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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.05.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-05-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000521020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900052102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900052102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-05
- Tag1900-05-21
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Im Reichstage ging eS sogar am Freitag, wo die Stimmung gereizt war, noch ganz „ordentlich" der, am Sonnabend, der besänftigte Gemüther sah, erst rechtj kein Skandal, keine äußere Störung, aber neben elf namentlichen Abstimmungen über nichts Geschäftsordnungs- Debatten über nichts, darunter eine mit unerhörter Hart näckigkeit und unter enormem Aufwand einer talmudisch zu nennenden Dialektik geführt, und alles dies über sechs Stunden hindurch, nachdem schon zwei Tage aus gleiche Weise verbracht waren: eS mag ja männliches Thun sein, aber eS sieht nicht so aus. Die bemerkenswertbeu Momente der Sonnabend-Sitzung sind bereit- hervorgehoben worden. Das Charakteristischste war der Vorgang am Schluß, als der Präsident das listige Ansinnen des Abz. Spahn, eine Interpellation für heute an zweiter Stelle auf die Tagesordnung zu setzen, mit würdiger Entschiedenheit zurückwieS. „Wenn ich die Interpellation als zweiten Punkt an fetze, dann ist eS, als ob ich sie gar nicht angesetzt hätte, und das thue ich nicht". Herr vr. Spahn verfolgte den Plan nicht weiter, aber mit der Lektion, die ihm und dem Centrum der Präsident, ein Parteigenosse, ertbeilte, war auch über die Methode der Parteien, die die Obstruktion herauS- gefordert haben, ein kennzeichnendes und strafendes Wort gesagt. Centrum und Conservative verhalten sich wirklich nicht so, daß ihren Zeitungen daS Recht zukäme, die Nationalliberalen zu tadeln, weil diese zwar der Obstruktion sich fernhalten, aber jede geschäftsordnungswidrige Vergewaltigung der Minderheit zu verhindern trachten und entschlossen sind, allabendlich, nach etwa 6- bis 7 stündiger „Berathung" daS grausame Spiel zu unterbrechen. Am Sonnabend stimmte die „Mehrheit" übrigen« selbst für die Vertagung, so daß ein Auszug zur Herbeiführung derselben nicht nöthig war. Die uatienalliberale Taktik fand also nach dieser Richtung die Billigung auch keS Cenlrums und der Conservativen und TagS vorher hatten Organe dieser Parteien im Ganzen zu stimmend eine gediegene Betrachtung der „National zeitung" wiedergegeben, die die Nothwendigkeit jener Taktik im Allgemeinen nackwieS. Wenn jetzt in den Zeitungen derselben Parteien die Nationalliberalen ge- lcholten werden, so ist daS nur dem Aerger über Vie Ver eitelung von überschlauen GeschästSverschleppungsmanövern und direkt rechtswidrigen Versuchen, der sich die liberale Mittel partei mit Erfolg befleißigte, zuzuschreiben. Es hat indessen gar nichts auf sich, wenn ein Blatt, wie das der Herren vr. Hahn und Lucke, droht, den Nationalliberalen würde ihre Haltung nicht vergessen werden. Bedeutsamer schon ist, daß dasselbe Organ sich bereit« am Centrum zu reiben beginnt, dem vorgeworfen wird, eS scheine zu diesem Kampfe nicht genügend gerüstet, es hätte sich ent weder nicht auf ihn einlassen oder ihn nach einem sorgfältig vorbereiteten Plane beginnen müssen. So lange wie zwischen den Transvaal- und den Oranjeboeren scheint demnach die Einigkeit der hohen Verbündeten im Reichstage nicht vor halten zu wollen. Sie haben zudem am Sonnabend ein kaum entbehrliches Fähnlein abziehen und zum Feinde hinüberschwenken sehen müssen: die Polen bleiben nach wie vor Freunde der lex Heinze, obwohl ihnen, wie ihr Wortführer zu allgemeinem Er staunen mittheilte, „die Wortsassung einzelner Paragraphen Bedenken erregt". Aber sie unterstützen als geborene Minder heit die Minderheit, so lange diese sich in den Grenzen der Geschäftsordnung bewegt. Und zwar tbaten sie dies am Sonn abend, obwohl ihnen für daS gleiche Verhalten am Freitag mittelst der „Germania"dasM>ßfallen des Centrums,,insinuirl"worden war. Zur materiellen Erörterung der streitigen, der Kunst- Paragraphen kam eS in diesen drei Tagen nicht und wird es wohl nicht mehr kommen. Das ist ein Glück für die „Mehrheit" und für Herrn Niederding. Denn die Kritik, die 14 deutsche StrasrechtSlehrer an der Fassung jener Paragraphen geübt, erleichtert die weitere Vertretung vom Standpunkte der „juristischen Logik" wahrlich nicht. Für das Centrum kam noch der Fall Gröber hinzu. Die „Germania" kann nichts von dem in Abrede stellen, was dem Parteiführer und Ruser im Streit um die lex zum Vorwurfe gemacht wurde, sie meint aber, die Schlußfolgerung der Gegner, daß nämlich Herr Gröber dazu beigetragen, einen sitten losen und verbrecherischen Geistlichen den Armen der Gerechtigkeit zu entziehen, sei nicht richtig, denn Herr Gröber sei um seine RechlSansicht von dem nach der Schweiz ge- flüchteten Interessenten befragt worden und habe brieflich geantwortet, daS sei Alles. DaS ist aber auch mehr als genug. Herr Gröber, derRichter und nickt Anwalt ist, hat wohl gewußt, daß sein „Brief" als Gutachten bei der schweizerischen Behörde dienen würde, und er hätte ihn gewiß ohne jeden Beruf dazu, wie er war, nickt geschrieben, wenn der geflüchtete Sittlichkeitsverbrecher ein liberaler Freimaurer gewesen wäre und nicht katholischer Pfarrer. Auch bier bat das Priester gewand Schmähliches zugcdeckt und der Verfolger Böcklin'scher und Rubens'scker Bilder hat die Hand dazu geboten. Sein Fall ist und bleibt „ein Beitrag zur lex Heinze". Im preußische» Abgeordnetenhause wurde am Sonnabend die WaarenbauSstcuer-Vorlage weiter berathen und der Nest des Entwurfes in zweiter Lesung unter Wieder herstellung der Regierungsvorlage in den strittigen Punkten angenommen. Die Emtbeilung in fünf an Stelle der vorgeschlagene« vier Waarrngrupper/ wurde r-on der Regierung für unannehmbar erklärt. Ucber etwaige Kom promisse — das Centrum beantragte beispielsweise eine neue Ordnung der Gruppen — war die Regierung jedoch noch nicht schlüjsig, und Finanzminister vr. Miquel vertröstete das Haus auf die Entscheidung b>S zur dritten Lesung. Sehr entschieden setzte sich die Linke unter Führung von vr. Barth gegen das ganze Gesetz zur Wehr, ja es gab sogar nach deni Muster des anderen Hauses, aber in engerem Nabmen, eine Geschäsls- ordnungötebatte mit Antrag auf namentliche Abstimmung. Im Laufeder Debatte stellte sich auch heraus, daß selbst in der srei- conservativen Fraktion Bedenken gegen wesentliche Bestimmungen der Vorlage herrschen. Trotzten, wurde diese, wie gesagt, angenommen, und nach der Erklärung deS Finanzmiuisters ist es nicht einmal ausgeschlossen, daß in Bezug auf die Ein- theilung der Waarengruppen in der dritten Lesung noch eine weitere Verschlechterung hineingebracht wird. Die dritte Lesung findet am Mittwoch statt, bis wohin die Regierung über ihre endgiltige Haltung schlüssig werden wird. Gleich zeitig wird voraussichtlich auch daS morgen zur zweiten Berathung kommende Zwangserziehungsgesetz zur dritten Lesung kommen, worauf die Pause bis nach Pfingsten eintreteu soll. Ter französische Handelsminister Milleranb hat an die Präfekten em sehr eingehendes Rundschreiben bezüglich der Anwendung deS Gesetzes vom Jahre 1892 über di« 21. Mai 1900« Fabrikarbeit der Kinder, minderjähriger Mädchen und der Frauen erlassen. Wie in diesem Rundschreiben gesagt wird, ist das in Rede stehende Gesetz ein Werk der Moralisirung, der Solidarität und der Pacificirung auf socialem Gebiete, und Herr Millerand ersucht die Präfekten, dies denjenigen Arbeitgebern klar zu machen, welche bisker eine andere Meinung von der Sache haben. Der Minister gebt als-ann in die Einzelheiten des Gesetzes ein, präkisirt dessen Tragweite und Couscquenzen und schließt endlich, indem er aussübrt: „Der Gesetzgeber ist vor Allem von der Idee ausgegangen, daß in dieser Sache die Interessen solidarisch sind und daß jede Lurch die Sitte oder das Gesetz bewirkte Verbesserung der Lage des Arbeiters nicht nur diesem, sondern auch dem Arbeitgeber zu Gute kommt. Der Gesetzgeber hat sich gleichermaßen bestrebt gezeigt, durch weise sormulirte UebergaagSbestimmungen die legitimen Interessen der nationalen Industrie und die Durchführung einer Reform zu sichern, welche vom Standpunkte der Civilisation, der Menschlichkeit und der Gerechtigkeit geboten war." Natürlich erheben die deutschen Socialdemokraten die Verdienste ihrer französischen Genossen um Vie Sache der Arbeiter bis in ven siebenten Himmel, verschweigen aber mit gewohnter Ehrlichkeit, daß alles das, was Herr Milleranv ins Werk gesetzt bat, und mehr nock, durch daS Zusammen wirken der Negierung mit den Arbeitgebern bei unS in Deutschland schon längst in Geltung ist. Tbut nichts; darum bleibt Deutschland nach „zielbewußter" Theorie doch das in politischer wie socialer Beziehung weitaus rückständigste aller Culturlänber. AuS Marokko wurde gemeldet, daß der Großwesir Bo Hamed gestorben sei. Wie der Sultan selbst, so pflegt auch der Großwesir schon bei Lebzeiten seinen Nachfolger auszuwäblen. Nun bat eS aber der Zufall gefügt, daß zwei Brüder Bo Hamed'S, von denen der ältere, Sibi >Laid den Muss, bisher KriegSmiaister, allgemein al» rer, / zukünftige Großwestr betrachtet wurde, wahrend dev jüngere, Sivi Hagil, wiederum als Dessen Nach folger bestimmt war, in dem kurzen Zeitraum von zwei Monaten vor Bo Hamed gestorben sind. Dazu kam, daß der vom Sultan nach Tanger abgeorvnete Gesandte Sld El Art» M'nihi, der Gouverneur von Marrakesch, der beauftragt war, mit dem französischen Gesandten über das Vorgehen Frankreichs im Südosten von Marokko zu verhandeln, noch bevor er den Gesandten gesprochen hatte, in Folge einer Kohlengasvergistung plötzlich versckied. Daß diesen drei Todesjallen nun auch nock der Tob Bo Hamed'S selbst gefolgt ist, muß die abergläubischen Mauren gewaltig erregen und ihnen wie ein Zeicken Allah'S erscheinen, daß das Werk tes allmächtigen Wesirs dem Zusammenbruch nahe sei. Diese Auslegung dürfte, so wird der „Kölnischen Zeitung" geschrieben, eine Bestätigung erfahren durch die Tbatsacke, daß die Franzosen, die verhaßten Rumi von Tust, von Süvosten her erfolgreich gegen den Maghreb Vor dringen, ein Wunder wäre es also nickt, wenn der stets unter der fanatischen Bevölkerung vorhandene Zündstoff jetzt zu einer Explosion gelangte, die den so sorgfältig gehüteten 8t»tus guo über den Haufen stieße. Vielleicht ist die Meldung der „Agentur Havas", daß im Südosten Marokkos der heilige Krieg gepredigt und die Fahne der Propheten ent faltet würde, der Vorbote dieses Ausbruchs. Zugleich hat der französische Gesandte in Tanger Revoil Befehl erhalten, die marokkanische Regierung aus die Ansammlung von Kriegern 91. Jahrgang. an der Grenze hinzuweisen und mitzutbeilen, daß jeder Angriff auf die französijcken Truppen nachdrücklich zurückgewiesen werden würde. Die französische Regierung muß aber wissen, daß der Sultan zumal iei dem Augenblick der Verwirrung, die der Tod Bo Hamed'S in Marrakesch hervorgerufen hat, jenen Stämmen des Südostens gegenüber, die sich schon in ruhigen Zeiten seiner Botmäßigkeit entziehen, ganz macktloS ist. Wenn sie jetzt trotzdem versucht, die marokkanische Regie rung für sie verantwortlich zu macken, so verdient dieses Vorgeben die gespannteste Ausmerksamkeit der übrigen Mächte, denn es nimmt sich fast aus wie der erste Schritt zu kriege rischen Verwickelungen zwischen Marokko und der französischen Republik. Der Lrieg in Südafrika. -p. Das Kriegsministerium hat immer noch keine amtlich- Nachricht über den höchst räthselhaften Entsatz Mafekings, erwartete denselben aber für gestern oder heute. Jetzt scheint eine Bestätigung dieser sehr unerwarteten Wendung auch von boerischer Seite vorzuliegen, da einer der Boerenofsiciere beschuldigt wird, sich eigenmächtig zurückgezogen zu haben, wodurch es der Entsatzcolvnne möglich wurde, in den Ort einzurücken. Diese Wissenschaft kann der Berichterstatter de« „Reuterschcn Bureaus" wohl nur aus dem Lager deS Boeren- Generals Delarey haben. In einer Depesche der „Central News" an« Capstadt wird mitgetbeilt, daß bisher jede Nachricht über die zum Entsätze von Mafeking abgesandte Colonne vom Censor ge strichen wurde. Wie jedoch der Correspondent jetzt mit- tbeilen darf, bestand dieselbe auS 2000 Mann der South Afrika» Light Horse, der Imperial Jeomanry und den Kimberley'schen Reitern. Die Colonne verließ Kimberley am 4. Mai. Sie nahm mit sich 35 Wagen Bor- rätbe und Munition, vier Geschütze der reitenden Artillerie, zwei PompomS und zwei MaximS. Sie ging westlich der Eisenbahn entlang. Kurze osficirlle Bulletins kamen immer an, welche meldeten, daß die Colonne keinen Widerstand gefunden habe. Bei Kraaipan zogen sich die Boeren zurück, gleich nachdem die Colonne den Angriff be gonnen hatte. Man glaubt darum auch, daß der Entsatz Mafekings mit sehr geringen Verlusten verbunden war. Nach einer Meldung des „Bureau Reuter" auS Capstadt batte die Colonne am 11. Mai den Maritzanifluß erreicht, der 20 englische Meilen südlich von Mafeking fließt. Die Kimberleyschen Reiter wurden von der Colonne getrennt, nachdem Barkly West passirt war, weil die Pferde in zu schlechtem Zustand waren. Man erwartete, daß die Colonne in Verbindung mit Plumer (von Norden der) einen Angriff auf die Belagerer Mafeking- auSfübren würde. Als Führer der Entsatzcolvnne wurde zuerst der Commandeur der 10. Division, Generalleutnant Hunter, genannt, bis er im Vormarsch am Nordufer des Baalflusses auftauchte und am 16. Mai Christians besetzte. Wem die Führung der Abtbeilung übertragen war, blieb unbekannt. Es wurde sogar der