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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.05.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-05-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190105266
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19010526
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19010526
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-05
- Tag1901-05-26
- Monat1901-05
- Jahr1901
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.05.1901
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Dafür scheinen sich unsere Krieger in Ostasten die in dem ungastlichen Lande verkümmerte Festfeier mit dem Tröste versüßen zu dürfe», daß das chinesische Unternehmen nun doch in Liquidation zu treten beginnt. Jnnerpolitische Festgedanken auSzuspinnen, versagen wir unS. Zu Pfingsten ergoß sich der Geist, im heutigen Deutschland herrscht sein Widerspiel, daö römische Wesen. Während in katholischen Ländern, in Oesterreich, Spanien, Portugal, der UltramontaniSmuS seine Herrschaft zu ver- theidigen sich gezwungen sieht, ist man in der Heimath der „Ketzer" dabei, ihm die letzten Festungen zu übergeben. Wie gleichgiltig und verständnißloS weite Volkskreise dem Vordringen des KlerikaliSmuS gegenüberstehen, hat neuerdings die Sorg losigkeitgezeigt, mit der die in den sogenannten Toleranzanträgen des CentrumS verkörperte Jesuitenschlauheit unbeachtet geblieben ist. Dabei hatte diese „tolerante" Partei kurz vorher den Altkatholiken auch ein Minimum von Duldung ungescheut versagt. Und die Regierungen! Soeben schreibt die „Germa nia" zu der Angelegenheit der katholischen Facultät an der Universität Straßburg: „Die „Nationalzeitung" ist von dem Projecte der Errichtung der Facultät besonders aus dem Grunde wenig erbaut, weil bei der Errichtung der Facultät in der dortigen philosophischen Facultät eine Professur der Geschichte und eine solche der Philosophie mit einem Katholiken besetzt werden müßte. Die „Nationalzeitung" mag sich beruhigen. Dir beiden genannten Professuren kommen auf jeden Fall zu Stande, auch ohne Facultät. Mit dieser Thatsache werden sich die Herren Liberalen schon ab finden müssen." Die Klerikalen sind ihrer beiden „Katholiken", d. b. Ultra montanen, denen wissenschaftliche Forschung oder die Lehre der gewonnenen Erkenntniß bei Strafe der Excommunicatiou verboten ist, so sicher, daß sie die Vertreter des wissenschaft lichen Betriebes an deutschen Hochschulen schon urit Hohn zu überschütten beginnen. Sie erlangen Alle-, auch ohne Canal. Die „Germania" meintt dieser Tage, „VaS Königreich' Sachsen bedeute ei« Sibirien für die Katholiken", eine Wendung, die un« al» Prachtpxohe jesuitischer Rhetorik erheiterte. Aber freilich, wenn man unser Land mit Preußen vergleicht, findet man einen kleinen klimatischen Unterschied. Preußen bedeutet für den UltramontaniSmuS ein Paradies, in dem eS die Regierung der Sonne nicht einmal allein überläßt, goldene Früchte für Rom zu zeitigen; sie züchtet solche auch künstlich. Wenn wir am Feste auf etwas Erfreuliches zurückblicken dürfen, so ist e» die allerdings noch der Ergänzung bedürftige Erklärung deS württembergiscken Finanzministers, innerhalb der Regierungen seien die Hindernisse, die bisher einer Reichsfinanzreform entgegenstanden, beseitigt und die Regierungen seien entschlossen, die Reform mit allen Mitteln zu betreiben. Und es ist ferner der Sieg, den der Gedanke der deutschen Einheitsmarke selbst in den harten Köpfen der particularistischen Demokraten in Württemberg errungen hat. Nur empfiehlt sich kaltes Blut. Die Schwierig keiten sind auch in dem schwäbischen Königreiche noch nicht alle behoben und in Bayern bat das gemeinsame Postzeichen noch gar keine Aussicht. Dort ist die Angelegen heit bekanntlich erst vor Kurzem durch eine rührende Berliner diplomatische Naivität sozusagen auS freien Stücken verfahren worden; aber auch ohne dies: die ganze deutsche Situation ist der wünschenSwerthen Neuerung in dem großen süd deutschen Lande nicht günstig. Man erinnere sich doch nur, daß selbst bayerische Handelskammern sich für die Beibehaltung der Particularmarke ausgesprochen haben. Jedenfalls sollte man sich hüten, die Sache mit zu viel Eifer zu betreiben, auch publicistisch zu betreiben. Dieser Apfel muß allein reifen, und daß er in Württemberg von selbst dem Abfallen näher gekommen ist, sollte zur Geduld mahnen und mcht zum Gegentheil. Ganz anders als mit den Reservat-Briefmarken zweier Staaten verhält eS sich mit der sehr mate riellen Frage der Regelung des Verhältnisses deutscher Staatseisenbahnen unter einander. Hier handelt eS sich vor Allem um Geld und geldeSwerthe Leistungen, um Interessen, die sich tbeilweise noch feindlich gegenüber stehen. Es wird noch viel Wasser die Spree, die Elbe, den Neckar und gar die Isar hinabfließen, «he auf diesem Gebiete etwas Erkleckliches geschehen kann. Die Be gründung von Eiseobabngemeinschastcn mit größeren Staaten ist schwer, die Durchführung eines ReichSeiseabahnsystemS nicht leichter. Wie wir mitgetheilt haben, hat die preußische Regierung soeben officiös in einer historischen und finanzpolitischen Betrachtung weitläufig auSeinandersetzrn lassen, daß da» ReichSeisenbahnproject, wenn man es über haupt aufnehmen könnte, ein viel anderes Gesicht haben würde al» 1876, wo Bismarck eS sozusagen auf tabula r»8L vergeben- betrieb. Die Auseinandersetzung war schön, aber unnöthig. Man ist außerhalb Preußens nicht so un klug, um den Unterschied selbst zwischen dem zweit größten deutschen Eisenbahnnetz und dem preußischen unbeachtet zu lassen, und auch nicht so unwissend, um die Bedeutung zu verkennen, die den Erträgen aus den Eisenbahnen aerave in Preußen zukommt. Dies sind jedoch praktisch« Verschiebungen gegen Einst. Grundsätzlich hat sich 1876 nicht» geändert, vor allen Dingen ist Preußen die deutsche Vormacht mit den Rechten, aber auch den Pflichten dieser Stellung geblieben. Darüber braucht man sich jedoch noch laage uicht »u unterhalten. Graf GoluchowSki hat sich wenig menschenfreundlich gezeigt. Er sprach von der „Arbeit gewisser wohlbekannter Elemente", welche die Frage de- politischen Allianzverhält- nisse« in directen Connex mit dem Abschluß einstiger (d. h. künftiger) Handelsverträge bringen möchten. N!S solch« Elemrntc sind auch die deutsck-freihändlerischen Zeitungen bekannt und diese Aermsten mußten die Tage vor Pfingsten mit darauf verwenden, im Schweiße ihres Angesicht» „nachzuweisen", daß der erste Minister des benach barten Dreibundstaates sie nicht deSavouirt habe. Die Sprache des Grafen GoluchowSki war aber zu deutlich, als daß die Umdeutungsversuche gelingen konnten. Er findet zwar nicht, „daß ein förmlicher wirthschaftlicher Kampf sich ganz gut mit politischer BundeSbeziehung vertrage" — wer wäre auch so thöricht, diesen Glauben zu hegen! —, aber er nennt eS eine bedenkliche Theorie, wollte man die hohe „politische Ziele verfolgenden Bündnisse (also den Dreibund) von einer unbedingt zufriedenstellenden Gestaltung der handels politischen Fragen geradezu abhängig machen", und schließlich kehrt der Minister den Spieß um. Die systematischen Ver hetz», die Verführer breiter Volksschichten, die die Lehre verbreitet: ohne Handelsverträge keine politischen Verträge, die Leute, die die Dreibundverträge als „einfache Com- pensationSobjecte für wirthschaftliche Abmachungen auSspielen", sie sind eS, die den Dreibund und seine Friedenspolitik ge fährden. Nun ist eS auS mit der schönen und bequemen Theorie: „Wer die lanvwirthschaftlichen Zölle erhöht, ruinirt den Dreibund, isolirt Deutschland, stürzt uns schließlich in aussichtslose Kriege". Nachträglich berichtigt Graf GoluchowSki übrigens auch die officielle deutsche Auffassung von 1892, die dahin ging, Deutschland müsse Handelsverträge mit Oesterreich und Italien schließen, „um die Bundesgenossen wirtbschaftlich zu stärken". Die Rede des Leiters der öster reichisch-ungarischen auswärtigen Politik ist uicht nur von großem Werthe, weil sie der „systematischen Verhetzung" ihr dankbarstes Argument entwindet, sie wird auch insofern praktischen Nutzen stiften, als sie in geradezu klassischer Weise die Bedeutung von Handelsverträgen I auf das richtige Maß zurücksührt. Das Wort von der I „rettenden That" wird nun nicht ein zweites Mal gesprochen > werden. Die Stimmen, die die Freisinnigen im Wahlkreise Greifswald-Grimmen den Conlervativen abgenommen zu haben scheinen, wiegen jedenfalls die Gvluchewski'sche Dar und Klarstellung nicht auf. Es ist übrigens die Frage, ob der Gewinn auf Abneigung gegen Gctreidezollerböhung zurückzu führen ist. Allerdings haben bäuerliche Ortschaften überwiegend für den sehr freihändlerischen Herrn Gothein gestimmt, aber die svcialdemokratischen Stimmen sind zurückgegangen; zudem weiß man, daß bei einer Nachwahl die im Besitze befindliche Partei die lässigste ist. Für den Canal läßt sich das Wahlergebnis jedenfalls nicht in Anspruch nehmen. Denn Herr Gothein ist selbst früher ein Canal-Saulus gewesen und zum Paulus erst geworden, nachdem man für sein Heimathland Schlesien „Compensationen" geboten. Schon deshalb wird eS auch den Beamten nicht schlimm ergehen, die für den Conservativen offen agitirt haben. Der Krieg in Südafrika. Pretoria unter euglischcm Regiment. Von einem gefangenen Mitkämpfer der Boeren wird uns geschrieben: Die Engländer trieben es in der ersten Zeit ihrer Besetzung von Pretoria geradezu toll, was auch wohl schon zur Genüge in der ganzen civilisirten Welt bekannt geworden ist. Ich hatte mich auf Manches gefaßt gemacht, aber bas, waS ich vorsand und später selbst mit ansehen mußte, über traf thatsächlich alle Erwartungen. Ein auSgebreitctes Spionagesystem machte die ganze Stadt unsicher, und der Privatrache der in Pretoria ansässigen Engländer war natür lich Thür und Thor geöffnet, welch' günstige Gelegenheit sich die von Natur rachsüchtigen Söhne Nlbionö nicht entgehen ließen, um in der gemeinsten angeberischen Weise an vielen friedlichen Boerenfamilien ihr Müthchen zu kühlen. Die Cordua-Affäre ist immer noch in aller Munde und sie wird auch für alle Zeiten ein Merkmal englischer Gerechtigkeits liebe und britischen GroßmutbS in Südafrika bleiben. Das Straßenbild der Stadt ist vollständig verändert und man sieht fast nur noch englisches Militär und Kaffern. Letztere haben sich in ihrer Rolle als neugebackene englische Unterthanen sehr schnell hineingefunden, tragen mit Vorliebe englische Käppi» rc. und benahmen sich mit einer solchen Unverschämtheit, selbst gegen englische Soldaten, daß ich die unter der Boerenherrschast in sklavischer Unterwürfigkeit und in steter Angst vor demSjambock lebenden Geschöpfe garnichr wieder erkannte. Die durch die Straßen stolzirenden Soldaten und Osficierc boten für einen au die straffe Haltung des deutschen Mili tärs Gewohnten einen mehr als eigenthümlichen Anblick. Nachlässig in Kleidung uud Haltung schlenderten sie daher, jeder mit einem mehr oder weniger dicken Knüppel bewaffnet. Ohne Gruß gingen die Soldaten an den Officieren vor über, als wenn sie sich gegenseitig gar nichts angingen. Einige Paraden, welche Lord Robert» und später Lord Kitchener abhielten, habe ich mit angesehen. Sie boten stet» ein ganz besonders komisches Bild, so daß eS mir nie recht klar geworden ist, WaS daS britische Hauptquartier mit der Vorführung solcher Jammersccnen eigentlich beabsichtigte. Die alten Stammregimenter, mit denen anfangs allenfalls noch zu paradiren war, batten längst den großen Nach schub von rohen, unausgebildeten Mannschaften er halten und saben durchweg wie schlecht gepflegte undiSciplinirte Räuberbanden aus. Ganz besonder» toll präsentsten sich die schottischen Hochländer nut ihrer National tracht, dem Kilt, der in schamhafter Weise mit einer khaki farbenen Schürze bedeckt wurde. Auch dies« Bataillone be standen fast nur noch auS kleinen, krummbeinigen und auS- gemergelten Soldaten, in denen auch nicht eine Unze von Kampfe-freudigkeit und wirklicher Disciplin zurückgeblieben zu sein schien. Ein anderes Moment, welche- mir nicht gerade besonderen Respekt vor der in der britischen Armee herrschenden Zucht !und Sitte einflößen konnte, war die stiermäßize Betrunkenheit der Soldaten, der man auf Schritt und Tritt begegnete. ES ist Wohl entschuldbar, wenn die Mannschaften nach langem Aufenthalt im Felde einen guten Theil ihrer aufgrsparten Löhnung in der Hauptstadt zu einem tüchtigen Trunk verwenden, aber daß sie am Hellen lichten Tage gleich zu Dutzenden steif wie die Stöcke im Rinnstein und selbst mitten auf der Straße lagen, war denn doch etwas zu stark. Geld spielte bei den Leuten gar keine Rolle, sie verschwendeten es mit vollen Händen, da sie doch niemals wissen konnten, ob sie nicht schon morgen am Ende ihrer irdischen Carriers angelangt sein würden. Außerdem drohte fortwährend der schleichende Firbertod, überall roch es nach Carbol und Lysol, und bei nahe stündlich passirte ein militärisches Begräbniß die Hauptstraßen ter Stadt. Eine Unmenge Hospitäler waren ctablirt worden, in denen die wohl schon sattsam bekannten „LadieS" aus England ihr Unwesen trieben und fick zu einer wahren Pest herausbildeten, indem sie unter dem Vorwande ter Krankenpflege sich amüsirten und mit den jungen Officieren dummes Zeug trieben, als wenn sie daheim in London im Ballsaale oder im Theater wären. Barmherzig waren sie sebr, diese Damen, aber meistens nur gegen gesunde Officiere. Und dabei nahm der Krieg draußen ununter brochen seinen Fortgang. Australische Freiwillige. Aus Sydney wird geschrieben: „Gestern haben die letzten Ablösungsmannschaften für die australischen Abtheilungen in Südafrika unseren Hafen auf dem Transportschiffe „Antillian" verlassen. Am vorhergehenden Tage wurde diese Bande (eine weniger drastische Bezeichnung wäre kaum paffend) nach dem Schiffe gebracht, und der Marsch nach dem Hafen glich mehr einem Carncvalszuge, als dem Ausrücken einer disciplinirten, anständigen Soldatentruppe. Da die Mannschaften keine Aus rüstungen zu tragen hatten (sie erhalten diese erst in Südafrika von der englischen Regierung), so spielte der eine die Zieh harmonika, der Andere schleppte den Regimentshund oder unnützes und unmilitärisches Geräth, während die meisten ge füllte Schnapsflaschen schwangen oder auch ein oder mehrere Frauenzimmer an den Armen hängen hatten. Kurz und gut, dieser Abmarsch unserer berühmten Freiwilligen war ein richtiges Pandämonium von schwerbetrunkenen, Lbermüthigen und zügel losen Menschen jeden Charakters und jeder Herkunft, denen der Begriff Disciplin vollständig fremd war. Und das nennen unsere Zeitungen und Volksredner die Blüthe unserer nach Südafrika gesandten Truppen. Man mußte die Leute eben in gutem Humor halten und ihnen gegenüber beide Augen zudrücken, denn die Auswahl an Freiwilligen war thatsächlich bei Weitem uicht so groß, als sie überall officiell und officiös mit so viel Triumph behauptet wurde. Was da mit diesem letzten Nachschub an zweifelhaften Charakteren und ausgesprochenen und notorischen Spitzbuben und Verbrechern nach Südafrika gesandt wurde, kann auf jeden Fall nur zur Unehre der britischen Waffen als Soldat verwendet werden, und wird auch schwerlich jemals einen nur einigermaßen respectablen „Gentleman in Khaki" abgeben. Aus wirklicher Begeisterung für den südafrikanischen Krieg oder für die Sache Großbritanniens meldet sich hier schon längst kein Mensch mehr freiwillig zum Waffendienste, und es ist nur der hohe Lohn und die officielle englische Schönfärberei, welche überhaupt noch Freiwillige anziehen." ll. VV. London, 24. Mai. An der Börse wird bestätigt, daß sämmtliche britische Randminen»Gesellschaften bereits feste Ver einbarungen getroffen haben, wonach sie ein Syndicat bilden werden, welches für sämmtliche Minen die erforderlichen farbigen Arbeiter liefern soll. Man will auf diese Weise Arbeitslohn und Arbeits bedingungen für sämmtliche in den Minen beschäftigten Eingeborenen einheitlich regeln, d. h. jede Ueberbietung und Höhertreibung der Arbeitslöhne verhindern. Das Colonialamt habe In Rücksicht darauf, daß den Minen eine höhere Besteuerung auferlegt werden soll, die Absichten des Syndicats als durchaus berechtigt anerkannt. * London, 25. Mai. Eine Drahtung des „Standard" auS Middelburg meldet, daß die combinirte Bewegung unter Blood zwecks Umzingelung der Streitkräfte Botha's im Nord osten von Transvaal reißende Fortschritte mache. Viljoen erreichte einen Punct unweit Bethel. Ter Feldcornet Viljoen gelangte mit einem beträchtlichen Commando in daS Gebirge hinter Carolina. Bei Annäherung der seine Flanke bedrohenden britischen Coloune Mittwoch Nacht versuchte er die Eisenbahn zu überschreiten, um sich Tebeer's Commando unweit Sabi auzuschließen, wurde aber mit Verlust zurückgeworfen von den Colonnen unter den Generalen Blood und Beatson. (Boss. Ztg.) Die Wirren in China. Die Truppen der Verbündeten; «ras Waldcrsce. Das Kabel meldet aus Shanghai unter dem 21. Mai: „Die widersprechendsten Meldungen und Gerüchte über die weiteren Pläne und Absichten der Verbündeten in Peking treffen hier mit jedem neuen Tage ein, und es wird immer schwerer, sich ein getreues Bild über die wirtliche Lage zu machen. Bald heißt es, die Truppen der Großmächte würden bereits binnen Kurzem bis auf kleine Gesandtschaftswachen und entsprechende Be satzungen an der Verbindungslinie und Eisenbahn zwischen der Hauptstadt unv Tientsin zurückgezogen und nach Hause befördert werden,, und bald verlautet wieder ganz bestimmt, daß Graf Walderse« weitere Operationen eventuell nur mit deutschen Truppen beabsichtigt, die übrigens zum Theil die völlige Billi gung der meisten anderen Mächte finden sollen. Die sensatio nellen Meldungen des „Times"->Correspcndentcn in Peking, welche dem Fcldmarschall und seinen deutschen Truppen in so lächerlicher Weise die ganze Schuld an der langwierigen Ver- fchleppung in den eirdgiltigen Arrangements in die Schuhe schieben wollen, erregen hier fast allseitig Verdruß und schärfste Verurtheilung, weil sie bei den Chinese»! die nur zu schnell über alle derartigen unklugen Gehässigkeiten informirt werden, nur den unvoitheithaftesten Eindruck Hervorrufen können. Einsichtsvolle und vernünftige Ausländer wissen nämlich dem Grafen Walder see nur den größten Dank dafür, Daß er unter so ungeheuren schwierigen Umständen es jeder Zeit auf das Beste verstanden hat, in seiner Person, wie in seinem officielle» und privaten Auftreten und in allen seinen Entscheidungen das Prestige der Verbündeten in der vornehmsten und Vortheilhaftesten Weise zu (bahren und immer als Grundidee zu behandeln wußte. Er soll übrigens L i - H u n g - T s ch a n g die bestimmte Erklärung abgegeben haben, daß seine Truppen Peking nicht «her verlassen werden, bis der kaiserliche Hof nach der Hauptstadt zurückgekehrt ist und bis der Kaiser selbst ihn, den Feidmarschall, in persönlicher Audienz empfangen Hai, was jedenfalls außerordentlich viel Whrscheinlich- kit für sich hat. Im Uebrigen muß weiter geduldig abgcwartet werden, was die nächste Zeit an Ueberraschunzen dringen wird/ * Washington, 25. Mai. (Reuter's Bureau.) Der russische Gesandte Graf Cassini hatte eine einstündige Unterredung mit dem Unterstaatssckretär Hill. Nach einer halbamtlichen Mitthrilung wird Rußland den Vorschlag, chinesische Obligationen zu dem bereits erwähnten Zinssätze anzunehmen, oblehne», eS sei den», die Mächte garantirten dafür. Die Bereinigten Staaten halten eS für unmöglich, einer solchen Garantie zuzustimmen. Man glaubt hier, China werde nunmehr die ganze geforderte Entschädigung zahlen oder wenigstens sich verpflichten müsse», sie zu zahlen; denn im Uebrigen zweifelt man hier daran, daß China im Staude ist, sie zu zahlen. * Berlin, 25. Mai. („Wolff'S Telegr.-Bureau.") Die in Lstasien befindliche Linienschiffs-Division, di« au» den Schiffen „Kurfürst Friedrich Wilhelm", „Braudenburg", „Weiße»- bürg", „Wörth" und „Hela" besteht, hat telegraphisch Befehl «» halten, die Heimreise anzutreten. * London. 25. Mai. „Daily Mail" meldet auS Peking vom 23. Mai: Der russische Gesandte von GierS schlug in der Versamm lung der Gesandten vor, die Seezölle auf zehn Procent zu erhöhen. Ferner schlug er vor, daß die Mächte gemeinsam Garantie für eine chinesische Anleihe übernehmen sollten, und wider sprach nachdrücklich jeder Erhöhung der Landzölle. — Der „Daily Mail" wird vom 24. d. M. aus Paris gemeldet, Frankreich unter stützt kräftig den russischen Antrag bezüglich der Anleihe. Deutsches Reich. L Leipzig, 25. Mai. (Arbeiterlöhne, Arbeiter vereine und Socialdemokratie.) Die „Sächsische Arbeiterztg." versteht es, den Berichten der sächsischen Fabrik- inspectoren zu entnehmen, daß dir Kosten der wirthschaftliche« Depression „in erster Linie" die Arbeiter tragen müssen. »Zur Zeit der geschäftlichen Hochfluth", schreibt da« Socialistenblatt, «werden sie bis zur Erschöpfung au»gebeutet und in der GeschäftSslaue wirft man sie aufs Pflaster, kürat ihnen die Löhne und stößt sie in Noth und Elend." — Also die „Sachs. Arbeiterztg." in ihrer Nummer 118. AuS ihrer Nummer 115 indessen geht erfreulicherweise her vor, daß es mit dem Elend der sächsische» Arbeitet gottlob nicht allzu schlimm bestellt ist. Tenn auS der Umgcbuiig Dresdens schreibt man dem genannten social demokratischen Blatte daS Nachstehende: „Die Vereins meierei treibt hier auch zum Schaden der modernen Arbeiterbewegung ihre Blüthe», fast unzählig sind Rauch-, Schieß-, Doppelkopf-, Scat-, Billard-, Grünunter« und Kegel clubs. Welche vielen Opfer für solche Zwecke verwendet werde», ist wohl sehr erklärlich, und daß mau infolgedessen sehr wenig Zeit und Geld für unsere Presse, Partei und Gewerkschaften hat, ebenfalls. Besonder» auffallend ist, daß man hier in Wedeln öffentlichen Local ein und mehrere Mund harmonika - Clubs vorfindet, die in ihrer Zusammen setzung meistens nur auS jungen Männern de- arbeitenden Volkes bestehen ... Zu all den vielen Clubs uud Vereinen gründet man immer noch neue, so auch einen Turnclub und Gesangverein, und Parteigenossen, die dieses zersplitternde VereinSlebcn hindern sollten, unterstützen diese Vereinsmeierei." — Hieran schließt sich eine bewegliche Ermahnung, zu Gunsten der svcialdemokratischen Presse, der socialdcmokralischen Gewerkschaften, der Arbeitervereine uud der Partcilocale die parteilose Vereinsmeierei zu unterlassen. Ist die Klage über die zahllosen Vergnügungsvereine der Arbeiter für die Schilderung des „Elends" der sächsischen Arbeiter charakteristisch, so ist da» Motiv zu jener Klage überaus bezeichnend für die Socialdemokratie. Nicht damit die wirthschaftliche» Verhältnisse des einzelnen Arbeiter« vor Schädigungen bewahrt werden, ist die Klage über die maß lose Vereinsmeierei erhoben worden, sondern lediglich iw Interesse der socialdemokratischen Partei. DaS ist die Social politik deö Zukunftstaates! -v- Berlin, 25. Mai. (DaS bayerische Centrum und der Reichsgedanke.) DaS officielle Organ der bayerischen Centrumspartei giebt der klerikalen „Neichsverdrossenheit" in ungemein bezeichnender Weise Ausdruck. Wegen bestehender „Ausnahmegesetze", wegen der „Imparität" im Beamtenthum und wegen der „Protestant!- sirung Deutschlands" durch Preußen soll eS Niemand wunder nehmen dürfen, „wenn Neichsverdrossenheit und Pessimismus unter den Katholiken überhandnchmen." — Dem protestan tischen Theile der Bevölkerung Deutschlands spricht da bayerische CentrumSorgan das gleiche Recht nr wegen der socialen Zustände und deS Steuerdruck». Die Frage aber, wer au all' dem die Schuld trägt, beantwortet das CentrumSblatt mit den klassischen Worten: „Fürst Bismarck, dem, al» er noch im Amte war, bei aller Ge- waltthätigkeit nichts mehr recht gelingen wollte, hat selber die Hcmptursache deS ganzen Elend-, die Verfeindung der europäischen Nationalitäten und den ungeheuerlichen wie unabänderlichen Militarismus ins Leben gerufen." — So weit Verfeindungen der europäischen Nationalitäten und sonstige staatliche Gegensätze während de- Ministerium« Bismarck ihre Wirkungen äußerten, sind sie ganz gewiß nickt von BiSmarck bervorgebracht worden. Wie der Antagonismus zwischen Oesterreich und Preußen anderthalb Jahrhunderte alt war, als er zu rndgiltigrm AuStrag« ge bracht wurde, so muß auch die Verfeindung zwischen Deutsch land uud Frankreick auf jahrhundertelange Gegensätze, auf den Geist Ludwig» XIV. zurückgesührt werden, dessen Träger zu verschiedenen Zeiten verschiedener Art gewesen sind, dessen Wesen aber alle Zeit das gleiche blieb. Vom nationalen Gegensätze Deutschlands zu Dänemark läßt fick beim schlecktesten Willen nicht behaupten, daß er durch BiSmarck „inS Leben gerufen" sei. Dasselbe gilt von den großen Gegen sätzen, die zwischen Rußland auf der einen Seite, Eagland, Oesterreich-Ungarn und der Türkei aus der anderen Seite sich herausgebildet haben. WaS aber den Vorwurf betrrff«
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