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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.05.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-05-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190005138
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19000513
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19000513
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-05
- Tag1900-05-13
- Monat1900-05
- Jahr1900
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.05.1900
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Größere Schriften laut unserem Preis« vcrzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsay nach höherem Taris. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Poslbeförderung 70.—. Ännahmeschlnß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeige» sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 241. Sonntag den 13. Mai 1900. 94. Jahrgang. Aus -er Woche. „Die Linke hat "die Jagd gegen die Agrarier ofsiciell eröffnet", so meint ein freiconservativeS fchutzzöllnerisches Blatt. Und richtig ist, daß Berliner freisinnige Blätter fast alltäglich einen, nach ihrer Meinung offenbar auS „höheren" Gesichtspunkten geschriebenen Artikel bringen, mit der Tendenz, Regierungspartei zu werden. Dabei besteht aber unter ihnen keine volle Uebereinstimmunz. Die Einen wollen rein um ihrer schönen Augen willen freisinnig regiert, vor allen Dingen freihändlerisch gewirthschaftet sehen, die Anderen bieten den Berzicht auf die bisherige grundsätzliche Opposition in Wehrangelegenbeiten an. Gemeinsam ist den beiden Bächlein, die das deutsche Schiff auf daS Meer des Manchesterthums tragen sollen, daß sie, eigener Gedanken baar, sich an Herrn Naumann anlehnen, der in einer als „irrealpolitisch" be zeichneten Schrift „Demokratie und Kaiserthum" ver binden will. Schon die Schrift ist fast ausschließlich auf die Person des regierenden Kaisers, oder doch auf das Bild, das sich der Verfasser von ihr entwirft, zugeschnitten. Ihre Verwässerung in der frei sinnigen Presse läuft auf ein pures Byzanlinerthum hinaus; den Herren ist für Handelsverträge, die die Landwirthschaft und schließlich auch die Industrie unberücksichtigt lassen. Alles feil, vor allen Dingen die „Demokratie", in deren Namen sie angeblich „jagen". Es wiederholt sich hier die Erscheinung, die in der Angelegenheit des Mittellantcanalö dem gesunden liberalen und constitutionellen Gedanken so viel Schaden zugcfügl hat — ohne verkehrspolitisch etwas zu nützen. Herr Richter hält sich den geschäftigen Tanten, die, um die „Junker" unter- znkriezcn, eine Partie zwischen Demokratie und Kaiserthum zu Stande bringen wollen, fern und macht sich sogar lustig über sie. Hauptsächlich, weil sich daS Projectchen zum Theil gegen ihn selbst richtet, aber auch, weil er die „Treibenden" denn doch an politischem Scharfblick übertrifft und ihr FiaSco voraussieht. Es läßt sich in der Tbat wieder so an, als ob in den bevorstehenden wirthschaftlichen Kämpfen die Sache der Mäßigung, im Besonderen die Abwehr des extremen AgrarierthumS, durch die extremen, zur Abwechselung um Hofgunst bettelnden Freihändler und Junkerhasser compromitirt werden sollte. Herr Richter wird schließlich auch mitthun, wenn auch nicht beim Buhlen um die Protection der obersten Stelle; um so mehr aber hat der politisch und wirthschaftlich gemäßigte Liberalismus Anlaß, sich mit der Ziehung einer Scheidelinie zwischen sich und diesen Elementen zu beeilen. Wenn in letzter Zeit vier ReichstagSnachwablen für die Nationalliberalen günstig aus gefallen sind, so ist dieser Erfolg nicht zum Wenigsten dem Vertrauen zuzuschreiben, das trotz der Hetzereien der Ber liner Agitation des Bundes der Landwirthe die Landwirth- schast in die nationalliberale Partei setzt. Die Erschütterung dieses Vertrauens ist in noch nicht weit hinter uns liegenden Zeitläuften den extrem-agrarischen Todfeinden der liberalen Mittelhart« wiederholt in ernsten Augenblicken durch Preßorgane erleichtert worden, die den nationalliberalen zugerecknet werden. Die Aufklärung, daß die Partei für diese Publicistik nicht einstehen könne, kam mehrfach zu spät. Man sollte sich durch die Vergangenheit warnen lasten, namentlich vor dem Verdachte, für eine Beurtbeilung der WirthschaftSfragen, die lediglich von der Furcht vor dem AuS lande dictirt scheint, mitverantwortlich zu sein. In diesem Puncte ist man, Gott sei Dank, in Deutschland doch etwas empfindlicher als früher. Vor Allem soll man sich hüten, die Handelsvertragsverbandlungen so vorzubereiten, daßAmerika in dem Glauben befestigt wird, Deutschland ober auch nur die deutschen Exporteure nach den Vereinigten Staaten verkennten daS Interesse, daS die Union an guten Handelsbeziehungen zu uns hat. Einen Zollkrieg zwischen Deutschland und Amerika will in Deutschland nur eine Hand voll von — wenn es zur Entscheidung kommt — einflußlosen Schreiern, aber es wäre thörickt und frevelhaft, die Austastung der Amerikaner zu pflegen, sie liefen bei der ungerechten und übermüthigen zollpoliti schen Behandlung Deutschlands, in der sie sich noch immer zu ge fallen scheinen, keine Gefahr. Wir haben kürzlich eine Statistik wiedergegeben, auS der hervorgeht, daß im vergangenen Jahre 52 Procent, also mehr als die Hälfte, des nach Deutschland eingeführten Getreides von den Vereinigten Staaten geliefert worden war. Diese Tbatsache wird den Farmern der Union gewiß imponiren, wenn nicht deutsche Politiker und Zeitungen den Prohibitionisten Amerikas Mittel liefern, mit denen sie die Besorgnisse ihrer Landwirthe vor einem Verluste des deutschen Absatzgebietes zu zerstreuen vermögen. Der Reichstag hätte den ersten Abschnitt der Unsall- versicherungsreform mit aller Sachlichkeit und Gründlichkeit in drei, höchstens vier Tagen in zweiter Berathung erledigen können. Er bat dazu deren sieben gebraucht, einfach, wei die Socialdemokratie keine Befriedigung an der Ver besserung der Lage der Arbeiter empfindet und im Gegen- theil lediglich daS Bedürfniß hat, UnzufriedenheitSstof zu erzeugen. Diesem Zwecke dienten die meisten der von ihr gestellten Anträge und alle von ihr gehaltenen Reden. So viel die Herren Molkenbuhr und Hoch aber auch sprachen, an Ein« haben sie nickt erinnert, nämlich daran, daß die ganze segensreiche deutsche Arbeiteiterversicherung, auf deren Gebiete sie jetzt eine Autorität beanspruchen, von ihnen mit allen Mitteln bekämpft worden ist, daß sie Hegen ihre Stimmen ins Leben gerufen und von ihr nach Kräften i» der Durch führung behindert worden ist. DaS ist für eine „Arbeiter partei" kein geringfügiger Umstand; wir begreifen aber, daß die Socialdemokratie diese Gesetze zuerst angefeindet bat und jetzt ihre Verbesserung zu Hintertreiben sucht. Diese der Initiative Wilhelm'- I. und BiSmarck'S entsprungene VersicherungSgesetzgebung war rin schwerer Schlag gegen die focialrrvolutionare Partei und diese hat sich auch vor acht Jahreu an einer in Bayern von dem dortigen — salvL venia — Freisinn veranstalteten Bewegung zur Beseitigung de» „Klebegesetze-" zu bethciligen begonnen. Als bald aber mußte sie erkennen, daß die Arbeiter, vor die Wahl zwischen AlterS-, Invaliden-, Unfallrente und die Socialdemokratie gestellt, sich nicht für die letztere entscheiden würden. Auch die neuesten Anstrengungen scheinen von den Arbeitern nicht sehr geschätzt zu werden. Im badischen Wahlkreise Offenburg-Kehl hatte man jedenfalls die Hälfte der chönen, angeblich für, in Wahrheit gegen die Verbesserung des Unfallgesetzes gehaltenen Reden gekannt, und die Social beinotraten haben gegen 1898 nahezu 1000 Stimmen eingebüßt. So undankbar ist die Welt. Im „Vorwärts" wird ungenügende Agitation für den schweren Mißei folg verant wortlich gemacht. Ja, waS tbut denn die Socaldemvkratie ür das schwere, von den Genoffen eingetriebene Geld sonst, wenn sie nicht agitirt? üniebeugung in Lachsen. Der Landtag ist geschlossen, ohne daß in ibm eine Jnter- )ellation an den Kriegsminister wegen der Zuziehung von evangelischen Soldaten und Eadetten zu Dienstleistungen in der katholischen Hofkirche erfolgt wäre. Das ist tief be dauerlich, weil damit die Gelegenheit versäumt ist, volle Klar heit über jene Sache zu schaffen und vielleicht etwas zur Beruhigung der Gemüther beizutragen. Man scheint in Dresden nicht genügend unterrichtet zu sein, wie tief durch breite Schichten der Bevölkerung die Erregung wegen solcher Verwendung der Soldaten sich zieht. Da der Landtag ge schwiegen bat, werden die kirchlichen Versammlungen dieses Jahres reden müssen; der Uebelstand wird so lange als olcher gekennzeichnet werden, bis er beseitigt ist. In Bayern mußte man feiner Zeit 7 Jahre kämpfen; Sachsen wird nicht minder zähe sein, wo es gilt, den protestantischen Standpunct zu wahren. Durch die Verhandlungen der Presse ist als erwiesen zu be trachten, daß die Angaben unseres Artikels vom 28. April in der Hauptsache richtig sind; es ist fcstgestellt, daß evangelische Soldaten zum Wachdienst bei den Processionen commandirt werden und ihre Ehrenerweisung, die ja nur Sr. Majestät gelten soll, schon vor dem Bischof machen müssen; sie prä- senliren, sowie der Baldachin vor ihnen erscheint. Es ist festgestellt, daß auch evangelische Ofsiciere den Baldachin tragen, unter dem der Bischof mit dem katholischen Sanctissi- mum dahinschreilet. Es ist feslgestellt, daß evangelische Eadetten alö Pagen, und solche Ojsiciere, die zum „Großen Dienst" gehören, vor dem Altar niederknieen. Die Pagen fallen nieder, wenn die Dame kniet, deren Schleppe sie tragen; die Damen knien, wenn die Hostie erhoben wird, in diesem Moment also auch die Pagen. Die Anbetung der Hostie wird durch das evangelische Bekennlniß entschieden verworfen; die evangelischen Pagen müssen also etwa« thun, was im Gegensätze zu den Grundsätzen ihres Glauben steht. Bei diesem Puncte aber schwirren Gerückte durch daS Land, die endlich näher erörtert werden müssen. Die In struction besagt, daß in erster Linie nur katholische Soldaten, Osficiere und Eadetten verwendet werden sollen; reichen diese nicht auS, so nimmt man evangelische; es wird behauptet, es sei diesen zugestanden worden, ausrecht stehen zu bleiben. Angenommen, das sei so, so scheint eS doch nach den Er klärungen der „Leipziger Zeitung" wertblos zu sein, da nach dieser die Eadetten als Pagen gar nicht anders handeln können, als niederknien. Nun wird weiter erzählt, daß nach einer Beschwerde über die Zuziehung von Eadetten im KriezSministerium der Ausspruch gefallen sei, daß nun erst recht nur evangelische Eadetten in Anspruch zu nehmen seien; in Folge dessen seien am 14. April dieses Jahre- nur evangelische Eadetten zum Dienst in der katholischen Kircke befohlen worden. DaS scheint unglaublich, weil eS ganz und gar von dem in der „Leipziger Zeitung" citirten Commandanturbefehl ab weicht; indessen tritt die Behauptung mit solcher Sicherheit auf, daß die officiöse Presse zu ihr Stellung nehmen muß. Wäre sie aber wirklich gefallen, dann müßte wider sie der lebhafteste Protest erhoben werden. Hier wäre, da die Synode erst im nächsten Jahre Zusammentritt, für daS Landes« consistorium die Gelegenheit, die Interessen der evan gelischen Eadetten gegen ein derartiges Gebühren zu wahren. Die sächsischen Protestanten dürfen erwarten, daß ihr Kirchen regiment im Einklang mit ihrem jetzt lebhaft sich regenden protestantischen Ehrgefühl vorgeht. Freilich, wenn die Be richte genau sind, die über die Verhandlungen der Sächsischen Kirchlichen Conferenz am 1. Mai in Cbemnitz vorliegen, so dürfen die Hoffnungen nicht allzu hoch gespannt werden. Nach den Berichten hat der Herr Vertreter des Landesconsistoriums an der Zuziehung evang. Soldaten zum Dienst bei katholischen Processionen keinen Anstoß genommen; da- evangelische Volk und viele der commandirt gewesenen Soldaten denken und fühlen ander-. Nack jenem Berichte hat er davon gesprochen, baß Dank dem „Wohlwollen" de- Kriegsministers eine be friedigende Lösung der Frage wegen Zuziehung evangelischer Eadetten nabe gewesen sei, durch die Behandlung dieser Sache in der Presse aber fraglich werde. Diese Erklärung weckt da- Verlangen, zu wissen, wa- da« LandeSconsistorium gcthan und was eS erreicht babe. E- sollte sich freuen, daß alle seine Schritte in der Richtung, evangelische Soldaten und Eadetten von den Diensten in der katholischen Hofkirche zu befreien, von begeisterter Zustimmung der protestantischen Sachsen begleitet — und gefordert werden. Jedenfalls werden diese nicht müde werden, für da- Recht ihre« evangelischen Bekenntnisse« so lange einzutreten, bi- diese« auch in diesem Puncte voll aurrkaunt ist. Der Krieg in Südafrika. Dir letzte« Nachrichten vom Kriegsschauplatz« wissen nur von der Ksristtzun« Robert-scheu Marsches nach Norden zu melden. Ereignisse von Bedeutung sind da bei anscheinend bisher nicht eingetreten; wenigstens lassen die Depeschen nicht« Derartige« erkennen. Die Nachrichten lauten: * Lantzan, 12. Mai. (Telegramm.) „Renier'« Bureau" meldet au» Grneva Siding vom 11. d. M.: Di« britischen Truppen sind hier, etwa 14 Meilen von Kroonstad entfernt, ein- getroffen. Die Truppen marschiren vortrefflich. General French marschirt mit seiner Cavallerie voraus. Die Eisenbahn ist fast bis zum Zandsluß fertiggeslellt. Unmittelbar nördlich des Flusses ist die Eisenbahn stark beschädigt, nicht aber darüber hinaus, da die Bocren in zu großer Eile (?) abzogen, als daß sie hätten großen Schaden anrichten kbnnen. Es verlautet, der Feind sei um Kroonstad herum eifrig mit Schanzarbeiten beschäftigt. * London, 12. Mai. (Telegramm.) Eine Depesche des Feld marschalls Rob erts aus Geneva Siding vom 11. d. M. meldet: Die Truppen, die heute 20 Meilen marschirten, trafen in Geneva Siding ein. Letzteres ist etwa 6 Meilen von Boschrand entfernt, wo die Bocren eine verschanzte Stellung inne haben. Die Brigade Gordon ist in Fühlung mit ihnen. Die Division Tucker befindet sich in geringer Entfernung südöstlich, die Streitmacht Jan Hamilton's noch weiter westlich. Die Brigade Broadwood holte gestern einen Thcil des feindlichen Convois bei Potgieters Lager, südöstlich von Ventersburg, ein, erbeutete mehrere Wagen und machte einige Gefangene. General French befindet sich mit den Brigaden Porter und Dickson, sowie mit der berittenen Infanterie Hutton's in einiger Entfernung nördlich von Geneva Siding. Wir machten in den beiden letzten Tagen nahezu 100 Gefangene. Augenblicklich hätte es uns mehr interessirt, Nachrichten aus Tbabanchu zu erhalten, um erkennen zu können, wie es im Rücken der Roberts'schen Offensiv-Machk aussieht. Da von dort nichts verlautet, darf man hoffen, daß die dortige Lage für die Boeren nach wie vor günstig ist. Fair Platz. Dem „Daily Expreß" geht auS Capstadt folgender be merkenswerte Aufruf zu einer versöhnlicheren Auffassung der Lage zu: » „Sie in England könnnen sich kaum auch nur eine an nähernde Vorstellung macken von der Erbitterung und dem Haß, der zwischen Holländern und englischen Colonisten be steht und alle Unparteilichkeit und Ehrlichkeit des Urtheils zerstört zu haben scheint. Ich will nickls mehr über die Fehler der Holländer sagen, die genügend bekannt sind und bereits hinreichend breit getreten wurden. Ich möchte vor Allem auseinandersetzen, daß, selbst wenn der Holländer in unserer Colonie wirklich so schlecht ist, wie seine Feinde ihn schildern, dies doch kein hinreichender Grund für die drastischen Maßregeln wäre, welche gewisse Kreise gegen ibn angewandt wissen wollen. Wer die hiesigen Zeitungen und die in denselben ver öffentlichten Correspoudenzen liest, oder die Unterhaltungen auf öffentlichen Plätzen anbört, muß zu der festen Ueberzeugung kommen, daß der Rassenhaß das ehrliche Denkvermögen dieser Leute nahezu zerstört hat. In Capstadt giebt es nicht ein einziges Blatt, das im Stande gewesen ist, sich derLage gewachsen zu zeigen und an Stelle kleinlicher, beschränkter Gehässigkeit den Geist der Unparteilichkeit und Weilherzigkeit zum Ausdruck zu bringen. Auch nicht ein Organ der öffentlichen Meinung, nickt ein Mann, dessen Stimme sich Aufmerksamkeit zu ver schaffen weiß, trat vor, um zu sagen: „Dieser Krieg muß zu dem einzig möglichen Ende gebracht und eine Wiederholung eine« solchen Zustandes für immer unmöglich gemacht werden; aber wir baden, obwohl wir jetzt die Holländer als unsere Feinde bekämpfen, doch in Zukunft als Freunde mit ihnen zu leben, und niemals, weder jetzt noch später, wird unseren Interessen, »och den Reichinieressen, durch eine Politik der Verleumdung und Racke irgendwie gedient sein." „Schlag den Holländer nieder und entwaffne ihn, aber tritt ihn nicht, wenn er am Boden liegt und beraube ihn nicht seiner Ehre wie seiner Waffen I" Nein, man hört nur: „Verdammter Rebell" für jeden Holländer innerhalb der Colonie und „verfluchter Boer" für jeden außerhalb und „weh Euch, wenn wir Euch erwischen" für Beide. Diese Tonart zeigt, daß Boeren und Eapholländer in gleicher Weise schwerer Felonie schuldig gehalten werden. Ist das gerecht? Lassen wir die Geschichte sprechen! Die Holländer kamen um das Jahr 1652 nach der Capcolonie, die wir ihnen dann im Jahre 1806, nachdem sie mehr als 150 Jahre darin ansässig gewesen waren, sortnahmen. Die Colonie ist ihr Vaterland, ihre Heimath, und Holland ist für sie nicht mehr, als Frankreich für die alten Hugenottenfamilien ist, die hier ansässig sind. Wir dagegen haben dieses Land fast in derselben Weise behandelt, wie der Franzose seine Colonien, nämlich wir gehen hin um Geld zu machen und dann, so schnell als möglich wieder zu verschwinden. Wir sind in Massen in die Städte gedrungen, die wir sozusagen gemacht haben, aber das flache Land überließen wir größten- theils dem Holländer. Wir haben daS Land nicht colonisirt, wie Australien und die Zahl der englischen Colonisten, für die es wirklich Heimath ist, steht in keinem Verhältniß zu der der Holländer. Wir stellen das fluctuirende unbeständige Element vor, die Holländer dagegen das stabile, und es herrscht in der Tbat wenig Sympathie zwischen den beiden Rassen, soweit Gebräuche, Charakter oder Ideale in Frage kommen. Ich will die Holländer nickt rechtfertigen, ich möchte nur daS Meinige thun, um zu Verbindern, daß sie auS irgend welchen rachsüchtigen Motiven bestraft werden, und um ein gewisses Maß von Gnade in der Behandlung zu bewirken, die ihnen in Gerechtigkeit zu Theil wird. Hier ein Beispiel von Rebellion: Jan Boer bat eine Farm im Norden der Colonie. Seine nächsten Nachbarn sind Holländer und er und sie sind durch Bande des Blutes mit den Bürgern de- Freistaates und des Transvaals verwandt. Nun bricht der Krieg aus und eine« TageS besucht ein Commanto, in dem seine Freunde und Blutverwandten dienen, seine Farm; er hört, daß die Holländer, seine StammeSgenossen, sich gegen die Engländer — für ibn ein fremde« unsympathisches Volk — erbobeu baden, um sie in die See zu jagen; daß sein District vom Freistaate annectirt wurde, und er somit Freistaatsbürger geworden ist, und daß, wenn er sich nickt seinen Freunden anschließt, seine Farm consiscirt und er selbst in« Gesängniß geworfen werden wird. Von Sckutz der englischen Regierung ist kein Anzeichen vorhanden, nirgends im ganzen District ist ein Soldat zu sehen; aber er fühlt und sieht die Macht der Boeren uud kennt von der Macht der Engländer nichts, als WaS Majuba-Hill ihn gelehrt hat. So schultert er denn seine Flinte und folgt seinen Freunden. Der Mann ist natürlich ein Rebell, aber sind wir nicht selbst in großem Maße für sein Verhalten verantwortlich? Was das Ende vom Ganzen sein wird, ist nicht vorauszusagen. Es ist un möglich, sich eine schwierigere Aufgabe vorzustcllen, als die eine Verwaltung und Einrichtung für dieses Land zu schaffen auf Grundlagen, die Freund und Feind in gleicher Weise gerecht werden und beiden in unparteilicher Weise die Gelegenheit bieten, ehrliche Freunde zu werden. Ich kann nur hoffen, daß unsere Politik so wenig Rücksicht als möglich auf locales Geschwätz und Geschrei nehmen und sich lieber völlig auf Sir Alfred Milner's Ratbschläge stützen wird. Ich kann keinen bestimmten Plan Vorschlägen, dafür bin ick noch zu jung, ich wollte nur versuchen, wenn auck ohne viel Hoffnung, den blinden Haß zu erschüttern und an jene Gerechtigkeit auch gegen Feinde, die wir unserer eigenen Würde schulden, zu erinnern. — Das ist natürlich die Stimme eines Predigers in der Wüste." Portugal und England in Südafrika. ES scheint, als ob England nickt nur die portugiesische Negierung für die Gewährung von Truppendurchzügen durch Beira gefügig gemacht bat, sondern daß es jetzt vollständig in Delagoa-Bai dominirt und die portugiesischen Be amten „anleitet", was sie als Kricgscontrebande anzusehen haben, und was nicht. Wenigstens gehl das mit ziemlicher Deutlichkeit aus einem Bericht der „Times", datirt Louren^o Marques, 9. Mai, hervor. In demselben heißt es nämlich u. A.: „Capitän Crove, der englische Generalconsul hier, flößt allen Clasfen außer Boerenagenlen und Boerenfreunden (von denen es beiläufig bemerkt in Lourenyo Marques wimmelt. Red.) Vertrauen und Respe ct ein. In dieser Woche bat er durch gesetzt, eine Schiffsladung von Kleidungsstücken für Männer confisciren zu lassen, weil sie unzweifelhaft für den Gebrauch im Felde stehender Boeren bestimmt waren und er war auch die Veranlassung, daß die portugiesischen Behörden angewiesen wurden, eine Sendung von 240 000 Psd. Fleischconserven, die für dasselbe Quartier bestimmt war, mit Beschlag zu belegen." An anderer Stelle rühmt die „Times" die Bereitwillig keit, mit der die portugiesischen Behörden jetzt die aus Transvaal auSgewiesenen englischen Unlerlhanen, deren Zakl sich in den letzten Tagen auf zusammen 1000 Personen (?) belief, unterstützt, sie nennt das Verhalten der portugiesischen Behörden „bez-ouä xi-aiso", über jedes Lob erhaben. Diese Tonart steht in einem bemerkenswerthen Gegensätze zu der aggressiven Gehässigkeit, mit der die „Times" vor dem Beira-Abkommen von Portugal sprach. Die Art, in welcher Portugal seit einiger Zeit die Pflichten der Neutralität auffasser, nämlich indem es die Truppen und den Train der einen kriegführenden Macht ungehindert passiren läßt, dagegen Kleider und Nahrungsmittel, die vielleicht für die andere bestimmt sein könnten, confiscirt, muß natürlich bei den Leuten der „Times" verwandte Saiten sympathisch anklingen lassen. Deutsches Reich * Berlin, 17. Mai. In der Hauptversammlung des Vereins für Schulreform lheilte, wie ein Bericht erstatter meldet, anläßlich des Jahresberichtes der Vorsitzende mit, was ihm aus einer zuverlässigen Quelle über die Pläne des preußischen CultuS Ministeriums in der S chulrefvrmfrage zur Kenntniß gekommen sei: DaS Latein solle nach wie vor im Gymnasium sowohl wie im Realgymnasium mit der Sexta beginnen und in beiden Anstalten wesentlich verstärkt werden. DaS Griechiscke solle im Gymnasium bis Obersecunda hinaufgcschoben, von da aber mit 8 wöchentlichen Stunden betrieben werden. TaSE n g li sch e solle in der Obersecunda des Realgymnasiums beginnen. Ueber- haupt sollen die beiden Schulen einander so genähert werden, daß sie als Einheitsschule mit Gabelung von Obersecunda an erscheinen. Dies geschehe mit Rücksicht auf die Zulassung der Realgymnasial-Abiturienten zum Studium der Medicin. Die Zulassung dieser Schulgattung zuur Studium der Rechts wissenschaft werde erwogen. Hierbei soll der Rath hoher Militärs nicht ohne Einfluß gewesen sein, welche im Interesse der CadettencorpS wünschen, daß die in diesen realgymnasialen Anstalten gewährte Vorbildung außer für die militärische Laufbabn künftig auch zur Medicin und lieber noch auch zur Jurisprudenz berechtige. Die Oberreal sch ulen sollen inr Wesentlichen unverändert bleiben, also wohl auch im Puncte der Berechtigungen, und von den Neformschulen sei bei den Plänen des Ministeriums nicht viel die Rede gewesen. Man wünsche sie auch fernerhin als „Experiment" zu behandeln; man werde sie also weiter bestehen lassen und wolle auch Stadtgemeinren, die darum bitten, nach wie vor die Er- laubnisz zur Einrichtung geben, im Uebrigen aber weder fördernd, noch bindernd eingreifln. Dieser Reform-Entwurf solle demnächst einer Conferenz von Sachverständige» zur Berathung vorgelegt werden. * Berti», 12. Mai. Ueber eine höchst bedenkliche Verschiedenheit gerichtlich er Urtheile wird der „Nat. Ztg." geschrieben: „Durch Urtheil des Schwurqericht» zu Dessau vom 25. Februar 1898 sind der Bäcker Otto Möhring auS Unterwiederstedt und der Landwirth Bernhard Möhring von dort zu einer Zucht hausstrafe von je 3 Jahren, einer Geldstrafe von 300 und zum Verluste der bürgerlichen Ehrenrechte aus die Dauer von fünf Jahren verurtheilt worden, und zwar Otto Möhring wegen be trügerischer Brandstiftung und Bernhard Möhring wegen Anstiftung zu diesem Verbrechen. , Am 13. October 1897 war zu Unterwiederstedt »in» von Bern Hard Möhring «pachtete, g»sülltt Scheune abgebrannt; da-Schwur, g,richt nahm eutiprechend der Anklage und dem Eröffnung«b»schluß al- erwiesen an, daß Otto Möhring di« Scheunr und dir in derselbe»
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