anscheinend von Lord Robert- versckmäble Generalstabsckes Lord Kitchener dafür genannt, wahrscheinlich wohl nur, weil da« Schweigen über seine Person während deS ganzen Vormarsches von Bloemfontein nach Kroonstad damit wohl am leichtesten erklärt werden konnte. Jetzt wird von den „Daily NewS" behauptet, daß dem Oberst Bryan Feuilleton. Anter egyptischer Sonne. Roman aus der Gegenwart von Katharina Zitelmann. , Nachdruck verboten. Harald folgte in einiger Entfernung dem Trupp, unter dem sich auch Doctor Braun befand, durch die bereits in nächtliche Ruhe versunkenen Gassen des Städtchens. Als er dann, zu un ruhig, um zu schlafen, auf den Balkon vor seinem Zimmer hinaus trat, leuchtete der Glanz der jetzt gefüllten goldenen Barke, in der die Götter Egyptens über den Himmel fuhren, in breitem Spiegel auf dem Strom, der die heilige Königs- und Götterstadt be spülte, und zeichnete dunkel an dem besternten Himmel die jen seitigen Berge ab, die den großen Helden und Fürsten und ganzen Menschengeschlechtern zur Ruhestadt gedient. Und jedes Herz batte geliebt und gehofft, geweint und gelacht seit Jahrtausenden; Milliarden von Menschen hatten hier gelebt — und jeder Einzelne hatte sein Schicksal für wichtiger gehalten, als irgend etwas sonst auf Erden. Dann, nach einer winzigen Spanne Zeit, kam die große Ruhe, das Schweigen für immer. Die Seelen aber, waren sie eingegangen zu Osiris, wie sie es gehofft? Waren sie mit der Materie ins Nichts zurllckgefallen, schwelgten sie in den Genüssen des Paradieses, die Muhammed verheißen, weilten sie im HadeS der Griechen, oder der schrecklichen Hölle des Mittelalters? Lebten sie daS ewige Leben, das nicht ausmalbare, der Christen heit? — Oder waren daS Alle» nur Vorstellungen des kleinen Menschenhirn», wechselnd wie Zeiten und Böller, kommend und verschwindend wie die Menschen selbst, und die Lösung de» RäthselS lag jenseit» alle» unsere» Denkens und Verstehen»? — Der große Sphinx fiel ihm ein, und ihm war, al» hörte er ihn mystische Worte murmeln. Und dann klangen ihm plötzlich des Professors Worte in der Seele: „Sie sehen den großen Sphinx und denken sich nicht» dabei!" — Jetzt dachte er sich etwa». — * » Au» der Dahabie, die sie über den Strom setzte, wurden die Reisenden am nächsten Morgen von den Schiffern auf den Armen ans Ufer getragen. Hier standen di« Esel bereit, die sie nach viertelstündigem Ritt über die flache, grüne Insel zum zweiten Nilarm brachten, auf dem sich jedoch keinerlei Fahrzeug zeigte. Es dünkte Harald mehr als ungewöhnlich, daß man sein Leben schwimmend ristiren sollte. Jndeß rafften die Treiber ihre Kaftans bis an die Oberschenkel in die Höhe, ermahnten ihre Schutzbefohlenen, die Füße hoch zu ziehen oder in die Luft zu strecken, ergriffen die Zügel und trieben mit dem landesüblichen Geschrei die Thiere in das Wasser hinein. Es gab eine höchst ergötzliche Scene! Die ängstlichen Rufe der für Leben und Kleider fürchtenden Damen, die hilfreichen Genien, welche in Gestalt von Arabern aus irgend einem Hinterhalt hervorbrachen, um Kleider und Beine zu tragen, die bis an den Leib im Wasser watenden Grauthiere und dazu die bei den größeren Treibern bis an die Grenze der Möglichkeit aufgerafften, bei den kleinen ungenirt über die Schultern gezogenen Hemden, — Harald lachte aus vollem Halse, so erheiterte ihn der Anblick, den er als letzter reitend voll zu genießen im Stande war. Nun den Uferberg hinan und in frischem Galopp über die grüne Nilebene hin. Wäre Miß Mary dabei gewesen, so hätte nichts seine freudige Stimmung beeinträchtigt. Sie war krank oder hatte sich doch krank gemeldet, und mit banger Theilnahme gedachte er der einsam Zurückgebliebenen und der Schmerzen, mit denen sie rang. Bald gesellte sich den Reisenden rin Schwarm von Kindern zu, die, mit Wasser gefüllte Amphoren tragend, den Galopp der Esel laufend begleiteten. Sie waren so hübsch und anmuthig, daß man ihr Betteln in den Kauf nahm. Durch üppige Mais-, Klee- und Bohnenfelder ritt man in nördlicher Richtung den Bergen zu, an deren Fuß schon von fern eine stattliche Säulen halle sichtbar ward. Kurna war es, der Gedächtnißtempel Seti'S I., von ihm selbst errichtet, von RamseS II. nach seines Vaters vorzeitigem Tode vollendet. Verschwunden bis auf wenige Trümmer waren die zwei Höfe und Pylonen des Baues; nur daS eigentliche Heiligthum war erhalten. Die Säulen mit Papyrosknospencapitälen, sowie die dem Andenken deS Königs und dem seine» Vater» RamseS I. gewidmeten Bilder und In schriften waren im reinsten Stil der Blüthezeit der egyptischrn Kunst auSgeführt. Doch mehr al» der Tempel, der den Wunderbau von Karnak nicht erreichte, interessirte Harald der Ritt, der ihn jetzt durch ein enges Gebirg-thal in die gottverlassene Einsamkeit der Wüste zu den KönigSgräbern von Biban el-Muluk führte. Hohe, schroffe Felsen ohne jede Spur von Vegetation starrten zur Seite. Heißes Gelb, wohin das Auge blickte, Sand, Geröll, wilde Stein massen rings umher. Eine ganze Schaar von Geiern saßen auf den Zacken und Klippen der Berge, al» einzige Bewohner der ein samen Schluchten. In unzähligen Windungen führte der Weg zwischen den eng aneinander gedrängte» Felswänden hin. Nun erweiterte sich das Thal zu einem Kessel, in dem kleinere Hügel gebettet lagen. Jeder derselben enthielt das Grab eines Königs Aber von diesen Gräbern hatte sich Harald bisher keine Vor stellung gemacht, und sein Erstaunen wuchs von Minute zu Minute, als er jetzt, ein Licht in den Händen haltend, den Grab bau Seti's I. betrat, der als der schönste der ganzen Reihe galt. In einer Länge von 100 Metern führte ein Schacht tief in das Herz der Erde hinein. Eine steile Treppe hinab ging es in einen in den Felsen gehauenen Gang, dessen Wände mit Stuck verkleidet waren. Eine zweite Treppe leitete abermals in einen Corridor, an dessen Ende sich ein Zimmer öffnete, durch das man in mehrere auf Pfeilern ruhende Säle gelangte. Alle Wände waren bedeckt mit dem Text des Buches der Unterwelt, das die Unsterblichkritslehre jener Zeit enthält, die stark an unsere mittel alterlichen Vorstellungen von Hölle und Fegefeuer erinnert. Hier endete indeß der Grabbau nicht, sondern abermals that sich eine Treppe von achtzehn Stufen auf, die durch einen elf Meter langen Gang zu einer neuen Reihe von Gemächern führte. Ein weiter, sechssäuliger Saal mit zwei Nebenzimmern und wieder drei geräumige Säle leiteten in einen noch 65 Meter abwärts führen den Gang, den zu durchwandern wenig Interesse hatte, da er keinen bildnerischen Schmuck mehr trug. Die Vermuthung, daß er mit einem geheimen, zum Nil führenden unterirdischen Gang in Verbindung gestanden habe, liegt nahe. Denn eS ist un erklärlich, wie die kolossalen Steinsarkophage, welch« die Mumien der Könige bargen, durch dir engen Schachte die Treppen hinab in daS Herz der Erde geführt werden konnten, ohne zu zerbrechen. Der prachtvolle Alabastersarkophag, der Seti'S Ueberreste ent- balten, war von dem Entdecker de» Grabe» leer gefunden und ist später nach England entführt worden. Noch drei oder vier andere Gräber wurden besucht, unter denen da» schönste da» Ramse»' III. war, daS durch Mannig faltigkeit und Reichthum der Darstellungen hervorragte und noch eine Menge Seitrnkammern und Räume enthielt, alle bedeckt mit Relief«. Der Dragoman nes zum Ausbruch nacy DSr-el-Bahri, und es hieß nun, auf beschwerlichem, sehr steilem Fußpfad, über Sand und Steingeröll fort den Kamm des Gebirges zu er reichen. Doch der Aufstieg lohnte die Mühe. Die Aussicht von hier oben in do» einsame, von schroffen Felsen eingeschloffene Thal der Königsgräber war so großartig, daß eS schon allein die Mühe deS Ausstieg» gelohnt hätte. Und jeder Schritt weiter brachte neue wechselnde, wunderschöne Bilder, so daß Harald meinte, diese Wanderung sei die interessanteste, die er je gemacht. Da den Eseln in diesem Lande eine solche Kletterei nicht zu- gemuthet wird, so mußte der größte Theil des etwa eine Stunde währenden Weges zu Fuß zurückgelegt werden, wenn man nicht vorzog, auf weitem Umweg durch die Nilebene Der-el-Bahri reitend zu erreichen. Da Niemand sich ausschließen wollte, so stiegen auch die Damen tapfer bergan, verschmähten aber nicht, bei der großen Hitze in der heißesten Stunde des Tages die Hilfe der Herren in Anspruch zu nehmen. Wildau zog Fräulein von Umsattel hinauf, und Harald stand Mrs. Summers bei, die indeß sehr discreten Gebrauch von seiner Unterstützung machte. „Sehen Sie nur, wie Kuni sich schleppen läßt", bemerkte sie. „Sie ist so verliebt in den Prinzen, und dann redet sie noch über Miß Salinas! Sie findet es nicht lackzlike, sich in einen Haus lehrer zu verlieben — und ich finde es ebenso wenig lack^Iitre, sich in einen Herzog zu verlieben." Harald lachte. „Das Herz fragt nicht nach dem Rang, wie Sie sehen." „O, Mr. Sperber, dafür haben wir doch unsere Erziehung", entgegnete sie streng. „In unsere Stände paßt r» sich gar nicht, it is not convenisnt —" „Wa» paßt sich nicht?" fragte er. „Von der Liebe rede ich. Mein Gemahl war ganz alt, viel älter als ich, und ich bin ganz zufrieden gewesen an seiner Seite." Sie seufzte. „Und nun vermisse ich ihm sehr, obgleich es mich niemals eingefallen ist, mich in ihn zu verlieben, paar cksnr tiusbanck. Liebe ist so oorrunon, vor die armen Leute mag sie gut sein, di« kein ander Vergnügen haben, aber für unS — oever." Harald hörte ihr staunend zu. Daß sie im Ernst spreche, konnte er nicht bezweifeln, sich zu verstellen war sie nicht im Stande. Und dies schöne Menschenbild war so aller Poesie bar, so in den herkömmlichen Begriffen ihrer Gesellschaftsklasse fest gewachsen, daß sie die Liebe cornmon nannte und nicht einmal ahnte, wie sehr sie ihn enttäuschte. Und er — er hatte sich ein gebildet, von ihr geliebt zu werden! Er fühlte sich tief ge- demüthigt. Wenn er das Mädchen auf der Pyramide nicht ge troffen hätte — er wäre doch vielleicht der Versuchung erlegen, in die ihn ihr Liebreiz führte. Wie eitel er war! Wie er nur nach der Oberfläche urtheilte! Die Worte der schönen Eng länderin rissen ihm plötzlich eine Binde von den Augen und zeigten ihm sie und sich im grellen Licht der egyptischrn Sonne. Sie leugnete die Liebe. Sie wagte da» Höchste und Wunder»
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