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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.05.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-05-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010524024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901052402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901052402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-05
- Tag1901-05-24
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Anzeigen-Prei- die 6 gespaltene Petitzeile 85 Reklamen unter dem Redactionsstrtch (-gespalten) 73 vor den Famtliennach« richten (v gespalten) SU H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Krtra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung ,/L 60.—, mit Postbesörderung ^l 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- Abends 7 Uhr. Druck und Berlag von E. Polz in Leipzig Freitag den 24. Mai 1901. 85. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Kitchener über die Lage. Aus London, 23. Mai, wird uns berichtet: Im Laufe der Debatte über den Antrag, das Unterhaus von morgen ab dis zum 6. Juni zu vertagen, richtete Campbell Banner mann an die Regierung das Ersuchen, über die Lage in Südafrika Mittheilungen zu machen. Der 'Kriegsminister Brodrick erwiderte, jegliche Mittheilung Lord Kitchener ' s bestätige, daß er mit den in Afrika gemachten Fort schritten zufrieden sei. Der Umstand, daß die mili tärischen Operationen sich auf ein großes Gebiet erstrecken, und saß die Boeren in zerstreuten Abtheilungen aufträten, sei ge eignet, den Krieg zu verlängern. Aber oie militärischen Operationen seien ausgeführt worden unter äußerst geringen Verlusten auf britischer Seite, während der Procch der Er schöpfung des Feindes mit ziemlicher Schnelligkeit ge fördert sei. Die Negierung habe jede Unterstützung, die in ihrer Macht stehe, Lord Kitchener gewährt, und dieser werde mittels einsichtsvoller Verwaltungs maßnahmen Alles thun, um die Beendigung Les Krieges zu beschleunigen. Besonders hochgemuih, hoffnungs- und siegesfroh klingen diese Auslassungen nicht' und was es mit der Erschöpfung des Feindes auf sich hat, läßt folgende Meldung erkennen: I?. London, 24. Mai. (Privattelegramm.) Nus Cap» stadt wird gemeldet: Die Lage im Norden der Colonie ent» wickelt sich immer bedrohlicher. Fast 3000 Boeren und Cap. Holländer setzen ungehindert ihre concentrischen Operationen auf der Basis der Zu urberge fort. Ten Oberbefehl führt General Hertz og, nicht De Wet. Letzterer concentrirte 2000 Mann am Drakensberge, nm sür einen Einfall in Natal bereit zu sein und cooperirt mit Hertzog. Ein kürzlich veröffentlichter Bericht des Kriegsministers läßt ersehen, daß im Laufe des Krieges an Coloiiialtrttppr» nach Südafrika geschafft sind: von Australien 438 Officiere, 7895 Mann und von Canada 133 Officiere, 2924 Mann. Ende März dieses Jahres betrug, da einzelne Kontingente nach Ablauf d r Angegangenen Dienstverpflichtung heimtehrken und der Kriegsverlust starke Lücken gerissen hatte, die Stärke der Eolonialtruppen noch an Canadiern 3 Officiere, 114 Mann, an Australiern 178 Officiere, 3939 Mann. Außerdem waren noch in Südafrika thätig .33 Officiere, 1030 Mann dec Imperial Bushman (Australien) und 10 Officiere, 240 Mann des com- bin.irten Regiments. Die Wirren in China. Englische Vetternschaft. Man schreibt der „Rhein.-Westf. Ztg." aus London unter dem 20. Mai: Der Korrespondent der „Times" in Peking I)r. Morrisson, der auf die Deutschen nicht mehr gut zu sprechen ist, seit man sich im Hauptquartier weigerte, seine ein gebildete allmächtige Stellung anzuerkennen und mit ihm als einem maßgebenden Factor zu rechnen, setzt seinen kleinen Privat feldzug gegen Deutschland und gegen die deutsche Armee in China mit Feuereifer fort, und es ist natürlich nicht zu verwundern, daß er am Feldmarschall Waldersee und seinem Stabe kein gutes Haar läßt. Heute sendet er im Anschluß an sein Kabeltelegramm vom letzten Donnerstag eine neue Drahtnachricht, die ebenso wie die erste, was den unverschämten Ton derselben anbetrifft, nichts zu wünschen übrig läßt. Herr Morrisson scheint noch unter dem veralteten Eindruck zu stehen, daß es heute immer noch das Fürchterlichste ist, was einer fremden Nation oder den An gehörigen einer solchen zustoßen kann, wenn die „Times" von dem hohen Stuhle ihrer olympischen Ueberlegenheit ihre Donner keile gegen die armen minderwcrthigen Ausländer schleudert, und in diesem Sinne telegraphirt er denn auch wieder wie folgt: „Die britischen Militärbehörden haben sich in emphatischer Weise geweigert, an der proponirten deutschen Expedition nach den südlichen Districten von Petschili theilzunehmen, und so ver lautet denn jetzt, daß dieselbe aufgcgebeu worden ist. Diese Ent scheidung wird um so gerechtfertigter cracktet, als die vom Grafen Waldersee vorgegebenen Ruhestörungen nichts anderes sind, als die unausbleiblichen Consequenzen der deutschen Politik der rück sichtslosesten Strenge und der Entwaffnung der fremdenfreund lichen Chinesen, welche thaisächlich allein im Stande sind, Ordnung und Ruhe zu erzwingen. Man giebt hier allgemein und rückhaltlos der Hoffnung Ausdruck, daß Graf Waldersee, dessen baldige Abreise bevorstehen soll, schließlich doch noch zu der nothwendigcn Erkcnntniß kommen wird, daß den chinesischen Bezirksbehörden gestattet werden muß, die Gewalt wieder an sich zu nehmen und in allen jenen Districten die Ruhe wieder herzustellen, in denen die Politik der Deutschen das Chaos her vorgerufen hat." Es liegt auf der Hand, daß derartige Telegramme der „Times", die niemals ihren officiösen Zweck verleugnen, Miß trauen und Gehässigkeit gegen Deutschland zu säen, in der ge jammten englischen Presse ungetheilten Beifall finden, und zu allerhand bissigen Angriffen auf die geliebte deutsche Schwester nation höchst willkommene Veranlassung geben. Die ganzen Bemühungen laufen natürlicher Weise nur darauf hinaus, den eigenen, so tief gesunkenen politischen Kredit im fernen Osten wieder etwas zu heben und das Vorgehen und das Verhalten der deutschen Vettern nach Möglichkeit zu discreditiren, wobei man in der Wahl der Mittel so wenig Scrupel zeigt, daß man den bösen blut- und kampfgierigen Deutschen die ganze Schuld an der jetzigen verworrenenLageinChinaindie Schuhe schiebt und gleichzeitig die friedfertigen und harmlosen Chinesen als die „ b e d a u e r n s w c r t h e n O p f e,r einer ü b e ri hart e n Strenge" ves ockannteu Preusjeneifers im Regle- mentiren, der Beamtcnschneidigkcit, hinstellt und mit einem Male entdeckt, daß sie trotz Gcsandtenmord, trotz Boxerbewegungcn und trotz der Angriffe auf die Legationen viel besser selbst im Stande sind, Ruhe und Ordnung im Lande zu bewahren, und auch zum Wohle und Vortheile der Ausländer den verloren ge gangenen Frieden wieder herzustellen. — Es bedarf wohl kaum des Hinweises darauf, daß die englische Presse es mit be sonderer Genugthuung und den üblichen hämischen Rand bemerkungen begrüßt, daß drüben in Deutschland im Volle und in den Zeitungen andauernd der Sehnsucht nach einer baldigen Erledigung der chinesischen Frage und entsprechenden Zurückziehung der deutschen Truppen aus China Ausdruck gegeben wird. Nur selten wird eine Ansicht laut, die sich in ehrlicher Weise über den wahren Grund dieser Stimmung in Deutschland klar ist und entsprechend äußert. Es ist eben bequemer, nach lieb gewonnener alter Sitte dem deutschen Netter bei jeder Gelegenheit tüchtig am Zeuge zu flicken und sich über sein Thun und Lasten lustig zu machen. Die „Times" haben jedenfalls das Verdienst, in dieser lang weiligen Campagne der eifrigste und verbissenste Streiter zu sein und den gegenseitigen. Haß immer aufs Neue zu schüren. * Berlin, 23. Mai. Feldmarschall Graf Wald er fee meldet vom 22. Akai aus Peking: Nordwestlich Wan (28 km westlich Paotinqfu) haben weitere Zusammenstöße von Theilen des Bataillons Wichura mit zersprengten Boxern stattgefunden. Tie feindlichen Verluste betrugen 110, die eigenen 2 Verwundete. * London, 23. Mai. (Unterhaus.) Der Staatssekretär sür Indien Lord Hamilton erwidert auf eine Anfrage, betreffend Verleihung einer internationalen Decoration an dir Truppen der verschiedenen Länder, welche an den Operationen in China theilgenommen haben, die Sache werde erwogen, sei aber noch nicht so weit vorgeschritten, daß er darüber eine Erklärung ab geben könne. Politische Tagesschau. * Leipzig, 24. Mai. Der Gedanke an eine baldige Auflösung -es prcuf;ischcn Abgeordilktciihauscs ist Herrn E u g c n R i ch t e r so zu Kopfe gestiegen, daß dieser sonst jo kühle Rechner die gewagtesten Hypo thesen über den Erfolg der von ihm gewünschten Maßregel auf stellt. In seiner „Freis. Ztg." sagt er voraus, daß, wenn die Auflösung stattfünde und wenn die konservativen bei den dadurch nothwendig werdenden Neuwahlen naturgemäß nicht die Unterstützung des Verwaltungsapparates für sich haben würden, die beiden conservativen Parteien zusammen sicherlich 100 Man dateverlieren würden. Zu diesem optimistischen Schlüsse gelangt das Blatt durch einen Vergleich mit den Wahlen von 1838 und 1873, wo die conservative Partei zusammengefallen sei „wie ein aufgeblasener Kautschukelephant, dem die Luft ent zogen wird". Der geschmackvolle Vergleich mit dem Kautschuk- elephanten interessirt uns hier weniger, als der Vergleich mit den allerdings sehr interessanten und charakteristischen Wahlen von 1838 und 1873. Unserer Meinung nach waren nun in beiden Fällen di: Voraussetzungen für den Conservativen ungünstige Wahlen ganz anders als heute. Die Wahlen von 1838 bildeten die Quittung für eine nahezu 10 Jahre lange unerhörte Miß- wirthschafl, die die conservative Partei, die damals allmächtig war, getrieben hatte; eine Mißwirthschast, die so ungeheuerlich büß selbst dec i: stincm Inneren durchaus cvnservui.v ge sinnte Prinzregent, der spätere König und Kaiser Wilhelm, sich genöthigt sah, als erste Regierungshandlung das mit tausend Sünden beladene conservative Ministerium Manteuffel davon zujagen. Uns ist gewiß das starke Ueberwiegen des Einflußes der conservativen Partei nicht nur im preußischen Landtage, sondern auch in fast allen Zweigen der inneren preußischen Ver waltung nicht sympathisch, aber es wäre eine ganz lächerliche Uebcrtreibung, die heutigen Zustände mit der brutalen Willkür herrschaft der 50cr Jahre zu vergleichen. Im Jahre 1838 also waren die Wahlen die ganz natürliche Reaction einer durch Mißwirthschast und Bedrückung empörten Bevölkerung; heute würde diese Reaction ausbleibcn, weil eben nicht annähernd so viel Anlaß dazu vorhanden ist. Auch die Wahlen von 1873 können nicht wohl zu einem Vergleiche mit der Gegenwart heran- gczogcn werden. Damals lagen die Verhältnisse ganz besonders. Fürst Bismarck sah sich genöthigt, den Kampf gegen den Kleri- kalismus aufzunehmen, und bei diesem Kampfe ließen ihn seine früheren conservativen Freunde im Stich. Ein halbes Jahr vor dcn Neuwahlen vom November 1873 sah er sich genöthigt, das Gcbahren conservaiiver Führer, wie beispielsweise des Herrn von Kleist-Rctzow, als st a a t s z e r st ö r e n d zu bezeichnen. Mit dem ihn auszeichnenden Scharfblicke machte er darauf auf merksam, daß die conservativen Abgeordneten den Fehler be gingen, ihre Fraction mit der großen conservativen Partes im Lande zu verwechseln, die durchaus nicht der Ansicht der Fraction sei. Die Wahlen gaben dem Reichskanzler Recht, denn di: conservative Partei im Lande sagte sich allerdings zum großen Theile von der Fraction los, so daß diese nahezu 60 Mandate einbüßte. Dieses Ergebniß war um so natürlicher, als die Conservativen ja von jeher ihre Hauptstütze in den vorwiegend evangelischen Gegenden des Ostens gehabt haben; es war ganz natürlich, daß die Wählerschaft dieser Bezirke mit dem Wider stände der conservativen Partei gegen den Bismarck'schcn Kamps gegen den Klerikalismus nicht einverstanden war. Heute kann von ähnlichen Verhältnissen gar nicht die Rede sein. Auch der überzeugteste Anhänger der Canalvorlage wird nicht behaupten wollen, daß die conservative preußische Wählerschaft über die Haltung der conservativen Partei zur Canalfrage ähnlich er bittert sei, wie damals über ihre Haltung zu den kirchenpolitischen Fragen. Weit mehr erbittert ist diese Wählerschaft über die Maßregelung der beamteten Canalgegner, und diese Erbitterung würde in der Wahlbewegung den conservativen Kandidaten zum Vortheile gereichen. Darüber täuscht sich die preußische Regie rung sicherlich nicht, und deshalb wird das Richter'sche Organ seine Absicht, eine baldige Auflösung des preußischen Ab geordnetenhauses herbeizuführen, nicht erreichen. Die säst völlige Vernichtung des Vriltsch-russischcn 8ircnz- vcrkchrS durch die neuen russischen Paßvorschriften für Iüdei: wird schwer empfunden, namentlich in Schlesien. Die „Schles. Ztg." — wir haben dies bereits erwähnt — siebt üble Wirkungen davon, insbesondere auch sür die oberschlesischen Industriebezirke, und bas Blatt ist jedenfalls nicht von philosemitischen Tendenzen geleitet, lieber die Beweggründe der russischen Behörden stellt die deutsche Presse im Allge meinen Vermutbungen an, nur die freibändlerischen Blätter brauchen sich nicht zu besinnen, sie wissen genau, wie die Sache liegt: die deutschen Agrarier tragen die Schuld. So schreibt das „Berliner Tageblatt" zu der Darlegung der „Schles. Ztg.": „Daß diese russische Verfügung nur ein Glied in der Kette jener Maßnahmen ist, mittels deren Rußland unseren maßgebenden Stellen einen Vorgeschmack der Zustände ver schaffen will, die ein deutsch-russischer Zollkrieg herbei- fübren müßte' — daß wir es also mit ciner Art „Präventiv-Repressalie" zu thun haben, daS kann das Organ der schlesischen Landbarone natürlich nickt zugestebcn: „Eingeweihte Kenner der Verhältnisse erblicken", so sagt daS Blatt, „in der Maßregel nack wie vor lediglich eine Bekämpfung deS Schleichhandels nach Rußland." Merkwürdig, daß Rußland bisher, in den Tagen eines guten handels politischen Verhältnisses zwischen beiden Ländern, nie daran gedacht hat, dem Schleichhandel mit solchen Maß regeln zu Leibe zu geben, die eine so schroff feindselige Neben wirkung aus die WirthschastSverhältnisse des deutschen Grenz gebietes üben müssen. Tic kleinen, von einzelnen autokratisch veranlagten russischen Localmachtbabern von Zeit zu Zeil bervorgerusenen Grenzplackcreieu, die nach kurzer Zeit auf Vorstellungen bei der höheren Instanz zu verschwinden pflegten, wird man dock wobl nicht mit dieser generellen Verfügung der russischen Regierung vergleichen dürfen. Mög lich ist eS ja, daß mich diese Verfügung ihren Ursprung in einer localen Maßregel bat, wie die „Kattowitzer Ztg." er fahren haben will. Danach soll, der Ebes deS Lubliner GrenzbezirkeS die erste Anregung zu den einschneidenden Ver änderungen gegeben haben: Demselben war, so berichtet das genannte Blatt, bekannt ge worden, Latz eine größere Anzahl jüdischer Handelsleute aus Feuilleton. Ein Engel -er Finsterniß. Roman von Gertrude Warden. Autorisirte deutsche Uebersetzung vo» A. BraunS. NaLdrNtk »tristen. Im Speisezimmer übte Francesca's blendende Erscheinung auf oie versammelten Familienmitglieder gleich bestrickenden Zauber aus, wie es der Fall bei Welldon gewesen. Dudley so wohl wie Wiktor waren fast unfähig, den Blick von ihr abzu wenden; und die kleine Betty befand sich in einer wahren Extas: von Bewunderung. .Selbst Frau Revelsworth geruhte, sich über oie Toilette ihrer Nichte wohlgefällig auszusprechen. „Du bist eigentlich viel zu elegant für solch bescheidenes ruhiges Diner mit Deinen Verwandten!" meinte sie. „Es ist aber ein wirklich kostbares Gewand. Was ist denn aber das für ein häßliches Ding, das Du da am Arme hast?" Das „häßliche Ding", das einzige Schmuckstück an Fran cesca, war «in Armband von emaillirtem Gold, das sich in Ge stalt einer Schlangt um ihr linkes Handgelenk wand. „Das ist mein einziges bischen Goldschmuck, den ich besitze, liebe Tante. Ich trage das Armband stets „für's Glück"." „Glück?! Nun, «s ist ja ein ekliges Reptil mit einem großen häßlichen Kopfe — «in gräßliches Ding zum Tragen!" „Mein Vater schenkte es mir kurze Zeit vor seinem Tode", erklärte FranceSca mit bebender Stimme, „und ich hoffe es zu tragen, so lang« ich lebe!" Viktor, neben ihr sitzend, sah sich das Kleinod an, wo es sich doppelt um den blendend weißen Arm seiner Cousine schlang. Ohn« dem Dorurtheil seiner Tante beipflichten zu wollen, fühlt: er sich doch von einem Schaucrbeben durchrieselt, wie er di: realistische Färbung der Emaillearbeit, das stumpfe Grün und die -raunen Tinten, wie es gewissen Arten von Nattern eigen, so getreu reproducirt sand. Insonderheit der Kopf mit seiner dunklen Krone und gelbgesprenkelten Kehle erschien zum Ent setzen lebenswahr. „Es ist gräßlich!" rief er. „Sir sind zu schön, Francesca, solch ein häßliches Schmuckstück zu tragen!" „Ich kann das weitverbreitete Vorurtheil geaen Schlangen nicht begreifen", erwidert« sie gelassen. „Sie sind oft ganz niedlich und anmuthig und nur in seltenen Fällen giftig." „Wir werden Sie nach dem Schlangenhause im Zoologischen Garten führen, Cousine, und Ihnen die große Pythonschlange zeigen", mischte sich Dudley ins Gespräch. „Aber da Sie eine Liebhaberin von dergleichen Schmuckgcgenständcn sind, werden Sie sie dann wahrscheinlich zum Gürtel haben wollen!" „Ich nenne das eine krankhafte Vorliebe", redete Frau Nevels- Worth in entschiedenem Tone wieder dazwischen — „und mir sind ungesunde Liebhabereien verhaßt!" „Francesca sieht aber, möcht ich behaupten, nicht ein bischen ungesund aus!" rief Betty, die stets darauf bedacht war, den Frieden zu erhalten; „ungesunde Leute sind gemeiniglich recht blaß. „Können Sie sich noch jener Armerikanerinnen erinnern,Frau Revelsworth, die den ganzen vorigen Sommer im White Star- Hotel wohnten und sich als Lieblingsthiere Frösche hielten? Ganz fürchterlich blaß sahen sie Alle aus!" „Aber zwischen Fröschehalten und blassem Aussehen liegt doch kein verwandter Zusammenhang, Betty", protestirte Dndley; nnd bei der vertraulichen Nennung ihres Taufnamens flogen die Blicke sowohl seiner Tante wie auch seiner Cousine rasch hinüber zu dem jungen Mädchen. Betty lachte erröthend. „Aber Ungesundheit und Bläffe gehen gewöhnlich Hand in Hand, nicht wahr?" versetzte sie. „Und Frau Revelsworth be trachtet Fröschehalten als ungesund." „Allons ckono!" rief Viktor. „Dann sind alle kleinen Schul jungen als ungesund zu betrachten, und die sehen doch nicht blaß aus! In der Schule hatte ich selbst stets ein paar weiße Mäuse in den Rocktaschen, glänzende Käfer im Hute und eine Eidechse oder Schildkröte in den Hosentaschen. Ich liebte Thiere, sehen Sie!" „Francesca liebt Thiere aber nicht", konnte die alte Dame, die gegen ihre Nichte wegen ihres sonderbaren Geschmackes in Schmuckgegenständen zornig gesinnt zu sein schien, zu be merken nicht unterlassen. „Hunde, wenn ich mich recht erinnere, mag sie nicht." „Wilde Hunde mag ich nicht, gewiß", räumte Francesca sanft ein, „bestrebe mich aber, nicht merken zu lassen, daß ich mich vor ihnen fürchte." „Da wir gerade von Hunden sprechen, fällt mir ein", ergriff Frau Revelsworth wiederum das Wort, „daß ich Briton seit zwei Tagen nicht gesehen habe. Nun ist er doch sicher zurück gekommen! Warum denn die geheimnißvollen Mienen? Ist der Hund vielleicht gestohlen worden oder ihm sonst etwas begegnet, das man mir vorenthalten hat? Betty, sag' mir so gleich die reine Wahrheit!" „Der arme Briton ist nicht ganz munter", stotterte Betty. Aber Welldon, auf den seine Gebieterin einen fragenden Blick richtete, fiel an dieser Stelle gleich mit der Thür ins Haus. „Briton ist gestern Abend crepirt, gnädige Frau! Als Sie von Ihrer Spazierfahrt kamen, fand ich ihn schon todt." „Briton todt?!" rief die alte Dame, sich blaß, erregt und zornig von ihrem Stuhle erhebend. „Und warum ist mir das nicht gesagt worden? Und wie ist es denn zugegangen?" „Gestern Vormittag wurde er krank", berichtete Betty. „Wir fürchteten uns aber, cs Ihnen zu sagen. Herr L'Meara hat sich sehr viel Mühe mit ihm gegeben, hat auch den Thierarzt kommen lagen, der ihn in Behandlung genommen hat. Aber er muß sich mit anderen Hunden Herumgebissen und auch etwas gefressen haben, das ihm schlecht bekommen ist. Er verendete gestern zwischen fünf und sechs Uhr." „Und Du ließest mich meine Mahlzeiten genießen, ohne mir etwas zu sagen! Das war gefühllos und falsch! Ich will das arme Thier sogleich sehen!" „Sein Kadaver ist heute auf dem Wirihschaftshose einge graben worden, Frau Revelsworth. Wir wollten Sic ja nur schonen." „Ich will aber nicht in der Weise geschont werden, daß man mich in Unkenntniß erhält über das, was in meinem Hause vor geht!" erklärte sie scharf. Sic hatte sich nicht wieder gesetzt und faltete jetzt mit vor Erregung bebenden Händen ihre Serviette zusammen, legte sie auf den Tisch und schritt, ohne noch ein Wort an die übrige Gesellschaft zu verschwenden oder auch den Braten auf ihrem Teller nur gekostet zu haben, majestätisch aus dem Gemache. Betty hatte sich gleichfalls erhoben und, bei den Anderen sich flüchtig entschuldigend, eilte sie ihrer Principalin nach. „Aufregung ist nachtheilig für sie", wisperte sie beim Ver lassen des Zimmers. „Ich muß sie zu beruhigen versuchen." Die beiden jungen Herren standen gleichfalls auf und sahen einander unentschlossen an. Francesca ließ sich dagegen durch die Vorgänge im Genuß ihres Diners nicht stören, sie bat dcn aufwartenden Haushofmeister ganz ruhig, ihr die neuen Kar toffeln zu reichen. „Von welchem Nutzen wäre es denn, wenn wir fasten würden, um ihr zu folgen?" wandte sie sich auf Französisch an ihre Cousins. „In einer halben Stunde wird sie ihren Groll etwas überwunden und wir unseren Hunger gestillt haben. Es wäre daher schade, dieses saftige Hühnchen und den herrlichen Wein stehen zu lassen! Und nach Allem ist es doch auch nicht unsere Schuld, wenn der Hund sich herumgebiffen und sich dadurch den Tod zugezoyen hat, und durch Darben können wir ihn auch nicht wieder ins Leben zurückrusen." „Das arme kleine Fräulein Betty wird die ganze Wäsche über den Kopf bekommen!" meinte Viktor, als er und Dudley ihre Plätze wieder cinnahmen. „Sie ist so gut und theilnehmend, die kleine Betty!" „Sie wird ja auch demgemäß geschätzt, freue ich mich, sagen zu können", bemerkte Francesca. „Ich habe ihren Verehrer auf Station Kingston gesehen, — ein schöner, anziehender, junger Mann. Bitte, noch etwas Spargel." „Ihr Verehrer? Hat sie denn einen Verehrer?" „Er wohnt an der anderen Seite des Angers, glaub' ich, und hat der Tante Pferdeställe gemiethet. Sie ist auch solch nied liches, hübsches Ding, daß ich mich für ihre kleine Herzensange legenheit aufrichtig interessire. Sie dürfen sie aber nicht damit necken, das würde sie, glaub' ich, nicht gern sehen." „Es wird Einem ein bischen bange, nach dem klelnen Zwischenfall zur Tante in den Salon zu gehen", äußerte Dudley, „doch wird cs sich nicht anders thun lassen." Der Vorfall hatte dem Anschein nach die Insassen von Revelsworth House in zwei Lager getheilt — die Herrin deS Hauses und Betty in dem einen, Francesca und die beiden jungen Männer in dem anderen. „Tante Margaret sollte die staubige, nutzlose Bibliothek in ein Billardzimmer nmwandeln lassen", warf Francesca jetzt hin, indem sie ihren Teller mit Dessert füllte. „Mit fünfzig bis sechzig Pfund Sterling ließe sich die Geschichte Herstellen." „Wer soll ihr das denn beibringen?" fragte Viktor mit einer komischen Grimasse. „Ich", erklärte Francesca. Sie war so anmuthig und großartig in ihrer ruhigen Selbst beherrschung, ihrem sanften Wesen, und ersichtlichermaßen im Genüsse, den das Diner ihr spendete, wie auch frei von aller Furcht vor ihrer gestrengen Tante, daß ihre beiden Vettern sie mit Ver- und Bewunderung anblickten. Sie hatte bei Tische französisch zu sprechen eingeführt, welche Sprache sie fast in gleichem Grade beherrschte, wie die jungen Herren selbst, so daß Welldon's und Susen's Gegenwart in keiner Weise genirte. „Nach Allem", fuhr sie fort, und richtete ihre glänzenden blauen Augen, die solch magnetischen Zauber auf Dudley übten, auf sein Angesicht — „nach Allem sind wir doch die Erben deS Vermögens — wir Drei — nnd es ist nur recht und billig, daß während unseres hiesigen Aufenthaltes auch ein bischen für Unterhaltung und Annehmlichkeit gesorgt wird. Die Zeiten Onkel Jsaak's, der eigenhändig arbeitete, Geld und Besitztum zu erwerben, sind jetzt doch nicht mehr. Unsere Tante hat zum Schassen nicht« gelhan — bat uns nur kommen lassen, als sie nicht mehr anders konnte. Warum also sollen wir uns vor ihr
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