Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.05.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-05-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000522014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900052201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900052201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-05
- Tag1900-05-22
- Monat1900-05
- Jahr1900
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
veM-r-Prei- Die Morgeu-Lu-gab« erscheint um '/,? Uhr, di» Abeud-AuSgab« vocheutag» um - Uhr. beeirk mtd deu voeorteu errichteten AuS» aabestrlle« «»geholt: uierteljLhrlich^-.bO, bei rweimal« täglich« Kuftellung in» Hm» >? 5^L Durch di« Host bezogen für Deutschlmch und Oesterreich: viertessährltch . Direkt» tätlich« Kreuzbaudiendung in» An»land: monatlich 7.Ü0. Nr-actto« «nd Lr-r-itio«: JohanniSgaffe 8. Dir Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Mittlern Alfred Hatz» von», v. Klemm'» Lotti» UniversitSttstrabe 8 (Pauliuum), Laut» Lösche, Katharineustr. Ich »art. und Löniglplatz?. Morgen-Ansgabe. MpMerIllgMaü Anzeiger. AwLsAatt -es königlichen Land- «nd Amtsgerichtes Leipzig, -es Rnthes und Voüzei-Ämtes -er Lta-L Leipzig. Anzeigett'PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter dem RedactionSstrich Ego spalten) SO^j, vor den Familiennachrichlea (g gespalten) 40^. Gröbere Schriften lant unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer and Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilage» (gesalzt), »ar mit der Morgea-AuSgabe, ohne Postbeförderuag 60.—, mit Postbefördrcung ^ll 70.—. Frruahmeschlnß für Anzeigen: Nb end-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Margea-Ausgabe: Nachmittag» 4Uhr. Bel den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck uud Verlag von E. Pol- in Leipzig. 257. Dienstag den 22. Mai 1900. 94. Jahrgang. Der Papst im Dienste der franMschen Revanchepolitik. k. Daß bei dem wenigstens vorläufigen Scheitern der Ver handlungen über die Errichtung einer katholisch-theolo gischen Facultät in Straßburg neben anderen Faktoren der französische Einfluß bei der Curie im Spiel gewesen ist, kann keinem Zweifel unterliegen und wird auch von den deutschen Centrumsblättern unumwunden zugestanden. Be greiflicher Weise sind die Organe der „regierenden Partei" höchst ärgerlich darüber, daß „der verehrte Präsident der GörreSgesell- schaft, Baron von Hertling", welcher der „Germania" zufolge „in Rom nicht nur als der Beauftragte der Regierung, sondern auch als der Vertrauensmann der Centrumsfraction weilte", zum Schaden des Ansehens der Fraktion unverrichteter Dinge hat auf seinen Lehrstuhl in München heimkehren müssen. In diesem Aerger lassen sich die Centrumsblätter sogar Bemerkungen ent schlüpfen, die ihre Leser bei einigem Nachdenken in der ihnen sonst gepredigten schranken- und bedingungslosen Ergebung in den Willen des „heiligen Stuhles" und in dem Glauben an die alle Völker mit gleicher Liebe umfassende Unparteilichkeit der Curie doch bedenklich erschüttern und irre machen müßten. So sucht eine berliner Zuschrift der „Kölnischen Volkszeitung" den „Aus gangspunkt der Schwierigkeiten in der Facultätsfrage wenigstens zum Theil in gewissen französischen Einflüssen, deren Folgen die Katholiken Deutschlands schonwiederholthabenerfahrenmüssen". Das kann doch nur heißen, daß der päpstliche Stuhl in der straß- burger Facultätsfrage, wie schon früher bei der Entscheidung deutscher Angelegenheiten, sich nicht von den kirchlichen Interessen der deutschen Katholiken, sondern von der Rücksicht auf die französische Revanchepolitik hat leiten lassen. Die für die Re- vanchehoffnungen und die Wiedergewinnung Elsaß-Lothringens für Frankreich wichtige Erhaltung der französischen Sympathien unter dem katholischen KleruS der deutschen Reichslande glaubte man durch die Errichtung einer katholisch- theologischen Facultät an der straßburger Universität und die Beseitigung der aus schließlichen Seminarausbildung des geistlichen Nachwuchses ge schädigt zu sehen, da wurde natürlich französischerseits gegen die Faeultät mobil gemacht und die Curie mußte nachgeben. Wie dieser französische Einfluß beim Vatikan sich geltend macht, in welcher nahezu sklavischen Abhängigkeit die oberste Leitung der katholischen Kirche sich von der atheistischen fran zösischen Republik gängeln läßt, darüber hat der bekannte katho lische Kirchenhistoriker Professor vr. Franz Xaver Kraus in Freiburg i. Br. in seinen kirchenpolitischen Spectator-Briefen in der „Allgemeinen Zeitung" vom Jahre 1896 (Beilage Nr. 177) Mittheilungen gemacht, die gewissermaßen als Schlüssel zum Ver- ständniß des Verhaltens der Curie dienen können. Professor KrauS wies damals bei Besprechung des Verhältnisses zwischen dem Vatikan und dem Königreich Italien, dessen Bessergestaltung Frankreich ebenfalls auf jede Weise hintertreibt, darauf hin, daß der päpstliche Stuhl seit den Tagen des Papstes Boni faz VIH. bis auf die Gegenwart eine unübersehbare Zahl von Demüthigungen, Beleidigungen und Schädigungen durch Frankreich erfahren, daß nichtsdestoweniger aber seit du zeitweiligen Verlegung der päpstlichen Residenz nach Avignon bis herab auf die Gegenwart das Ober haupt der Kirche sich unzählige Male in einem voll ständigen AbhängigkeitSverhältniß zu Frankreich befunden habe. Dann heißt eS weiter: „In den glorreichen Tagen, wo der Geist Leo's XIII. eine neue und große Politik zu inauguriren schien, war davon keine Rede mehr, und der Papst nahm keinen Anstand, zu erklären, daß es Deutschland und sein Kaiser sei, der an der Spitze der die europäische Gesellschaft und die Cultur erhaltenden Interessen einhergehe. Alle Welt weiß, daß diese Auffassung sich im Vatikan geändert hat. Der Einfluß Frankreichs ist seit 1W5 in demselben Maße gestiegen, wie derjenige Deutschland» ge sunken ist, und heute ist zwar nicht der Nachfolger und Enkel deS heiligen Ludwig, wohl aber die dritte französische Republik Herr der Situation. ... Als in den Jahren 1887—1890 eine An näherung zwischen Vatikan und Quirinal im Werke war, ist der französische Botschafter mit der bestimmten Erklärung da zwischengetreten, die Republik müsse jeden Versuch einer Ver ständigung der Curie mit dem Quirinal als «ine Kündigung ihrer Freundschaft ansehen und werde einen solchen mit dem Bruche de» ConcordatS beantworten. Als im Jahr« 1894 wieder ernstlich daran gedacht wurde, durch Gestattung der politischen Wahlen Italien einen Schritt entgegenzukommen, da ist e» wiederum die französische Regierung gewesen, welche dazwischen getreten ist und eine neue Verschärfung des ConfkictS herbeigeführt hat. Seithn hat die französische Regierung die ihr vertrauten Cardinale wissen lassen, daß sie keinen Papst in dem nächsten Conclavr acceptiren werde, welcher nicht nach zwei Richtungen Garantien biete: ersten» hinsichtlich de» Protektorat» Frankreich» über die katholischen Interessen imOrient und zweiten» hin sichtlich dn „römischen Frage", in Betreff deren jede Lösung ohne Berücksichtigung der französischen Interessen zurück- gewiesen werden müsse. In dem hohen französischen Kleru» wird die Regierung der Republik für diese ihre Forderungen will kommene Stütz« finden. Denn für denjenigen, der Ohren hat, zu hören, und Augen, um zu sehen, ist längst Nar geworden, daß wenigsten» ein Theil de» französischen Kleru» lieber in ein neue» Schi»ma, al» in einen Papst willigen würde, der seinen Frieden mit Italien machte." Der Hauptgrund, der die Curie zu ihrer beständigen Dienst willigkeit gegen Frankreich treibt, ist offenkundig die Hoffnung, mit dessen Hilfe die so sehnlichst erstrebte Wiederherstellung de» Kirchenstaate» zu erreichen. Mit welchen aurschweifenden Rech nungen sich wenigsten» einzelne päpstliche Diplomaten nach dieser Richtung hin tragen, davon kann man sich nach folgend« Mit theilung de» offenbar mit den gemäßigten und liberalen Ele menten der hohen kirchlichen Kreist und mit diplomatischen Stellen Rom» in reger Fühlung stehenden und demnach au» guter Quelle schöpfenden Professor Krau» eine Vorstellung machen: „In der einiigen Unterhaltung, welch« den unverbürgten Nach richten zufolge kürzlich eine» natürlichen (!) Lode» verstorbene Cardinal Ganmberti seit seiner Abberufung von Wien mit einem gewissen päpstlich«» Diplomat« gehabt, legte dies« da» Pro gramm sein« Politik sehr offen dar. Der nächste — als nahe bevorstehend gedachte — Krieg werde die Lösung bringen. Frankreich werde die italienische Armee rasch über den Haufen werfen, Rußland da- österreichische Reich endgiltig zerstören und den Rest (mit Deutschland) werde der Gott der Schlachten be sorgen. Nach der Zerstörung des Königreichs Italien werde sich eine Anzahl italienischer Sonderrepubliken bilden, auS denen sich die weltliche Macht der Päpste leicht wieder erheben könne." Es unterliegt keinem Zweifel, daß bei der päpstlichen Curie eine Partei besteht, welche im Interesse der Wiederherstellung deS Kirchenstaates auf die Niederwerfung Deutschlands und seiner Verbündeten durch Frankteich und Rußland speculirt und demgemäß der französischen Revanche politik zu Diensten ist; ihr Einfluß hat neben den der Univcrsitätsbildung überhaupt abgeneigten Richtungen di« Errichtung der Straßburger Facultät im Interesse dieser Revanchepolitik Hintertrieben. Der Führer der englischen Katholiken, der Herzog von Norfolk, hat wegen der von den päpstlichen Preßorganen nicht etwa auS Gerechtigkeits liebe, sondern lediglich ebenfalls im französischen Interesse gegen sein Vaterland wegen des Boerenkrieges gerichteten Angriffe die dringende Einladung des Papstes zum „heiligen Jahr" unbeachtet gelassen und ist dafür nach Südafrika gezogen, um trotz seines Alters am Kampfe theilzunehmen; deutsche Katholiken aber ziehen trotz straßburger Facultät u. s. w. u. s. w. in Schaaren nach Rom, um dem Papste PeterSpfennig und Huldi gung darzubringen. Großskaudinamsche Regungen. AuS Stockholm wird unS geschrieben: Seit einiger Zeit macht sich in Schweden und Dänemark wieder eine groß skandinavische Bewegung bemerkbar. Binnen Kurzem wird auch der Kopenhagener Bibliothekar Magister) Julius Claussen eine Geschichte deS SkandinaviSmus herauSgeben. In den Kreisen schwedischer und dänischer Studenten wird jetzt viel für ge meinsame nordisch-akademische „Studientage" agitirt und eS haben sich dieser Bewegung auch zahlreiche Docenten und Uni- versitätsprofefforen angeschloffen. Schon 1897 fand im Sinne dieser Bewegung die erste Versammlung in Christiania statt. Man berathschlagte in der norwegischen Universitätsstadt darüber, ob es rathsam wäre, wenn die Universitäten der drei nordischen Reiche ihre berühmtesten Professoren zeitweilig für «in Semester austauschten, so daß z. B. dänische Professoren Vorlesungen in Christiania (Norwegen) oder in Lund (Schweden) hielten und Professoren aus Lund und Christiania in Kopenhagen. Indessen kam es damals noch zu keinem endgiltigen Entschlüsse. Auch der im Sommer 1899 nach Gothenburg in Schweden einberufene „Tag" nahm hin sichtlich der sogenannten Studiengemeinschaft, richtiger gesagt des zeitweiligen ProfefforenaustauscheS, an den skandinavischen Universitäten keine bindenden Beschlüsse an. Immerhin greift jetzt die skandinavische Bewegung schon weiter und besonders sind es Studenten, junge Gelehrte und auch weibliche Studirende, die sich für die großskandinavischen Fragen interessirsn. DaS große national-politische Schlag wort von der „Einheit des Nockens" war übrigens in uralter Zeit zunächst von einem Frauenmund auSgesproch-n worden: von der Königin Margarete. Und auch «in Frauenarm war es, der diese Forderung verwirklichte, dieselbe Königin Margarete, welche 1397 die drei Staaten der Norden- durch die kalmarische Union zu einem Reiche vereinigte. Aber in jenen Zeiten wurde der Gedanke von der Einheit deS Nordens nicht recht verstanden. Nur infolge der Genialität dieser gewaltigen Frau, welcher die Skandinavier auch den Beinamen der Großen gegeben haben, konnte die Einheit deS Nordens einige Jahre bestehen. Da waren «L in diesem Jahrhundert die däni schen Studenten, welche eines schönen Tage» in jugendlich« Siegeszuversicht der Welt den Beschluß verkündeten, die Zwietracht der nordischen Völker unter einander habe zu verschwinden; die schwedischen, nor wegischen und dänischen Studenten hatten in einer höheren Hegelianischen Einheit aufzugehen, und plötzlich sangen all' die Tausende von Studenten in ganz Skandinavien „Lange war der herrliche Stamm in drei kranke Schößlinge gespalten, wieder fügt das Getrennte sich zusammen, einmal in der Zeit wird'» eine Einheit." Erst kam man in Lund (Südschweden) zusammen, dann vor Allem in Kopenhagen. Die Begeisterung war «ine ganz gewaltige. Man sang die glühendsten Ver- brüderung»hymnrn, trank dazu kalten schwedischen Punsch — im Norden Wick der schwedische Punsch auf Eis gekühlt ge nossen —, umarmte sich und zweifelte nicht mehr, daß die nordischen Regierungen der neuen Idee bald greifbare Gestalt verleihen würden. Die UnivevfitatSprofessoren schlossen sich fast ausnahmslos der neuen vewrgung an, der berühmte schwedische Professor Thomander kam nach Kopenhagen und hielt eine zündende humoristische Red« im Sinne dieser Bewegung. Dabei er läuterte Thomander di« konjugation der lateinischen Zeitworte »mure, äoeere, Ivuers und »aäirs in einer ganz originellen Weise. Der schwedische Gelehrte sagte nämlich: Unsere Auf gabe ist, einander zu lieben (nwurv), einander zu unterrichten (äocsre), zu lesen (legere) und zu hören (auckire), was die Anderen sagen. Da» ist auch heute in nationaler Hinsicht die beste Conjugation. Wir Professoren können nichts Bessere» wünschen, al» daß dir drei Völker de» Norden», die betreff» Ursprung, Sprache, Leben»art, Gesittung und Bildung außer- ockentlich nahe verwandt sind und hinsichtlich ihrer Abstammung dieselbe Mutter haben, von der vier harmlosen lateinischen Con- jugationen rin «mze» Programm in nationaler, socialer und literarischer Hinsicht kennen lernen. ' Damit war der Panskandinavikmu» fertig. Diese Be wegung, die in die Jahre von 1840 bi» 1860 fällt, griff bald üb« die akademischen Kreise hinau». Zunächst folgte ihr ein Theil der Presse, und überall, auch auf dem platten Lande, wollte man die Studenten, die «ine solche edle Idee vertraten, sehen unld hören. Dir romantisch angehauchten Musensöhnr zogen schaarenwrise von Ort zu Ort, sangen vor der jauchzenden volktmeng« die alten schönen skandinavischen volkölickrr und pri^en den Antruch «in« neuen Zeit, in welch« di« Fackel d« Zwietracht unter den Brudervölkern vollständig auSzelöscht sein würde. Damals war die allgemeine Volksbildung, obschon für jen« Zeiten gut, noch nicht «ine so außerordentlich hohe wie heutzutage. Denn wa» die Volksschulen und die Maffenbildung anbelangt, so läßt das klein« Dänemark heut« viele Länder der Ecke weit hinter sich zurück. Besonder» die ländliche Be völkerung sah damals in einem Studenten den Inbegriff aller Weisheit. Indessen der Rausch verflog und di« Ideale ent rückten in nebelhafte Ferne. Sie werden heute weniger denn je wieder ringefangen werden. Der Krieg in Südafrika. —<>. Alle» scheint sich, wenigsten» ia den englischen Mel dungen, gegen die Boereu verschworen zu baden. Nicht nur da» Mafeking entsetzt sein soll, auch da» boerische Be- lagerungScorp» soll gefangen sein. E» wird berichtet; * London, SI. Mai. (Telegramm.) „Daily News" melden aus Lonrenoo MargneS vom 20. d. M.: Die ganze Streitmacht dervoeren umMafektng wurde am 17. p. M. sammt ihren Geschützen von den Engländern gefangen genommen. Die Eng länder besetzten an demselben Tage KlerkSdorp ohne Kampf. Bestätigt sich diese Hiobspost, so wäre der Sache der Republiken wieder eia schwerer Schlag versetzt, denn abgesehen, daß sie abermals gegen 8000 kampffähige Männer verloren hätten, müßte da- sich rasch häufende Mißgeschick demorali- siread auf die Verbündeten wirken. Aber warten wir die Bestätigung der „Daily New»"-Meldung ab. Dasselbe gilt von der weiteren, sebr unwahrscheinlich klingenden Nachricht, Krüger habe in einem sehr demüthig ge haltenen Telegramm an den englischen Premierminister neue Friedensvorschläge gemacht, sowie von der weiteren auS Cap stadt stammenden, unter den fortschrittlichen Holländern in Transvaal sei eine Bewegung im Gange, Krüger und dessen Regierung abzusetzen uud alsdann Robert» die Unterwerfung Transvaal» auzubirtea. Robert»' Plaa. Auch die Engländer haben triftige Gründe, nm die Be endigung de» Kriege» so rasch als möglich herbeirufübren. Binnen wenigen Tagen dürste daher der concentrische Vor marsch von fünf oder sechs englischen Colonnen gegen die Vaal-Linie, hinter der die Transvaal -Boerrn befestigte Stellungen bezogen haben sollen, beginnen. Auf dem äußersten rechten Flügel steht General Buller an der Grenze de» Natal bei Charle^town. Seine Operationslinie geht über Standerton und Heidelberg gegen Johannesburg, also in die linke Flaüke und m den Rücken der Boeren, wenn dieselben bei Vereeniging am Vaalflusse Stellung nehmen. Bei Kroonstad lagert die Hanptarmee unter Marschall Roberts, die läng- der Eisenbahn direct auf Vereeniging operiren dürfte. Bei Bloemhof befindet sich die zehnte Division unter General Hunter mit dem Operation» - Object KlerkSdorp, und zwischen ihm und Robert- als Verbindungsglied Lord Methuen auf dem Wege von Boshof nach Hoopstad. Endlich stehen die Freiwilligen de» General» Brabant und die Brigade Hart au der Grenze des Basuto-LandeS bei Mequatling und Clocolan. Diese» CorpS dürfte aber mit der Beobachtung der zwischen Ficksburg und Bethlehem be findlichen Freiftaatler vollauf beschäftigt sein und sich daher an der allgemeinen Vorrückung gegen die Baal-Linie kaum bethriligen können. Daß dort noch starke boerische Commando» stehen, wurde wiederholt gemeldet und wird jetzt durch die folgende Meldung bestätigt: * kroonstad, 20. Mai. (Reuter's Bureau.) Ein englischer Convoi wurde auf dem Wege nach Lindley angegriffen und gezwungen, Halt zu machen. Um den Krieg zu einem raschen Ende zu führen, müßte Lord Robert» die Bewegungen seiner fünf AnzriffScolonnen so leiten, daß die Boeren am Vaalflusse festgebalten und zur Annahme eine» Entscheidungskampfes gezwungen würden. Nur so könnte eS gelingen, die republikanischen Streitkräfte einzuschließen uud sie zur Capitulation zu zwingen, oder sie mindestens zu hindern, ihren Rückzug nach dem befestigten Pretoria auszuführen. Gelingt e» den Boeren, rin Ver- theidigungScorp» nach Pretoria zu werfen und mit dem Reste in die Grenzberge deS Distrikte» von Lydenburz zu ent kommen, so wäre da» Ende diese» ungleichen Kampfe» gar nicht abzusehen. Nur durch rasche- concentrische» Vorgehen gegen die Boeren an der Baal-Linie könnte Lord Robert» eine baldige und folgenschwere Entscheidung herbeiführen. Während seiner bisherigen Kriegführung hat der greise Mar schall Proben von ganz außerordentlicher Fähigkeit abgelegt, sein strategische» Meisterstück, da» ihn zum modernen Feld- Herrn im europäischen Sinne machen würde, hat er aber noch zu leisten. Alle Anzeichen, wie die Zerstörung der Brücke über den Rhenosterfluß, die Sprengung de» Tunnels von Laiug-nek bei CbarleStown, sowie die Anhäufung von Pro- viantvorräthrn in den Bezirken von Lydenburg im Trans vaal «nd von FickSburg-Bethlehem im Oranje-Freistaat lassen darauf schließen, daß die Boeren noch nicht geneigt sinv, den Widerstand aufzuarben. Schon haben zahlreiche Boeren mit ihren Weibern und Kindern, mit ihren Ochsenwagen, ihren Hrerden und Borräthen zu treken begonnen, die Freistaat!« nach der Gegend von Bethlehem und die TranSvaaler nach dem Distrikt von Lydenburg. Wa» den Boeren vorschwrbt, ist offenbar der fünfzehnjährig» Kampf, den die protestantischen Eanusard» zur Zeit der Wende de» achtzehnten Jahr hundert» unter Jean Cavalier gegen die von den Marschällen Montreval und Villar» geführten Heere Ludwig'» IllV. in den Cevennrn führten. Die Höhen, Schluchten und Schlupf winkel de» Drakengebirgr» sollen ihnm al» Wall und Festung dienen. Ueter hie Lage ans de» Kriegsschauplätze äußert sich die „St. Jame» Gazette" folgendermaßen: „Der Rückzug der Boeren von Mafeking kann möglicher Weise der Beginn eine» schnellen Ende» d«t Kriege» sein. Wir fühlen un» rndessrn unter keinen Umständen vrran- aßt, zu versichern, daß diese Wirkung eintreten muß, und con- iatiren gleichzeitig, daß das Wiederauftreten der gewissen bier- idelen Lbevmüthigen Stimmung in den Telegrammen vom Kriegsschauplätze unS nicht gerade angenehm berührt. Bis jetzt war diese Art in jedem Falle der Vorläufer von Niederlage oder Enttäuschung. Die Iden des März sind noch nicht so lange vor über, daß Niederlagen nicht mehr zu befürchten sind. Wenn General Buller berichtet, daß von den 7000 Boeren, „die vor uns fliehen", die groß« Majorität desorganisirtes Ge sindel ist, so mag er vielleicht dem Geschmack einer gewissen Sorte von Radaupatrioten schmeicheln, aber einem desorgani- sirten Gesindel sollte er doch nicht erlauben, daß es sich unbestraft zurückzieht, seine Kanonen mitnimmt und in aller Gemüthsruhe Wege, Eistnbahn und Tunnels hinter sich zerstört. Daß dieses Gosindel im Stande sein sollte, so leicht davon zu kommen, ist unendlich beschämend für das Heer, das es verfolgt. Aber wir denken, diese Worte (Buller's) sind nur rethorisch gemeint, und wenn das so ist, können die Berichte von Natal nur im Wesent lichen ihres literarischen Milieus wegen beachtet werden. Die Thatsache bleibt, daß der Feind Natal geräumt hat, was er nicht gethan haben würde, wenn er nicht gewußt hätte, daß er anderswo zu kämpfen hat. Gleichzeitig hören wir, daß „Generäle der Boeren sich ergeben haben, und daß Officiere gefangen genommen wurden, darunter einer, der anscheinend ein Verwandter deS Generals Botha ist. Alles da läßt erkennen, "daß eine gewisse Desorganisation vorhanden ist, und eS ist vielleicht rin Zeichen für das schnelle Zusammen brechen der Streitkräfte des TranLVaal. Es ist sehr zu hoffen, daß diese Ansicht richtig ist, zumal da solange Officiere, die sich dort befinden, sich nicht verführen lassen, sich nun einzubilden, daß der Feind nicht länger zu fürchten ist, und nicht wieder die bösen Dinge aus dem AnfangSstadium des Krieges wiederholen." Diese Kritik sieht die Lage auf dem Kriegsschauplätze also durchaus nicht in so günstigem Lichte für die Engländer, als manche kontinentale Kritiker es jetzt schon thun, und thatsächlick haben Buller und die anderen Generale jede Ursache, auf ihrer Hut zu sein. Die Rundlessche „Säuberung" des Ladybrand Thabanchu-Bezirkes geht offenbar durchaus nicht glatt vor sich, und wenn Methuen wirklich auf Bloemhof marschiren will, wiro es ihm vielleicht ebenso gehen, wie Hunter am Donnerstag mit seiner „Eroberung" von Christiania. Hunter war Abends in Christiania, ohne auch nur einen Boeren gesehen zu haben, machte aber noch in derselben Nacht mit seinen ermüdeten Truppen einen Rückmarsch aus Fourtee Streams. Das ist eine Entfernung von 36 Kilometern, und da er diese vor Tages anbruch zurückgelegt hatte, muß er mit außergewöhnlicher Schnelligkeit marschirt sein. Weshalb er von seinem Siegeszuge so jäh urck hastig zurückkehrte, wird mit keiner Silbe erwähnt, sicher ist aber, daß eine ähnliche Rückwärtsbewegung in englischen Blättern als panikartige Flucht bezeichnet sein würde, wenn es sich um ein boerischcs, statt um rin englisches Commando ge handelt hätte. Bloemhof liegt 40 Kilometer von Christiania. Renommage und Verzagthrit. Man schreibt uns aus London unter dem 19. Mai: Das Wort: „Gelogen wie telegraphirt!" ist zuerst mit Bezug auf Depeschen von Kriegsberichterstattern angewendet worden, und wenn Bismarck es damals nicht erfunden hätte, würden die Kriegsberichte, die jetzt von Südafrika in alle Welt versandt werden, das Wort von selbst nothwendig machen. In den letzten Wochen haben wir von wenig mehr gehört, als von glorreichen Heldenthaten der englischen Armee, verzweifeltem Davonstieben der Dorren und der vollständigen Vernichtung der beiden witnr- spenstigen Staaten. Dieser Refrain ist solange, so eindringlich und so laut von Großbritannien aus über die Meere erklungen, daß schließlich auch die standhaftesten Freunde der Boeren an fingen, die Sache als schon verloren anzusehen. Und doch ist das Drama dort unten kaum über den zweiten Act hinausgekommen, für den dritten bereiten die Acteure sich erst vor, und vielleicht ist es nicht einmal der letzte. Sicherlich hat sich die Situation jetzt wesentlich zu Gunsten der Engländer ver schoben; sie stehen mit einer vielfach überlegenen Armee vor den Thoren des Transvaal und werden vielleicht durch ihre Massen die Boeren erdrücken. Aber vorläufig haben sie es noch Nichtgethan, und es sind alle Anzeichen dafür vorhanden, daß die Boeren ihnen die Sache sv schwer wie möglich machen werden. Deshalb haben die Enz länder keinen Grund zu ihr« übertriebenen Renommage, und die Freunde der Bo«ren brauchen nicht verzagt zu sein. Selbst in England kommen verständig« Männer jetzt zu dieser Auffassung, und nachdem der erste bombastische Phrasenschwall vorüber ist, hört man ihre Stimme auS dem Tumulte heraus. Vor wenigen Tagen «st tadelte ein Blatt wie der „Standard' die Renommisterei der englischen Presse und führte aus, daß man angesichts de» „geradezu meisterhaften Rückzuges" dn Boeren, wobei sie nicht eine Kanone verloren, doch nicht gut fortwährend von wilder Flucht, Panik und Demoralisation reden könne. Heute kommt auch die aristokratische „St. Jame» Gazette" g: legentlich de» Mafeking-RummelS zu folgenden verständigen An sichten: „. . . Nicht» ist mehr berechtigt, al» Freude üb« einen ehr lich gewonnenen Sieg. E» ist indessen nicht nöthig, daß wir uns an dem Andenken d« Helden früherer Tage versündigen, uni Colonel Baden-Powel uns« Lob auszudrücken. Die „Times" z. B. sprechen von den Belagerungen von Kar» und Lucknow, ver gleichen sie mit der Bertheidigung von Mafeking und bmühen sicv sorgfältig, zu beweisen, daß die letztere Belagerung die schwerem war. E» sollte un» um Colonel Baden-Powel und seine Garnison leid thun, wenn derartig« Unsinn ihren Beifall findet. Leute mit Lobhudeleien zu ersticken, die, wie Jedermann schon nach wenigen Stunden sieht, in gröbster Weise übertrieben sind, ist gerade die rechte Art, um sich lächerlich zu machen. KarS und Lucknow kommen so wenig in Betracht, wie Numantia und Sagunt, und auch da», wa» Mafeking au» Mangel an Leben mitteln erduldet hat, bleibt weit hinter dem zurück, wa» oft schon von belagerten Städten durchgrmacht wnden mußte. Colonel Baden-Powel und seine Garnison, einschließlich der Damen, die ihren Theil an den Beschwerlichkeiten mitzutragen haben, haben sich brav benommen und dem Stab gute Dienste gethan: sie verdienen diel Ehre, ab« r» ist nicht nothwendig, vergleich« zu machen und ihr» Verdienste hervorzukehren."
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite