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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.05.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-05-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010515018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901051501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901051501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-05
- Tag1901-05-15
- Monat1901-05
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Ämtsölatt -es ÄönigNchen Land- und Äinlsgerichtcs Leipzig, -es Mathes und Molizei-Äintes -er Ltadt Leipzig. Anzeigen-Prei- die 6 gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem RedacnonSstrich (4gespaltra) 7b L,, vor den Familiennach- richten («gespalten) bO H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 2b (excl. Porto). Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne Postbesörderung ./t UO.—, mit Postbesörderung ^l 7V.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrokben geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck uud Verlag von E. Pol- in Leipzig. Mittwoch den 15. Mai 1901. 93. Jahrgang. Spanische Wirrnisse. 2S Vor kaum einem Vierteljahre «war Madrid der Schauplatz längerer und einen bedenklichen Charakter tragender Unruhen, die zwar durch Waffengewalt niedergeworfen wurden, die aber doch einen faktischen Erfolg erzielten, indem das allzu pfaffenfreund liche konservative Ministerium seine Demission nehmen und einem liberalen Ministerium Platz machen mußte. Daß aber auch die Spielart d«S Liberalismus, die sich in Spanien so nennt — beiläufig stammt das Wort als Parteilbezeichnung aus Spanien, ist aber nirgendwo so in Mißkredit gebracht worden, wie gerade kort —, durchaus kein« Garantie für die allgemeine Zufrieden heit der Bevölkerung bietet, haben die m der vergangenen Woche stattgehabten blutigen Tumulte in Barcelona dargethan. Zwar ist der Aufruhr von Barcelona durch rücksichtsloses Einschreiten des Militärs in wenigen Tagen gedämpft worden, aber trotzdem ist er aus zwei Gründen ein sehr bedenkliches Symptom. Einmal nämlich deshalb, weil er den Unruhen in Madrid binnen so kurzer Zeit folgte, wodurch der Beweis ge liefert ist, 'wie lebhaft die allgemeine Unzufriedenheit im Lande ist, zweitens, und hauptsächlich aber deshalb, weil in diesem Falle die heterogensten Elemente sich zusammenfanden, um der Mißstimmung gegen die Regierung Ausdruck zu geben: dir Separatisten, die Anarchisten und die Carlisten. Die Separatisten streben bekanntlich eine so selbstständige Stellung Kataloniens an, daß, wenn ihre Pläne verwirklicht würden, Spanien nur noch dem Namen nach ein Einheitsstaat sein würde. Bei diesen Bestrebungen spricht aber keineswegs nur der locale Patriotismus mit, sondern auch der Wunsch, materiell durch die Lostrennung von dem stark verschuldeten und wirthschaftlich ruinrrten Spanien günstiger davonzukommen. Deshalb gehört gerade die Clafse der gutsituirten Bourgeois zu den eifrigsten Förderern des Separatismus. Diese „ge sättigten Existenzen" fanden sich nun zusammen mit den Tod feinden des Kapitalismus, den Anarchisten Beide Kategorien sind geschworene Gegner des Pfaffenthums, was sie aber nicht hinderte, mit den Garlistrn, den Vertretern der unduldsamsten kirchlichen Reaktion, gemeinsame Sache zu machen. So sah man gerade bei den Unruhen in Barcelona, daß sich Elemente, die sich sonst wie Hund und Katz« zu einander ver halten, zusammenfindem konnten. Das einigende Band zwischen ihnen ist die Abneigung gegen die derzeitige spanische Regierung, und zwar unbekümmert darum, ob diese Regierung im Augen blicke durch ein konservatives oder ein liberales Ministerium re- präsentirt werde. Es ist ja auch nur zu begreiflich, daß die spanisch« Dynastie nach dem Tode König Alfon's XII. wenig Sympathien für sich evweckcn konnte. Die Königin-Regentin ist zwar gewiß vom redlichsten Willen erfüllt, aber das hat nicht verhindern können, daß während des seit dem Tode ihres Ma.ar.eS dcbing:gcngenen halben Menschenalters Spaniens An sehen durch den Verlust seiner werthvollsten Colonien enorm zm rückgegangen ist, daß die Finanzen Spaniens durch die jahre langen, unfruchtbaren Kämpfe, die dem Verluste der Colonien dorausgingen, sowie in kaum g<wingavem Grade durch die Korruption des Beamtenthums sich immer ungünstiger gestalteten und daß in Folge dessen Spanien wirthschaftlich in immer steigendem Maß« vom Auslande, insbesondere Frankreich, ab hängig wurde, daß endlich der unheilvolle Einfluß des Pfaffen- thums sich immer mehr ausdehnte, ohn« daß doch die Regierung in dem Pfaffentbume eine sichere Stütz« hätte, denn ein Theil der Geistlichkeit neigt bekanntlich zum CarliSmus hin, ein anderer, insbesondere die jämmerlich bezahlten kleinen Weltgeistlichen, zum Gegensätze des Carlismus, dem politischen Radikalismus. Die Beamtenschaft corrumpirt, das Bürgerthum zum Theil separatistisch gesinnt, die Geistlichkeit carlistisch oder radikal, die Arbeiterschaft socalistisch, im Norden sogar anarchistisch: bleibt also für die Regierung nur das H e«r al s l« tz t e S tü tze. Die Truppen haben ja nun bei den Unruhen in Madrid und Katalo nien, ebenso wie im vergangenen Jahre bei der Bildung carli- stischer Banden ihre Schuldigkeit gethan, aber man darf dies in Spanien durchaus nicht als etwas so Selbstverständliches an sehen, wie beispielsweise in Deutschland oder Rußland. Es ist nicht ganz unbedenklich, daß in dieser Zeit der Wirrnisse an der Spitze der Heeresverwaltung ein Mann von so zweifel hafter Feldhörrnsähigkeit, aber so unzweifelhaftem Ehrgeize steht, wie G«n«ral Weyler. Man hat dem General wiederholt die Neigung zu Pronunciamienios nachgesagt und sicherlich nicht ganz mit Unrecht. Er ist nur vielleicht zu klug, um so schlecht vorbereitete Unruhen, >wie di« in Barcelona eS waren, für sich auszubeuten. Bei einer ausgedehnten Empörung aber würde vielleicht die Königin-Regentin die Erfahrung machen, daß sie, um ein volksthünilich«S Wort zu brauchen, den Bock zum Ziergärtner gemacht hat. Fällt aber erst das Heer oder auch nur em Theil desselben um, so ist cs um die spanische Dynastie geschehen. Ver Krieg in Südafrika. Dte „vande iesn Gaunern und Lietzen". * London, 8. Mai. Bekanntlich hat kürzlich Markheim im englischen Parlament ein« begeisterte Rede gehalten, in d«r er klar und deutlich auf die kapitalistischen Räuber hrnwies, die den südafrikanischen Krieg anzettrlten und die er eine „Bande von Gaunern und Dieben" nannte. Da er wegen der sacrosancten Rede nicht vor den Richter gezogen werden konnte, so forderte ihn der unter dieser Gesellschaft von Gaunern und Dieben besonders benannte südafrikanische Finanzier Beit auf, dies außerhalb de» Hauses noch einmal zu sagen, um ihn gerichtlich zu beüngm. Die» ist nunmehr geschehen. Markheim hielt eine di« kN Hellen Haufen herangeeillen Menschenmengen in zu stimmende Begeisterung v«rs«tzende Red«, au» der die betreffenden Stellen ausführlich wtödergegeben seien: „Ich habe stets behauptet, daß der Krieg in Süd afrika herbeigeführt und unvermeidlich gemacht wurde durch die gewissenlosen Machinationen der dortigen Finanziers... . Ich hab« stet» erklärt, daß die Kapi talisten verantwortlich sind für die furchtbaren Verluste an Menschenleben, politischem Einfluß und Geld, sowie für alle Schwierigkeiten, denen wir uni heut« gegenübersehen . . . . Et ist mir heute noch nicht möglich, all das Beweismateria! meinen Wählern zu unterbreiten, auf Grund dessen Gie, meine Herren, in der Lage sein würden, sich selbst «in endgiltiges Urtheil über den Ursprung dieses Krieges und sein« Anstifter zu bilden. Dieser Augenblick ist noch nicht gekommen. Der Krieg war unvermeidlich geworden unk vorbereitet durch den Jameson-Einbruch, welcher, wie Sie wissen, in Scene gesetzt und finanzirt wurde durch Herrn Beit. Aber darüber habe ich heute nicht zu sprechen .... Mein Standpunct ist einfach der: darf ein im öffentlichen Leben stehender Mann schweigen, wenn er Kenntniß hat von «inem großen Verbrechen? (Beifall.) Oder ist es seine Pflicht, als Mann die Wahrheit zu sagen? Durste ich, wissend unk im Besitz von Thatsachen, länger schweigen? (Rufe: Nein, nein.) Darum handelt es sich. Ob wohl ich schwere Opfer bringen muß, um diesen meinen Stand punct wahrzunehmen, so erkläre ich doch feierlich, daß ich keinen Interessen irgend welcher Art diene, außer dem allgemeinen Interesse, und daß ich ausschließlich aus Pflichtgefühl handele. Wenn man eine Sprache führt, wie .ich es vor dem Parlamente gethan, so hat man nicht das Recht, dem Gegner die Gelegenheit zu verweigern, darauf zu antworten. Diese Gelegenheit zu geben, habe ich mich erboten, und ich bin hier um das zu thun. Herr Beit ist mir persönlich unbekannt und ich habe privatim kernen Grund, gegen ihn eing«nommen zu sein. Mich leitet aus schließlich der Wunsch, seine Methoden im öffentlichen Interesse aufzukecken. (Beifall.) Ich habe seit einer langen Reihe von Jahren Gelegenheit gehabt, die Unternehmungen zu beobachten, mit denen Herr Alfred Beit liirt war. Herr Beit begann seine Karriere alsCommis und Hat in verhältnihmäßig kurzer Zeit ungezählte Millionen zusammcngerafft. Ec ist ebenso liirt mit Eckstein L Co., einer Firma, welche eine hervorragend: Rolle in Verbindung mit finanziellen Unternehmungen in Südafrika ge spielt hat, und von der Herr Beit selber sagt, daß sie den Herren Wernher, Beit L Co., gehört. Dann verliest Markheim das Folgende von «inem Acten- stück mit großer Sorgfalt und Betonung jedes einzelnen Wortes, und wiederholt wörtlich die von ihm im Parlament abge gebenen Erklärungen, welche in der Bezeichung: „Ein« Bande von Gauner nund Dieben" gipfeln. — Im Saale herrschte während der Verlesung athemlose Still«, und als die Worte: „Bande von Gaunern und Dieben" langsam und schneidend von den Lippen des Redners fielen, brach die ganze große Versammlung in langanhaltenden, donnern den Beifall aus, welcher den Redner mehrer« Minuten lang hinderte, weiter zu sprechen. Dann endete er: Meine Anklage wider di« Alfred Beit undEckstein richtet sich gegen ihre Machinationen und Finanzoperationen in Südafrika, und ich urtheile über sie von dem moralischen Standpunct aus, auf dem wir hier zu Lanke stehen und welcher im öffentlichen Leben unumgänglich nothwendig ist. Wenn Herr Beit ein« Klage wider mich anzustrengeu wünscht, so ist er jetzt dazu in der Lage, unk wenn er es thut, so werde ich, was ich gesagt habe, als wahr dem W«sen der Sache und den Thatsachen nach beweisen. Ich bin nicht um ein Haar breit abgewichcn von dem, was ich vor dem Hause der Gemeinen und jetzt an freicr Stell« zu erklären für mein« Pflicht hielt, und was ich für absolut wahr halte. (Laut anhaltender Beifall.) Die jenigen, welche in ehrlicher Arbeit ihr täglich Brod erringen, Werken frohlocken, wenn diese Aeva eines corrupten Kapitalis mus zu Ende gebracht ist, welcher stets der Fluch und Bann jenes unglücklichen Landes in Südafrika gewesen ist. . . ." Englischer Vandalismus. * London, 14.Mai. (Telegramm.) Die heuteauSgegebenen parlamentarischen Drucksachen besagen, daß in der Zeit vom Juni 1900 bis mit Januar 1901 634 Gebäulichkeiten in Südafrika niedergebrannt seien, nämlich im Juni 2, im Juli 3, im August 12, im September 99, im Oktober 189, im November 226, im December 6 und im Januar 1901 3. Von 90 Fällen sei das Datum unbekannt. Die Wirren in China. Die Kriegsentschädigung bewilligt. * Berlin, 14. Mat. „Wolff s Telegr. Bureau" berichtet aus Peking: Den Vertretern der Mächte ist am 1t. Mat eine Rote des chinesischen Vevollmächtigten zu gegangen, in der diese den tzon den Mächte» geforderten acsammte« EntschädigungStzetrag von 450 Mill. TaSls annehmen, dessen Tilgung sie innerhalb SO Jahre vom Juli 1002 atz durch eine jährliche Zahlung »on IS Millionen Ta«l» Vorschlägen. * London, 14. Mat. Der Sorrespoudent des „Standard" in Shanghai berichtet unter dem 13. Mai, die chinesische Regierung gedrnk« zur Zahlung der Kriegsentschädigung 10 Millionen TaSl» au» der Salzstruer, 3 Millionen au» den inländischen Steuern und 2 Millionen von der Ltkinabgabe zu verwenden. — Die Man« Karinen in Shanghai feien amtlich davon in Kenntniß gesetzt worden, daß der kaiserliche Hof vor Mitte deS nächsten Monats nach Kai- fengfu in Honan kommen wove. * London. 14. Mai. (Telegramm der „Boss. Zig ") Eine Petersburger Drahtmeldung de» „Daily Telegr." meldet, in Folg« eine- Gesuche» deS Admirals Alexiew um Verstärkungen habe die russisch« Regierung di, sofortig« Entsendung von zwei erstclasstge, Schlachtschiffen, drei erstklassigen Kreuzern und einem zweitklassigen Kreuzer nach den chinesischen Gewässern an befohlen. Alexiew begründet« sein Gesuch damit, daß neue ernste politisch» Wirren in China zu befürchten seien. (?) * Petersburg, 14.Mal. (Telegramm.) Ta»Telegraphen, kabel zwischen Port Arthur und Tschifu ist seit dem S. Mai beschädigt. Deutsch«» Reich. 14 Berit«, 13. Mai. Di« Bevölkerung Preußens ist in «dem Jahrzehnt von 1890 bi» 1900 von 29,9 auf 34 4 Mil- lronem Köpfe, d. h. um rund 15 «Procent, «stiegen. Wachst die Bevölkerung in der Folge auch nur in demselben Matze, so wird man für da» Jahr 1920 bereits mit einer Bevölkerung von über 46 Millionen, ftr das Jahr 1950 aber mit einer solchen von rund 70 Millionen Köpfen zu rechn«» haben. Erwägt man ferner, botz m den letzten 25 Jahren der verbrauch her Bevölkerung an Kohlen auf den Kopf sich verdoppelt ^it, an Eisen sogar um mehr als 150 Procent gestiegen ist, so laßt sich erkennen, welche ge waltige Steigerung der Verkehrsleistungen und demzufolge auch der Entwickelung der Verkehrscinrichtungen des preußischen Staates nothwendig sein wird, um dem künftigen Derkehrs- lwdiirfniß der Bevölkerung zu genügen. Erwägt man ferner, daß die preußischen Staat'sbahnen schon jetzt einen Güterverkehr von über 25 Milliarden Tonnenkilometern zu bewältigen herben, uns 'daß daneben den Wasserstraßen Preußens ein Verkehr von beinahe 10 Milliarden Tonnenkilometern zugefallen ist, so wird man vorüber nicht zweifelhaft sein können, daß zur Bewältigung des künftigen Verkehrs eine starke Entwickelung beider großen Verkehrseinrichtungen, über welche der preußische Staat verfügt, nothwendig sein wird. -7- Berlin, 14. Mai. (Die d e u t s ch e A d e l s g e s e li sch a f t und d e r K l e r i k a l i s m u s.) Das Organ der deutschen Adelsgenossenschaft, das „Deutsche Adels- blatt", veröffentlicht in seiner neuesten Nummer einen Artikel, Ver für die klerikale Richtung des genannten Organes und der genannten Organisation überaus bezeichnend ist. In der Form gegen Ken Evangelischen Bund gerichtet, erstreckt sich jener Artikel mit seinen Angriffen weit über die Kreise des Evan gelischen Bundes hinaus. Nachdem das „Deutsche Adelsblatt" nämlich die Führung Kes Kampfes für die eigene Konfession „mit Mitteln und Waffen, die dem Christenthum, der evange lischen Gesinnung, der Wahrheit und der Denkungsweise deS Adels entsprechen —", als berechtigt anerkannt hat, „stellt" es „fest", „daß der Evangelische Bund vielfach diesen Kampf mit einer Gehässigkeit führt, dir in Widerspruch mit dem Christenthum steht", und alsdann wird fortgesahren: „Er (der Evangelische Bund) ist in den Kampf in Verbindung mit politischen Strömungen getreten, welche die demagogische Agi tation in verwerft ich st er Weise betreiben und nicht bloßden Bestand der positiven Kirchen, son dern auch den der Dynastien mit ernsten Ge fahren bedrohen. Die Waffen, deren er sich im Kampfe bedient, sind nicht die der Wahrheit, sie sind nach unserer Mei nung weder christlich, noch evangelisch, noch vornehm." — Da der bürgerliche und der sociale Radikalismus den Evangelischen Bund entweder gar nicht oder sehr wenig unterstützt, müssen die vorstehenden Behauptungen auf die übrigen bürgerlichen Parteien bezogen werden. Schon dadurch sickd sie als leere Verdächtigungen erkennbar und bedürfen keiner weiteren Zurückweisung. Was aber das obige Urtheil über die Kampfesart des Evangelischen Bundes gegen den Klcrikalismns awbetrifft, so ist es um so ungerechter, als die ultramontane Kampfesweise mit keinem Worte zum Vergleich herangezogen wird. Erst in diesen Tagen hat bekanntlich in Paderborn ^ine von 3000 Katholiken besuchte Versammlung unter dem Vorsitz des Reichsgrafcn von Stolberg-Stolberg stattgefunden, in welcher der Haupt redner, ein katholischer Geistlicher, Ken Protestantismus auf eine Stufe mit Sodomiterei stellt« und als unmoralisches Ungeziefer bezeichnete. Dergleichen scheint das „Deutsche Adelsblatt" für christlich und evangelisch, für edel und vornehm zu erachten; denn «ine Kritik über jenen Exceß und über andere, in sonstigen katholischen „Vrotestvrrsammlungen" gerade in jüngster Zeit be gangene Ausschreitungen ist unseres Wissens vom „Deutschen Adelsblatte" nicht geübt worden. Wenn die evangelischen Mit glieder der deutschen Adelsgenossenschaft gegen ein derartiges „unpakitätisches" Verfahren nicht Verwahrung einlegen, so müssen sie es sich gefallen lassen, daß man auf sie das alte Wort anwendet: cum trrcent, couscntivo vickentur. s. Bcrkiu, 14. Mai. (Graf v. Hoensbroeck über vie Graßmann'sche Liguori-Broschüre.) In dem wegen seines ExjesuitenthumS unentwegt gehaßten Grafen v. Hoenßbroech batte die klerikale Presse den literarischen Beirath oder Hintermann Graßmann's bei der Herausgabe der Liguori-Broschüre vermuthet, welche Annahme den Grafen veranlaßte, diese vermuthete Beihilfe zu drinentiren. In dem Dementi fällte Graf v. HoenSbroech über die bezeich nete Broschüre beiläufig ein ziemlich abfälliges Urtheil, indem er sagte, sie babe Fehler und Mängel und sei gehässig. Ein größerer Gefallen konnte den Ultramontanen natürlich nicht er wiesen werden, alSdurchdieseSZeugniß ihres intimstenFeindcs,daS durch seinen Hinweis aus die Ungeheuerlichkeiten der Liguori'schen Moraltheologie nicht wesentlich an Werth sür die ultramontane Benutzung verlor. ES war ohne Zweifel eine bewußte Täuschung, daS abfällige Urtheil Hoensbroeck's als für die ganze Graßmann'sche Brochüre giltig hinzustellen; zuzugeben ist aber, daß die nicht eben taktisch geschickte Erklärung deS Grafen zur Berwerthung im ultramontanen Sinne verleiten konnte — und da- ist denn auch bi» zum Uebermaß ge schehen. Graf v. HcenSbroecb siebt sich jetzt gcnöthigt, um die fernere mißbräuchliche „Ausschlachtung" seines UrtheilS über Graßmann, soweit dies noch möglich, zu verhindern, eine neue sehr detaillirte Erklärung seines Standpunktes in der „Tgl. Rundschau" zu erlassen, a»S der wir folgenden wesentlichen Abschnitt hier abdrucken: „Für die „Kölnische Volkszeitung" und die ge- sammte ultramontane Presse sind die folgenden Sätze: I) Es ist unwahr, daß bei dem Aussehen und bei der Verbrei» tung der Graßinann'scheu Schrift über Liguori's Moraltheologie die „Grundgelehrtheit" Graßmann's irgend welche Rolle gespielt hat. Aussehen und Verbreitung sind nur und allein auf den Inhalt der aus den Werken Liguori's mitg etheilten Stellen zuciick- zufllhren. 2) E« ist unwahr, daß die Graßmann'sche Schrift „von Fälschungen wimmelt". Die in ihr au» Liguori abge» druckten Scheußlichkeiten sind in allen wesentlichen Punkten richtig abgedruckt. 3) ESi st unwahr, daß durch die Graßmann'sche Schrift „zahllos« Gebildet» an» Narrenseil genommen sind". Die Wahrheit ist, daß die Leser der Graßinann'scheu Schrift aus Ding« aufmerksam gemacht worden sind, die, Gott sei e» ge- klagt, seit Jahrhunderten dir katholisch» Moralthrologi« verpeste» und die ein Schimpf- und Schandfleck sind sür Menschenthum, Sittlichkeit und Religion. 4) 8« ist Täuschung und Betrug, wegen Thorheite», di» sich in a »der«n Schriften Graßmann's vor- sind»», sein» Liguori-Schrist al« „Satirspiel" zu bezeichnen. Seine Schrift, d. h. die in ihr mitgetheilten Stellen au- Liguori's Moraltheologie sind und bleiben ein« „Tragödie", deren Haupt» darstrller find: eia „Heiliger" und „Kirchenlehrer" der katholischen Kirche, eine Reihe von Päpsten und ungezählte Theologen, b) Es ist Täuschung und Betrug, mit Beziehung auf den Inhalt der Graßmann'schen Schrift von einer „Phantasie" zu sprechen, „der gegenüber der brave Leo Taxil als Anfänger er scheint". Das, worauf es bei der Graßmann'schen Schrift allein ankvmmt, die im Wesentlichen richtig wieder gegebenen Stellen auS Liguori's Moraltheologie, sind keine „Phantasie", sondern für die katholische Kirche und daS Papstthum tief schmachvolle Wirklichkeit. 6) Es ist un- wahr, den Erfolg der Graßmann'schen Schrift „eine Riesen- blamage" zu nennen. Ihr Erfolg ist eine Riesenschande sür den Ultramontanismus, und diejenigen ultramontanen Blätter, die, wie hier die „Kölnische Volkszeitung", mit Witzen die Graßmannschrist, d. h. die in ihr abgedruckten Stellen der Liguori.Moral, abthnn, zeigen eine derartig bewußte Unehrlichkeit und versuchen eine derartig berechnete Täuschung, daß es für sie keine andere Be zeichnung giebt, als — ullramontan." Daß die hier angesprochene Presse auch diese Fest stellungen ihrem Wortlaute nach abdrucken werde, be zweifeln wir freilich so lange, bis wir daS Gegentheil schwarz auf weiß sehen. 88 Bcrkiu, 14. Mai. (Privattelegramm.) DieRati- sicalivnen zu dem am 30. December 1899 abgeschlossenen llcbcrciukommcn zwischen dem Deutschen Reiche und Lcstcrreich-Uugarn, betreffend den Schutz der Urheber- rcchte an Werken, der Literatur, Kunst und Photographie, sind, wie wir mitgetheilt haben, am 9. d. MtS. ausgewechselt worden. Zur Ausführung deö UebereinkommenS, das am 24. d. MtS. in Wirksamkeit tritt, sind einige Be stimmungen über die Abstempelung und Jn- ven tarisirun g der im Artikel VII bezeichneten Exemplare erforderlich. Dem Bundesrath ist ein Entwurf solcher Be stimmungen zugegangen, welcher besagt: 8 I. Wer sich im Besitze solcher Exemplare von Schriftwerken Abbildungen, Zeichnungen, musikalischer Compositioneu, Werken der bildenden Künste oder der Photographie befindet, welche am 24. Mai 1901 schon hergrstellt waren oder deren Herstellung an diesem Tage im Gange war, hat die Exemplare, wenn er sie verkaufen oder ver breiten will, bi» zum 23. August 1901 einschließlich der Polizei- behörde seines Wohnortes zur Abstempelung vorzulegcn. Sortiments buchhändler, Commissionäre u. s. w., welche solche Exemplare be sitzen, können sie Namens der Verleger oder ihrer Auftraggeber zur Abstempelung vorlegen, ohne daß es einer besonderen Vollmacht bedarf. 8 2. Die Polizeibehörde stellt ein genaue- Berzeichniß der ihr vorgclegtcn Exemplare auf und bedruckt demnächst jede» einzelne Exemplar mit ihrem Dienststempel. 8 3. Wer sich im Besitze von Vorrichtungen zur Verviel fältigung oder Nachbildung (Abdrücken, Abgüssen, Platten, Steinen und Formen) befindet und sie noch ferner, und zwar längstens bis zum 23. Mai 1905, zur Herstellung von Exemplaren benutzen will, hat die Vorrichtungen bis zum 23. August 1901 einschließlich der Polizeibehörde seines Wohnorts zur Abstempelung Vorzulegen. Die Exemplare selbst, welche mit Hilse der gestempelten Vor richtungen hergestcllt sind, bedürfen eine» Stempels nicht. Auf Verlangen sollen sie indessen ebenfalls abgestempelt werden. Wer Exemplare der bezeichneten Art abgestempelt zu haben wünscht, hat sie bis zum 23. Mai 1905 der Polizeibehörde vorzulegen. 8 4. Die Polizeibehörde stellt ein genaues Berzeichniß der ihr vorgelegten Vorrichtungen auf und bedruckt die Vorrichtungen dem nächst, unter thunlichster Schonung derselben, mit ihrem Dienst stempel und zwar in einer Weise, welche die Erhaltung des Stempel zeichens möglichst sicherstellt. Sir stellt ferner, soweit ihr die mit jenen Vorrichtungen hergestellten Exemplare vorgelegt werden, ein genaues Berzeichniß dieser Exemplare auf und bedruckt demnächst jedes einzelne Exemplar mit ihrem Dienststempel. 8 5. Ob die Herstellung der Exemplare und die Benutzung der Vorrichtungen erlaubt war, hat die Polizeibehörde nicht zu prüfen; dagegen hat sie die Stempelung zu versagen, wenn sie ermittelt, daß die iin 8 1 bezeichneten Exemplare oder die im 8 3 bezeichneten Vorrichtungen am 24. Mai 1901 noch nicht hergestellt waren, auch der Druck der Exemplare an diesem Tage noch nicht im Gange war, oder daß die im 8 3 bezeichneten Exemplare mit Hilfe ungestempelter Vorrichtungen hergestellt worden sind. 8 6. Die Verzeichnisse werden binnen sechs Wochen nach ihrem Abschlüsse von der Polizeibehörde an die zuständige Central behörde im GeschSftSweg eingereicht und von der letzteren auf bewahrt. Einer Anzeige, daß bei der Polizeibehörde Exemplare oder Vorrichtungen zur Abstempelung überhaupt nicht vorgelegt worden sind, bedarf e» nicht. 8 7. Für die Eintragung und Abstempelung der Exemplare und Vorrichtungen werden Kosten nicht erhoben. V. Berlin, 14. Mai. (Privattelegramm.) In dem Befinden deS schwer erkrankten Generalobersten v. Hahnke ist der „Nat.-Ztg." zufolge eine merklich« Besserung noch nicht eingetrelen. Der Kaiser läßt immer noch jeden Tag Erkundigungen einziehen. (-) Berlin, 14. Mai. (Telegramm.) Der „Reichs anzeiger" veröffentlicht die Verleihung de« Rothen Adler ordens zweiter Elasse mit Eichenlaub an den Bildbauer Professor Schaper, de» Rothen AdlerordenS dritter Classe mit der Schleife an den Bildhauer Professor lSberlein und deS Kroncnorvens erster Elasse an den Bildhauer Professor Neinhold Bega». — RechnungSrath Plate wurde zum Bureaudirector des Abgeordnetenhauses eruauat. — Die von zwei Prinzen entbundrue Prinzessin Friedrich Karl von Hessen ist bekanntlich die jüngste Schwester deS Kaiser-; Prinzessin Margarethe von Preußen hatte sich am 25. Januar 1893 mit dem Prinzen Friedrich Karl von Hessen vermählt. Die Ehe ist nunmehr mit sechs Knaben gesegnet worden. * Tauzig, 13. Mai. Di« „Danziger Zeitung" «si«bt die folgende Aeußemng des OberbüvgermeisterS Delbrück
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