Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.05.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-05-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010522014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901052201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901052201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-05
- Tag1901-05-22
- Monat1901-05
- Jahr1901
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
DezugS'PreiS di der Hau-texpeditio« oder de» tm Gt«dt- bezirk und den Borvrte« errichtete» Ln»- aabestelle» abgeholt: vierteljährlich L.LO, bei zweimaliger täglicher Zuftelluua i»S Hau» ^l S SO. Lurch di« Post bezog«« für Deutschland u. Oesterreich: vierteljährl. L. Man abonuirt ferner mit entsprechendem Posta»fschlag bei de» Postanstalt»» i» der Lchweij, Italien, Belgien, Holland, Luxem burg, Dänemark, Schwede» und Norwegen, Rußland, de» Douaustaate», der Europäische« Türkei, Egypten. Für alle übrige» Staaten ist der Bezug nur »»ter Kreuzband durch die Expedition diese» Blatte» möglich. Die Morgen-AuSgabe erscheint um */,? Uhr, die Abeud-AuSgabe Wochentag» um k» Uhr. Ledartio« und Lrve-itio«: Jvhauntsgaffe 8. Filiale»: Alfred Hahn vorm. v. Klemm'» Gorti». Uuwersttätzstraße 3 (Paulinum), Loui» Lösche, Katharinenstr. 14, purt. »ad K»«ig»platz 7. 257. Morgen-Ausgabe. ripMtr TaMall Anzeiger. Amtsblatt -es Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, -es Nattzes »«- Volizei-Ämtes -er Sta-t Leipzig. Mittwoch den 22. Mai 1901. Anzeige« »PreiS die 6gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem Rrdacnonsftrich (»gespalten) 7» vor den Fannliennach- richten (6 gespalten) 50 Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren sür Nachweisungen und Ossertenannahme 25 (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. 2innahmeschluß für Anzeigen. Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von srüh 8 bi» Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 95. Jahrgang. Deutsche Probefahrt-Sedingungen. 1. Ick Mehrfach ist in letzter Zeit erörtert worden, wie völlig verschieden in der deutschen und der englischen Marine die Probefahrt-Bedingungen bei Abnahme von Torpedobooten sind. (Gewichtige Stimmen haben sich wieder und wieder in der eng lischen Fachpresse erhoben, z. B. noch erst kürzlich wieder Com mander Harry Jones in seiner interessanten Preisschnfi „Die besten KriegSschiffetypen für die englische Marine*, — man solle endlich maßgebende, geradezu gesagt „reellere" Probefahrten «inführen. Aber auch diesmal ist der warnende Wächterruf, ohne Gehör gefunden zu haben, verhallt. Der Dünkel, auS dem diese hartnäckige Taubheit entspringt, wird sich zweifellos dereinst im Ernstfälle bitter rächen! Vorläufig wer den die englischen Boote ihre Probefahrten an dec Themse er ledigen, mit Personal der erbauenden Werft (!), mit leerem Boot, ohne Armirung, aber mit Tide und Strom! Da ¬ gegen werden die Lei uns einzig und allein maßgebenden Ab nahmefahrten mit Marinemaschinisten- und Heizerpersonal unter Befehl von Marineofficieren und -Ingenieuren gefahren, auf offener See, — „Sturmfahrten" sind ausdrücklich ooraeschricben — und mit voller, kriezsgemäßer Belastung an Kohlen- und Keffel-Speisewasseroorrath, Armirung, Reseroetheilen, Proviant u. s. w. Das ist ein im wahren Sinne des Wortes sehr schwer wiegender Unterschied. Es bedeutet auf alle Fälle eine Differenz