieh behandelt werden, so wird man sich höchstens darüber wundern können, daß Vorkommnisse, m'- die erwähnten Brände, nicht häufiger sind. Daß gerade die va.r dem Walversee'schen Stabe bewohnten Gebäude in Flammen aufgingen, läßt cs fast als sicher erscheinen, daß man es mit einem wohlüberlegten chinesischen Plan zu thun hat, wenngleich immerhin möglich ist, daß Unvor sichtigkeit vorliegt. (Im deutschen Hauptquartier nimmt man das jetzt bekanntlich an. D. Red.) In dem unglücklichen Opfer des Brandes, in dem General von Schwarzhofs, verlier! vas deutsche Expeditionscorps einen seiner beliebtesten Officiere und eine seiner sympathischsten Erscheinungen. Auch hier wieder hat das grausame Geschick gerade einen Mann getroffen, der es sicherlich in keiner Weise verdient hatte, denn General von Schwarzhoff war gerecht denkend gegen Freund und Feind und hat sicherlich niemals den Chinesen gegenüber einen Ton ange schlagen oder ein Benehmen an den Tag gelegt, welches verletzen mußte, oder auch nur verletzen konnte. Daß aber gerade das Hauptquartier ein Opfer der Flammen wurde, wird den chinesi schen Rächern neuen Muth geben. Sie haben ihren feurigen An griff mit Erfolg gegen die Spitze des feindlichen Unternehmens in ihrem Lande gerichtet, und werden aus dem Erfolge, wie leider fast mit Bestimmtheit anzunehmen ist, Muth zu weiteren ähnlichen Unternehmungen schöpfen. Vielleicht könnte man solchen Unthaten einigermaßen vorbeugen, wenn man Li-Hung- Tschang gewissermaßen als Geisel betrachtete, denn er ist vielleicht der einzige Mensch, den fast alle Chinesen kennen und bis zu einem gewissen Grade anerkennen. Aber freilich, hinter Li steht auch hier wieder Rußland, und dieser Staat wird, wie bisher, so auch weiterhin, sein Bestes thun, alle Unternehmungen zu lähmen. Abgesehen von dieser Thatsachc, möchte es vielleicht auch völker rechtlich nicht ganz zu Vertheidigen sein, wenn man den Vertreter uüd Bevollmächtigten des chinesischen Kaisers allzu schroff an faßte. Gesund und heilsam aber würde es sein. Der Krieg in Südafrika. Erbeutete und zerstörte Bocrengcschntze. Die Boeren müssen einen geradezu unerschöpflichen Borrath an Geschützen besitzen; denn seit Kitchener seine großen com- binirten Säuberungsoperationrn begonnen hat, ist eine solche Menge von Boerengeschützen, gefunden und in die Luft gesprengt worden, daß sie die ursprüngliche Zahl der Geschütz«, welche die Beeren besessen haben, sicherlich schon weit übertrifft. Wie oft ha: allein De Wet seine „ganze Artillerie" in den Händen seiner Verfolger lassen müssen! Die Lösung dieses Räthsels ist ziem lich einfach. Wie General French die von ihm „gefangenen" Bc-rrlnfamilien und „erbeuteten" Heerden etwa ein halbes Dutzend Mal aufzählte und nach London depeschiren ließ, so w'rd dem englischen Volke auch jedes Geschütz, das den Boeren abgenommen (beziehungsweise „wieder" abgenommen) oder von ihnen selbst auf dem Rückzüge zerstört wurde, immer und immer wieder vorgeführt, und zwar wächst die Anzahl der verlorenen Geschütze bei jeder neuen Meldung je nach rer Gesinnungstüchtig keit des betreffenden Blattes. Wenn Kitchener selbst in seinem offtciellen Berichte von einem zerstörten „Long Tom" spricht, so dichten die „Times" gleich noch ein paar weiter« Geschütze hinzu; das Rruter'sche Bureau will sich natürlich nicht lumpen lassen und sprengt zur Wonne des englischen Publicums noch einig« weitere „Long Toms" — natürlich bloS in seiner Redactions- stub«! — in die Luft, worauf die „Daily Mail" auch nicht Zurückbleiben will, sondern nun ihrerseits wieder neue Geschütze erbeutet. Und so fort »6 inLirntum! Es ist nur zu verwundern, daß die sonst so praktischen und klugen Engländer nicht hinter dies« Schliche kommen. * Haag, 22. April. (Telegramm.) Im Ministerium de» Aeußeren find etwa NOO EntsckädtgungSfordrrnnqra von Niederländern, di« au» Südafrika ausgewiesen wordra sind, rin- qegangen. * Ha««, 21. April. Die Gesammtzahl der im Feld« stehenden voeren beträgt no» 20000 Mann, so daß da» Ende d-s Kriege» in weite Ferne gerückt. De Wet steht mitten im Lranjcstaat mit 5000 Mann. * L«nb«N, 2l. April. Dem Blatte „Central New»" wird au§ Pretoria gemeldet: Eine große Mrnge hiesiger Boeren wendete sich an den deutschen Consul mit dem Gesuche, ihnen von den 95. Jahrgang. britischen Militärbehörden die Crlaubniß zur Auswanderung nach Deutsch - Südwestafrika zu erwirken. E» verlaute, Deutschland werde keine Einwanderung von Boeren in Massen ge statten, sondern nur eine beschränkte Zahl zulassen, di» in der Lage sei, sich Laad zu kaufen und sich dauernd in Damaraland nieder zulassen. Deutsches Reich. G Dresden, 22. April. Der bekannte antisemitische Agi tator Graf Walther Pückler aus Rockau, der sich heute vor der 5. Strafkammer wegen Vergehens gegen jj 130 des Reichsstrafgesetzbuches verantworten sollte, erschien trotz der an ihn legal ergangenen Ladung zum Termin nicht und hatte sich nur ungenügend entschuldigt. ES wurde beschlossen, gegen ihn einen Haftbefehl zu erlassen. U Berlin, 22. April. Der Nachweis über die zur Reichscasse gelangte Jsteinnahme an Zöllen und Verbrauchssteuern liegt nunmehr für das Rechnungsjahr 1900 vor. Die Einnahme hat 803,7 Millio nen Mark, oder 21,6 Millionen mehr als im Vorjahre, be tragen. Von dem Mehr entfallen 3,4 Millionen auf die Zölle, 18,7 Millionen auf die Zuckersteuer, 0,8 Millionen auf die Salzsteuer, 0,7 Millionen auf die Branntweinmaterialsteuer und 0,5 Millionen auf die Brausteuer, während die Branntwein - Verbrauchsabgabe ein Weniger von 2,4 Millionen zu verzeichnen hat. Für die Beurtheilung der finanziellen Bedeutung der Ein nahmen kommt jedoch weniger ihr Verhältniß zum Vorjahre, als das zum Etat in Betracht. Der Etat für 1900 hatte an Zöllen und Verbrauchssteuern eine Einnahme von 789,7 Millionen vor gesehen, so daß das Mehr gegenüber dem Etat in Wirklichkeit sich auf 14 Millionen beläuft. Die Zölle waren mit 473^ Millionen veranschlagt, sie haben 464,5 Millionen, also ein Weniger von 8,7 Millionen ergeben, die Tabaksteuer ist mit einem Ertrage von 12 Millionen um 0,1 Millionen hinter dem Etat zurückgeblieben, die Zuckersteuer hat mit einem Ergebniß von 123,3 Millionen ihn um 21,3 Millionen über stiegen, die Salz st euer mit 49,5 Millionen um 1,7 Millio nen, die Branntweinverbrauchsabgabe mit 108,7 Millionen um 2,9 Millionen und die Brausteuer mit 30,8 Millionen um 0,7 Millionen. Die Branntwcinmaterialsteuer, die mit 0,7 Millionen die Einnahme des Vorjahres überstiegen hat, ist mit einem Ertrage von 15,7 Millionen um 2,8 Millio nen hinter dem Etat zurückgeblieben, während die Brennsteuer, die im Etat überhaupt nicht berücksichtigt ist, mit einem Minus von nahezu 1 Million erscheint. Einem Mehr von insgesammt 26,6 Millionen steht demgemäß «in Weniger von 12,6 Millionen gegenüber, was den oben erwähnten Ueberschuß von 14 Millionen über den Etat ergiebt. — Ueber die weiteren Einnahmezweige liegen vereinzelte Nachweise vor. Die Reichsstempelab gaben haben zusammen einen Ertrag von 61,3 Millionen oder 8,5 Millionen mehr, wie im Vorjahre, ergeben. Das Mehr gegenüber dem Etat beläuft sich auf 7,6 Mill. Mark. Unter den Stempelabgaben hat die Börsen steuer allein ein Plus von 4 Millionen gegenüber dem Etat zu verzeichnen, die Loose° steuern ein solches von 3,1 Millionen und der neu eingeführte Stempel für Schiffsfrachturkunden von 0,6 Millio nen. Die Wechselstempelsteuer weist gegenüber dem Etat ein Mehr von über 2 Millionen auf. — Ueber das End- ergebniß, wie es sich für die der Reichscasse verbleibenden Ein nahmen gestaltet, ist aus diesen Zahlen ein abschließendes llrtheil nicht zu gewinnen, da «ine ganze Zahl von Einnahmen in den bisher veröffentlichten Nachweisen fehlt. Dagegen läßt sich das finanzielle Verhältniß ver Einzelstaaten zum Reiche schon ziemlich genau übersehen. Den Einzel staaten werden die Erträge von Zöllen und Tabaksteuer, abzüg lich 130 Millionen, sowie die der Branntweinverbrauchsabgabe und der Reichsstempclabgaben überwiesen. Zölle und Tabaksteuer haben gegen den Etat ein Weniger von 8,8 Millionen ergeben, denen ein Mehr bei der Branntweinverbrauchsabgabe von 2,9 und bei den Reichsstempelabgaben von 7,6, zusammen 10,5 Millionen gegenübersteht. Danach würde sich also Das Verhält nis» der Einzelstaaten zum Reiche gegenüber dem Etat gebessert haben. Indessen darf nicht übersehen werden, daß über die Mehreinnahmen von 7,6 Millionen aus den Reichsstemprlab- gaben bereits insofern verfügt ist, als sie dem ReichsbetriebSfoads zugeführt werden muß. Demgemäß steht einem Weniger von 8,8 Millionen auf diesem Gebiete nur ein Mehr von 2,9 Millionen gegenüber. Das Verhältniß der Einzelstaaten zum Reiche dürfte sich deshalb gegenüber dem Etat verschlechtert haben, und zwar dürften gemäß diesen Zahlen di« Einzelstaaten rund 6 Millionen Mark weniger überwiesen erhalten, al» im Etat in Aussicht genommen war. 6. 8. Berlin, 22. April. (Die Bet Heiligung der Frauen an der öffentlichen Armenpflege.) Die Heranziehung der Frauen zur socialen Mitarbeit ist fortwährend im Wachsen. ES muß zugegeben werden, daß die Frauen auf dem für sie neuen Gebiete sich über raschend schnell zurechtgefunden und bewährt haben. Die Resul tate, welch« man mit der Mitarbeit der Frauen auf dem Ge"° bietederWaisenpflegeinBerlin gemacht hat, find ermuthigend gewesen; und so will inan denn einen Schritt weitergehrn. Die Armencommissions-Vorsteher waren versammelt und Stadtrath Münsterberg sprach mit großer Wärme dafür, daß dem weiblichen Element in der Ar men pflege eine wichtige und segensreich« Arbeit er wachse; zunächst wünschte er, daß zunächst versuchsweise Frauen zu den Arbeiten der Armen-Commisfionrn herangez»den werden möchten und ihnen hierbei namentlich die Fürsorge für erkrankte Personen, besonders Wittwen mit Kindern, anvertrout werden möge. Er ersuchte zum Schluß dieCommifsionen, welch« dieser An gelegenheit noch ablehnend gegenüberständen, sich mit ihr be freunden zu wollen. Die Worte Münsterberg'» machten großen Eindruck und di« Versammlung der Armencomnrisstons-Lorsteher nahm mit großer Mehrheit folgende Resolution an: „Die ver sammlung der Armencommissions-Vorsteher richtet an die städti schen Behörden das Ersuchen, bei Durchftihrung de» Beschlusses, Frauen in der öffentlichen Armenpflege zu beschäftigea, bezüglich ?er Zuordnung der Frauen »u den Armencommisfionen sich mit der betheiligten Armencommission in» Einvernehmen zu setzen." Gewisse Schwierigkeiten wird e» freilich haben, in de» äußere»
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