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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.05.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-05-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010516010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901051601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901051601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-05
- Tag1901-05-16
- Monat1901-05
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Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitjeile ^5 Reclamen unter demRedactionsstrich (4 gespalten) 75 vor den Familien nach richten (V gespalten) 50 H. Tabellarischer »nd Zifserusap entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 b, (excl. Porto). Extra Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung ./L 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Äu«ah»eschtllß far ÄNzeizeu: Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filiale» und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Donnerstag den 16. Mai 1901. Druck und Verlag von E. Polz iu Leipzig. 95. Jahrgang. Ein Seekriegs-Gesetzbuch. 2L. 6. Kürzlich ist den Offirierrn der Vereinigten Staaten* Marine ein wichtiges Han »buch übergeben worden, dar die See* trirgk-Grsrtzr und -Gebräuche behandelt. Da daS Werk, da» unter der Leitung der Marinrminrsters ausgearbeiiet und vom Prtkstdentrn der Vereinigten Staaten gebilligt worden ist, viele Fragen behandelt, welche di« See-Politik aller Rationen de* rühren, so sollen in diesem Aufsatz die 'wesentlichsten Punrt« seines interessanten Inhalts kurz zusammengefaßt werden. Die militärische Rothwrndigkeit, heißt rs in Artikel 3, fordert Maßnahmen, welche zur Erreichung des Krieg-Zwecks unerläßlich und in völliger Urberernstimmuna mit modernen Gesetzen und RrtegSgetzräuchen sind. Sie gestattet aber kerne rmnöthig« Zer störung gegnerischen Besitzes, verbietet di« Anwendung von Gift, uttd jedweder Handlung, welche die Wiederherstellung de- Frie den- in unnöthigrr Weise erschweren würde. Richt-^oindattanten müssen in Person und EigenthuM während der Feittdseligketten geschont werden, soweit die Noth- weudigktik de- Krieges und das Verhalten der friedlichen Bürger dies gestattet. Die Beschießung von nicht befestigten Städten, Dörfern oder Gebäuden durch die Flotte ist verboten, ausgenom men, wenn diese Beschießung bei der Zerstörung von militärischen und Marine-Einrichtungen, öffentlichen Kriegsmunitrsns-Maga- zinen, öder Kriegsschiffen im Hafen unvermeidlich ist, oder wenn zulässig« Forderungen an Lebensmitteln, die für den Bedarf det eigenen Flotte in Krtegszettrn von wesentlicher Bedeutung sind, unbeachtet gelassen werden. Zn diesem Falle muß aber die Be schießung vorher angezeigt werden. Die Beschießung von un befestigten und ungeichützten Städten und Plätzen wegen Nicht bezahlung von Strafgeldern ist verboten. Falls ein Feind die Gesetze und Gebräuche des Krieges nicht beachtet, so sind Wiedervergeltungs-Maßnahmen berechtigt, falls sie für nothwendig erachtet werden sollten. Doch dürfen auch hier bei di« Pflichten der Menschlichkeit nicht aus dem Auge gelassen werden. Die Repressalien dürfen aber auch die Schwere des begangenen Vergehens nicht überschreiten, und sollen nicht ange- wendrt werden, wenn das begangene Unrecht wieder gut gemacht worden ist. . Befindet sich die strafbare Persönlichkeit rm Machtbereich Är Vereinigten Staaten, so kann sie nach vorschriftsmäßigem Ge richtsverfahren 'durch ein richtig zusammengesetztes Militär- oder Marinegericht abgeurtcheilt werden, und verfallen solche Personen den durch bas Gesetz bestimmten Strafen. Die Vereinigten Staaten erkennen an und schützen in den mit ihren Streitkräften besetzten Ländern Religion und Moralität, besonders auch die Frauen und die Heiligkeit der geistlichen Stände. Zuwiderhandlungen hiergegen sollen strenge bestraft werden. Zur Zeit des spanisch-amerikanischen 'Krieges wurde eine seht lebhafte Polemik über die Unterseekabel im Kriege geführt. Professor Holland's damalige Ansichten, daß ein Kabel, das von dein Gebiet einer kriegführenden Partei nacheinem neutralen Gebiete führt, nur unter nationalem Gebrauch innerhalb des Gebietes der kriegführenden Partei durchschnitten werden dürfe, wurden zu jener Zeit für akademisch gehal ten. Sie werden jetzt aber durch Artikel 5 des amerikanischen Seekriegs-Gesetzbuches doch für richtig erkannt. Dieser Artikel lautet: Die nachfolgenden Bestimmungen müssen in Bezug auf unter seeische Telegraphenkabel in Kricgszeiten ohne Rücksicht auf deren Eig«nthümer befolgt werben: a. Unterseetelrgraphischc Kabel zwischen Puncten, welche innerhalb feindlichen Gcbi«ts liegen oder zwischen den Grenzen der Vereinigten Staaten und denen des Feindes, find den Gesetzen untrrwlv^en, die bi« Rothwrndigkeit des Krieges vorschrerbt. d. Mkerseekabel zwischen feindlichem und neutralem Gebiet können rnnerhalb V« territorialen Gerichtsbarkeit unterbrochen werden. c>. Unterseekabel «Mich zwischen zwei neutralen Gebieten müssen unverletzlich und unzerstörbar bleiben. Ein besonderer Abschnitt behandelt di« Frage der Kriegs- rontrebanbe. Das Seekriegs-Gesetzbuch theilt Krieqscontre« bande in absolute und bedingungsweise Contrebande «in. Zur erst«n gehören alle Arten von Kriegsmaterial, die ausführlich aus geführt werden; da sie aber allgemein als Kriegscontrebande be kannt sind, so -ist es nicht nothwendig, die Liste versrlben hier zu wiederholen. Zur bedingungsweisen Krieg»« contrebande gehören: ». Köhlen, wenn dieselben für eine Marinestation, einen Aus fuhrhafen oder für feindliche Schiffe bestimmt sind; t>. Material für den Bau von Eisenbahnen und Telegraphen; o. Geld, wenn «s für die feindlichen Truppen bestimmt ist; ä. Dorräthe, wenn diese thatsächlich an di« Armee oder Marin« des Feinde- crbg«liefert werden sollen. In einem anderen Paragraphen wird auch noch mitgetheilt, Laß rm Fall« eines Krieges diejenigen Gegenständ«, welche be dingungsweise oder absolute Contrebande sein sollen, zur reckten Zeil öffentlich bekannt gegeben werden müssen, sofern hierüber nicht früh««, besonders abgeschlossene und noch gütige Verträge vorliegrn. Artikel 14 bestimmt, daß alle Kauffahrteischiff« des F«indcs, ausgenommen harmlos beschäftigte Küstenfischerei-Schiffe, fort» genommrn werden können, wenn dem nicht vertragsmäßig« Be dingungin entgegenstehen. Die Kauffahrteischiffe können auch zerstört werden, wenn dies für zweckmäßig erachtet wird, wobei die Passagiere bei der ersten Gelegenheit in einem geeigneten Hafen grlättdet werden müssen. Eine Lttcke in dem vorliegenden Gesetzbuch ist, daß, obschon aüf neutrale Schifft fortwährend Bezug genommen wird, das Buch keine Andeutungen «nthiilt, wie die Bereinigten Staaten sich zur Uebertragung der Schiffsladung auf neu tral« Schiffe stellen. Lehrreich ist schließlich auch Abschnitt V von dir Aus übung d«S DurchiuchungSrechteS, welches nur Kriegsschiffen, dir «inen besonderen Auftrag dazu haben, zu steht, und da» auf die Begleitschiff« neutralerFahrzeuge keineLivwendung findet, w«nn der Kommandant derselben ausreichende Zusiche rungen zu aeben vermag. Da» DurchsuchungSrecht wird all gemein al» Nothwendigkeit für «ine kriegführend« Partei an«- sehen, damit dies« im Stande ist, die Nationalität «ine» Schiffet festzustellen und das Unterbrechen der Blockade durch solch« Schiff« zu verhüten, di«, mit Krregscontnband« an Bord, dem Fein« irgendwie nützen wollen. Al- Gründ«, welch« die Besitzergreifung eines solchen Schiffes zulafftn, find folgende anzusehen: 1) Der Versuch, sich der Durchsuchung durch die Flucht zu entziehen; «in solches Vorhaben muß aber deutlich erkennbar sein; 2) Gcwaltthätiger Widerstand gegen Durchsuchung; 3) Vorlage falscher Papiere; 4) Wenn Schiffe nicht mit den erforderlichen Papieren ver sehen sind, aus denen der Gegenstand der Durchsuchung zu er- I«h«n ist; 5) Wenn Papiere vernichtet und unleserlich gemacht sind, oder vrrstrckt werden. Der Krieg in Südafrika. Ter gute Muth der Boeren. Das Amsterdamer Tageblatt „De Telegraf" hat eine Unter haltung gehabt mit Herrn H. I. Louw, Feldcornet aus Jo hannesburg, der vor einigen Tagen in Holland angekommen ist. Louw ist allen Einwohnern von Johannesburg als aufrichtiger Afrikaner wohlbekannt. In diesem Gespräch bestätigt er die schändliche Behandlung der Boerenfrauen und Kinder in den Lagern der Goudstad und giebt er die Versicherung der unze- schwächten Vaterlandsliebe jener Frauen, trotz ihrer Leiden Wichtig ist, was er vom Besuch des ehemaligen Präsidenten Pretorius bei Ludwig Botha erzählt. „Ich begegnete ihm gerade, als er von seiner vergeblichen Reise zurückkehrte. Der Sachverhalt ist ungefähr folgender: Pretorias wohnte tu Pot chefstroom. Eines Tages bat Kitchener ihn, nach Pretoria zu kommen, und dort führte er ein Gespräch mit ihm, das diesen veranlaßte, die Kommandos zu besuchen. Von Kitchener wurde er mit einem prachtvollen, von sechs Ochsen gezogenen Wagen ausgerüstet. Der alte ehemalige Präsident kam zu Ludwig Botha, und dort sah er, was «r kaum glauben konnte. „Ich fühle mich 25 Jähre jünger", erklärte er mir. „Nie habe ich gewußt, daß Transvaal und der Freistaat so viel waffenfähige Männer besaßen. Und Alle beim Kommando sind fix uno munter. Sie denkennicht daran, sich zuergeben; ihre Sach« steht viel zu gut. Es ist in jenen Menschen etwas Unbegreifliches, und nicht nur bei ihnen, sondern auch bei den Kindern. Kleine Knaben wissen meisterhaft die Flinte zu führen, sie werfen sich aufs Pferd und eilen davon, als ob sie nie etwas Anderes gethan hätten." — „Und der Auftrag, den Pretorius dem Kitchener brachte?" — „Botha hatte ihm denselben klar und deutlich gegeben. Sagen Sie dem Kitchener, daß ich für wenigstens 10 Jahre Munition habe und Nah- rungdie Menge. Fehlt es daran, so nehme ich ganz einfach die nöthigen Züge mit Proviant. Sagen sie Kitchener. Sie sind tm ersehnten Besitz der Städte uckv Dörfer an den Eisenbahnen. Ich nehme die Züge nicht, weil ich will, daß sie für Nahrung für unser« Leute dort sorgen. Blos deshalb nehme ich für mich nicht mehr, als ich brauche." — „Werden denn wirklich so viel Züge von den Boeren genommen?" — „Sie können sich davon kein« Vorstellung bilden. Lassen Sie mich Ihnen nur sagen, was ich sicher weiß: die Boeren haben den Engländern so viel Kanonen genommen, daß sie nicht wissen, was damit an- zufangen. Ein« groß« Zahl haben sie in den Boden ver graben. Andere haben sie zerstört, und dann haben die Eng länder das Vergnügen, sich dieselben zarückzuerobern. Eine Woche vor meiner Abreise aus Johannesburg wurden dort in einer Nacht 1100 verwundete englische Soldaten eingrbracht und so geht «s überall. Haben Sie gehört von der großen Schlacht bei Nooitgedacht? Die Boeren beabsich tigten das vorige Jahr, ebenso wie in FriedenSzeit, sich in Paar'vekraal *) zu versammeln. Von verschiedenen Seiten zogen die Kommandos dahin. Aber auch die Engländer hatten von dem Vorhaben etwas erfahren, und sie schickten «ine große Macht nach Nooitgedacht, di« Versammlung zu verhindern. Was aus diesen Truppen geworden ist, können nur noch Einig« nach erzählen, denn selten sah man ein derartiges Gemetzel. Alle Kananin, riesige Mengen Kriegsbedarf und Proviant fielen dabei den Unsrigen in die Hände. Vier Tage später, als verabredet war, befanden sich di« Kommandos in Paardekraal. Auch dort wieder die gewöhnliche Zerstörung: das Denkmal zerstört und der historische Steinhaufe zerschmettert. Da sind unsere Männer abgezogen und haben sich Jeder ein „Klip" gesucht. Zurück gekehrt, haben sie die alle ausg«thürmt und Jeder, !der dem Haufen seinen Stein zufügte, that solche«, indem er den theuren Eid leistete, bis zum Tode zu kämpfen, so lange die Unabhängig kit nicht versichert sei." * London» 15. Mai. (Telegramm) „Daily Telegraph" läßt sich au» Pretoria drahten, e» seien Anzeichen eine» all gemeinen Zusammenbruche» (?) de» Widerstandes der Boeren vorhanden, der Feind sei in verhältnißmäßig kleinen Banden zer streut und Viljoen betrachte den Kampf als hoffnungslos und selbstmörderisch und wolle capitulirrn. Demgegenüber veröffentlicht „Morning Post" eine Depesche au» Brüssel, die besagt, in dortigen Iransvaalkrcisen werde erklärt, daß demnächst folgende Boeren- streitkräfte ins Feld rücken werden: ROO Mann unter Botha, 5000 unter De Wet, 2500 unter Delareh und 1500 unter Krnitzinger, je 1000 »ater Malan und Hertzog, 800 unter Foucke. (Boss. Ztg.) Vntschiidtgting-eommisfion. * London, 15. Mai. (Telegramm.) In der gestrigen Sitzung der Kommission zur Prüfung der Entschädigung», sordrrungen der aus Südasrika ousgewiesenen Personen theilte der deutsche Vertreter Sieveking mit, seine Regierung habe bestimmten Entscheidungen des Präsidenten nicht zugestimmt, di« ». B. sich auf da» Vorgehen gegen verschiedene deutsche Anspruch «rhebeade Personen beziehen, welch« sich daS Recht von Burgherr, *) Zur Erinnerung an den Schwur der Freiheitskämpfer d«S im Jahre 1880 gegen England geführten Krieges versammeln sich alljährlich die Boerrn bei Paardekraal. Dort haben damals 4—5000 Boeren sich gelobt, daß sie die Waffen nicht «her nieder legen und aukeimindergehen wollen, bi» sie ihr« Unabhängigkeit erlangt haben, und haben zur Bekräftigung dieses Schwure» Jeder einen Stein auf eln«n Haufen getragen. Der so ent standen« «teinhüael ist oin für tun schlickten Sinn der Boeren und für ihr steiniges, Holz« und wasserlose» Land sehr bezeich nende» Denkmal. erworben und umsonst aus diesem Grunde gegen ihre Ver treibung auS Südafrika Einspruch erhoben hätten. Ta diese in ihrer Eigenschaft als Deutsche die Vertreibung über sich hätten er gehen lassen müssen, so sei er der Ansicht, gegen Li« deutsche Negierung könne der Widerspruch nicht erhöbe» werden, wenn sie dieselben als Staatsangehörige behandele und ihre Forderungen unterstütze. Ferner berührte Sieveking Fragen betreff» der aus den Schäden folgenden weiteren Nachthcile und bezüglich der moralischen Einbußen. Deutsches Reich. Leipzig, 15. Mai. (S ocialdrmokra tische Welt politik.) Je näher das Ende der chinesischen Wirren heranrückt, um so eifriger ist die socialdemokratische Presse darauf bedacht, sich einen neuen weltpolitischen Agikalionsstoff zu verschaffen. Die „Sächsische Arbeiter-Zeitung" hat einen solchen Stoff in der Concession des Bagdad-Bahn bau eS gefunden, die bekanntlich deutschen Bewerbern ertheilt worden ist. Diese Bahn soll nach der Be hauptung des genannten Socialistenblaltes Deutschland „auch" in, Westen Asiens als Keil zwischen England und Rußland schieben und den Engländern die Sorge um Indien abnehmen. Merkwürdiger Weise Hal man in England weder von dem Einen noch von dem Andern etwas bemerkt» sondern sich im Gegentheil nichts weniger als erfreut darüber geäußert, daß die Concession den deutschen Bewerbern ertheilt wurde. So phantastisch die entgegengesetzte Auffassung der „Sächs. Arb.-Ztg." ist, sie wird noch übertroffen durch die nachstehende Auslassung desselben BlatteS: „Mit dem Bahnbau würde sich von selbst die Nothwendigkeit ergeben, wenigstens starke Polizeitruppen gegen die räuberischen Stämme im Innern Westasiens auf den Beinen zu halten und praktisch die türkische Regierung in jenen Gegenden auszu schalten. In Len südlichen Theilen des vom Bahnbau zu beherrschenden Landes am persischen Golfe haben eben jetzt heftige Kämpfe stattgefunden. Wir werden in diese orientalischen Händel hineingczogen, so bald wir durch die Bahn gezwungen sind, that- süchlich die Herren in Westasien zu sein." Daß die türkische Negierung keineswegs darnach angethan ist, sich in einem der wichtigsten Gebiete Les türkischen Reiches „auSschalten" zu lassen, sollte gerade gegenwärtig angesichts der schwebenden Postfrage Jedermann einleuchtend sein. Eine derartige „Ausschaltung" widerspräche überdies voll kommen der Politik, die Deutschland gegenüber der Türkei seit langen Jahren befolgt und welche die Auf rechterhaltung freundschaftlicher Beziehungen als ihre Auf gabe betrachtet. Wenn die „Sächsische Arbeiter-Zeitung" über die beregten Puncte so, wie geschehen, sich binwegsetzt, leistet sie damit lediglich der panilawistischen russischen Hetzpresse einen Dienst. An Gefälligkeiten solcher Art bat es unsere Socialistenpresse niemals fehlen lassen; das Be- dürfniß nach weltpolitischem Agitationsstoff wird die Pflege dieser „internationalen" Seite der Socialdemokratie noch schärfer hervortrcten lassen. 12 Berlin, 15. Mai. Ein bemerkenswerthes Er- kenntniß über Stu denten-Schlägermensuren hat da» Landgericht II in Berlin gefällt. E» wird darüber in den Blättern berichtet: Wegen Zweikampfes mit tödtlichen Waffen hatten sich zwei Studenten der technischen Hochschule vor der zweiten Straf kammer am Landgericht II zu verantworten. Die beiden Ange klagten gehören Corps an und hatten eine Bestimmnngsmensur auszufechten. Am 15. März gingen die beiden Angeklagten im Local von Zeische in der Kaiser Friedrichstraße zu Chariottenburg gegen einander los. Sie waren mit Binden und Bandagen und allen sonstigen Schutzmitteln versehen, rin jeder hatte auch bereits eine Haulvcrletzung davon getragen, als die Polizei dem Wassenspiel ein Ende machte. Tie Angeklagten gaben den Tbatbestand zu, worauf der Staatsanwalt je einen Tag Festungs haft beantragte. Der Gerichtshof nahm aber an, daß geschliffene Schläger unter Anwendung aller Schutzvorrichtungen nicht zu den „tödtlichen Waffen" im Sinne des Gesetzes zu rechnen seien, rind erkannte demgemäß auf Freisprechung. Dieses Unheil setzt sich in Widerspruch mit einem Er kenntnisse des Reichsgerichts, das vor langer Zeit den Schläger für eine törtlicke Waffe erklärt und damit die Ge richte bestimmt bat, Mensuren mit dem Nappier als Zwei kampf zu bestrafen. Allerdings dürfte auch das Berliner Gericht, nach dem mitgetheilten knappen Berichte zu urlbeiien, den Schläger nicht unbedingt als nichtlödlliche Waffe erklärt haben. E» scheint daS Hauptgewicht auf die „Anwendung aller Schutzvorrichtungen" gelegt worden zu sein, und vielleicht wurde auch vaneden rem Umstande Bedeutung beigemessen, daß es sich um eine „BestiminungSinensnr" gehandelt hat. Eine Be- ftimmunaSmensur wird aber als Waffenübung angesehen, bei der bas für den strafbaren Zweikampf wesentliche Moment der HerauSsorrerung bei Lichte besehen gar nicht vorhanden ist. Sie hat den Zweck, den persönlichen Muth zu stählen durch «ine Gelegenheit, bei der, wie der gar nicht feudale Heinrich Heine sich einmal ausdrückke, die blanke Klinge um die (blanke) Nase herumspazirt. Für die breitere Oeffent- lichkeit hat das neue Berliner Unheil insofern ein Interesse, als es da« Reichsgericht beschäftigen wird und eine etwaige Aenterung der bisherigen SpruchpraxiS einer tendenziösen Statistik drS „DuellunwesenS" den Boren enlzicbcn würde, eine Rücksicht, die selbstverständlich für ein Gericht nicht bestunmeno fein kann. Weikaus die meisten Zweikämpfe, die bestraft werden und deshalb in die Criminal- Naufnk geratben, sind Schlägermensuren und diese wurden unter der früheren Rechtsprechung nicht als Duell angesehen. Kall» sie an Lebensgefähriichkrit seit Einführung der deutschen Gerichtsverfassung nicht zugenomniea haben sollten, so gewänne vielleicht wieder der Nachweis eine« Heidelberger Universttälsrichters Beachtung, wonach unter rund 8000 Schlägermensuren nicht eine einzige mit tödt- lichem Ausgange sich befunden hat. So viel wir wissen, wird die Mensur auch in Oesterreich als Zweikampf an gesehen, allerdings aber — wenn irgend etwas „dabei beraus- gekvmmen" ist — als Körperverletzung, wobei es zweifelhaft ist, ob den Studenten die deutiche Spruchpraxis nicht die er wünschtere war. -V- Berlin, 15. Mai. (Bon den „neutralen* Ge werkschaften.) Tie letzte Nummer des Organs der Generalcommission der angeblich neutralen Gewerkschaften Deutschlands enthält reichliches Material zur Beurlheilung der Frage, ob die sogenannten neutralen Gewerkschaften that sächlich in politischer Beziehung neutral sind oder nicht. Nachdem an allen Orten soeben die Maifeier unter hervor ragender Betheiligung der Gewerkschaften stattgefunden hat, kann es nicht Wunder nehmen, daß das Gewerkschaflövrgan durchaus im Stile der socialdemokratischen Presse iiber den Verlauf der diesjährigen Maifeier berichtet. Ist eine derartige Berichterstattung für die „Neutralität" der Gewerkschaften nicht weniger bezeichnend, als die Theilnahme der Gewerkschaften an der Maifeier selbst, so gilt das Gleiche von einem Artikel, der mit der Um bildung deS preußischen Staatsministeriums, ins besondere mit dem neuen Handelsminister Möller, sich beschäftigt. „Wülhendcr Hasser jeder Arbeitercoalition und ter Streiks", so heißt eö über Letztere«, „übertrumpfte er an Arbeiterschutz-Feindschaft sogar noch Herrn von Stumm. . . Sein Name stand stets in erster Reihe bei allen Attacken gegen die socialdemokratische und gewerkschaftliche Arbeiter bewegung, gegen CoalilionSrecht und Arbeiterschutz. Aus dem Gebiete der Arbeiterversicherung hat er den Forderungen der Arbeiter hartnäckigen Widerstand geleistet." — Zur Kenn zeichnung dieser durchaus socialdemokratiscken Auffassung genügt der Hinweis darauf, daß die socialreformerische „Sociale Praxis" das Eintreten Möller's für den Ausbau des Arbeiterschutzes und der Arbeiterversicherung hervor gehoben bat. „Neutral", wie daS Gewerkschaftsorgan ist, hält es seine Charakteristik Möller's ausschließlich im Rahmen des socialdemokratischen Schemas! * Berlin, 15. Mai. (Herr v. Miquel an den Ost« Markenverein.) An vr. v. Miquel batte der Haupt vorstand dcS deutschen Ostmarken Vereins unter dem 6. Mai 1901 ein Dankschreiben für seine Verdienste um die Ostmarkenpolitik gerichtet, vr. v. Miquel hat daraus dem Hauptvorstande des Deutschen Ostmarkenvereins unter dem 10. Mai 190l folgende Antwort zugehen lassen: „Dem verehrlichen Hauptvorstande des Deutschen Ostmarken- Vereins sage ich sür die freundliche Zuschrift meinen verbind lichsten Dank. Sie nehmen mit Recht an, daß die Politik in der polnischen Frage, an welcher ich als Mit- glled des Staatsministeriums bisher theilgenommen habe, an mir auch als Privatmann, soweit meine Kräfte noch reichen, die eifrigste Vertretung und Förderung im Bolke finden wird. Ich bin stet» davon durchdrungen ge- wesen, daß die in den Ostmarken zu lösende Aufgabe, der man fälschlich eine konfessionelle Seite untergeschoben hat, eine der wichtigsten politischen und nationalen Fragen dar- stellt, welche nicht blos dem preußischen Staate, sondern dem ganzen deutschen Volke gestellt ist. Die materielle und geistige Hebung und Stärkung deS Deutschihum» in den ge- mischten Bezirken wird so lange «ine Hauptaufgabe vor Allem der preußischen Staatsregierung bleiben, bis die Polen treue Glieder des preußisch-deutschen Staates geworden sind und ihrerseits die agressive Bekämpfung ihrer deutschen Mitbürger ausgeben. Zur Erreichung dieses Endziels Les Friedens und der nationalen Ver söhnung mitzuwirken, sollten die Deutschen aller Confejsionen sich vereinigen. Ihr Verein hat sich zum Ziele gesetzt, den National- sinn der schwer bedrohten deutschen Bevölkerung zu stärken, ihren Muth, ihr Vertrauen in die Zukunft zu heben, endlich deutschen Trotz zu wecken, die zerstreuten Kräfte zn sammeln, und vor Allein dem deutschen Volke Klarheit übet di« Gefahren im Osten unseres Deutschlands zu geben. Das Werk ist schwer! Ihre bis herigen Erfolge wecken aber mit Hilfe einer konsequenten Politik der Staalsregierung und des deutschen Volkes die sichere Hoffnung auf den endlichen Sieg. Miquel." — Ueber die Pension des Herrn v. Miquel schreibt man dem „Hamb. Corresp.": Im Jahre 1891 trat der damalige Oberbürgermeister von Frankfurt a. M. Herr Miquel als Finanzminister in den preußischen Staatsdienst. Er ist niemals Staatsbeamter gewesen als nur allein in der höchsten Stellung als Minister. Herr v. Miquel hat diescS Amt aber so lange verwaltet, daß ihm daran» finanzielle Rrchte sür sein ganze» Leben erwachsen sind. Wenn rin Beamter nicht wenigstens 10 Jahre lang dem Staate gedient Hot, hat er nach dein Gesetz vom 27. März 1872 keinen Anspruch auf Pension. Nach 8 1 des obigen Gesetzes erhält jeder unmittelbare Staatsbeamte, der sein Diensteinkommen au» der Staaiscasse bezieht, eine lebenslängliche Pension aus derselben, wenn er nach einer Dienstzeit von wenig- striiS lO Jahren in Folge eines körperlichen G.brechenS oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte zu der Erfüllung seiner Amtspflichten dauernd unfähig ist und deshalb in den Ruhe stand versetzt Wird. Bei Staatsministern, di» aus dem Staatsdienst ausscheiden, ist Tienstunsähigkeit nicht Vorbedingung de» Anspruchs auf Pension. Nach 8 8 des gedachten Gesetze» beträgt di« Pension, wenn di« Versetzung in den Ruhestand nach vollendetem zehnten, jedoch vor vollendetem elften Dienstjahre Antritt, und steigt von da ab mit jedem weiter zurückgelegten Dienstjahre »in ','«o de» Diensteinkommen-. Letzlere» beträgt sür die preußischen Staat-Minister jährlich 36 000 wovon jedoch nach ß 10 des mehrcitirten Gesetze-, da von dem 12 000 überslrigrnden Ein- kommen nur di» Hälft» in Anrechnung gebracht wird, auch nur 24 000 pension-berechtigt sind, also würde der Betrag von oder '/« diese» Einkommen» di» jährlich» Pension von 6000 ausmachen.
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