von 4 bis 5 Knoten, die man von den Fahrtresultaten englischer Boote abziehen muß, um ihre Geschwindigkeit mit der von deut schen Booten erzielten in Vergleich zu bringen. So seien hier die Hauptfahrten erwähnt, die in weiteren Kreisen noch völlig unbekannt sind: Gne 14stündige Kohlenmaßfahrt mit 12 Knoten Ge schwindigkeit und 67 Tonnen Kohlen an Bord; der Kohlen verbrauch darf 400 Kilogramm pro Stunde nicht übersteigen. Eine dreistündige forcirte Fahrt mit voll ausgerüstetem Boot und einem Kohlenvorrath, der für 2000 Seemeilen bei einer Ge schwindigkeit von 12 Knoten auSrricht. Die Fahrt findet in freier Ostsee bei ruhigem Wetter statt, bei glatter See und Wind stärke unter 3. Die bei dieser Fahrt zurückgelegte Wegstrecke soll mindestens 76 Seemeilen betragen, entsprechend einer Boots geschwindigkeit von 26 Knoten. Ein« ILstündige Kohlenmaßfahrt bei 15 Knoten Ge schwindigkeit. Der Kohlenoerbrauch soll 600 Kilogramm pro Stunde nicht überschreiten. Eine Sturmfahrt zur Erprobung des Verhaltens der Boote in See. Ohne Beschädigung von Schiff und Maschinen sollen die Boote mit der einer Geschwindigkeit von 18 Knoten in glattem Wasser entsprechenden Umdrehungszahl der Maschinen »ei Windstärke 7—10*) und entsprechendem Seegang vier Stunden in freier See dampfen, davon mindestens «ine stunde gegen Wind und Seegang. Stabilität und Seeeigenschaften müssen sich bei dieser Fahrt unter allen Verhältnissen als voll ständig ausreichend erweisen. Eine Maschinen-Manöverfahrt, bestehend in mehrstündiger sorcirter Fahrt mit fortwährenden Maschinenmanövern, bei der die Manövrirfähigkeit der Maschinen und ihre Stabilität durch plötzliches Ucbergihen in die entgegengesetzten Gangarten fest gestellt wird, etwa von Volldampf voraus auf Volldampf rück wärts. Eine Rudermanöverfährt zur Erprobung der Leistungsfähig keit und Festigkeit der gesammten Steuereinrichtung bei den ver schiedenen Ruderlagen und Gangarten der Maschinen, sowohl vorwärts wie rückwärts, zur Bestimmung der Drehkreise. Schließlich finden noch Proben statt mit den Dampf-Lenz pumpen, Speise- und CirculationSpumpen, mit der Heizungs- und Bentilationsanlage, der Beleuchtung und dergl. mehr. Die Erfüllung dieser Bedingungen wird peinlich genau ge fordert, aber sie konnten bisher noch stets erfüllt werden von den »vf deutscher Werft (Schichau) erbauten Booten. Auch dem Laien erhellt es, daß man auf «in so erprobte» Boot sich ohne Weiteres verlassen und ihm Alles, wenn «i darauf anÜommt auch daS Alleräußerste, noch zuversichtlich zumuthen kann; daS aber schafft der Besatzung «in unbedingtes und un gemein werthvolles Vertrauen zu ihrem Fahrzeug, ganz ab gesehen von dem dadurch erst bedingten höchsten, rechten Werth«: der Zuverlässigkeit als Waffe. Gewiß, unsere deutschen Be dingungen sind schwer — aber dafür haben wir auch mustergiltig« Torpedoboot«, anerkannt die besten aller Kriegsflotten, und da her auck ist die erst« Torpedobootswerft der Welt, allen anderen weit voran, eine deutsche! *) Das heißt nach Internationaler Scala (Beaufort) harter Wind bis starker Sturm, mit einer Geschwindigkeit von 17,S Lis 20,1 Meier in der Sekunde und einem Winddruck von 38,7 bis 102,5 Kilogramm auf 1 Quadratmeter. Die Wirren in China. Et« chinesischer Bericht Ster die Brl«geru», der Gesinde schäften t» Peking. Der Professor der Chemie an der kaiserlich-chinesischen Hoch schule in Peking, Lhuan-Sen, Hai eine interessant« Schil derung über die Belagerung der Gesandtschaften veröffentlicht, di« schon -«»halb besondere Beachtung verdient, weil sie die histo rischen Ereizniffe vom rein chinesischen Standpunkte aut be leuchtet und gleichzntig di« Ideen und Begrifft eine» auf geklärten Chin«s«n wiedergiebt. Der Herr Professor schickt Vor au», daß er s«in«n Landsleuten gegenüber einen schweren Stand- vunet hatte, weil er als aufgeklärter Mann der Wissenschaft na türlich nicht an die abergläubischen und zum größten Theil« direkt blödsinnigen Machenschaften und Ueberzeugungen nicht glauben konnte, in Hand deren z. P. di« Borer sich unverwundbar und sogar gegen den Tod gefeit machen wollten, während sie gleich- wiiig vorgaben, durch Gesang«, Beschwörungen und sonstigen Firleanz ihren Gegnern tödtlichen Schrecken zufügen können. Ltzuan - Sen war dementsprechend wegen » skeptisch«» Verhaltens »IS «in Ungläubig« und vekrllaer verschrien und erregte al» solch«! dak besondere Mißfallen de» Prinzen Tuan und seiner Borer, die verschiedentlich den versuch machten, den „Freund der fremden Teufel" auS der Welt zu schaffen, was ihnen glücklich«! W«>se aber nicht gelang. Im klebrigen zerstr«u! der Prpfess»! mit seiner Schilderung der Ereignisse in zenen denkwürdigen Tagen und Wochen jeden Zweifel (wenn ein solcher überhaupt noch vorhanden sein könnt*), vaß ein Theil der kaiserlich«» Regierung geführt und beherrscht durch den Prinzen Tuan die Boxer mit ihren An« I Hang in weitestgehender Weise durch Wort und Schrift er-1 muthizten und ebenfalls nach Kräften mit Geld, Waffen, Nah rungsmitteln u. s. w. unterstützten. Der Ausbruch der Wirren in Peking erwies denn auch einen sorgfältig angelegten und an hoher Stelle gutgeheißenen Plan. Der Herzog Lan in Person commandirte und dirigirte die Boxer in allen ihren Unter nehmungen und Operationen und predigte überall ganz un verhohlen den officiellen Krieg gegen Pie Fremden, der in ocr Vernichtung dec Gesanvischaftcn und ihrer Bewohner seinen Ausgangspunkt finden sollte, weshalb denn auch der Angriff auf das europäische Gesandtschaftsviertel trotz aller Mißerfolge immer und immer iv^Ler erneuert wurde. Die kaiserliche Po lizei von Peking setzte sogar in öffentlichen Bekanntmachungen Be lohnungen an Rangerhöhungen und Gold aus für jeden Chinesen, der einen der „fremden Teufel" gefangen nehmen und dcu chine- ischcn Behörden zuführen würde, während für die Tövtung ein zelner Ausländer ebenfalls officiell hohe Belohnungen ausgesetzt wurden. Die Erzählung des chinesischen Professors bestätigt des Weiteren, daß die Boxer unter sich nicht nur in der Organisation verschieden eingetheilt waren, sondern auch in ihren gegenseitigen Beziehungen die größte Feindseligkeit an den Tag legten. Es gab „Rothe Boxer'', die vom Norden kamen, und „Gelbe Boxer", die vom Nordwesten stammten: dieselben wurden voneinander unterschieden durch die Farbe der Einfassung ihrer Kleider. Diese Rothen und Gelben haßten sich einander fast ebenso stark, wie sie zusammen gegen die Ausländer den bittersten Haß empfanden. Unter solch' merkwürdigen Verhältnissen war es kein Wunder, daß es auch zu häufigen Kämpfen zwischen den verschiedenen Gruppen der Belagerer kam, und wenn die in den Gesandtschaften eingeschloffenen Europäer zuweilen glaubten, daß das Schießen und Schreien in der Entfernung das Hcrannahen der Ersatz truppen bedeutete, so wurden sie schmerzlich enttäuscht. Diese Differenzen zwischen den Boxern, ihrem Anhang« unter oeu kaiserlichen Soldaten und denPolizisten trugen einen großen Theis dazu bei, daß die Angriffe auf das Gesandtschafteviertel zum größten Theile völlig resultatlos verliefen und vor allen Dingen sie Eifersucht und Mißgunst zwischen den einzelnen Parteien fortwährend schürten. Andernfalls wären die 'Gesandtschaften wahrscheinlich schon nach ganz kurzer Zeit dem Ansturm der chine sischen Horden zum Opfer gefallen. Der gute Wille des Prinzen Ehing wir» auch hier wieder besonvers heroor- gcboben, indem er sein Bestes that, um die aufrührerischen Gene räle und sonstigen Würdenträger an der Ausführung ihrer Schandthaien zu verhindern, natürlich ohne Erfolg. Die neue Rtederlaffung in Amoy. Aus Shanghai, Mitte April, schreibt man uns: Ein Telegramm aus Peking meldet, daß mit Zustimmung der chinesischen Negierung eine internationale Niederlassung auf der Insel Kulangsu bei Amoy eingerichtet werden soll. Offen bar wollen die Mächte damit einer einseitigen Operation Japans in Amoy zuvprkommen. Seit den Unruhen im letzten Spät sommer, 'die mit der Zerstörung eines japanischen Tempels be gannen und dann zur Landung japanischer Truppen führten, ist die Ansicht allgemein, daß die Japaner Amoy als das zukünftige Einfallsthor ihrer auf die Provinz Fuhkien gerichteten Absichten betrachten. Die Entsendung japanischer Kriegsschiffe nach Amoy in den letzten Wochrn und die Erörterung einer Kompensation für den ruffisch-mandschurischen Vertrag durch die japanische Presse haben jedenfalls dazu beigetragen, di: Mächte zu Schritten zu veranlassen, die ihnen einen nachdrücklicheren Schutz ihrer eigenen Interessen in der Provinz Fuhkien gestatten werden. Die Ausländer in Amoy wohnten bisher auf chinesischem Grund und Boden, ähnlich, wie daS z. B. auch in Chefoo der Fall ist. Im Jahre 1896 wurden von den Vertretern der Mächte Verhand lungen wegen einer besonderen Fremdenniäverlaffung mit den chinesischen Behörden eröffnet; sie zerschlugen sich indessen damals an der Abneigung Chinas, den Fremden überhaupt irgend welche neue Zugeständnisse zu machen. Seitdem man aber den Japanern eine solche Niederlassung hatte zugestehen müssen, waren die Chine sen geneigt, auch den anderen Mächten Zugeständnisse ähnlicher Art zu machen, schon um nicht eines Tages allein der Willkür der Japaner ausgesetzt zu sein, die in der Provinz Fuhkien sehr verhaßt sind. Die dieserhalb im letzten Herbst neu eröffneten Verhandlungen haben jetzt dahin geführt, daß den Europäern und Amerikanern, die sich in einiger Entfernung von 'der auf einer Insel gelegenen und selbst für China aus nahmsweise schmutzigen Stadt Amoy auf der Insel Kulangsu angesiedrlt haben, daS Gebiet eben dieser Ansiedelung gemeinsam als Concession überlasten wird. Leid-r scheint aber auch wieder daS voll« Einvernehmen der Mächte durch ein ein seitiges Vorgehen Frankreichs, das in aller Still« Plötzlich durch die Anlage einer Kabelftation in Amoy Sonderintereffen geschaffen hat, etwas gestört zu fein. ES ist dringend nöthig, daß bei der Organisation der Frem- denniedrrlassung in Amoy oder richtiger Kulangsu die Er fahrungen nicht außer Acht gelosten werden, die in Shanghai ge sammelt sind. Da auch in Amoy zur Zeit die Engländer der Zahl nach überwiegen, würde, wenn man di« Stadtverwaltung ohne Einschränkung den Steuerzahlern überläßt, diese bald ganz englisch sei» und naturgemäß in erster Reihe nur englische Interessen vertreten. Wie wir erfahren, ist jedoch Aussicht vor handen, daß hier ein« Neuerung einge'führt wird; jedenfalls ist dem diplomatischen Corps in Peking die Angelegenheit bereits formell unterbreitet worden. Ob man nun den Interessen der einzelnen Mächte dadurch gleichmäßig gerecht werden wird, daß «ine Vertretung der Macht« nach der Kopfzahl ihrer in Amoy an sässigen StaatSangphörigen oder nach der Höhe des Antheils, den diese, sei e» an Stuern, sei e» an Zollabgaben, zahlen ckder an der Tonnage der Schifffahrt haben, ist im Grund« genommen aleichgiltig. Verhindert muß nur werden, daß die englische Mehrheit allein für sich sorgt, und die Rechte der anderen Staats angehörigen einfach unberücksichtigt läßt. Nothivrndig ist, daß von Anfang an festgesetzt wird, daß all« Nationen in der Ver waltung vertreten sein müssen und daß jede ihre eigenen Rc- präsenianken wählt. * Vcktzts, 2l. Val. (L,leg,,mm.) Im heutigen Minisi«r- «Bit lssntkgt« der NiMirpMdept Waldeck-Rousseau di« demnächfttgr Beröffentlichuug «ines GelbbacheS über die Ehinofrag« an und fügt« hinzu, dt« chinesischen Bevollmächtigten hätten der All- arenzung de» diplomatischen Viertels in Peking in Lein Umfange, wie die Vertreter der fremden Mächte ihn beschlossen, zugestimml. Der Krieg in Südafrika. Die Situation im Transvaal scheint sich neuerdings mit jedem Tage mehr zu Ungunslen der Engländer zu verschieben, indem sic trotz ihrer Uebermacht mehr und mehr auf ihre Basis Pretoria-Johannesburg zurückgedrängt werden, wobei die für das britische Hauptquartier ganz besonders verdrießliche Thaisache eine gewisse Rolle zu spielen scheint, daß die Boeren trotz der gcgenlheiligen Meldungen Kitchcner's doch längst noch nicht ihre ganze Artillerie verloren haben, sondern im Gegentheil nach wie vor im Stande sind, kleiner: und größere Geschütze zum Nachiheile d:r englischen Truppen mit gutem Er folge zu verwenden. Im östlichen Transvaal, im Bezirk von Ermelo wurde die Colonnc des englischen Brigadiers Bulloa nicht nur wiederholt von den Boeren nachdrücklich angegriffen, sondern auch zu schleunigem Rückzüge gezwungen, nachdem sic nicht unerhebliche Verluste erlitten, hatte, über welche die nächste officiclle Verlustliste des Londoner Kriegsamtcs genauere Einzel heiten. bringen dürfte. Generalcommandant Louis Botha operirt in den Bezirken von Carolina und Ermelo nach einem sorgfältig angelegten Plane, in dessen theilweiser Ausführung er in den letzten 8—14 Togen den Engländern bereits gezeigt hat, daß es längst nicht mehr in ihrer Macht steht, irgend cinen Theil des Landes dauernd zu halten und die Pläne der Boeren unaus führbar zu machen. Die nächsten Tage werden weitere inter essante Verschiebungen der ganzen Lage im östlichen Transvaal bringen, wenn es- natürlich auch in das Gebiet der Fabel zu ver weisen ist, daß, wie einige englische Kricgscorrespondenten wahr haben wollen, Louis Botha Vorhaben soll, «den Engländern eine reguläre Schlackt zu liefern, um cinen directen Vorstoß seiner seits auf Pretoria möglich zu machen und zu versuchen. In der vapcolonie nimmt die kriegerische Thätigkeit dec durch neue Zuzüge ver stärkten Boeren ebenfalls mit jedem Tage zu, wenn auch bis heute die thatsächliche Bestätigung noch fehlt, daß Christian De Wet wirklich wieder seit einigen Tagen auf englischem Gebiet: weilt und dort erfolgreich operirt. * Middcllmrg. 20. Mai. kTelegramm.) Eine bedeutende Eoncentriruug der Boeren geht in den Zuurbergen vor sich. Viele neue VocreutruppS überschreiten den Lranjesluß, nm dorthin zu kommen. Eommaiidant Foucbe fließ zu ihnen; ihre Stärke wird auf 1000—1500 Mann geschätzt. Te Wet soll über sie das Eommando haben, dies ist jedoch noch unbestätigt. (Wdrhlt.) Deutsches Reich. Berlin, 21. Mai. (Ein klerikales Selbst- porträt.) Die „Kölnische Volkszeitung" findet, daß der „neue Kampf gegen die Kirche", wie er in Oesterreich und Deutschland betrieben werde, sich ganz deutlich nach seinem Ursprünge charakterisire. „Dies Agitatiren", so schreibt das Centrumsvrgan, „in Versammlungen durch Reisrprediger, diese Tractätchen- und Flugschriftenvertheilung, die Verbreitung von Neuen Testamenten u. s. w. ist Alles so recht protestantisch- theologische Praxis, daß auch der Einfältigste die Regisseure errathen kann. In dieser Weise agitiren alte Bureaukraten nicht, auch Freimaurer . . . haben andere Methode n." — Als das rheinisch: Centrumsblatt das Vor stehende schrieb, hat cS jedenfalls die Kölnische „Protestversamm lung" vom Ostermontag vergessen. Denn in ihr hat der Haupt, redner, Herr Nikola Racke, nach dem stenographischen, in Nummer 317 der „Kölnischen Volksztg." enthaltenen Versamm- lungsberichtc ausdrücklich die Freimaurer für di: „gegen wärtige Hetze" verantwortlich gemacht, indem er sagte: „Wenn darüber noch ein Zweifel möglich wäre, so müßt: derselbe durch die Verhandlungen des im September vorigen Jahres zu Paris stattgehabten internationalen Freimaurercongresses, bei welchem ein gemeinsames internationales Vorgehen gegen die Kirche in aller Form proclamirt wurde, gründlich beseitigt werden." — Anklänge an diese Auffassung finden sich auch in zahlreichen „Protestresolutionen". Hält man die obig: Auslassung in der „Köln. Volkszeitung" der Ansicht des Herrn Racke entgegen, so drängt sich der Schluß auf, daß das führende Centrumsorgan Herrn Nikola Racke noch nicht einmal zu den „Einfältigsten" zählt. Herr Racke wird aber trotzdem fortsahren, in „Protest versammlungen" gegen die Freimaurer zu Hetzen. * Berlin, 2l. Mai. lieber den Mittellandkanal bringt die „Kreuzztg." einen langen Artikel. Man könnte fragen: wozu da» jetzt? In der Hauptsache beschäftigt sich der Artikel mit der angeblichen Absicht der Canalfreunde, die Bildung einer Actiengesellschaft herbeizusübren, welche sich von der Staat-regierung die Bauconceh'ion erwirken und sodann den Bau und den Betrieb de» Canals für eigene Rechnung übrrnebmen soll. Die „Kreuzig." stell« sich zuerst sebr zufrieden über die Aussicht, daß auf diese Weise der Canalstreit au» der Welt geschasst werden konnte; die Erörterung ver kauft indeß sehr bald in eine Darstellung der Geringfügigkeit der AuSsichteu, sowie der Schwierigkeiten eines solchen PrivatunternebmenS; in dieser Hinsicht ist e» sür den Artikel bezeichnend, daß «r den Vorschlag macht, „der zu bildenden Actirngrsellschafk auch den nun endlich f-rtiggestellle» Dort» Niund-üms-Caual käuflich zu überlasse», vielleicht^u»r halben Selbstkostenbetrag; damit würde der ^taat noch «in gutes Geschäft machen". Interessant ist besonder« der folgende Satz der „Kreuzztg.": Wenn es keinem Zw«tsel unterliegen kann, Laß die Stimmung im Land« ganz überwiegend gegen den llanal gerichtet istk?), wenn ferner in Betracht gezogen wird, daß die im Jahre IV03 statt« findenden Neuwahlen zum Abgeordnetenhause voraus« sichtlich unter dem Zeichen de» Conol» stehen nnd nur zu «iner Verstärkung der canakgegnerlschen Mehrheit führen werden, so läßt sich auch von einer etwaigen Wi'dereinbringuiig der Lanalvorlnge, worauf die Canalsrrunde jetzt schon hinzuarbeiten scheinen, kaum ei» anderes Resultat erwarten. In, Gegeysatz zu der „Nat.-Ztg." z. B., die den guten Glauben der „Kreuzztg." an die mysteriöse Canal-Act icn- Gese lisch ast al» vorhanden anzunehmen scheint, hat man wohl Ursache, die „Kreuzztg." intellectnell nicht s o lirs ein zuschätzen. Die ganze Sache läust einfach auf die Absicht der DiScreditirung und Verulkunz des CanalprojectS hinaus. Klug kann man daS freilich auch nicht nennen. * Berlin, 21. Mai. Zur Po len Politik bat StaatS- minister von Miquel sich in einem Schreiben geäußert, das an „eine hervorragende Persönlichkeit der Stadt Posen" gerichtet ist und vom „Posener Tagcbl." im Aus züge wie folgt wiedcrgegeben wird: „Andere nur aus Ihrer Provinz zugegaiiqeiie Briefe drücken die Besorgnis) aus. als konnte in Folge meines Austritts aus dem Staatsdienst irgend eine Aenderung in der bisherigen Politik der Staalsregiernng und ihrem zielbewußteu Vorgehen in der nationalen Frage des Ostens eintreten. Eine solche Besorgniß halte ich für ganz unbegründet. Die culturelle Hebung des Ostens und ius- beiondere die Kräftigung des DeutschthumS in den national gemischten Bezirken hatten die großen preußischen Könige namentlich im vorigen (?) Jahrhundert in vollem Maße als eine der wich tigsten Ausgaben Le» Staates erkannt und thatkrästig wie «rfolgnich in Angriff genommen. Die französische Revolution mit ihre» Folgen, die Freiheitskriege, die folgenden Zeiten der äußersten GelLknappheir, vielfach auch »langclhaftcs Versländniß in ver schiedenen Perioden, dann die Kriege von 1864—1871, die Gründung und der AnSbau Les deutschen Reiches u. s. w. haben diese Be strebungen der preußischen Könige mehr und mehr in den Hinter grund gebracht. Alles dieses ist jetzt aber anders geworden. Ter Staat kann die erforderlichen Mittel aufwenden, die Nothwendigkeit festen Eingreifens ist überall anerkannt. Ta ist kein Schwanken mehr möglich und auch nicht zu befürchten, und meiner Ueber- zeugung nach können hierüber die Deutschen der Provinz Posen vollkommen ruhig sein. Wir wollen ja keinen Krieg gegen die Polen, wir kämpfen für den Frieden; aber wir wollen, daß deutsche Cultur in diesen Landen gedeiht, daß die Deutschen in preußischen Provinzen ihrer Nationalität sicher sind, daß die Polen getreue deutsche Unterthanen werden und ihren Blick nicht nach außen, sondern nach innen richten, dort ihr Glück suchen, wo sie es bisher empfangen haben. Das Ziel wird nicht in kurzer Zeit erreich: werden. Die Polen müssen erst einsehen. Laß ihre Hoffnungen un erreichbare Illusionen sind, daß sie sich selbst mit der Jagd nach denselben am meisten wehe thuu, und die Deutschen müssen es vor Allem nicht fehlen lassen an der unentwegten Bethätigung festen National» und Staatsgesühls." Di: „Nat.-Ztg." bemerkt dazu: Ten Schlußsätzen können wir nur unbedingt zuslimmen. Die geschichtliche Darstellung in dem Schreibe» ist aber unseres Erachtens allzu summarisch. Auck im l9. Jahrhundert waren die vorausgeganzenen Be strebungen zur Kräftigung des Deutsckthums in den national gemischten Bezirken keineswegs so vollständig in den Hinter grund getreten, wie es nach rcr obigen Darstellung scheinen könnte. Die Flottwelt'sche Verwaltung in der ersten, die BiSmarck-Falk sch« Politik in der zweiten Hälfte deS Jahrhunderts entsprach jenen ältere» Ueberlieferunzen. Aber diese sind allerdings wiederholt in vcrbängnißvoller Weise unbeachtet gelassen worden, daS letzte Mal in den ersten neunziger Jabrcn, als es — Herr von Miquel war bereits Mitglied des Staatsministeriums — unter Caprivi wieder einmal mit der „Versöhnung" der Polen versucht, Herr von KoSciclSki als preußischer Patriot^ gefeiert, der ehemalige polnische AgilationSpolitiker von Ltablewski als Erzbischof zugelasscn wurde u. s. w. Zn den letzten Jahren seiner Amtsführung hat Herr von Miquel allerdings in der entgegengesetzten Richtung gewirkt. * Berlin, 2l. Mai. «Eduard Bernstein über den „ wissenschastlichcn" S oc i a liö m ns.) In der Social- wisscnschaf tlichen Studentenvereinigung hielt der Opportunist unter de» geistigen Führern des SocialismuS in der Gegenwart, der Schriftsteller Eduard Bernstein, einen eingehenden Vortrag über daS Tbema: „Ist wissen schaftlicher SocialismuS möglich?" An der Versamm lung, die einen nicht öffentlichen vereinsmäßigen Eharakter trug, hatten sich etwa 800Hörer, meist Studenten, im Saal desHand- werkerverriuS in der Sophienstraße eingesunden. Unter den anwesenden Damen bemerkte man Lilli Braun und Ankere. Es gab nichts weniger als eine „Sensation"; der ganze Abend trug ein schlicht akademische» Ge präge. Bernstein ist kein guter Redner, aber trotz einer ihm anhaftenden leisen Schüchternheit eine eindrucksvolle Persönlichkeit. Im Anschluß an eine ihm vorliegende schriftlicke Ausarbeitung beleuchtete er die mannigfachen socialistischen Theorie», die im letzten Jahrhundert aufgetaucht sind, jede den Anspruch erhebend, eine wissenschaftliche Basis zu bedeuten sür den socialen Aufbau. Aber keine dieser Anschauungen, weder die Katastrophcntheorie, noch die der Verelendung, noch auch das cbcrne Lohngesetz blieb ohne leidenschaftliche Befehdung. Tie Kritik vermöge diesen wir den übrigen wisscnsckastlicken Tbeorien de» Socia- tiSmus nur den Werth von halben Wahrheiten zuzuerkennen. Sie bedürften ausnahmslos einer Reform. Bernstein kommt zu dem Ergebniß: Der SocialismuS als Factor der Parteibewegung kann und soll nicht wissen schaftlich fundamentirt werden. Die Wissenschaft hält e» mit der streng empirisch orientirtrp Defi nition, sir verarbeitet di« Thatsachen. Der SocialismuS dagegen gebt von den LebcnSinteresscn ter Menschen au» und ist wesentlich praktisck gerichtet: er zielt auf Parteibildung ab, während e» die Wissenschaft mit rein inneren Vor gängen zu tl'iin bat. Darum sollte man, so betonte der sacialistiscke Schriftsteller, den Namen „Wissenschaft, lickrr SocialismuS" turch den zutreffenderen ersetzen „Kritischer SocialismuS". — Nach einer P«use schloß sich an den Vortrag eine Diskussion, die sich bis noch Mitter nacht auSdchnle. Es sprachen der Statistiker an der Berliner Universität^Prosessor v. Bortkiewicz, Professor Küste«», Di. Fran; Opprilheiincr und besonders eingehend Geheim rath Adolf Wagner, der sür die Würdigung dc» in seinem Kern nicht preiSzugebenden ehernen LohnzcsetzcS im Anschluß an Ricardo und MallhuS lebhaft eintrat.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite