Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.05.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-05-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010520028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901052002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901052002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-05
- Tag1901-05-20
- Monat1901-05
- Jahr1901
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
VezugS-Prers 1» der Hauptexpedition oder den 1» Stadt bezirk und den Vororten errichtete« Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich^ 4L0, bei zweimaliger täglicher Zustellung in- Hau- ü.üO. Durch die Post bezogen für Deutschland u. Oesterreich: vierteljährl. 6. Man abonnirt seiner mit entsprechendem Postausschlag bei den Postanstaltru in der Schweiz, Italien, Belgien, Holland, Luxem burg, Dänemark, Schweden und Norwegen, Rußland, den Donanstaaten, der Europäischen Türket, Egvpten. Für alle übrigen Staaten ist der Bezug nur unter Kreuzband durch di« Expedition diese- Blatte- inöglich. Die Morgen-AuSgabe erscheint um '/,? Uhr, die Abenv-Au-gabe Wochentag- um k Uhr. Nedaclion und Expedition: Johanni-gaffe 8. Filialen: Alfred Hahn vorm. O. Klemm'- Sortiw. Universitätsstraße 8 (Paulinum), Loui» Lösche, Katharinenstr. part. und KänigSpkatz 7. Abend-Ausgabe. MpMkr.Tllgelilalt Anzeiger. Ärnlsökatt des Äönigkichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und M-tizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen »Prei- die 6gespaltene Petüzeile 25 Reklamen unter dem RedactionSstrich (-gespalten) 7S H, vor den Familiennach richten («gespalten) 80 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offerteaannahme 25 H (excl. Porto). Extra - Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbcsörderung «0—, mit Postbesürderung 70.—. Anuahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition, zu richten. Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. P olz in Leipzig. Montag den 20. Mai 1901. 95. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Die englische Kriegführung. Einem uns freundlichst zur Verfügung gestellten Privat briefe aus Pretoria, 18. April, entnehmen wir Folgendes: „Wir drehen uns hier auf demselben Fleck herum. Friedens verhandlungen waren angeknüpft, sind jedoch schnell wieder abgebrochen worden. KiIch euer schiebt darum das Ende des Krieges auf weitere sechs Monate hinaus. Ich glaube aber, daß militärisch der Krieg auch binnen dieser Zeit nicht beendet werden kann. Die Boeren werden nie und nimmer nach geben. Ihre Taktik ist jetzt, der englischen Uebermacht aus zuweichen, aber die englischen Garnisonen, die Truppcnmärsche und besonders die Bahnlinien überall zu beunruhigen. Das können sie noch jahrelang fortsetzen, und der Krieg wird nicht zum Ende kommen, bevor die Engländer den Rummel satt haben. Wenn die Diplomatie nicht den Frieden bringt, dann müssen wir uns noch lange hier herumquälen. Vergnügte Ge sichter sieht man hier fast nur bei Leuten, die geschäftlich aus dem Krieg Capital schlagen, und bei Betrunkenen. Bor der Pest, die in Capetown ernste Gestalt annimmt, haben wir keine besondere Angst, obwohl die sanitären Verhältnisse nicht mehr so günstig sind, wie vor dem Kriege. Schlimmer ist die Armuth, die ihre Krallen jetzt nach der überwiegenden Mehrheit der Bewohner ausstrcckt. Unsere (der Staatsbeamten!) Nahrung besteht hauptsächlich aus Maliespapp; an Sonn- und Feiertagen verbessert vielleicht ein Stückchen Kuhfleisch die Ge- müthsstimmung. Alkoholische Getränke giebt es absolut keine mehr — außer denaturirtem Spiritus. Selbst „Whisky" kennen wir nur noch dem Namen nach. Na, wir dürfen nicht brummen, denn andern Menschen spielt dieser Krieg noch weit schlimmer mit. In diesen Tagen traf hier die Menschcnbeute ein, welche die Engländer bei ihrem neuen Vorstoß aus Nyl - stroom und Pietersburg hier zusammengetrieben haben. Wenn man diese Leute sieht und sie erzählen hört, so glaubt man, selbst vom Krieg als Günstling behandelt worden zu sein. Nylstroom und Pietersburg müssen nach den Berichten dieser Deportirten radikal verwüstet worden sein mit wahrhaft vandalischer Grausamkeit und Rohheit." * L»u-ou, 20. Mai. (Telegramm.) Die „Times" berichten aus Carolina: Englisch« Truppen besetzten am 17. Mai zum fünften Male Carolina. General Botha befindet sich gegenwärtig in Ermelo. Die Wirren in China. In Tientsin ist jüngst der General v. Lessel ge- nöthigt gewesen, Sen Engländern eine Lektion zu erlheilcn. Der Vorfall ist noch nicht recht aufgklärt, da blos englische Be richte darüber vorliegen, die natürlich über die Ungerechtigkeit des deutschen Generals Klage führen. Wie es scheint, machten sich die Engländer ein Vergnügen daraus, die deutsche Brücke über den Peiho zu beschädigen. Als nun jüngst wieder die eng lische Barke „Eno" „zufällig" an die Brücke stieß, verloren die deutschen Schildwachen die Geduld, sie schossen auf die Barke, verhafteten die Mannschaft und prügelten sie durch, die Barke sei darauf unbeschützt geblieben und ausgeplündert worden. Auf die Beschwerde der Engländer hat General v. Lessel sich zu einer „Entschuldigung" verstanden, die aber die Engländer nicht befriedigt. Er verspricht, daß der Zwischenfall sich nicht wieder holen soll, wenigstens soweit bas Vorgehen mit Waffengewalt in Betracht kommt, aber er behaupte auch, daß britische Barken und Leichter die deutsche Brücke über den Peiho absichtlich zu beschädigen pflegen, eine Anschuldigung, di: gänzlich ohne Be gründung sei. „Times" meinen, es sei nicht der geringste Grund vorhanden, weshalb man bezweifeln sollte, daß die Barke lediglich durch Zufall an die Brücke gestoßen sei. Jedenfalls habe die Bestrafung der Mannschaft außer Verhältniß zu der Veranlassung des Zwischenfalls gestanden. Lessel'S Entschuldi gung erschwere das ursprünglich begangene Unrecht und sei eine unannehmbare Genugthuung. Nicht nur in Tientsin schienen die Deutschen zu vergessen, daß die Engländer ihre Verbündeten und nicht ihre Untergebenen seien. Die „Times" sind, wie be richtet, neuerdings überhaupt wieder höchst übler Laune gegen Deutschland. Ihr Pekinger Correspondent, Morrison, be hauptet, die Deutschen haben gar nicht die Absicht, Tschili zu räumen, Graf Waldersee plane aus Ruhmsucht eine neue, ganz unnöthige Expedition, und seine herausfordernde Politik ver derbe in China Alles. Die „Voss. Ztg." bemerkt zu dieser fort gesetzten Hetze gegen Waldersee: „Wie uns aus London berichtet wird, ist man sich dort vollkommen klar darüber, daß diese fort gesetzten Angriffe auf den Grafen Waldersee nur Coulisse sind, hinter der der Kampf gegen die Haltung des englischen Cabinets in der chinesischen Frage geführt wird. Das am 16. Oktober 1900 zwischen Deutschland und England ab geschlossene Nangtse-Abkommen hat in London nicht allgemeine Zustimmung gefunden. Die Kreise, die für eine Verständigung mit Rußland eintreten, haben seit dem Abschluß des Abkommens mit Deutschland eine ganz besonders lebhafte Thätigkeit ent faltet, und sind nicht müde geworden, darzuthun, daß England mit diesem Abkommen einen schweren politischen Fehler begangen habe. Die „Times" haben es mit sich abzumache», wenn auch sic diese Politik unterstützen wollen, nur glauben wir, daß sich diese Aufgabe auch ohne Verunglimpfung des Grafen Waldersee er füllen ließe." * London, 20.Mak. (Telegramm.) Die Morgenblätter be. richten au-Peking: Bier-bi-fünfhundert Chinesen bildeten in der Gegend vo» Wenau eine Vereinigung, um die Christen zu ver folgen. Bor einer Woche griffen sie christlich« Eingeborene au und verwundeten viele derselben. — „Standard" meldet an- Shanghai: Um «ine der Forderungen der Mächte gegenstandslos zu machen, räth die reaktionäre Partei in Singanfu der Kaiserin im Namen de- Kaiser- ein Dekret zu veröffentlichen, durch welche- fünf Jahre hindurch die wissen- schaftlichen Prüfungen überall in China aufgehoben werden. Politische Tagesschau. * Leipzig, 20. Mai. AuS dem am Sonnabend Abend au-gegebenen steno graphischen Berichte über die lrtzte RcichStan-silznug, in der bei der zweiten namentlichen Abstimmung über daS Brannt weinsteuergesetz die Beschluß nnfäbigkeit dcS Hause sick) ergab, geht hervor, daß bei dieser Abstimmung von den „Branntweinparteien" nicht weniger als 52 Mitglieder ohne Entschuldigung, 14 entschuldigt, 14 beurlaubt, 10 al- krank, im Ganzen also 90 gefehlt haben. Diese Statistik bestätigt, was ohnehin nicht zweifelhaft war: die beiden Parteien, die das Unternehmen eines neuen, sozusagen eines Juiliativ-BranntweingesetzcS angeregt, die Conservativen und da- Cent rum, haben da- nun entstandene Vacuum durch ungenügende Präsenz verschuldet. Sie hätten ihren Willen durchsetzen können, wenigstens im Reichstage — waS der BundeSrath gethan haben würde, weiß man nicht —; sie ließen eS jedoch an dem nöthigen bischen Eifer fehlen. Es ist nun auch zahlenmäßig nachgewiescn, daß eine handlungsfähige Mehrheit nickt vorhanden war und daß deshalb der Linken, mag man im Uebrigen über ihr Verhalten denken waö man will, Obstruction nicht zur Last fällt. Weil dies, wie von uns, auch von andere» nationalliberalen Blättern schon früher festgeslellt worden, geräth die „Kreuz zeitung" in ihrer Rathlosigkeit auf den lächerlichen Ein fall, die Nationalliberaleu für den Mißerfolg der kon servativ-klerikalen Action verantwortlich zu machen. Richtig ist, baß die nationallibcrale Fraction verhaltnißmäßig schwach vertreten war. Bon den Fehlenden wird aber nur wenige der Vorwurf der Versäumnis; beini Eintreten für einen von ihnen gewollten Zweck treffen. Es hat sich herausgestellt, daß die Zahl der Gegner der Ärenusteuererhvhung und vielleicht auch der Conlingentirung in dieser Fraction größer war, als ursprünglich angenommen wurde. Und noch stärker ist wohl die Zahl derjenigen Nationalliberalen gewesen, die sich nicht im Handumdrehen zu Gunsten ungeprüfter weit tragender Vorschläge zu entschließen vermochten. Man darf von dem Abgeordneten verlangen, daß er sich über reiflich durckberathene Gegenstände bis zur end- giltigen Entscheidung schlüssig mache oder daß er, war er nicht im Staude, sich eine Ansicht zu bilden, dies durch aus drückliche Enthaltung bei der Abstimmung zu erkennen gebe. Dieses Branntweingesctz der Rechte» und des EentrumS war aber wie aus der Pistole geschossen. Zn welchem Maße, erfährt mau erst jetzt aus mehreren Mittheilungen über die Vorgänge im Seniorenconvent. Wir haben schon wiederholt hervorgehoben, daß dort Alles einig war, die vorläufige Verlängerung des bestehenden Gesetzes zu beschließe» bezw. zuzulassen; auch die Herren von Levetzow und v. Kar dorff bezeigten ihr Einverständniß. Damit nicht genug. Der Präsident batte den Vorsitzenden der für die Beralhung der Bunde-rath-vorlage einge setzten Commission, den Abg. Herold vom Ceutrum, zur Tbeilnahme an der Berathung deS Senioren-Convents be rufen. Der Herr erschien auch und protestirte mit keinem Worte gegen daS allseitige Vorhaben. Dann ging er hin und berief die Commission, die obne Hexerei, aber mit unerhörter Ge schwindigkeit zwei ticseinschneidende, der Regierungsvorlage fremde Neuerungsvorickläge zurecht machte und mit ihnen vor das Plenum trat. Auf solchem Wege konnten Abgeordnete, die sich erst ein Urtheil zu bilden hatten, nm so weniger mitgehen, als die Brennsteuer und die Contingentirung außerordentlich schwierige techniscke Fragen bilden. Zn diesem Falle befanden sich nicht nur National liberale, sondern auch CentrumSmitglieder nnd Wohl auch der eine und der andere Conservative. Man kann eben zu nichts nnd Niemanden verbindende Resolutionen über die Theatercensu^ oder da- Franenstudium ohne sonderliche Ge wissensbisse übers Knie brechen sehen, ohne es sich deshalb zu gestatten, an der hastigen Zusammenstoppelung eines wichtigen wirthschaftlichen Gesetzes mitzuwirken. Prinz Ludwig von Bayern bat, wie wir der »„Germania" entnehmen, bei der Hoftafel, die sich an die I Tauffeierlichkeit in Bamberg anschloß, folgenden I Trinkspruch auSgebracht: „Se. köin'gl. Hoheit der Prinzregent hat auf unfern Täufling, dessen Eltern und Großeltern toastirt. Ich sage dafür recht herz lichen Tank. ES ist eine sehr seltene und wegen dieser ihrer Seltenheit sehr erhebende Festfeier, welche wir heute begehen. Es ist seit Jahr hunderten in unserer Familiengeschichte nicht dagewesen, daß ein Regent einen Urenkel erlebt hat, der nach menschlichem Vorausseheu dereinst ebenfalls zur Regierung des Landes berufen sein wird. Unser jüngster Wittelsbacher Prinz hat den Namen erhalten: Luitpold, Maximilian, Ludwig, Karl. Lassen Sie mich, hochgeehrte Gesellschaft, mit einigen Worten auf die Bedeutung dieser in der Geschichte meines Scheyern- und Wittelsbacher Hauses rühmlichst hervorgetretenen Namen zu sprechen kommen. Der Name Luitpold trat in dec bayerischen Geschichte schon vor tausend Jahren glänzend hervor, als Markgraf Luitpold an der Spitze seiner Heere den ein dringenden Ungarn entgegentrat und im tapfersten Kampfe den Heldentod aus dein Schlachtsclde starb. Maximilian I. erwarb seinem Hanse wie im Bayernlende die Kurwürde, und Maximilian Joseph 1806 die Königswürde. Wenn man zuweilen liest, die KvnigSwürde im Wittelsbacher Hause sei von Napoleons Gnaden, so ist dies falsch, denn Ludwig der Bayer war fast schon 500 Jahre zuvor deutscher König und ein Wittelsbacher, Karl, schon in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts deutscher Kaiser. Mögen die bedeutsamen Taufnamen unserem neugeborenen Prinzen Glück und Segen vermitteln. Möge er in allen Tugenden, in all' seinem dereinstigen Wirken seinem erhabenen Urgroßvater und Tanfpathen, unserem allverehrten Prinzregenten, nachahmen; ja möge er in allem diesem seinen Urgroßvater folgen, der, 80 Jahre alt, frisch und krästig daS Staatsruder führt, uns Allen in treuester Pflichterfüllung ein glänzendes Vorbild. Möge unserem erhabensten Prinzregenten noch eine lange Lebenszeit auf un gezählte Jahre vergönnt sein; möge er noch mitwirken an der Er ziehung seines Urenkels und PathcnkindeS und noch Freude erleben auch an dem herangereiften Jüngling. Ich bitte Sie, stimmen Sie mit mir «in in de» Ruf: „Se. königliche Hoheit der Prinzregent, mein vielgeliebter Herr Vater, lebe hoch!" Der bayerische Thronfolger sprach mit Recht, von einer sehr seltenen Feier und da sic ihn, der seinen ersten Enkel von der männlichen Nachkommenschaft und noch dazu einen künftigen Thronfolger aus der Taufe gehoben batte, besonders freudig berühren mußte, so ist der Schwung dieser fürstlichen Sätze sehr wohl begreiflich. Der leisen Andeutung eines Vergleiches mit anderen alten deutschen Fürstenhäusern, die zufällig keinen deutschen König als römischen Kaiser ge stellt, würden aber nur Wenige Beifall zollen. Don einenl Wittelsbacher Karl, der in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts deutscher Kaiser gewesen, ist uns übrigens nichts bekannt. Die drei ersten Karl waren Karolinger, der vierte, der erst iin 11. Jahrhundert regierte, ein Luxemburger. Zu, ersten Jahrtausend der Zeitrechnung hat allerdings ein mal ein Herzog von Bayern die Kaiserwürde bekleidet, aber diesem Adolf von Kärnihen war Bayern augefallen; er stammte nicht aus witlelSbachischem, sondern gleichsfalls aus fränkischem Geblüt und regierte im 9. Jahrhundert. Nun hätte sich Prinz Ludwig auch nach unserer GeschichtS- kenntniß auf einen Kaiser Karl aus dein Hause WittelSbach berufen können, auf Karl VII., der 1712, und zwar nicht ohne Unterstützung Preußen-, zum Kaiser gewählt wurde nnd 1715 starb. Aber — und die- gilt natürlich auch von Ludwig dem Bayern — in dem alten Wahlkönig- und Feitilletsn. 10s Ein Engel -er Finfterniß. Roman von Gertrude Warden. Autorisirte deutsche Uebersttzung von A. BraunS. Nachdruck rerteim. „Aber kein Wort, das Sie zu mir sagen, soll weiter ge plaudert werden, auf Ehre!" rief Viktor. „Lieber würde ick sterben, als Ihnen in irgend einer Weise Verdruß bereiten. Geben Sie mir nur Ihre Wünsche kund — spenden Sie mir nur ein bischen Hoffnung!" „Am Hoffen kann ich Sie nicht hindern", sagt« sie mit lieb lichem Lächeln. „Was kann ich denn aber noch mehr sagen?" „Sagen Sie, daß Sie keinen Anderen lieben!" „Ich liebe keinen Andern. Da, nun ist's gestanden!" „Und Sie lieben mich?" „Noch nicht. Nun, ich kenne Sie ja kaum, Viktor!" „Ich aber liebe Sir!" „Sie sind ein Mann, und die Liebe der Männer wird leichter gewonnen. Sin hübsches Gesicht —" „Nein, nein — das ist es nicht blos!" widersprach er heftig. „Es ist nicht blos Ihre Schönheit, obschon diese anbetungs würdig ist; Sie selbst, Ihr ganzes Sein ist ei, dai mich be zaubert! Al» wir gestern Abend nach Hause kamen, und ich sah Sie auf der Schwelle stehen, da ward e» mir beim ersten Blicke klar, daß ich nie zuvor geliebt. Mein Herz schien in der Brust zu schmelzen, als meine Äugen den Ihrigen begegneten, und Ihre Stimme bewegte mein ganze» Innere in einem Grade, daß mir die Thränen in die Augen traten. Und ich sagte mir: „Viktor, da» hier ist die einzige Frau in der ganzen weiten Welt für dich, .Herz und Seele gehören ihr!" Und al» Sie hernach zu un» sprachen, zu Dudley und mir, da klebt« meine Zunge am Gaumen fest, ich war unfähig, zu antworten, gepackt von einem Gefühl, al» sollt' ich zusammenknicken. Die Begegnung mit Ihnen war für mich, sehen Sie, von solch' hoher Bedeutung, sie bedeutete, daß ich mein Leben in Ihre Hände legte!" „Meinen Sie dies Alle- wirklich so?" fragte sie sehr sanft, ihn mit seltsam lächelnden Augen anblickend. Statt der Antwort neigte er sein Haupt über ihre Hände, die leicht in einander geschlungen auf ihrem Schooße lagen, und bedeckte sie mit leidenschaftlichen Küssen. lieber seinen geneigten Kopf hinweg nach dem jenseitigen Ufer blickend, bewegte sie zugleich den Kopf mit einer Geste der Ungeduld und des Gelangweiltseins, bersuchte jedoch nicht, ihm ihre Hand zu entziehen. „Sie werden mich lieben lernen", murmelte der junge Mann mit von Gemüthserregung fast erstickter Stimme — „ich werde Sie dahin bringen, mich zu lieben!" „Wir werden ja scheu. Sie vergessen aber, Viktor, daß ich älter bin — zwei Jahre älter, als Sie. Und Sie wissen nichts von mir." „Ich weiß, daß ich Sie liebe. DaS genügt!" „Wissen aber nicht, wie ich in Wirklichkeit bin." „Sie sind in Wirklichkeit ein Engel!" Francesca lachte leise. „Es giebt zwei Arten Engel, wissen Sie." „Ein Engel vom Himmel!" „Und doch habe ich dabei großen Hunger!" sagte sie scherzend. „Es ist fast halb sieben Uhr. Lassen Sie unS noch ein Stückchen den Fluß weiter hinuntergehen, und dann umkehren, so daß wir gegen sieben Uhr in Revelsworth House eintreffen. Ich muß ziemlich zeitig heute Vormittag nach London fahren, folglich werden Sie nicht mehr viel von mir sehen, bis ich am Abend zurückkomme." „Erlauben Sie mir, Sie nach London zu begleiten!" bat er. «Sie sind zu schön, allein in London zu sein." Mit voller Entschiedenheit schüttelte Franceica ablehnend den Kopf. „Ich habe Einkäufe zu machen", erklärte sie. „Sie würden mir nur im Wege sein." „Grausame» Mädchen!" „Sie werden mich sicher noch genug sehen während de» ganzen langen Jahres, das wir zusammen in Revelsworth House ver leben werden!" „Lange, lange bevor da» Jahr zu Ende, müssen Sie mein Weib sein!" rief er stürmisch. Sie sah ihn mit leichtem Lachen an. „Wer kann wissen, wat ein Jahr mit sich bringt!" er widerte sie. IX. Eine Stunde nach beendetem Frühstück fuhr di« schöne Fran cesca per Omnibus nach Kingston, bei dieser Gelegenheit von Betty begleitet, die einige Bücher in der dortigen Bibliothek um- zuwechsein hatte, und stieg dann, nachdem sie da» junge Mädchen geküßt und versprochen, so bald, wie möglich, am Abend zurück- zukehrrn, in den nach London fahrenden Zug. Auf Station Kingston hatte ein hübsch gewachsener junger Mann, der Fräulein Betty respektvoll gegrüßt, nachdem er zuvor vor dem Bücherständer herumgebummelt, und nachher that, als spiele er mit seinem Hunde, Francesca's Aufmerksamkeit gefesselt. „Ist das ein Verehrer von Ihnen?" hatte Francesca gefragt, worauf Betty ihr sehr gemessen antwortete, es wäre bloß Herr O'Meara, der an der anderen Seite des Angers wohne und Frau Revelsworth's Pferdeställe gemiethet habe. „Der Herr ist sehr schön!" erklärte Francesca. „Solch' hübsche, gesunde, blühende Gesichtsfarbe, lockiges, schwarzes Haar und prächtige, weiße Zähne! Ich interessire mich für Liebesangelegenheiten! Er ist Ihr Liebhaber — nicht wahr?" „Möchte es vielleicht gern sein", erwiderte Betty. „Wenn ein Herr, der so hübsch, wie Jener, sich in mich der liebte, dann würde ich ihn sicher nehmen", äußerte Francesca. „Nun, einer, der weit hübscher, ist, hat sich in Sie verliebt", trumpfte die kleine Betty sie ab — „so wird sich's ja zeigen, was Sie thun werden!" „Sie meinen doch nicht meinen Cousin Viktor? Er ist wohl sehr nett, aber hübsch finde ich ihn gar nicht." „Ich ebenfalls nicht. Ich sprach von Dudley!" „Sie glauben demnach, Dudley sei in mich verliebt?" forschte Francesca, einen nachdenklichen Blick auf die kleine Betty werfend. „Er hat mir nichts davon gesagt." „Sie haben ihm noch nicht viel Zeit dazu gelassen", entgegnete die Andere trocken. „Doch, das ist Ihr Zug!" „Seien Sie nett zu dem hübschen jungen Manne!" mahnte Franceica vom Coup-fcnster aus, wie der Zug schon anfing, sich in Bewegung zu setzen. „Er beobachtet Sie so rührend!" „Ist mir einerlei", erklärte Betty. Aber doch hatte es etwas für sich, einen Verehrer zu haben, der einen Blick übrig hatte für solch' unbedeutendes Persönchen in einem schlichten, blauen Sergekleide und einfachem Matrosen hute, wenn eine Göttin von fünf Fleh neun Zoll in seiden gefüttertem, hellbraunem Sommerumhang und hochmodernem Hute die Beachtung selbst der Gepäckträger und Locomotiven- führer in ihrer nächsten Nähe auf sich zog. Und wie Heremon O'Meara nach Francesca's Abfahrt, rrröthend und lächelnd, sich ihr näherte, gab sie ihm beim Hinreichen ihres zarten Händchen» sein Lächeln zurück, und fand nun auch, daß er wirk lich schöne Zähne habe, wenn er sonst auch nicht so hübsch sei, wie Dudley Revelsworth. „Guten Morgen, Fräulein Betty! Wollen Sie Einkäufe in der Stadt machen? Und darf ich Ihre Packete tragen?" „Dürfen Str." „Und was ist denn an dem Gerücht", fragte er in seinem weichen irischen Accent als er mit Betty aus dem Bahnhofs gebäude heraustrat und an ihrer Seite nach dem Marktplatze zuschritt, während sein Hund um Betty herumwedelte und ihre Hand liebkoste, „daß Frau Revelsworth's Inserat in den „Morning News" bereits einen ganzen Schwarm von Ver wandten nach Revelsworths House gelockt habe?" „Die Dame, die ich eben nach hier begleitete, war Eine davon. Drei sind es in Allem — nicht ganze Schwärme", be richtigte Betty gemessen. „Bereits drei Fliegen um den Honigtopf!" „Allerdings. Finden Sie die Dame, die mit dem Zuge fort fuhr, nicht sehr schon?" „Das ist sie vermuthlich — pantherartig schön. Mein Genre ist das aber nicht, wie Sie recht gut wissen! Ich liebe etwas Niedliches und Zierliches, so etwas, wie ein Meißner Porzellanfigürchen — etwas" „Die beiden Anderen sind junge Herren", unterbrach ihn Betty steif. „Hörte ich schon. Ein schöner, großer, junger Mann, und ein kleiner, schwarzer, fremdländisch aussehender Bursche, nicht wahr? Sah sie gestern gegen Abend auf der Brücke. Und das ist auch der Grund Ihres heutigen lustigen und muthwilligen Aussehens? Endlich haben Sie nun doch Jemand im Hause, den Sie necken und mit ihm flirten können — Jemand, der sich in Sic verlieben wird —" „Sie haben sich Beide schon in Fräulein Francesca Revels worth verliebt — die Dame, die Sic vorhin sahen." „Ich kann das nicht glauben!" rief Heremon. „Nach meinem Dafürhalten ist sie wirklich großartig schön; aber ebenso leicht könnte ich mir in den Sinn kommen lassen, mich in den Mont Blanc zu verlieben. Was ein Mann an einer Frau liebt, ist etwas Niedliches und Nettes, so was zum Küssen, etwas, das man an s Herz drücken, unter den Arm und in Obhut nehmen kann, etwas —" „Sic sind Cousine und Cousins", fiel ihm Betty wiederum rücksichtslos in's Wort. „Die Herren sind Stiefbrüder, Söhne von Dudley Revelsworth, und Francesca ist die verwaiste Tochter von Harold Revelsworth. Sie ist in Italien geboren und er zogen; ihre Mutter war eine italienische Gräfin." „Ganz unstreitig ist sie eine prächtige Erscheinung", erklärte Heremon, „doch durchaus nicht mein Geschmack, wie ich bereits sagte. Was mir an einem Mädchen gefällt, ist Niedlichkeit und Liebenswürdigkeit, dazu hellbraune Augen —" „Kommen Sie mit in die Bibliothek", schnitt ihm Betty wiederum das Wort ab, „und helfen Sie mir ein paar neue Bücher für Frau Revelsworth auswählen!"
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite