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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.05.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-05-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010529025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901052902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901052902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-05
- Tag1901-05-29
- Monat1901-05
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Rach einer Tepcsche des „Petit bleu" aus Haag vou 8UhrAbends ist dort eine amtliche Tepcsche eiugegangcn, weiche einen bedeute» de» Sieg meldet, deu die Bocren am 2. ds. bei Kalkheuvel, in der Nähe von Pretoria, errungen haben. Die Boercn standen unter dem Oberbefehl Bcher'S, eines Unterbcfehls- -abcrS Delarey'S, «nd unter dem Befehl Breitcnbach's. Tie Engländer verloren 4S Todte, 15S Ver wundete, 60V (Scfangene und 6 Geschütze. Wir können die Glaubwürdigkeit deS „Petit blen" nickt bcurtheilen, aber ein Umstand scheint uns für die Richtigkeit der Meldung zu sprechen: ihr sehr verspätetes Bekanntwerde». Hätte ein Berichterstatter flunkern wollen, so hätte er damit nicht erst fast einen Monat gewartet, sondern die Falsch meldung sofort in die Welt gesetzt. Daß das Londoner KriegSamt über die englische Niederlage schweigt, will natür lich nichts besagen. Gegen Delareh's Truppen haben die Engländer schon wiederholt unglücklich gekämpft; er ist ihnen weit überlegen, nicht an Truppenmacht, aber an taktischem Talent, vorsichtig abwägenv, aber um so sicherer treffend, wenn er einmal einen Schlag fühlt. Die Nachricht mag jetzt überall, wo Boeren stehen, bekannt geworden sein und hat zweifellos ihren Mntb von Neuem angestachelt. Hieraus erklärt sich vielleicht, daß die ver schiedenen Boerencommandos wieder mobil sind und der Kleinkrieg aller Orten wieder auflebt. Eine Folge des Boerensieges dürfte wohl auch Kitchener's Nothruf nach neuen Truppensendungen sein. M. W. Prctorius Aus Johannesburg wurde gemeldet, daß der frühere Präsident Prctorius am 19. d. Mts. in Potschcfstrom nach zweitägiger Krankheit gestorben ist. An seinem Be- gräbniß nahmen über 1000 Einwohner und Flüchtlinge Theil. Martinus Wessels Pretorias war der Sohn des AndrieS PretoriuS, der den großen Boerentrek von 1837 anführte und erst in Natal, dann zwischen dem Vaal- und Oranje fluß den Boeren eine neue Heimatb gründete. Es bildeten sich zuerst 3 getrennte Republiken: Potschefstrom, ZoutpanS- berg und Lydcnburg, die dann im Jahre 1856 zu einer einzigen zusammengeschweißt wurden. M. W. PretoriuS wurde zu ihrem ersten Präsidenten gewählt. Im Jahre 1860 ließ er sich znm Präsidenten des Oranjefreistaates wählen, kehrte aber 1864 nach Transvaal zurück und wurde hier von Neuem zum Präsidenten gewählt. Seine Negierung war aber wenig erfolgreich; fortwährende Kriege mit den Eingeborenen und auch innere Zwistigkeiten schufen finanzielle Nöthe, denen erst die Goldentdeckungen ein Ende machten, und schließlich raubte ihm sein Verhalten in einer Grenzstreitigkeit daS Vertrauen der Boeren. ES handelte sich um den Besitz eines kleinen Landstrichs an der Süd westecke der Republik, der vou dieser, sowie von Griqualand und vom Oranjefreistaat gleichzeitig be ansprucht wurde. Der Gouverneur der Eapcolonie Keate wurde als Schiedsrichter in Vorschlag gebracht, eine Regelung, der Präsident PretoriuS wie die übrigen Be theiligten zustimmten. Als jedoch der Spruch deS Schieds richters gegen Transvaal ausfiel, mißbilligte der VolkS- raad in einer AuSgaugS 1871 stattfindenden Versammlung die Handlungsweise des Präsidenten, und dieser wurde gezwungen, zurückzutreten. Sein Nachfolger war T. T. Burgers. Bei der Erhebung der Boeren im Jahre 1880 bildere PretoriuS mit Krüger und Joubert das Triumvirat, das während deö Krieges die Staatsangelegenheiten leitete und nach dem Sieg der Boeren am Amajubaberg die berühmte Convention vom 3. August 1881 mit der englischen Regierung abschloß. Erst nach Verlauf eines Jahres wurde das Triumvirat durch Krügcr'S Präsidentschaft abgclöst; Joubert wurde Generalcommandant und der greise PretoriuS trat in den Ruhestand. Die Wirren in China. Schluß! Es ist erfreulich, daß die schweren Conflicte der europäischen Culturnationen mit dem Himmlischen Reiche, Dank der Mäßigung der europäischen Diplomatie, wie Dank der schließlich doch noch zum Siege gelangten Einsicht der chinesischen Macht haber, nicht zum vollen Ausbruche des Krieges geführt haben. Die Opfer an Menschenleben, die die chinesischen Wirren erfordert haben, sind selbst unter den jetzigen erfreulichen Umständen schon schwer genug, wenn sie auch durchaus gerechtfertigt sind durch die unabweisbare Nothwestbiakeit, die auf Befehl höchster chinesischer Würdenträger erfolgte Ermordung des deutschen Gesandten zu bestrafen und zu rächen. Und wenn das in China zur Sicherung der europäischen Legationen zurückbl-eibende Detachement auch später noch unter der Feindschaft der Chinesen, wie unter den Unbilden des Klimas Verluste wird zu beklagen haben, so wird uns darüber das Bewußtsein trösten, daß diese Opfer geschehen zur Behauptung der deutschen Stellung im fernen Osten. Man kann aber wohl hoffen, daß nach dem kräftigen und im Großen und Ganzen auch einmütbigen Auftreten der europäischen Diplo matie die Chinesen sich hüten werden, zum zweiten Male das gesammte Europa — dem sich zudem noch, wenn auch vielfach hemmend, die Vereinigten Staaten und Japan angeschlossen ha-ben — freventlich herauszufordern. Vielleicht wird die fast einjährige Occupation der Centralprovinz Tschil-i sogar der Anlaß dazu, daß von den Chinesen abendländische Cultur und Ge sittung in weiterem Umfange erkannt und gewürdigt werden, was wiederum die beste Sicherung gegen ähnliche Ausbrüche der Volksleidenschaft sein würde, wie sie im Vorjahre die Entsendung europäischer Truppenconkingente not-hwendig gemacht haben. — Daß das chinesische Problem durch den bevorstehenden Abschluß der diplomatischen Verhandlungen nicht gelöst ist, -bedarf nicht der Hervorhebung. Aus den zahlreichen Fragen, die im Anschluß an die letzte Verwickelung aufgetaucht sind und noch ihrer end- qiltigen Lösung harren, sei namentlich auf die von China zu leistende Deckung der Kosten hing-rwiesen, ein Punct, der schließ lich zu einer Ueberwachung des chinesischen Finanzwesens durch eine internationale Commission führen Dürfte. Auch hier wieder — und das ist das Wesentliche und das Bedrohlich« dieses Problems — dürften die Eifersucht und die Reibungen unter den Mächten ein beständiges Moment der Beunruhigung bilden. Die Balkansrage hat gezeigt, daß mit dem Auftauchen von solchen Eifersüchteleien sofort unter der eingeborenen Be völkerung Gährung und Unruhen erscheinen, ja von gewissen losen Politikern angezettelt werden, die leicht neue Con flagrationen zur Folge haben. Dringend zu wünschen wäre es daher mit der „Schlesischen Zeitung", deren Ausführungen wir im Vorstehenden gefolgt sind, daß über die Regelung der ver schiedenen Interessen in China eine ernstliche Verständigung her beigeführt wecken könnte, ähnlich, wie das russisch-österreichische Balkan-Uebereinkommen, das ja in den letzten Jahren in ersreu- a kicher Weise zur Aufrechterhaltung des Weltfriedens ber- getragen hat. Die deutsche Politik strebte weder Scndervortheilr, noch Sonderrechte an, sie verfolgte einzig und allein den Zweck, in Gemeinschaft mit den anderen europäischen Mächten Sühne für das völkerrcchtwidrige Verhalten Chinas gegen die Europäer und die Missionare unD insbesondere auch für die Ermordung des deutschen Gesandten Freiherrn von Ketteler zu erlangen. Deutschland ist durch die Ermordung seines Gesandten besonders schwer beleidigt und dadurch sehr gegen seinen Wunsch in den Vordergrund der Ereignisse gedrängt worden. Es hat unter Zu stimmung der übrigen Mächte eine besondere Sühne für diese Beleidigung zu fordern gehabt. Jetzt ist sowohl das, was von den Mächten im Allgemeinen, als auch was für Deutschland für sich besonders als Sühne zu verlangen war, von China erreicht. Die an dem Morde betcheiliqten Würdenträger sind theils durch Hinrichtung, theils ldurch Verbannung bestraft; ein besonderes Denkmal ist für den gemordeten Gesandten errichtet; eine Sühne gesandtschaft wird nach Berlin geschickt werden; dir Entschä digungsforderungen sind als berechtigt anerkannt und es ist die Gewähr für deren Erfüllung geleistet worden; die Aufhebung der Prüfungen ist gesichert. Es war keine leichte Arbeit, welche behufs Erreichung Dieser Ziele von allen Betheiligten zu leisten war. Die Militär- und Marineverwaltung sah sich zum ersten Male vor die schwierige Aufgabe gestellt, eine so große Expedition weit über See auszuriisten und zu erhalten. Von Heer und Marine wurden die schwierigsten Leistungen gefordert und die gestellten Anforderungen sind glänzend erfüllt worden. Noch schwieriger war die diplomatisch militärische Aufgabe und am schwierigsten endlich diejenige der Diplomatie selbst. Trotz aller Versuche, welche unternommen worden sind, eine Spaltung unter den Mächten herbeizuführen, ist es gelungen, bis zuletzt die Einig keit unter ihnen China gegenüber, wenn auch manchmal nur nothdürftig, aufrecht zu erhalten und so die im Ganzen befrie digende Lösung der Chinafrage zu ermöglichen. Bald Wick das deutsche Volk die nach Erledigung ihrer Aufgabe heimkehrenden Krieger in der Heimath begrüßen können. Politische Tagesschau. * Lei-zig, 29. Mai. Die Meldung, der neue Zoütarifcntwurf enthalte 31 Po- siitionen mit Dvppelzollsätz en als Minimal- und Maximal zölle, ist bereits als falsch bezeichnet worden. Die „Berl. Polit. Nachr." bestätigen dieses Dementi und benutzen die Gelegenbeit, über den Verlauf der Vorbereitungen des Zoll tarifs Einiges mitzutheilen, was beweisen soll, daß daö Drängen nach Veröffentlichung des Tarifs zwecklos sei. DaS zweifellos noch immer officiöse Organ fährt nämlich fort: „Ebenso dürfte es unrichtig sein, daß die Minister der Einzelstaaten, welche der Herr Reichskanzler zu einer zoll- politischen Conserenz nach Berlin berufen hat, im Wesentlichen den neuen Zolltarif feststellen sollen. Es ist naheliegend, Laß viel wichtigere Fragen von allgemeinem zollpolitischen Charakter Berathungsgegenstand bilden werden, als die Festsetzung der Höhe einzelner Zollsätze, welche doch immerhin weit weniger von prin- cipieller als technischer Bedeutung sind, nachdem man sich vorher über die Grundsätze unserer künftigen Zoll- und Handelspolitik verständigt hat. Der bisherige Verlauf der Vorbereitung des Zolltarifs rechtfertigt nur zu sehr die von dem Reichskanzler getroffene Maßnahme, nachdem die zu ständigen Ressorts des Reichs, das sind daS ReichSamt deS Innern und das Reichsschatzamt, ihre hierauf bezüglichen Arbeiten fertig gestellt und die Eiuzelstaaten Gelegenheit gehabt haben, die selben zu prüfen, nunmehr in directe persönliche Verhandlungen über die Grundsätze, welche für die deutsche Zoll- und Handelspolitik künftig maßgebend bleiben sollen, einzutreten. Es ist ja kein Ge- heimniß, daß eine Zeit lang Strömungen vorhanden waren, welche dem System des Minimal- und Maximaltarifs durchweg den Vorzug vor dem einfachen autonomen Tarif geben wollten. Der Gedanke ist dann fallen gelassen worden und eS hieß, es solle im allgemeinen das bisherige im Jahre 1879 fest gelegte Princip aufrechterhalten und nur sür einzelne Positionen und zwar nicht allein für landwirthschaftliche, sondern auch für einzelne, wenn auch wenige industrielle Producte der Doppeltarif in Erwägung gezogen werden. Schon hieraus ergiebt sich, welche verschiedenen Stadien der neue Zolltarifeutwurf durch zumachen hatte und angesichts der Thatsache, daß eine zoll- Politische Conserenz der maßgebenden Factoren einzelner Bundes staaten nach Berlin berufen ist, noch durchzumachen haben wird. Es scheint, daß jene Mittheilung über eine bestimmte Anzahl von Doppeltarispositionen aus irgend einem Stadium der Vorverhandlungen in die Oeffentlichkeit gebracht ist, nm der freihändlerischen Agitation neue Nahrung zuzuführen, nachdem diese mit der Parole von dem unbedingten Festhalten an den Positionen des Tarifs von 1879, respective an den Positionen des späteren Bertragstarises, an einem todten Punct angelangt war. Wenn neuerdings die Maßregel des Reichskanzlers, die bisherigen Entwürfe vorläufig noch als geheim zu behandeln, abfälliger Kritik begegnete, so ist die letztere durchaus ungerechtfertigt; denn es liegt aus der Hand, eine Bekanntgabe des Zolltarifs in dem jetzigen Stadium, bevor die endgiltigen Entscheidungen der Ver bündeten Negierungen getroffen sind, würde nur eine unnöthige Erschwerung des Fortgangs der Arbeiten mit sich bringen." Eine gewisse Ergänzung erhalten diese Ausführungen durch eine Mittheilung dex. „Zeitschrift für die gesammte Textilindustrie" über den Grund, aus dem zu der zollpolitischen Conferenz in Berlin nicht auch Vertreter der Hansastädte zugezogen worden sind, und über den Zweck der Conferenz. Diese Mittheilung lantet: „Hätte man die Senate der Hansastädte aufgefordert, Delegirte zu entsenden, so hätte man die vier Groß Herz og thümer Sachsen-Weimar, Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz und Oldenburg und einige Herzogthümer ebenfalls auffordern müssen, Vertreter zu schicken, weil sonst in diesen Staaten und bei ihren Fürsten eine berechtigte Mißstimmung hervorgerufeu worden wäre. Die Interessen der Hansastädte werden darum auf der Conferenz ober keineswegs unvertreten sein; Graf Bülow, der selbst von der Wasserkante stammt, wird als Ministerpräsident Preußens, deS Hinterlandes der Hansastädte, die Handels- und Exportinteressen der letzteren im Zolltarif aus- reichend wahren. Der Zweck jener Conferenz ist übrigens auch mehrfach falsch dargestellt worden. Er ist ausschließlich der, für die spätere Instruction der Stimmen im Bundesrath vorzu arbeiten und Meinungsverschiedenheiten über einzelne wichtige Fragen des Zolltarifs zwischen den größeren Bundesstaaten in vertraulicher Besprechung auszugleichen. Unmittelbar wird damit allerdings der späteren Stimmenabgabe im Bundes rath überden Zolltarif nicht präjudicirt, unzweifelhaft wird sie Fettilletsn. i7f Ein Engel der Finsterniß. Roman von Gertrude Warden. Autorisirte deutsche Urbersetzuug von A. Brauns. Nachdruck «krtotrn. „Eine Person wenigstens weiß ich, die sich über meinen Tod freuen würde", fuhr die alte Dame in dem vorigen reizbar- schwermüthigen Tone fort; „dort ist sie, geht mit Dudley über den Anger nach dem Palaste. Wirst Du wohl glauben, daß ich mit meinen eigenen Augen von kaum einer halben Stunde ge sehen, wie sie ein Liebesbriefchen in Viktor's Hand gleiten ließ und eins von ihm in Empfang nahm? Und jetzt ist sie daran, ihre Netze auch um seinen Bruder zu weben! Ich werde es aber nicht dulden, will nicht leiden, daß solche Geschichten unter meinem Dache vorgehen!" rief Frau Revelsworth und fuhr in mürrischer Erregung, die ihr sonst gar nicht eigen, von ihrem Stuhle auf. „Warum mußte dieses Mädel, diese arme Kirchen maus, mit der Alten hierher kommen und mein Zimmer oben in eine schmierige italienische Küche verwandeln und mich zwingen, mein Geld für Böte und Billard und häßliche Möbel auszugeben, die ich nicht mag und nicht brauche? Sie oder ihre Mutter, die alte Hexe, hat Unglück in mein Haus gebracht. Erst ging Briton drauf, und nun scheinen Sikes und auch Ivan krank. Die ganze vorige Nacht hat mich Sikes' Stöhnen und Schauern nicht schlafen lassen. Vermuthlich böse Träume. Aber früher hat er nie böse Träume gehabt. Irgendwo im Hause steckt ein Unheil anrichten der Einfluß. Fange ich doch selbst an, zuweilen an die dummen Gespenstergeschichten zu denken und mich des Nachts fast zu fürchten!" Sie war von ihrem Stuhle aufgrfahren und stand, heftig zitternd, und an den Armlehnen sich festhaltend, vor demselben. Ihr Angesicht war sehr blaß, und in den glasigen Augen log ein stierer Zug, der Betty Weh und Sorge bereitete. Wie, wenn er die Erregung seiner Herrin verstände und Theil daran nähme, erhob sich der Bullenbeißer von seiner Matte und kroch winselnd heran zu ihren Füßen. „Don jenen Träumen und Phantasien haben Sie mir gar nichts gesagt, liebe Frau Revelsworth!" rief das junge Mädchen. „Warum lassen Sie mich nicht auf dem Sopha in Ihrem An kleidezimmer schlafen, wozu ich mich doch schon so oft erboten tzabM-"" „So hinfällig oder gar zum Sterben bin ich noch nicht", spöttelte die alte Dame mit einem Scheine ihrer sonstigen Laune, „daß ich eine Nachtpflegerin brauchte! Und nun gar Dich dazu nehmen, die Du so furchtsam bist wie eine Katze, die mich wahr scheinlich nur kränker machen würde. Solche Phantasiebilder und Vorstellungen müssen bekämpft und besiegt werden." „Sie haben mir aber immer noch nicht erzählt, was es für Phantasiebilder sind. „Eine -sonderbare Art von wachendem Alpdrücken ist es", hauchte die alte Dame und sank wieder nieder auf den Seflec. „Es muß aus dem Magen kommen, bin ich überzeugt — meine Verdauung ist in letzter Zeit schlecht gewesen — Phantasievor stellungen, die mit dem Bilde in dem sogenannten Spukzimmcr vermengt waren." „Mistreß Katharine Pensold's Bildniß?" „Vermuthlich. Seit jünger als einer Mandel Jahren hab' ich cs nicht gesehen. Aber vor zwei Nächten — in jener schwülen Nacht — hätte ich säst darauf schwören wollen, ein Rauschen, wie von schwerem Brocat, in meinem Zimmer gchört und Krim Scheine des Nachtlichtes auch eine seltsame altmodische Gestatt an der äußeren Seite des Bettschirmes am Fußende meines Bettes gesehen zu haben." „Wie sah sie denn aus?" keuchte Betty. „Selbstverständlich weiß ich ja, daß es nur hirnverbranntes Zeug, eine Halluctnation war", erklärte Frau Revelsworth ge reizt. „Es war «ine Erscheinung, wie eine kleine, schmächtige Ge stalt in einer merkwürdigen Mouffelinhaube, die ihr Gesicht bei nahe ganz verbarg, und mit einer ungeheuren gestärkten Hals krause und goldenem Haar in einem Perinetze und einem Kleide von gelbem Brocat —" „Das Kleid des Gespenstes!" kreischte fast die kleine Betty. „Oh, Frau Revelsworth, Sie haben es doch nicht in Wirklichkeit gesehen, nicht wahr?" Die volle Tragweite dcs Aberglaubens, der auf dem Hause lastete, kam ihr beim Sprechen schon zum Bewußtsein. Viele Leute, so ging das Gerücht, hatten das Rauschen von Mistreß Katharinens Kleide gehört, was stets großes Erschrecken ver ursachte, aber das Sehen der Trägerin bedeutete den Tod. „Was thaten Sie nun?" forschte das junge Mädchen mit ge dämpfter Stimme und kreideweißem Angesicht, da Frau Revels worth -beharrlich schwieg. „Ich setzte mich in die Höhe", nahm die alte Dame nun wieder Vas Wort, „redete es an, und strich ein Streichholz an, um die Kerze auf meinem Nachttische anzuzünden. In der Hast wark ich aber den Krug mit dem Gerstenwasser um, auch da» GlaS mit dem Nachtlicht; folglich verlöschte r-, Finstren hörte ich daß gräßliche raschelnde Geräusch wiever ganz deutlich; als ich aber das Strcichholzkästchen gefunden und die Kerze angezündet hatte, da war nichts zu sehen. Entweder hat mir Jemand einen Possen gespielt — was kaum als wahrscheinlich anzunehmen — oder meine Nerven sind in hohem Grade zerrüttet, und wenn Letzteres der Fall sein sollte, dann, Betty, fürcht' ich, ist es der Anfang vom Ende!" „In dieser Weise zu reden, sieht Ihnen gar nicht ähnlich!" meinte Betty. „Sie konnten von Gespenstergeschichten nicht ein mal sprechen hören, ohne regelmäßig darüber zu spötteln. Nun, besinnen Sie sich mal, wie Sie vor einem Monat —" „Vor einem Monat", warf Frau Revelsworth mit scharfer Betonung dazwischen, „da war ich eine andere Frau!" Beim Aufblicken mußte Betty sich wohl von der Wahrheit der Behauptung überzeugen. Zum ersten Male gewahrte sie das eingefallene, gealterte Aussehen ihrer Verwandten; der Glanz der Augen war erloschen, die frische Farbe der Wangen völlig verschwunden. Nicht länger mehr war sie die kerzengerade ein- hcrschreitende, muthige Autokratin, die zwanzig Jahre lang keinen Widerspruch erfahren und Jedem, der in den Bannkreis ihres Einflusses getreten, Gesetze vorgeschrieben hatte. Jetzt war sie, fast urplötzlich, «ine alte, eine recht alte Frau. „Eins wenigstens habe ich gethan", fuhr die alte Dame nach einer Pause fort, aus der melancholischen Träumerei, in die sie versunken, sich jäh aufraffend. „Ich habe an einen Freund meines verstorbenen Gatten geschrieben, den ich allerdings seit 25 Jahren nicht gesehen habe. Die ganzen Jahre hindurch hat er in Rom gelebt, und wird nun wohl eine ziemliche Personal- tenntniß besitzen. -Ich habe ihn also ersucht, mir Alles mitzu theilen, was er über die junge Person, die Alles nach ihrem Wunsch und Belieben haben will, und mit zwei Brüdern zu gleicher Zeit Liebschaften spinnt, ausfindig machen kann. Sie und ihre Mutter sind Erscheinungen, die Keiner, der sie einmal gäschen, wieder vergißt. Ich wünsche eben zu erfahren, waS diese junge Person, die solch luxuriösem Geschmack« in ihrem An zuge huldigt und Alles klipp und klar haben muß mit ihren flachen Bäten und Billacktischen, während der elf Jahre nach dein Tode ihres Vaters vorgenommen hat!" „Sie hat's Ihnen ja gesagt", fiel Betty mit wehleidiger Stimme ein; „sie ist Erzieherin in englischen Familien gewesen!" „Das sagt sie! Aber das ist auch der einzige Beweis, den wir davon haben. Ich für meinen Theil möchte gern Rücksprache nehmen mit diesen englischen Fam-ilien und ihre Ansichten üb»r Fräulein Francesca Revelsworth hören." „Ich glaube, Sir stnh f-Ulst ehrlich gegen sie", begann Betty, eine Fürbitte einzulegcn, als die alte Dame in ihrer gewohnten Heftigkeit ihr das Wort abschnitt. „Kaum ehrlich zu sein", rief sie, „wenn mehr als «ine Million Pfund Sterling auf dem Spiele -steht — Geld, das in mein: Hände gelegt worden, nach meinem eigenen Ermessen unter die Kinder seiner Brüder zu Vertheilen! Kaum ehrlich, wenn ich sehe, welche Schliche und Kniffe sie in Anwendung bringt, solch' prächtigen Menschen, wie meinen Neffen Dudley und seinen französischen Stiefbruder zu gleicher Zeit zum Besten zu haben? Du redest Ustsinn, sag' ich Dir, Betty! Wenn ich nicht jedmög- liche Erkundigung einzuziehen mich bemühen würde über dir Leute, unter die das Geld vertheilt werden soll, verdiente ich nicht, mich eine Revelsworth zu nennen! Wie die Verhältnisse jetzt noch liegen, würde, sollte ich diese Nacht sterben, das Vermögen an jene Drei, Francesca, Dudley und Viktor, in angemessenen Theilen übergehen. Dudley, der älteste Sohn des älteren Bruders, würde nach dem englischen Erbrecht den bei Weitem größten Theil er halten. Sollte dagegen mein Verdacht gegen das Mädel sich als begründet erweisen, dann werde ich Simpson ohne Verzug kommen lassen, und Francesca wird mit einem ganz geringen Theile abgefunven, und jeden der Neffen, der sich zu einer Hci- rath mit ihr bethören läßt, -werde ich in gieicher Weise behandeln. Falls mein alter Freund in Rom nichts wissen sollte, dann kann ich Detectivs beauftragen. Es ist meine Pflicht, die Wahrheit über meine Nichte zu erforschen, da ich Francesca von allem An fang nicht habe leiden können und ihr nicht getraut habe. Und jetzt, da ich di: Hand an den Pflug gelegt, werde ich nicht zurück blicken." Von den beiden Damen nicht beargwöhnt und ihnen völlig unbewußt, hatte eine dritte Person den größeren Theil der Unter redung mit angehört. Seinen schwarzen Lockcnkops dicht an da» Schlüsselloch der Thür gedrückt, lauschte er mit gespanntestem Ohr, jedes Wort, bas über Frau Revel-worth's Lippen kam, zu erhaschen. Horchen war eine Leidenschaft von Josef, zu deren Befriedigung ihm seine leichten Bewegungen und die Gehörsschärfe ganz besonders zu statten kamen. Als etwas später Betty auf der Suche nach ihm das Zimmer verließ, befand sich Josef, der sie hatte kommen hören, unten im Speisegewökbe und kam sofort willfährig herausgeeilt, um den Auftrag an Francesca auszurichten. „Schleich' Dich ganz sacht fort, Josef", mahnt« Fräulein Mannington, und sieh zu, ob Du Herrn Dudley und Fräulem Francesca in den Palastgärten findest! Möglicher Weise sind sie in jenem stillen Theile an dem langen Wasser auf den Bänken unter den Bäumen. Schau Dich ja ordentlich um und erinnere Pt, srnn Lll sie gefunden hast, an die Dlnrrstustde, sag«, Hatz
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