Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.05.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-05-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000530029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900053002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900053002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-05
- Tag1900-05-30
- Monat1900-05
- Jahr1900
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezrrg--PrekV der Hanptexpeditto« oder den im Gknbt- -eztrk uud den Bororten errichteten AuS- lpoestellen abgeholt: vierteljährlich^ 4.50, Lei zweimaliger täglicher Zustellung in- Haus 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertestährlich 6.—. Direkt» tägliche Kreuzbandiendung tu» Ausland: monatlich 7,50. Die Morgen-Au-gabe erscheint um '/,? Uhr, die Abrod-Ausgabe Wochentag- am 5 Uhr. Nr-action und Lrveditiou: JohanuiSgaffe 8. Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abend- 7 Uhr. Filialen: Alfred Hahn vorm. v. Klemm'» Sorti«. Uaiversitätsstraße 3 (Paulinum^, L-uiS LSfche, >»ch«i»«chr. In, Pari, und KönigSplcitz 7. Abend-Ausgabe. MMer TagMalt Anzeiger. Imtsökatt des königlichen Land- nnd ÄiitLsgerichtes Leipzig, des Raches und Rolizei-Äintes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Pret- die 6 gespaltene Petitzeile SV Pfg. Reklamen unter dem Rrdaction-strich (4g«» spalten) 50^, vor den Familieanachricht« (6 gespalten) 40^ Gröbere Schriften laut unserem Preis- verzrichniß. Tabellarischer und Zisfernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Au-gabe, ohne Postbefördernog 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Ab end-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-Au-gabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stande frnher. Anzeigen sind stets an die Expedition . zu richten. Druck und Verlag von L. Pof-^ Leipzig, ,>L 272. Mittwoch den 30. Mai 1900. .94. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig,'30. Mai. Zu der zweiten Rede des Prinzen Ludwig von Bayern wird der „Boss. Ztg." geschrieben: Die in dem Leitartikel Nr. 246 der „Boss. Ztg." besprochene Rede des Prinzen Ludwig von Bayern in Nördlingen zeigt eine so ausfallende Aehnlichkeit mit der von dem bekannte» Münchener Staatsrechtslehre! Prof. Max v. Seydel über den Charakter der deutschen Reichsverfassung ausgestellten Ansicht, daß darin vielleicht eine Erklärung der prinzlichen Aeußerungen gefunden werden könnte. Seydel ist bekanntlich auch in der Lippischen Streitfrage mit großer Entschiedenheit für die Rechte des Grafregenten eingetreten und gilt überhaupt in Bayern als Autorität in staatsrechtlichen Fragen. Die Polemik des Prinzen gegen die „falschen Ansichten über die Reichsverfassung in Reden und Schriften", die „vielfach ge- äußerten Ansichten, die sich mit der Reichsverfassung absolut nicht decken", würde sich dann weniger gegen politisch maß- gebende Stellen im Reiche, als gegen die von der Mehr- zahl der staatsrechtlichen Schriftsteller vertretene und auch in der süddeutschen Presse kundgegebene Auffassung richten, daß das deutsche Reich ein „B u n d e s st a a t" mit wirklicher Herrschaftsgewalt und Souveränetät über die Einzelstaaten ist, daß die Verträge zwischen dem Norddeutschen Bunde und den süddeutschen Staaten als solche Lurch den Erlaß der Reichsverfassung erledigt sind und nur noch die Bedeutung historischer Thatsachen, sowie den Werth eines wichtigen Auslegungs materials haben. Dem gegenüber betont Seydel den rein vertraglichen Charakter Les Reiches, erklärt es nur als einen „Staatenbund", also einen Bund souveräner Staaten und die Verträge mit den süd deutschen Staaten nach wie vor als die Grundlagen der Reichs institutionen. Dieser Standpunkt steht im schärfsten Gegensatz zu den Bestrebungen nach Ausbildung des Reiches zu einem Einheits staat und wahrt am entschiedensten den föderativen Charakter des Reiches, der ja auch in vielfacher Hinsicht vorhanden ist. Die Reichs verfassung hat die thatsächlich bestehenden Machtverhältnisse berück- sichtigt und Fürst Bismarck hat öfters Gelegenheit genommen, den föderativen Standpunkt hervorzuheben, um die Empfindlichkeit der Bnndesfürsten zu schonen. Ob und inwieweit nun Prinz Ludwig nach dieser Richtung gerade jetzt Anlaß hat, sich verletzt zu fühlen, bleibt unaufgeklärt. Immerhin ist seine Rede ein Zeichen, daß er die Souveränetät der Einzelstaaten betont wissen und allen unitarischen Strömungen entgegentreten will. Unser Kaiser denkt sicherlich nicht an eine Erweiterung seiner verfassungsmäßigen Stellung, sein starkes Selbstgefühl mag aber wohl manchmal eine Gegenwirkung Hervorrufen. Im Ucbrige» stehen die Reden des Prinzen Ludwig von Bayern auch in bemerkenswerther Uebereinstimmung mit zwei früheren Reden des bayerischen Ministers v. Crailsheim, der auch der Versamm lung in Nördlingen beigewohnt hat. Hier betonte Prinz Ludwig besonders den föderalistischen Charakter der Reichs verfassung. Am 24. März 1899 sprach Herr v. Crailsheim in der Münchener Kammer von dem obersten Militärgerichts hof und erwähnte, daß Bayern schon 1889 seinen eigenen obersten Gerichtshof verlangt habe. „Bayern konnte sich auf den Fürsten Bismarck berufen, und es drängt mich, hier das Zengniß zu geben, daß der größte, erste Kanzler stets der treueste Freund Bayerns war." Der Bundesrath sei aber jetzt nicht der Meinung Bayerns gewesen. Hätte sich Bayer» nicht mit einem eigenen Senat begnügt, so wäre die Gefahr eingetreten, daß „das Präjudiz einer Majocisirung Bayerns in einer Reservatrechtsfrage geschaffen" würde. „Was hätte» wir dann thun sollen? Widerstand leisten? Das wäre gewiß unpolitisch gehandelt. Ein Schiedsgericht verlangen? Vielleicht wäre der Bundesrath daraus gar nicht eingegangcn." Anfang November 1899 reiste der Staatssekretär v.Podbielski nach München, um über die Einführung einheitlicher Postmarken^u verhandeln. DieMarken sollten die Inschrift „Neichsposl" führen; einzelne zeigten das Berliner Neichspostgebäude, daSBerliner Denkmal Kaiser Wilhelm's, oder auch das Bild des heutigen Kaisers, wie er, inmitten der Neichssürslen, die Fahne in der Hand, die Worte spricht: „Ein Reich, ein Volk, ein Gottl" Die bayerische Regierung lehnte den Vorschlag des Staatssekretärs rundweg ab, und alsbald hielt Herr von Crailsheim in der Kammer eine Rede, worin er erklärte, Bayern werde, wenn eine unitarische Strömung sich geltend mache, ihr „mit aller Energie" widerstreben. Ter Minister fuhr fort: „Die bayerische Regierung ist nichts weniger als unitarisch gesinnt. Der Unitarismus würde der Wohl fahrt des Reiches widerstreben. Fürst Bismarck hat die deutschen Bundesfürsten die sesttesten Stützen des Reichs genannt. Es wäre ein Unglück, wenn ihnen die Freude am Reich genommen, wenn durch zu große Centralisirung das Ver- hältniß zwischen Fürst und Volk gestört würde." Wir haben bereits ausgesührt, daß Herr v. Podbielski Alles eher beabsichtigt hatte, als in die Rechte Bayerns cinzugreifen, wie denn der Plan auch sofort ausgegeben wurde, als Bayern im Gegensatz zu Württemberg den Vorschlag ablehnte. Aber wir fügten damals hinzu, die Rede Les bayerischen Ministers verdiene als Zeichen der Zeit ernste Beachtung; es müsse mehr als bisher an einzelnen Stellen mit der Empfindlichkeit der Bundesfürsten und der außer preußischen Negie rungen gerechnet werden." Wir theilen diese Auseinandersetzung mit, weil sie zeigt, wie sehr man gerade in Preußen bemüht ist, einen erklären den Anlaß für das jüngste Hervortreten des Prinzen Ludwig zu finden. Greifbares bietet daS Blatt indessen gar nicht, v. Seydel steht mit seiner rein „vertraglichen" Auffassung so ziemlich allein. Das wird der Prinz wissen und deshalb nicht erwarten, daß man beim Studium der Reichs verfassung, zu dem er aufsordert, daS berauslese, was die meisten StaatsrechtSlehrer nicht darin finden. Unitarische Bestrebungen, Bestrebungen zur Erschütterung der sörde- rativcn Grundlage des Reiches sind nie und nirgends hervor treten. Ein gewisses, rein persönliches, auch den Nationalsten in Preußen nicht wohlgefälliges Sichgehenlassen hat mit der Bundespolitik nichts zu schaffen und erklärt die Reden des Prinzen Ludwig nicht im Entferntesten. Die im heutigen Morgenblatt erwähnte Drohung mit amerikanischen „Repressalien" für das deutsche Flcisch- beschaugcsetz kann nur aus die allerschwachnervigsten Damen I im freisinnigen Lager Eindruck machen. Herr Bailey ! auS Kansas will sich durch einen zehnprocentigen Zoll- I zuschlag auf alle deutschen Maaren dafür revanchiren, daß in Deutschland ein Gesetz inS Leben treten wird — cs wird ins Leben treten —, „welches Prohibitivzölle auf amerikanisches Fleisch legt". Sothanes thut daS deutsche Gesetz bekanntlich nicht. Es legt überhaupt keine Zölle auf, sondern giebt nur Vorschriften über die Untersuchung von Fleisch, wie sie aus gesundheillichen Rücksichten geboten ist. Untersucht wird das deutsche Fleisch ebenso wie daS fremde, und gesund befundenes Fleisch kann nach wie vor einzeführt werden. Nur Fleisch, das nicht untersucht werden kann, also Büchsen fleisch und Würste, sind von der Einfuhr ausgeschlossen. Das gilt aber für alles Büchsenflcisch und alle Würste, nicht nur für amerikanische Erzeugnisse. Hingegen — und vielleicht ver wendet Herr Bailey kneö bei ter Begründung seines Antrages — behandelt bekanntlich Amerika die deutsche Zuckereinsuhr differentiell. Wie die „Schief. Ztg." mittheilt, ist angeordnet worden, daß der Schluß des preußischen Landtags bis zum 15. Juni stattzusinden habe, damit bis zum Tage der Eröffnung deö Elbe-Trave-EanalS, die am 16. Juni mit allem Glanze und unter Theilnahme auch der Landtagspräsidien begangen werden soll, reiner Tisch gemacht sei. Aus diesem Grunde seien, um den Landtagsschluß zu dem erwähnten Termine zu ermöglichen, auch die Dispositionen für den Wieder zusammentritt des Herren Hauses geändert und sei dasselbe zum 1l. Juni einberufen worden. Es werde alsdann in den wenigen zur Verfügung stehenden Tagen Alles erledigt werden müssen, was bis jetzt noch aussteht und da am 14. Juni daS Fronleichnamsfest ist, würde also der Landtag höchstwahr scheinlich am 13. Juni schließen müssen. Die Mitglieder beider Häuser werden sicherlich wenig erbaut davon sein, daß sie des höheren Glanzes der Eröffnung des Elbe-Trave- Canals halber ihre Arbeiten über das Knie brechen sollen, und die Wähler zum preußischen Abgeordnetenhause dürften erst recht der Meinung sein, daß ihren Erwählten die Pflicht, die Vorlagen der Regierung gewissenhaft zu prüfen und zu er ledigen, näher liege, als die, dem Präsidenten und seinen Vertretern die Erhöhung deS Glanzes einer Festfeier zu er möglichen. Gilt dies im Allgemeinen von Feierlichkeiten und Par« lamentsarbeiteu, so wird der „Glanz", der bei der Einweihung gerade des Elbe-Trave-CanalS entfaltet werden soll, für viele preußische Abgeordnete und Grbietstheile noch etwas ganz besonders Augenbeizendes haben. Dieser Canal legt vom Handel Stettins und anderen preußischen Ostseehäfen lahm, was der Nord-Ostsee-Canal davon übrig gelassen hat, und das ist nicht viel. Bei seinem Zusammentritt am 7. Juni wird das preußische Abgeordnetenhaus als ersten Gegenstand eine von f dem Freisinnigen Broemel eingebrachte, aber von allen konservativen und freiconservativen Ab geordneten der Provinz Pommern unterzeichnete Inter pellation zu berathen haben. In der Begründung dieser Anfrage wird es für unverträglich mit der Existenz Stettins als Handelsstadt bezeichnet werden, wenn die Erbauung deS Großschifffahrtsweges Berlin-Stettin mit dem Mittelland canal zusammengepackt, also verzögert werden, soll, und diese Behauptung wird sich vornehmlich auf den Eintritt deS Elbe-Travecanals in den Verkehr stützen. Wir fürchten, es werden bei dieser Gelegenheit anticipando bittere Tropfen in den für Lübeck bereit gestellten Freudenbecher fallen. Was den Mittellandcanal und seine Emballage an langt, so versichert heute wieder ein canalbegeistertes Blatt, sie kämen ganz bestimmt in dieser Session, entweder gleich oder nach einerVertagung imHerbst. Auf solche Versicherungen hat man uns von Berlin aus schon in der vergangenen Woche vor bereitet, als nämlich die erwähnte Interpellation über den Schifffahrtsweg Berlin-Stettin in Sicht gekommen war. Die Prophezeiung des Ganzen soll diesem dringlichsten Theile den parlamentarischen Boden wegziehen. Was aber nicht ge lingen wird. Ueber eine Anspielung deS BicekönigS von Indien auf russische AngrisfSyclüste wird der „Welt-Corr." aus Bombay, Anfang Mai, geschrieben: Der Licekönig hat in Quetta in einer Rede, die er in Erwiderung auf eine Adresse der Municipalität dieser Stadt hielt, seinem lebhaften Interesse an der neuen von Quetta über Nuschki nach Persien führenden Handelsstraße Ausdruck gegeben. Nach der Art, wie sich Lord Curzon bei dieser Gelegenheit über die Frage der Herstellung einer Eisenbahn voa Quetta nach Nuschki ausgesprochen hat (ik u railvaze ko tdat plaoo cauuot ^et come), muß angenommen werden, daß derselbe eine Ausführung dieses Projekts, wenn auch nicht gegenwärtig, so doch in der Zukunft für möglich hält. In der Rede Lord Curzon'S ist im Hinblick darauf, daß dieselbe an der indischen Grenze in dem strategisch wichtigen, weit vorgeschobenen Quetta nahe der afghanischen Grenze gehalten wurde, auch ein Hinweis auf die Bedeutung der britischen Waffenerfolge in Südafrika wegen der deutlichen Anspielung auf Rußland bemerkenSwerth. „Jeder dieser Siege", so erklärte der Vicekönig, „ist eine wahre Woblthat für diesen und jeden anderen Theil des britischen Reichs. Denn derselbe bringt einerseits die Macht des britischen Raj (Herrschers), sich zu vertbeidigen und über seine Feinde zu triumphiren, zur Geltung, andererseits schreckt das mit dem Siege verknüpfte Prestige von zukünftigen Angriffen ab. Denn eS ist eine ge wöhnliche Erfahrung, daß eine Macht, die auS einem erfolg reichen Kriege bervorgegangen ist — und wir haben jetzt die begründete Hoffnong, daß unsere Erfolge in Südafrika von nun an sortdauern werden — „is not ver^ reackil^ or eagerlzc S8saileä dz^ iw remainiog riraw" (nicht gern von ihren noch verbleibenden Rivalen an gefallen wird). Ich vertraue daher darauf, daß die von den Waffen Ihrer Majestät in Südafrika errungenen Siege de leit ovcrn in regioos so romots as tko Inckiau froutior nnä tdat tke^ mav ackä tc> tke ssuse ok securit^ rvllied uncker tde vielter of Lritisk rulo davs nov kor so lang enjo^oä" (selbst auf so entlegene Regionen wie die indische Grenze einwirken und daß sie das Gefühl der Sicherheit steigern, da- Ihr unter dem Schilde der britischen Herrschaft schon so lange empfinden dürft). Der Krieg in Südafrika. —Bis auf 18 km ist Roberts' Armee au Johannesburg herangerückt, heute Mittag will er seinen Einzug in der Stadt halten. Man meldet unS: * London, 2S. Mat. Fcldmarschall Roberts tele- araphtrt aus Germiston, einer Vorstadt von Johannes burg: Wir trafen Nachmittags ohne ernsten Widerstand hier ein. Bisher wurden vom Tentrum keine, von der Kavallerie und berittene» Infanterie kehr geringe Ver luste gemeldet. Der Feind erwartete uns erst morgen. In Johannesburg ist Alles ruhig. Wie ich erfahre, sind Feuilleton. Ly Anter egyptischer Sonne. Roman aus der Gegenwart von Katharina Zitelm'ann. Nachdruck verboten. Der Vater verhehlte seine lebhafte Freude nicht. Er glaubte am Ende seiner Wünsche zu stehen und bewunderte den Schwieger sohn in sx>6 unendlich, nicht nur wegen seiner aristokratischen Persönlichkeit und Formen, sondern auch wegen der Kühnheit, mit der er sein Leben eingesetzt, und der Klugheit und Großmuth, die er bewiesen. „Wahrhaftig, Sie haben sich das Mädel schwer verdient", rief er erregt. „Sie werden aber auch mit mir zufrieden sein!" Braun und Fischer empfingen Harald auf dem Uferdamm, und der besorgte Blick des alten Professors flehte um Aufschluß. „Nun, Horus, was heißt dies Alles?" fragte Fischer schmun zelnd. „Sie scheinen mir ein Ränkeschmied erster Güte!" „Das heißt, daß ich mir an der Geschichte vom Baumeister sohn des Rhampsenit ein Beispiel genommen habe", versetzte Harald lachend. „Herr Salinas bewunderte den ja neulich so sehr." ! „Dacht ich's doch", bemerkte der Sachse. „Ich überliste den amerikanischen Schähesammler zum Besten seiner Tochter und — eines gewissen Hauslehrers, der sich heute Nacht auch um mich einiges Verdienst erworben hat." „Horus, Horus, Lichtgott! Buntbefiederter, ich liebe Sie!" rief der Professor, und er umarmte und küßte den jungen Mann in lebhafter Freude. „Ich bitte aber um völliges Schweigen, auch gegen Ihren Sohn", sagte Harald, und die beiden Herren versprachen, das Geheimniß zu wahren. „Nun lassen Sie uns noch einen Spaziergang auf der Ufer höhe machen", schlug Sperber vor. Unendlicher Abendfrieden, lautlose Stille waren über die Landschaft ausgegossen. Den Nildamm herauf kamen ein paar Weiber geschritten, Amphoren auf der Schulter tragend, einige andere schöpften unten am Strom, in dem der blaue Himmel und ein paar rosa schimmernde Wölkchen sich spiegelten, Wasser in ihre Krüge und gaben die schönste Staffage ab zu dem ruhevollen Bilde, das die sich neigende Sonne mit vertiefter, Farben malte. Rechts lagen die Hütten und Häuschen von Girge; die goldene Spitze des Minarets, die über den flachen Dächern aufragte, schien zu brennen. Ein Hund schlug in der Ferne an — dann wieder tiefes Schweigen; nur das leise Plätschern der Wellen, die auf den Sand rollten, klang einförmig zu den Wanderern empor. Vor ihnen streckten einige Palmen ihre gefiederten Kronen gegen den goldenen Himmel, so daß man jede Bwitspitze hätte zählen können. Lichtgrüne Saaten schim merten von der anderen Nilseite her — ein sanfter Wind führte den Duft ernteschwerer Felder mit sich. Harald war, als müßte er den unvergleichlichen Anblick für immer tief in seine Seele prägen, um ihn als unveräußerlichen Besitz mit zu nehmen in die Heimath, in die Zukunft. Nie hatte er vielleicht so tief, so -dankbar die feierliche Schönheit dieses Landes empfunden, wie eben jetzt — und dennoch stieg plötzlich ein leises Gefühl der Sehnsucht in seiner Seele auf, der Sehn sucht nach der rauhen, nordischen Natur, dem winterlichen Schnee, dem Rauschen des Sturmes in den Föhren und Buchen der pommerschen Heimath. So lind auch hier die Lüfte ihn. um schmeichelten, so hoch begnadet er sich fühlte, diese wunderbare Landschaft geschaut, den heiligen Fluß rauschen gehört, die er habenen Stätten der ältesten Cultur betreten zu haben, — es war doch ein fremder Wind, der hier wehte, eine fremde Land schaft, die ihn entzückte, ein fremder Boden, von dem kaum ein Weg zu der Erde führte, der er entsprossen war. Und die Vergangenheit war eS, die hier zu seiner Seele sprach, eine mächtige, ehrfurchtgebietcnde Vergangenheit zwar, aber doch eine, die Todesstarre umfangen hielt, die keine Auferstehung feiern konnte. Fern im Norden aber athmete das Leben, wogte, kämpfte die Gegenwart. Dort ward das Rad der Zeit gedreht, dort arbeitete, schaffte man, rang man dem kargen Boden ab, was er nicht freiwillig geben wollte. Ein froher Stolz schwellte ihm die Brust. Nie war er sich seiner Liebe für das Vaterland, seiner Zugehörigkeit zu ihm so bewußt geworden, wie in dieser Stunde. Ihm war, als ob ihm die Fremde erst die Augen ge öffnet, er erst unterwegs das richtige Verständniß, die richtige Schätzung auch für die Heimath gewonnen hätte, als ob die egyptische Sonne ihm das Wesen gezeigt, wo er bisher nur den Schein gesehen. Wie diese nun die rothe Gluth emporlodern ließ im Westen, Himmel und Berge und Strom und Land in Feuerbränden ent zündete, da feierte Harald mit ihr zugleich seinen Abschied in andächtiger Ergriffenheit. „Das Reisen kommt mir wie eine Schule vor, in der der Entwickelungsfähige viel lernt", meinte er auf dem Rückwege. „Es ist gut, daß Sie eine Bedingung an das Lernen knüpfen", erwiderte der Professor lachend. „Ich kenne Viele, die die Schule nutzlos durchmachen! Wir haben von beiden Sorten —" „Meinen Sie etwa mich mit der zweiten?" unterbrach ihn Fischer mit komischer Grimasse. „Ich hab' es bis — Unter- secunda gebracht." Und als die beiden Anderen lachten, fügte er hinzu: „Spaß bei Seite, erholen will ich mich auf Reisen, durch neue Eindrücke zerstreuen, vom Einerlei der Arbeit aus ruhen, — nicht lernen. Dazu muß man — sehr jung sein oder ein Mann der Wissenschaft, der einen bestimmten Zweck verfolgt auf seiner Reise. Mein Standpunkt hat, denk' ich, auch seine Berechtigung. Mir ist die Egyptologie ganz egal, ich bin nicht, wie Sie, leidenschaftlich dafür begeistert. Kennen Sie die Ge schichte von dem General, den der alte Kaiser Wilhelm nach einer Romreise bei der Parade huldvoll fragte, wie es ihm auf dem Capitol gefallen habe? Majestät, der Kreuzberg ist mir lieber, antwortete der geistesgegenwärtig zum größten Vergnügen seines Herrn. Ja, sehen Sie, mir geht's mit Dresden so. Der Nil ist ja hübsch, aber gegen die Elbe — gar nichts! Nur das Klima hat Einiges vor dem unfern voraus, das will ich nicht leugnen, und erholt hab' ich mich hier. Aber mit dem Lernen, da bleiben Sie mir vom Leibe." Er blinzelte sie lustig an und fuhr, durch die Heiterkeit seiner Zuhörer ermuthigt, fort: „Hören Sie, Horus, als Sie vorher mit dem Nabob verhandelten, mußt' ich an den alten Wrangel denken. Die Kaiserin, damals noch Königin Augusta, fordert ihn nach dem Schleswig-Holsteinschen Feldzug gerührt auf, sich eine Gnade zu erbitten. Nach langem Sinnen sagt er: Majestät, darf ich Ihnen Tante nennen?" Der Professor lachte so dröhnend und Harald begleitete ihn so herzhaft dabei, daß der frohe Klang zur Edfu hinunterschallte, in das offene Fenster von Mary's Cajüte hinein. Dem jungen Mädchen tönte er ins Ohr wie eine Botschaft des Lebens. Vom Verdeck aber blickte das ernste Gesicht Jürgen Braun's zu dem Vater in die Höhe, der so sorglos lustig war, da ihm Centnerlasten das Herz bedrückten. Im Hotel du Nil schien man erst nach Wildau's Abreise er fahren zu haben, wen man beherbergt. Um so weniger ließ man es bei seiner Rückkehr an Beflissenheit fehlen, und auch auf Sperber fiel etwas von dem Glanz, den der verkappte Erz herzog ausstrahlte. Dennoch wäre er lieber mit dem Professor, dessen Gesellschaft er ungern entbehrte, zu Gorff gegangen. Da er indessen seinen Koffer im Hotel gelassen, wo er übrigens auch vortrefflich aufgehoben war, mußte er schon mit Wildau zu sammen bleiben. Immer mehr hatte sich herausgestellt, daß sie beide im Grunde sehr wenig mit einander zu theilen hatten, und Harald begriff kaum noch den Reiz, den Wildau anfangs auf ihn ausgeübt, die Bewunderung, welche er ihm eingeflößt. Wie hatte sich diese Wandlung in so kurzer Zeit vollziehen können? War der österreichische Prinz weniger fürstlich, weniger liebens würdig als früher? Keineswegs. So war Harald es selbst, der sich geändert, der während der Reise eine neue Schätzung der Werthe sich zu eigen gemacht hatte. Jndeß waren ihm Kopf und Herz so voll von seinen eigenen Angelegenheiten, unter die er auch die Pläne für Mary's Heirath rechnete, daß er in den nächsten Tagen Wildau fast aus dem Gesicht verlor und ihn nur bei den Mahlzeiten flüchtig sprach, ohne zu mehr als ein paar höflichen Redensarten aufgelegt zu sein. Er hatte sofort seine Nachforschungen nach vr. Hubert Schmidt begonnen, die fürs Erste erfolglos blieben. Doch binderte ihn die Sorge für Mary's Geschick, sich mit voller Energie denselben zu widmen. Er hatte eine tiefe, zärtliche Freundschaft für daS junge Mädchen gefaßt, das ohne ihn schon längst den dunklen Weg beschritten hätte, von dem eS keine Rückkehr giebt. Und wichtiger fast als sein eigenes Glück erschien ihm daS ihre. Es ihr zu verschaffen, zu sichern, soweit es in Menschenmacht stand, das war seine nächste Aufgabe, und er ward nicht müde, sich die Seligkeit auszumalen, die sie empfinden würde, wenn e- ihm gelänge, sie mit dem Geliebten zu vereinen. Daß er aber die Schwierigkeiten seines Unternehmen- unter schätzt habe, daß die unvorsichtige Gewährung seiner Bitte durch Salinas nicht den väterlichen HeirathSconsenS ersetzte, war ihm längst klar. Welchem Standesbeamten, welchem Geistliche» würde sein Name an Stelle des väterlichen genügen? Eben wollte er sich am Nachmittag nach seiner Rückkehr auf den Weg nach Gezireh machen, um sich nach Mary's Ergehen zu erkundigen, als ihm ein Brief der Frau Salinai gebracht ward, der um seinen Besuch bat. Das Schreiben bewegte ihn. Es enthüllte ihm in kurzen Zeilen alle die Gefühle, die da- Herz der Mutter bei der Kunde des Geschehenen bestürmt hatten. Zu seiner Befriedigung fand er Pc allein. Ihre Thränen flössen, als sie ihm mit ausgestreckten Händen entgegenkam, und kaum vermochte sie den Dank hcrvorzustammeln, von dem ihre Seele voll war. - ' „Für das, was.Sic für unS gcthan haben, zu danken, reicht
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite