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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.04.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-04-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000409016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900040901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900040901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
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Größere Schriften laut unserem Preis- verzetchnib. Tabellarischer uud Ztsferusatz nach höherem Tarif. Extra-veiläge« (gesalzt), «ar mit der Morgen-Ausgabe, oha« Postbesörderuug ->t 60.—, mit Postbesörderuug 70.—. Iinuahmrschlnß fir ^nzrize«: Ab «ad-Ausgabe: vormittag» 10 Uh». Morgen-AllSgab«: Nachmittag» »tllhr. vei den Fllialeu uud Annahmestelle» s» «tu» halb« Stund« früher. Anzeigen sind stet» an di« Expedition zu richten. Druck uud Verlag vo» E. Polz in Leipzig 180. —SS .'Montag den 9. April 1900. 81. Jahrgang. Amtliche^ Theil. l Städtische Fortbildungsschule für Knabe». , «S-rMrad- S-4.> Die Anmeldungen neu eintretendrr Schüler werden von Montag den 23. April bis Freitag den 27. April im Schul- baust, Zimmer 7 (Erdgeschoß) angenommen. Di« au» hiesigen Schulen Abgegangenen haben sich vormittags von 10—12 Uhr, di« von auswärts Kommenden uachmittagS von 4—6 Uhr zu melden. I» dieser Zeit sind auch die Abmeldungen derjenigen Kon firmanden zu bewirken, welche entweder nach auswärts gehen oder eine andere hiesige Schule besuchen wollen. Alle schulpflichtigen Fleischer-, Schneider- und Tapezierer lehrlinge aus ganz Leipzig sind zum Besuche der betreffenden Fachabteilungen der I. Fortbildungsschule verpflichtet. Alle schulpflichtigen Kellner- und Kochlchrltuge aus ganz Leipzig können tu den gastgewerblichen Abteilungen der 1. Fort bildungsschule Ausnahme finden. Etwaig« Wünsche betreffs der Unterrichtstage müssen bei der Anmeldung geäußert werden, später können solche keine Berücksichtigung finden L. 0. 8odr«lder, Direktor. Concurs-Auction. Im Auftrag de» ConcursverwalterS kommen Mittwoch, 11. April, früh 10 Uhr, Windmühlenstr. Rr. 25 im Hofe links 1 Pia- niuo (von Hoslief. Franke), 1 Harmonium, 1 verstellb. Billard mit 1 Satz Elfenbeinbällen und Zubehör, 2 große Oelgemälde (Sach- oerstäudig« Taxe 800 ^l), 1 Posten wissenschaftliche Werke und Lehrbücher, Schulbücher rc., durch mich ossentl. zur Versteigerung. Römhild, Localrichter. Studentisches Leben in Leipzig zur Zeit des Kurfürsten August. Bon P. Zinck. Nachdruck verdotea. (Schluß.) Die Frage der Unterstützung armer Studenten führt uns auf die Bedürfnisse eines Studenten überhaupt. ES liegt nicht in unserer Absicht, Genaueres über die Kosten des Universitäts lebens in Leipzig zu berichten; die Unterlagen dazu sind zu dürftige und die Ansichten über den Durchschnittsverbrauch daher sehr verschieden. Wir wollen hier nur an der Hand der Briefe eine» aus Nürnberg stammenden Studenten, Behaim, zeigen, wohin ungefähr die Thaler rollten. Behaim war, wie sich aus den Briefen schließen läßt, ein Student, dem von seiner Mutter scharf auf di« Finger gesehen wurde; wir könnten deshalb wohl über die von ihm angesetzten Ausgaben für den Durchschnitt der Studentenschaft noch hinauSgehen. Den tiefsten Griff in den Beutel verlangten die Promotionssemester mit ihren solennen Schmausereien, dem xranäium ^ristotelieuw, der coens, caucks- larum u. s. w. Daneben erforderte das erste Semester, in dem cs sich einzurichten galt, höhere Ausgaben: Behaim schreibt darüber am 8. Mai 1572: „Erstlich liebe mutter, thu ich dir zu wissen, das Jorg Keilhauer (sein Schwager) mir ein neues sponbett kaufst hat umb 6 Pfd. 24 Pf. Darnach hat er dem fuhrmann, welcher mein faß hat von Nürnberg gen Leipzig geführt, geben 2 fl. 6 Pf., und «das saß hatt gewogen 2^2 centner (?), von dem centner zu fuhren 23 groschen, daz ist 1 fl. 24 Pf., mehr hatt er mir ausgegeben vor «in par schuh 60 Pf., und darnach hatt er mir geben 72 Pf. zu allen ausgebeten. Da von habe ich ausgeben: dem schneider, welcher mir mein ftimpff (Strumpf) an Hosen hinauff satzte, welche mir zu lang waren, 12 Pf., mer den tregern, die mein faß zu meinen Magister ins collegium trugen, 18 Pf., mer vor stroh in mein bett 39 Pf., zu letzt für ZH seidla Vier zum schlaftrunk 2 Pf. Darnach hatt er ausgcben dem depositori, welcher mich deponiret, «in halben thaler, darnach dem rectori, welcher mich einschrieb in das buch der studentenn, ein halben thaler, mer vor ein thruen 1 thaler." Auch aus späteren Briefen seien noch einige Preisangaben wiedergegeben: 16. Oct. 72: darnach meinem Magister 10 thaler vor Holtz, licht, disziplin, stubenzins des jar vor den tisch mus ich itzund von wegen der theuerung die Wochen 18 gr. geben. Ueber den Preis deS Holzes heißt es nur allgemein im Briefe vom 19. Sept. 73: darzu ist daz Holtz itzund thcurer (wiewol eS kein Winter wölffel sgleich wohlfeils ist, sondern noch halb so viel kost, den drausen), den Winter, den in einem andern. Aus dem Briefe vom 13. Jan. 1574 erfahren wir, daß auch die Trinkgelderunsitte schon im Schwünge war. Die Wirthin erhielt zum neuen Jahr 1 th., „dieweil es der brauch und gewon- heit alhir ist", und der Magister einen „reinischen goltgulden". Der Famulus, „welcher bett, holt wasser, auSkert und andere notturft thut", erhielt 6 gr. Ausgaben für irgend welche Ver gnügungen werden in den Briefen nicht erwähnt. Viel Geld kostete auch di« Kleidung, besonders wenn einer so wenig „modisch" gekleidet nach Leipzig kam, wie Behaim, und deshalb von „iderman auSgericht" (gleich schadenfroh beurtheilt) wurde. Sein Brief vom 31. Oct. 1573 enthält eine Schneider rechnung, die im „Leipz. Tagebl." schon an anderer Stelle ab gedruckt worden ist. Die Kleidung war vielfach nicht „standes gemäß" und unschicklich. Melchior Oss« klagte darüber ungefähr zur selben Zeit, als die Satire „Der Hosenteufel" sich gegen die Modesucht wendete: „Ueber das ist auch von nöten, das mein Gnädigster Herr mit Ernst schaffe, daß Magistri und Scholares die leichtfertige, solchen Leuten ungrbllhrende Kleidung unter ließen. Gehen doch die Knaben alsbald in der Jugend in den leichtfertigsten zerschnittenen Kleidungen einher, das es mitleidlich zu sehen. Was ists aber Wunder; sie sehen solches von ihren Magistris, die zum Theil also Hereiner treten, daß unter ihnen und einen Balbiers Gesellen der Kleidung halber wenig Unter schieds, daß derhalben die Personen der Universität wie vor alters einer ehrlichen und nicht leichtfertigen Tracht brauchten, denn solche Leichtfertigkeit in der Kleidung ist gewißlich bei solchen Leuten auch Anzeigunge eines leichtfertigen Gemüths, und wenn noch vor wenig Jahren ein Student also gangen, er wäre gestraft und von keinem Präceptore geduldet worden." Ein Stammbuch eines Studenten von 1572 enthält das vollständige Konterfei eines Musensohnes, deS stuck, zur. von DieSkau in Leipzig: „Auf dem Kopfe trägt er ein schwarz sammetnes Barett mit rother Feder. Stutzen und Knebelbart zieren sein Antlitz, sowie seinen Hals «ine Spitzenkrause. Seinen Oberkörper schmückt «in eng anliegendes, rothes Wams, mit gleichfalls engen, durch Puffen verzierten Aermeln; dann trägt er ungeheure große Pluderhosen. Ueber der rechten Schulter hängt ein purpur- rother Mantel, an der linken Hüfte «in langer Stoßdegen mit Korbgriff." Di« Klagen über die Ueppigkeit in der Kleidung gehen bis weit in die zweite Hälfte des Jahrhunderts hinein, so daß in einer besonderen Kleiderordnung von 1579, wie andere Stände, so auch die Universitätszugehörigen, je nach ihrem akademischen Grade, in die ihrem Stande entsprechenden Schranken zurückgewiesen werden mußten. Sie enthält genaue Vorschriften über den Kleiderschnitt und Art und Preise der zu verwendenden Stoffe. Ein vorher von der Universität ein geholtes Gutachten bemerkt sehr richtig: Die Eltern sollten nicht so viel Geld hergeben, dann wäre der Sache gleich abgeholfen. Freilich blieb man, des großen Aufwandes wegen, den Betrag der Kleiderrechnungen oft auch recht lange schuldig. Der Schneider als Studentengläubiger war damals schon eine be- mitleidenswerthe Figur. In den „Acten" der Jahre 1553 bis 1560 finden wir bald den Schneider Döner, bald Keck, bald Scholpin, Müller, Cramer, Wicht und Andere als Kläger, die oft Beschlagnahme deS studentischen Eigenthums beantragen mußten, um zu ihrem Gelbe kommen zu können. Doch diese Schulden waren nicht die einzigen. Der echte Bruder Studio bezahlte auch damals schon zuweilen nicht, was er trank; er hätte am liebsten umsonst gewohnt, sei es auf Kosten der Collegs oder gar armer Wittwen. Goldschmiede klagten über unpünctliche Be zahlung, und sogar Bücherschulden kamen schon vor. Bei einer großen Anzahl eingeklagter Schuldfälle ist nur der Geldbetrag, ohne ein Object, für das Zahlung zu leisten war, angegeben; dieselben sind wohl meist auf direkten Borg zurück zuführen. Der Verfasser zählte für die Zeit von 1553—60 137 derartige Fälle, daS sind auf daS Semester 10. Das ist scheinbar wenig; doch wenn man annimmt, daß die Gelegen heit, Geld auSzugeben, viel geringer war, als jetzt; wenn man die Höhe der Beträge in Betracht zieht, wenn man bedenkt, daß man eS hier nur mit den böswilligen Schuldnern zu thun hat, die gar nicht ans Bezahlen denken mochten; wenn man erwägt, daß wohl nicht einmal all« Schuldner dieser Art genannt werden, da die einzelnen Rectoren nicht mit gleicher Ge wissenhaftigkeit Buch führten: dann sieht man die Schuldfälle auf «in« nicht geringe Zahl anwachsen. Die Höhr der Beträge war sehr verschieden; die 137 genannten Beträge variiren zwischen 12 gr. und 55 fl. 78 gr. 5 Pf. — das ist ungefähr daS Jahres gehalt einer docirenden Magister »rtimw jener Zeit. Die Be träge von 6—30 fl. und 6—20 Thaler sind am meisten der- treten. Natürlich besaßen damals schon gewisse Studenten «ine besondere Virtuosität im Schuldenmachen, und gelangten so zu der traurigen Berühmtheit, mit ihrem Namen zu verschiedenen Malen in den Unidersitätsacten verewigt zu werden. Bei diesem Schuldenunwesen mußte natürlich dm Gläubigern eine gewisse Sicherheit gegeben werden, wenigsten» «inen Theil ihre- Geldes erhalten zu können. Deshalb wurde da» Eigen tum derer, die in Verdacht standen, Leipzig verlassen zu wollen, weil ihnen der Boden zu heiß wurde, mit Beschlag belegt, oder, wenn bei ihnen nichts zu holen war, die Uebelthäter selbst gcfaßL Gewöhnlich erhielten aber die Angeklagten von der Universitäts gerichtsbarkeit noch eine Frist von 8 bis 14 Tagen oder bis zur nächsten Leipziger Messe gegeben. Wer dann nicht bezahlt«, wurde mit öffentlicher Namensnennung oder mit Karzer bestraft; bei besonderer Hartnäckigkeit wurde sogar Relegation angedrohk Diese Zwangsmittel der fünfziger Jahre schienen freilich auch keinen durchschlagenden Erfolg erzielt zu haben. Schon im nächsten Jahrzehnt hatte man wieder über hohe Schneider- und Trinkschulden zu klagen, so daß 1565 die Universität im Verein Mit dem Rathe der Stadt ein Creditgesetz erließ, nach dem keinen» Studenten —Söhne reicher und adliger Eltern ausgenommen —» von einem Schneider über 5 fl., von einem Weinhändler über 1 fl. geborgt werden sollte, wenn di« Gläubiger daraus Anspruch machten, daß ihnen von amtlicher Seite zu ihrem Gelde verholst» wurde. DaS Ueberhandnehmen des Schuldenunwesen» läßt unh schließen auf irgend welche andere Auswüchse deS studentischen Privatlebens, in denen eS außer in der Modesucht begründet ist. Wir können dieselben mit Hilfe der Collegstatuten und der ^ota Rectorum leicht kennen lernen. Die deutschen Universtz täten haben sich von jeher von denen anderer Länder durch defi ihnen «igenthümlichen freistrebenden, selbstständigen Geist, durch frischen, freien Sinn unterschieden. Ganz besonder» aber macht« in der Reformationszelt das Bewußtsein der neuen Freiheit trotz des politischen Ernstes di« Herzen lustig und froh. Freilich war di« Fröhlichkeit meist derber Art. Doch daS lag in der Zeft begründet, die noch wenig feinere Genüsse kannte, in der die Aus richtung von „Zweckessen" mit Trinkgelagen noch mehr als heute geradezu als «in Verdienst angesehen wurde. Man wendete sich deshalb oft genug Genüssen von sehr zweifelhafter Art zu, die meist den Charakter gesellschaftlicher oder sittlich anstößiger Ausschreitungen annahmen. Besonders waren Zechgelage sehr häufig, zu denen man, da am Tag« nicht längere Zeit im Zu sammenhang« zur Verfügung stand, di« Mend- und die Nacht stunden verwendete. Für die „Inquilinen" der Colleg» stand damit freilich der zeitige Schluß der Colleggebäude — im Winter um 9, im Sommer um 10 Uhr — in Widerspruch; doch scheint dieser, wie sich aus Beschwerden des Rathes schließen läßt, zu gewissen Zeiten nur auf dem Papier gestanden zu haben. Außer dem fanden findige Köpfe damals schon, wie heute noch mancher Jnternatsbewohner, Mittel und Wege, um trotz verschlossener Thüren nach ihrem Gutdünken ausbleiben zu könmn, sei es durch Bestechung des Schließers, durch Zerbrechen «ine» Fensters oder auf andere Weise. Die meisten Nachtschwärmer stellten aber natürlich die in der Stadt wohnenden Studenten. Ein Besserungsvorschlag verlangt, daß den Bürgern verboten werde, den Studenten Hausschlüssel in die Hände zu geben. Nächtliche Ruhestörungen kamen in großer Zahl vor. Bier und Wein brachten es leicht dahin, daß di« jungen Leute, die schon im Feuilleton. Die Lunft im Garten. Von Konrad Münch. Nr-druck verboten. Kommt der Frühling ins Land, so Winken die Freuden des Gartens. Ueberoll, im dürftigen Gärtlein des städtischen Mieths- hauses so gut wie im herrschaftlichen Schloßparke, regen sich fleißige Hände, um diese Freuden vorzubereiten. Nach Umfang, Art und Göschmack sind die Gärten hundertfach verschieden; alle aber bilden sie einen Quell der Freude, und schon seit Jahr tausenden wissen die Menschen die Freuden des Gartens zu schätzen und bemühen sie sich, ihre Gärten nach ihrem besonderen Geschmack und ihren «igenthümlichen Bedürfnissen zu gestalten. ES ist aber «in besonderer Grund, weshalb gerade in der Ge staltung de» GartmS die Cultur eines Volkes sich besonders scharf ausgeprägt. Denn der Garten ist Natur und Kunst zugleich und da» Berhältniß zu Beiden drückt sich in der Gartencultur auS. Falke hat den Garten als die der Kunst unterworfenen Natur dtfittirt; und die ganze Geschichte der Gartenkunst zeigt unS demgemäß zwei Grundformen des Garten»: den architektoni sche» Garten, der in regelmäßiger Anlage di« geraden Linien des Wdhngebäude» auf der Fläch« weitergeführt, und den natürlichen oder laMchaftlichen Garten, der die Freiheit der Natur auch im Garten zu erreichen sucht. Die Abwandlung dieser beiden Formen bildet die Geschichte der Gartenkunst. Dir ein« dieser Formen finden wir bereit- mehrere tausend Jahre vor Christi Geburt im alten Egypten ausgebildet. Aus dem Lärm ihrer großen Städte flüchteten die Vornehmen dieses Landes in jene Landhäuser, die in ihren Mauer-Rechtecken Höf« und Gebäude umschlossen. Hier wurde Alles, was in diesem Sinne benutzbar war, zum Garten gestaltet. Es war ein streng architektonischer Garten; war es doch gegeben, daß er sich den rechtwinkligen Linien der Gesammtanlage anpaßte. Alleen von Plantanen und Sykomoren, von Cedern und Cypressen spendeten Schatten; zu quadratischen oder reckteckigen Wasserbassins führ ten Stufen hinab, und die Sclaven zogen buntgeschmückte Gondeln den Teich auf und nteder. LotoSblätter bedeckten den Spiegel, bunte KioSke, schöne Topfpflanzen und dergleichen mehr umkleideten die Ufer. So etwa war der «gyptssche Garten; und hat gewiß etwa» Wundersames, zu denken, daß schon vor 5000 Jahren im fernen Oriente Menschen «ine so feine Gartencultur besahen. Doch der altegyptische Garten besitzt für un» noch über diese» menschliche Moment hinau» ein ganz bedeutendes cultur- geschichtlich«» Interesse. Denn er hat da« Vorbild für den ganzen Orient «Abgegeben und ist dadurch, wie wir weiter sehen werden, im zweiten Gliebe selbst der Ahne de» römischen Garten» ge worden. Ja den baumlosen Fluren von 'Babylonien und Assyrien müssen wir uns also den Garten gleichfalls streng regelmäßig, wie in Egypten, denken. Gewaltig« Herrscher haben hier mit riesenhafter Arbeit Wunderwerke geleistet; in Aller Munde sind noch heute jene hängenden Gärten, die wir uns als mächtige Terrassenbauten mit kühlen Grotten, Wasserwerken, Bäumen, Blumen und Rasen vorzustellen haben. Hier rm Orient, und zwar besonders in Persien, wo die Schlohgärten in kunstreichen Terrassen 'die Höhen hinanzuklimmen pflegten, hier lernte wohl Alexander der Große die Gartenkunst kennen und lieben. Denn die Griechen, so vollendet ihre Lebensoultur sonst auch war, — eine Gartenkunst kannten sie nicht. Ihre Tempel, ihre Gym nasien, ihre Akademien umgaben nur Haine, und die Blumen zogen sic in Beeten zum Schnitt, wie die Gemüse. Erst seit Alexander der Große daS Thor der orientalischen Cultur auf stieß, lernte di« hellenistische «Welt die Kunst des Gartens kennen und machte sie sich zu eigen. Und auf diesem Wege wiederum drang die Gartencultur zu den Römern. Die Römer waren von Hause aus ein sehr nüchtern-prak tisches Volk, daS den Boden zum Nutzen und nicht zum Ver gnügen bebaute. Sie mußten erst vom Orient den Genuß der Ruhe lernen, mußten erst die im Schmucke blühender Gärten prangenden Städte der diadochischen Herrscher sehen, ehe sie den Werth der Gartenkunst verstanden. Lucullus war der Erste, der in Rom sich «inen Garten nach orientalischem Dorbilde anlegte, und sein Garten auf dem Man» Pinkln» wurde vorbildlich. Nun drang der Garten in das römische Haus. Atrium und Peristyl wurden mit Rasen oder Moos, und, reichte der Raum, auch mit Beeten und Blumen geschmückt; Springbrunnen ver breiteten Kühlung, und, wie noch heute, so entstanden schon damals auf den flachen Dächern der Häuser erfrischende kleine Gärten. So der römische Stadtgarten. Der Dillengarten aber war unendlich mannigfaltiger; er mußte dem vornehmen Römer Vieles bieten, was für ihn unentbehrlich zum Lebensgenüsse war. Da mußte ein Platz für das Ballspiel und «ine Reitbahn sein; in schattigen LauVgängen ließ sich der Herr spazieren tragen; di« Pergola ist altrömisches Erbtheil. Da mußten stille Plätze zum Lesen sein, wo nur da» Murmeln der Quelle hörbar wurde, und bequeme Plätze, geeignet zum Speisen im Freien. Bc«te, Wesen, Blumen waren selbstverständlich; der lebendige Buchs war häufig zu grotesken Thiergestalten geschnitten. So zeigt unS der röm-sche Garton dir architektonische Form, zwar nicht ganz frei von manchen Auswüchsen, aber doch in hoher Vollendung. Während nun seinerseits der Orient wieder den römischen Garten übernahm und fortbildete, ging für da» Abendland Roms Erbschaft verloren. Da» Mittelalter kannte wohl Naturfreude; eS ergötzte sich an seinen Würzgärtlrin und Klofiergärten; eine Gartenkunst aber kannte eS nicht. Nur in Italien erhielten sich noch eimgr altrömische Traditionen. Und diese Traditionen lebten groß und neu auf zur Zeit der Renaissance. Damals wurden die Gärten von den großen Architekten geschaffen, die Hau» und Garten als ein organisches Ganz« behandelten. Sie führten demnach Vie Hauptlinien de» Gebäude» in den Garten fort, ja, sie führten die Architektur selbst in ihn hinaus mit Veranden, Loggien, architektonisch gestalteten Terrassen, Balu straden und reichem plastischen Schmuck. Das fast immer be wegte Terrain benutzten sie zu jenen herrlichen Terrassenanlagen, die Blicke von unvergleichlicher Schönheit gewähren. In fernster Kenntniß der italienischen Natur haben die Künstler der Renaissance danach gestrebt, dem Blicke überall geschlossen« künstlerische Bilder zu bieten; wer je von der höchsten Terrasse deS Gartens der Villa d'Este in Tivoli auf Vie Campagna und die Sabiner Berge geblickt hat, wird den hohen Adel dieser italienischen Gartenkunst voll verstehen. Mag auch die Anlage deS italienischen Gartens in ihrer Regelmäßigkeit gelegentlich bi» zur Einförmigkeit gehen, so hak doch di« Kunst überall die höchste Mannigfaltigkeit hervor'zurufen verstanden. Auch der französische Garten ist schon von Hause aus durch aus regelmäßig. Von der Mitte des 17. Jahrhunderts trug er ein streng geometrisches Gepräge und hatte etwas Kleinliches und Spielerisches an sich; den klassischen französischen Garten hat erst der geniale Garten-Architekt Ludwig's XIV., Lenotre, ge schaffen. Man könnte seine Gruirdprincipien "denen der Italiener nah« verwandt nennen, aber bei Lenotre ist Alle» in- Majestätisch« Gewaltige gesteigert. Er hatte ein durchdringendes Verständ- niß für die Vortheile der Bodenbewegung, und selbst auf leichter Höhe hob rr da» Schloß, wie in Versailles, mächtig heraus. Sem zweite» Kunstmittel war die Perspective. Ueberall be rauschende Perspectiven durch majestätische Alleen über herrliche Brunnen und BafsinS bis zu wuchtigen, plastischen oder archi tektonischen Abschlüssen. Waren die Verhältnisse, mit denen Lenotre arbeitet«, an sich schon groß, so verstand er auch den Ein druck de» Großen hervorzurufen, indem er auch di« Hihendimen- sion betonte und den Blicken sozusagen einen Aufbau entgegen stellte. Das geschah, indem er die Hrckenwände in Baumhöhe hielt oder mit Baumpflanzungen voll ausfüllte. Damit war der architektonisch« Charakter des Gartens vollendet. Die ganze Füll« seiner Genialität endlich ließ Lenotre in dem unüberseh baren Reichthum an Erfindungen spielen, mit dem er das Wasser behandelt«. „Er war ein Künstler mit Wasser, wie ein Anderer mit Marmor oder Farben". Er erfand immer neue, immer geistreich« Formen, um «» springen, stürzen, fallen, fließen zu lassen. Selbst der Sonnenkönig konnte da» Schauspiel der Wasserkünste von Bersaille» nur immer für wenige Stunden genießen; aber in diesen wenigen Stunden war eS überwältigend. E» ist bekannt, daß di« französtsche Gartenkunst sich ganz Europa eroberte. Wo aber ein Genie, wie Lenotre, fehlte, da mußte sich bald ihre Steifheit und Künstlichkeit fühlbar machen. So setzte allmählich di« Kritik «in; „zurück zur Natur" wurde das Losungswort, und schon Pope mahnte: „In Allem laßt die Natur nicht vergessen werden." England wurde die Het-math deS neuen Stiles und William Kent sein Vater. Sein Ideal «ar di» Freiheit von Wakd und Feld, die Mannigfaltigkeit der» Gcenerie. Er zog, wie di« Natur selbst, die krumme Linie vor. I Sein Garten sollte eia Theil der Natur selbst werden; darum I sielen 'die umwallenden Mauern, und die Begrenzung de» Gartens bildeten jetzt vertiefte, gemauerte Gräben, di« den bezeichneten Namen Aha! erhielten. So war der Blick in die Landschaft frei; die lebendige NatUr draußen und die gemeisterte drinnen im Garten flössen in eins zusammen. Und da dieser ganze Stil iu England seine Heimat!) hatte, so ging mit ihm das Bestreben, di« englische Natur auch in Deutschland, Frankreich, Dänemark ra> herzustellen, durch ganz Europa. Dieser englische Stil hat sich aber zunächst nur sehr kurze Zeit rein erhalten. Da war es erst das Vorbild des um 1750 in Europa bekannt gewordenen chinesischen Gartens, das auf ihn Einfluß nahm. Mit den Chinesen wollte man auf kleinstem Raum «in Bild der ganzen Natur geben, und in scharfen Con- trasten wechselten in den Gärten Gebirgsklüfte und blumige Auen, Wildbäche und liebliche Seen, Einöden und blühende Ge büsche — Alles natürlich en miniaturo. Derlei Künstlichkeit«» fanden in der Zeit des Rococo viel Nachahmung. Dann kam dst Periode der Sentimentalität, die Liebe zum Idyll, die Rousseau- schen Neigungen. Strohhütten, Einsiedeleien, Holzhäuser (äußer lich einfach, innerlich sehr comfortabel ausgestattet) entstanden im Garten, und man liebte es, im Schäferstile zu schwärmen. Der Garten, so lehrte 1779 der Kieler Aesthetiker Hirschfeld, fei eine Anstalt, Bewegungen der Seele zu erregen, wre g. B. Vergnügen, Schwermuth, Erstaunen, Andacht, Frieden. Als dann die Romantik aufkam, wurden statt der Eremitagen künstliche Ruinen die Gartenmode. Den Fehler hatten alle diese Moden aber gemeinsam, daß diese Spielereien nichts mit der echten Gartenkunst zu thun hatten. Es war «in Deutscher, der schließ lich den rechten Weg wies: Fürst Hermann PLcklrr, der den be rühmten Mufterpark von MuSkau geschaffen hat. Er ging wohl von dem englischen Standpunct« aus. aber er vermied den Fehler, di« Natur nachahmen zu wollen. Er erkannt«, daß der Garten seiner ganzen Anlage nach, wie in jeder Einzekansicht, ein Kunst werk fein müsse, «in Bild, das aus wirklichen Wäldern, Wiesen, Gewässern, Höhen und Tiefen besteht. „Ein Garten im großen Stil (so sagt er) ist eine Bildergalerie, das will sagen, eine Vereinigung künstlerisch hervorgerufener Ansichten, in der man, vovwärtSschreitend, Bild nach Bild zu sehen bekommt." In dieser Auffassung sind Natur und Kunst zu einem harmonischen Gleichgewicht« gebracht, und auch in England ist erst auf dieser Grundlage wieder ein reiner Stil entstanden. Das ist in großen Zügen die Geschichte der Gartenkunst. Den Einzelnen lehrt sie, daß jeder Garten in engster Beziehung zu seiner Umgebung stehen muß. Zwischen hohen Häuser mauern die Illusion der freien Natur Hervorrufen, auf wenigen Quadratmetern Hügel und Thal, See und Wasserfall im Kleinen darstellen zu 'wollen, daS sind Versuche, die immer mißlingen müssen. Aber so reich und mannigfaltig ist die Kunst des Gartens, daß sie, wohl geübt, selbst auf dem kleinsten Raume und unter den einfachsten 'Verhältnissen Schöne» und Erfreuliche» zu schaffen vermag.
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