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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.06.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-06-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000602020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900060202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900060202
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- LDP: Zeitungen
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- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
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Claffe „Majestic" den Panzer „Belle- Isle" in neun Minuten zu einem Wrack zusammenschießen ließ. Denn wenn auch die „Belle-Jsle" eine veraltete Construction hatte, so war sie doch immerhin erst im Jahre 1878 gebaut und hatte einen Eisenpanzer von 32 cm Stärke. Die Schilderung, wie unter dem Feuer der 30 cm-Ge- sckütze des „Majestic" und dem Schnellfeuer seiner zwölf 15 om-Schnellladegeschütze in so kurzer Zeit das beschossene Schiff zu einem formlosen Haufen allen Eisens wurde, liest sich hochdramatisch und läßt in ihrer Wirkung die ganze Furchtbarkeit einer modernen Seeschlacht vorempfinden. Welche Gründe die englische Negierung veranlaßt haben, diesen kostspieligen Versuch zu machen, läßt sich vor der Hand nicht übersehen, so wenig wie sich beurtheilen läßt, ob dieser Versuch neue Erfahrungen gezeitigt hat. So kann man, waS den ersten Punct anlangt, der Ansicht sein, daß in England vielleicht das Bedürfniß obwalte, zu den Erfolgen in Südafrika an einem sichtbaren Exempel die Furchtbarkeit der englischen Seerüstungen vor^uführen und gewissermaßen das alte Firmen schild neu aufzufärben; eS ist aber auch nicht unmöglich, daß die englische Admiralität ihrer Nation vor Augen zu führen für nöthig hielt, welchen Werth im Ernstfall die große Zahl der alten Schiffe hat, die in der englischen Flotte neben dem modernen Schlachtschiff rangiren. Hat außerdem die Absicht bestanden, noch besondere Erfahrungen zu erproben, so wird man, da ein großer Ning von Torpedo jägern das Uebungsfeld umsäumte und die fremden Marine- Attaches zu diesem Exercitium nicht hinzugezogen worden waren, hinsichtlich der wirklichen Ergebnisse statt zutreffender Aufklärung für die nächste Zeit eher Miltheilungen erwarten müssen, die irreführen. Soweit sich auf Grund der bis herigen Darstellungen — die übrigens bezüglich der Be schaffenheit der beiden Schiffe noch mancherlei Un genauigkeiten enthalten — ein Urtheil fällen läßt, bat diese Uebung weniger ergeben, als im spanisch-amerikanischen Seekrieg die Schlacht bei Santiago de Cuba. Viel höher als eine Schießübung aus den besten Geschützen auf Panzer platten minderer Beschaffenheit ist da- Experiment nicht ein- zuschätzcn. Von der Wirklichkeit wurde nur ein halbes Bild gegeben. Zunächst kannte man von der „Majestic" aus ge nau die Entfernungen. Jeder Schuß konnte ein Treffer sein, da überdies das Ziel völlig still lag, während im Seekrieg nicht nur das schießende, sondern auch das beschossene Schiff in der Regel in Bewegung sein wird und die Schuß weite sich jeden Augenblick verändert. Ferner kommt in Betracht, daß von der „Belle-Jsle" nicht zurückgeschossen wurde, so daß die BedienungSmannsckaft an den Geschützen der „Majestic" in aller Rübe ihre Uebung absolviren tonnte. So bleibt von der ganzen Uebung bisher nur übrig — und daS wußte man längst schon —, daß die alten Panzer gegen über den modernen Riesengesckützen mit ihren Stahlgranaten nicht aufkommen können und daß daher, wenn man sür eine See schlacht eine wobleingeübte Mannschaft auch gefechtsfähig erhalten will, man sie nicht auf „schwimmende Särge" setzen, sondern mit derjenigen Deckung versehen soll, die sich wie die Krupp'schen Platten als eine widerstandsfähige Deckung erwiesen hat. So kann, so weit sich bisher über diese Schießübung auf die „Belle-Jsle" ein sicheres Urtheil abgeben laßt, dieses nur lauten, es sei wieder einmal bestätigt worden, was sowohl bei der Einbringung deS geltenden Flottengesetzes, als auch bei der Einbringung der Flottennovelle die deutsche Marine verwaltung immer wieder betont bat: daß nur daö moderne Linienschiff mit seiner Geschützkraft und seinem Panzer schutz der Kern einer leistungsfähigen Scklachtflotte sein kann und daß eS daher für daS deutsche Reich wirklich bitter noth that, für einen ausreichenden Bestand auS solchen Schlachtschiffen bei Zeiten zu sorgen. Und so kommt die Uebung von Selsea Bill gerade zur rechten Zeit für die zweite Lesung des Flottengesetzes, die am Mittwoch nach Pfingsten im Reichstage beginnt. Um eine Hoffnung ärmer sind im Großherzogtbum Baden die Negierung und der nichtultramontane Theil der Be völkerung durch daS Hirtenschreiben geworden, daS der Erzbischof vr. Nörber anläßlich seiner Rückkehr von Rom an seine Diöcesanen gerichtet hat. Der Geist, von dem dieses Schreiben erfüllt ist, findet seinen prägnantesten Ausdruck in dem Satze: „Duldet, soweit ihr eS Verbindern könnt, niemals, daß eines eurer Kinder seinen Glauben gefährdet durch die Bekanntschaft und Eheschließung mit Andersgläubigen." Freilich ist die Münchener „Allgem. Ztg." völlig^ im Rechte, wenn sie denen, die vom neuen Erzbischof von Frei bürg etwas Anderes erwarteten, das Folgende sagt: „Wenn von einem neuernannten Würdenträger der katholischen Kirche diese oder jene scheinbar freiere Aeußerung oder irgend ein menschlich sympathisches Wort bekannt wird, treten nickt selten Leute aus, die einen Gegensatz zwischen ihm und dem in den Niederungen des Klerus vielfach herrschenden minder toleranten Sinne construiren und sich von dem neuen Manne ein versöhnliches, segensreiches Wirken versprechen. Diese Leute verdienen, daß sie enttäuscht werden, denn die Annahme, daß bei der einmal herrschenden Strömung ein anderer als ein taktfester Ultramontaner daö Pallinm erhalten könnte, ist gar zu leichtfertig. Die liberale Presse Badens und der Nachbarländer hatte, seit Herr Nörber den erzbischöf lichen Stuhl in Freiburg bestiegen, M't einem Eifer, der von ihrem Optimismus und ihrer guten Meinung über den Ober hirten der Diöcese zeugte, dann und wann den mildernden und zügelnden Einfluß des Ordinariats auf die klerikalen Heiß sporne im Lande nachweisen zu können geglaubt. Von diesem an oberster Kirchenstelle vermutheten concilianten Geiste ist in dem Hirtenschreiben des Erzbischofs wenig zu spüren. So schroff wie möglich wird der Gegensatz der katholischen Lehre zu den anderen Confessionen hingestellt. Selbst der Gedanke, daß die Angehörigen der verschiedenen Religions gemeinschaften in einem und demselben Staatswesen g:mein- same sittliche Staatszwecke zu erfüllen haben, die nur durch Eintracht zu erreichen sind, scheint ihm sehr fern zu liegen. Ginge eS nach ihm, so würden die Angehörigen der ver schiedenen christlichen Confessionen in Baden wie fremde Völker, von denen daS eine deS anderen Sprache nicht versteht, im badischen Lande nebeneinander Hausen Es wird Sache der nationalen Kreise sein, gegenüber derartigen Be strebungen, die am letzten Ende nur einer Lockerung der Volksgemeinschaft Vorschub leisten können und deren Ge fahren man in einem confessionell gemischten Lande nicht unterschätzen sollte, zielbewußt entgegenzuarbeiten." Schon kürzlich wurde über Rohheiten berichtet, die deutsche Rom Pilger in der Peterskirche von franzöfischr» Pilgern zu erdulden gehabt hätten. Frauzosenfreundliche Politiker des Vaticans suchten hieraus die Vorgänge zu beschönigen; mit welchem Rechte, das ergiebt sich jetzt aus einem Schreiben, das dem römischen Berichterstatter der „Franks. Ztg." von einem deutschen Katholiken zugegangen ist und worin eS über die Vorgänge in der Peterskirche am 26. Mai heißt: „Zusammen mit anderen Tausenden einheimischer und auswärtiger Gläubigen hatten 10000 französische und stark 3000 deutsche Pilger Zulassung zu einer Mossenaudienz bei Leo XIII. gesunden. Ob gleich der Papst erst gegen Mittag erscheinen sollte, waren die Letzteren schon auf SV, Uhr Morgens bestellt worden. Doch bereits zu dieser Stunde fanden sich sämmtliche Sitzplätze und die besseren Stehplätze in den weiten Hallen von den Franzosen besetzt. Diesen waren wenigstens sür die Sitzplätze besondere Billcts eingehändigt worden, während daS deutsche Localcomitö unbcgreiflichcrwcise schlecht genug unter richtet gewesen war, um feierlich durch seinen Präsidenten erklären zu lassen, daß sür Niemanden Karten zu bestimmten Plätzen aus gegeben werden könnten. Stehend, in einem ruhelos wogenden Gedränge, die Empfindung kränkender Zurücksetzung in der Brust, mit der Aussicht, den Papst höchstens sür Augenblicke und aus der Ferne zu sehen, mußten zwei lange Stunden die Ver treter der Nation ausharren, der Rom nun einmal nicht zu verzeihen vermag, daß aus ihrer Mitte der Protestantismus und die deutsche Philosophie hervorgingen. Nicht genug. Seitens des Localcomittzs waren die deutschen Pilger aufgefordert worden, möglichst aus giebig durch deutsche Gesänge die Zeit des Wartens zu kürzen und die Audienz selbst zu verschönen. Mit dem Vatican oder mit den ComitSS anderer Pilgerzüge hatte man bei der Ausgabe dieser Parole keine Fühlung genommen. Wenigstens zeigten sich die Franzosen von vornherein entschlossen, jeden deutschen Gesang zu unterdrücken. Lautes Zischen oder das erneute Einfallen der stürmischen Marschweisen, theilweise rein chauvinistisch-nationaler Lieder, übertönte sofort die Stimmen der deutschen Minderheit, wenn diese der gegebenen Weisung gemäß sich Geltung zu verschaffen suchte. In erster Linie waren es junge AbbSs und die zu Hunderten zur Heiligsprechung I. B. La Salles nach Rom geführten halbwüchsigen Zöglinge der bekannten Schulbrüder-Jnstitute, die sich an der eigen- artigen Kundgebung katholischer Einheit und christlicher Bruderliebe betheiligten. Ein Bischof, unterstützt von zahlreichen geschickt durch die Menge vertheilten Gruppenführern, leitete das ganze tumultuarische Treiben, bei dem gelegentlich auch schrille Pfiffe den ersten Klängen eines deutschen Kirchenliedes antworteten. Um keinen Zweifel über Sinn und Charakter ihres Gebührens übrig zu lassen, bereiteten die gallischen Abbös umgekehrt den Sängern eines polnischen Liedes Helle Ovationen. Daß diese nicht Angehörige der ver bündeten russischen Nation, sondern gleichfalls ehrsame deutsche Staatsbürger — aus Obcrschlesien — waren, ließ eine komische Tücke deS Schicksals ihnen entgehen. Leider standen indessen diesen heiteren auch recht ernste Züge demIBilde äußerster Würdelosigkeit gegenüber, das die Hauptkirche der katholischen Welt noch in Gegen wart deS „Heiligen Vaters" bot. Deutsche Priester und deutsche Damen, die dem französischen Veto zuwider gleichwohl zu singen oder gar einem Franzosen sein Benehmen zu verweisen wagten, sahen sich Schimpsworten, ja sogar, wie von mehreren Seiten ver lautet, thätlichen Mißhandlungen ausgesetzt. Ein be- sonder- gravirender Fall roher Ausschreitung soll sicherem Ver- nehmen nach das Einschreiten päpstlicher Gendarmerie herausge fordert haben." Sehr bitter bemerkt der Briefsckreiber zum Schluß: „Gutherzige Optimisten hoffen, daß nunmehr durch eine allseitige Aufhellung des TbatbestandeS der Vatikan veranlaßt werden möchte, wirksame Vorkehrung gegen eine Wiederholung ähnliche» Scandals an geweihter Stätte zu treffen. Sollte diese Hoffnung sich nicht erfüllen, so dürfen wir einigermaßen auf die Herbstmonate gespannt sein, die neue deutsche Pilgerzüge in der „ewigen Stadt" sehen sollen. Wir würden von ihnen Antwort auf die Frage zu erwarten haben, ob das patriotische Empfinden der klerikalen Kreise Deutschlands kräftig genug ist, um ihnen die Wiederaufnahme von Kund gebungen zu verbieten, deren thatsächlicher Verlauf bislang wenig geeignet war, das Ansehen des deutschen Namens im Auslande zu fördern." Aus Soerabaya, 25. April, geht der „Welt-Corresp." eine Mittbeilung zu, die darthut, daß der Transvaal krieg auch auf daö so entfernte Nicdcrläudisch-Jndie» seine Wirkung ausübt, indem die Niederländer in dem Geschick ihrer Stammesgenossen eine Mahnung sehen, sich recht zeitig gegen englische Jntriguen zu schützen. Der Bericht lautet: Ter „Java'sche Courant" veröffentlichte kürzlich einen Beschluß deS Generalgouverneurs und eine dazu ge hörige Ausführungsverordnung vom 13. d. M., die die Reor ganisation der Verwaltung von Central-und Ostborneo betreffen und beweisen, wie sehr neuerdings die hiesige Negierung bestrebt ist, die Souveränität der Niederlande in diesen früher mehr oder minder vernachlässigten TbeilenBorneos auch faktisch geltend zu machen. Diesem Zwecke diente eine vor mehreren Jahren im Auftrage der Negierung von dem Assistenzarzt 1. Claffe vr. Nieuwenbuis ausgeführte Reise, auf welcher er, von dem Controleur Barth begleitet, Borneo im Stromgebiet des CapoeaS und deS Mahakam von Westen (Pontianak) nach Osten (Samarinda) durch querte. Eine Folge dieser Reise waren im Jahre 1898 durchgefübrte Veränderungen in der Verwaltung und Eintheilung der Residentschaft Süd- und Ostabtheilung von Borneo, deren unter einem Assistentresidenten stehende Abtheiluug Koetei in drei Unterabtbeilungen Koetei, Beraoe und Boeloengan mit den respectivcn Amtssitzen in Samarinda, Goenoeng Taboer und Boeloengan gegliedert wurde. Die neuen Verordnungen sehen eine Neugliederung der Abtheilung Koetei in der Art vor, daß jetzt eine besondere Unterabthei- lung Boven Mahakam mit dem Amtssitze Tcpoeh mitten in Borneo gegründet wird, so daß die Abtheilung Koetei nunmehr in vier Abtheilungen zerfällt. Ueber die Ausstattung deS neuen Postens Tepoeb mit Polizei, Waffen, Dampfbarcaffe rc. enthält die sehr sorgfältig gearbeitete Ausführungsverordnung nähere Bestimmungen. Gleichzeitig werben die Amtssitze der Abtheilung Beraoe und Boeloengan nack Tandjong Redep bezw. Tandjong Seilor verlegt, WaS vermuthlich eine Ver schiebung von der Küste ins Innere bedeutet. Der Con troleur Barth ist wieder nach Pontianak abgereist, um von dort nach seinem in der Wildniß gelegenen künftigen Amtssitz Tcpoeh aufznbrecken, wo ihn vr. Nieuwenbuis erwartet, der dann mit frischen Leuten nach der Ostküste Weiterreisen soll, die er diesmal in Boeloengan zu erreichen gedenkt. Die Energie, die die hiesige Regierung in diesem Falle zeigt, sticht sehr ab von ihrer früheren Neigung zum Zaudern, wo eS sich um Ausbreitung der hollän dischen Macht über wilde oder halbwilde Völkerschaften im Archipel handelte. Diese Erscheinung wird aber erklär lich, wenn man bedenkt, daß nirgends mehr als auf Borneo die Holländer die üblen Folgen dieser Politik des Gehenlassens erfahren haben, die ihre Rechte im Ungewissen ließ, nachdem der Traktat von 1824 mit England geflissentlich über Borneo geschwiegen batte, anscheinend, weil sich kein Theil für die Zukunft präjudicircn wollte. Seit dem Vertrage vom 20. Juni 1891 ist dies allerdings anders. Der eng lische Mitbesitz auf Borneo, die neuerliche Begründung bedeutender englischer Interessen in Koetei und die von Serawak ausgcsponneneu englischen Jntriguen, um die von dort stammenden Batang Locpar DajakS gegen die Dajaks am oberen Mahakam aufzuhetzen und im Trüben zu fischen, Lüi Anter egyptischer Sonne. Roman auS der Gegenwart von Katharina Zitelmann. »!-»druck verbottn. Frau SalinaS versprach, ihren Einfluß geltend zu machen. Und wirklich! Nach dem Lunch fuhr der Wagen, der Salinas, in dem Eltern und Tochter saßen, vor dem Hotel du Nil vor, um Harald abzuholen. Mit einer stummen Bitte um Vergebung drückte dieser die Hand des Amerikaners und verscheuchte all mählich den finsteren Ernst von dessen Antlitz durch die sprudelnde Laune, mit der er die Insassen deS Gefährts unterhielt. Miß Mary nannte er „sein Fräulein Tochter", rühmte sich muth- willig seiner Rechte über sie und verlangte unbedingten Ge horsam, den sie lächelnd versprach. Quer durch die Stadt, dem Norden derselben zufahrend, ge langten sie in ein Stadtviertel, daS sie bisher noch nicht kennen gelernt hatten, die Abbasiye, die dem Khedive Abba« I. ihre Entstehung verdankt. An freundlichen Landhäusern vorbei, von deren Ballonen überall die blauroth« Bougainvillia in üppiger Fülle herabhing, dir getünchten Wände mit heiterer Farbenpracht schmückend, ging es über die Ebene hin, die zweimal der Schau platz blutiger Schlachten gewesen. Hier hatten 1617 die Türken Egypten besiegt und unter ihre Herrschaft gebeugt, und 1800 hatte rin nur 10 000 Mann starkes französische« Heer unter General Kleber 60 000 Orientalen geschlagen. Auf einer staubigen Wüstenstraßr errichte man da« Dors Matariye und den Garten mit dem Shkomorenbaum, den die Legende mit ihrem Zauber umspinnt. Herr SalinaS schaute mit gefalteten Händen auf den zerspaltenen, zerklüfteten Stamm und da« breite, dichte Blätterdach, da» der heilig« Baum über den Platz au«br«itet, wo dir Madonna mit dem Kind« «inst geruht. Ein eisernes Gitter schützt die ganze Stätte und den ehrwürdigen Baum vor vollständiger Plünderung durch die Fremden. Denn fast Nie mand kommt hierher, ohne ein Zweiglein oder ein Blatt als Andenken zu begehren. Auch Harald pflückte von einem über hängenden Ast, der seiner Länge erreichbar war, ein paar grüne Reiser und bot sie dem frommen Spanier, der die Gabe zu schätzen wußte. Daß dieser Baum erst 1672 an der Stelle eines abgestorbenen gepflanzt worden, der auch wohl bereits ver schiedene Vorgänger gehabt hatte, hütete sich Sperber wohl, Mr. Salinas zu verrathen, dessen andächtige Stimmung er zu er halten wünschte. Denn inzwischen war, von Jenem unbemerkt, der Wagen mit den beiden Braun vorgefahren, und einige Minuten später tauchten Mary und Jürgen Hand in Hand am Eingang deS Gartens auf. Harald ging ihnen entgegen und rief den Professor, der sich noch im Hinterhalt hielt, heran. Dann führte er Mary ihrem Vater zu. „Mein« Rechte auf Ihre Tochter, Mr. SalinaS, trete ich an Doctor Braun hier ab", sprach er ernst. „Ich habe Ihnen ver sprochen, Ihr Kind so glücklich zu machen, wie eS in meinen Kräften steht. Hier gebe ich ihr daS ersehnte Glück. Sic wollten sich mir für Miß Mary's Rettung erkenntlich beweisen. Nun, der Lohn, den ich fordere, ist der, daß Sie nicht länger zürnen, sondern die Madonna an dieser Stelle um ihren Segen bitten. Gewiß wird die Liebreiche Ihnen und mir vergeben, deS Glückes wegen, da» wir stiften." TodeSschwetgen herrschte. SalinaS' Lippen zuckten. Sein« Frau trat zu ihm und flüsterte ihm begütigende Worte zu. Da nahm Jürgen das Wort. „Mr. Salinas, wir können nicht mehr von einander lassen! Geben Sie mir Ihre Tochter! Ich bringe Ihnen keinen adligen Namen zu, keinen Titel, aber metn ganze« Httz. Stoßen Sie mich nicht von sich." „Da- ist eine Verschwörung", murmelte der Amerikaner grimmig. „Werd' ich denn zum Kinderspott? Sie können doch nicht im Ernst verlangen, daß ich eine Heirath meiner Tochter mit Ihnen gutheitzen soll." Dem Professor war bei dieser Antwort da« Roth in die Stirn gestiegen, „Herr!" rief er. „wa, haben Sie gegen meinen Sohn einzuwenden? Gott sollten Sie auf den Knien danken für einen Schwiegersohn wie ihn. Männer können Sie kaufen für Ihre Töchter, aber Liebe nicht! Wa« giebt Ihnen denn ein Recht, so stolz zu sein? Ihre Millionen? Wa, gehen «n« Ihr, Millionen an! Wir brauchen sie nicht. Wir sind Männer der Wissenschaft, die da« Protzenthum verachten!" „Vater!" bat Jürgen ängstlich; aber der Professor war ein mal im Zuge, und nichts hätte ihn jetzt verhindern können, seiner Entrüstung Ausdruck zu geben. Er nahm den Hut ab, fuhr sich durch das Haar, daß es noch wirrer sich blähte, und fuhr fort in seinem verletzten Vaterstolz: „Wie, mein Sohn ist Ihnen nicht gut genug? Zur Ehre müssen Sie sich's schätzen, wenn er Ihnen denselben Namen giebt, wie mir. Er hat einen Vater, dessen Namen Deutschland kennt, den die deutsche Wissenschaft mit Hochachtung nennt. Sie beleidigen mich, mein Herr!" Dieser Ausbruch des Zornes bei dem sonst so ruhigen Manne wirkte wie ein Gewitter, und als sich nun Mary gar in des Professors Arme warf und ihn unter Thränen bat, ihrem Vater nicht zu zürnen, ging Salinas vom Angriff zur Vertheidigung über und erklärte, daß er eines Schwures wegen seine Er- laubniß nicht geben könne. Er habe seine Rechte an Sperber ab getreten und mische sich in die Angelegenheit nicht weiter ein. Ein leiser Windhauch fuhr in diesem Augenblick durch die Krone der alten Sykomore, deren Laub sich geheimnißvoll rauschend bewegte. Der abergläubische Spanier blickte ängstlich auf. Gab ihm die Jungfrau ihren Unwillen zu erkennen — oder lobte sie ihn, daß er sich in das Unvermeidliche fügte? „Maria segnet die Liebenden", sprach Harald zuversichtlich. Da ging ein Ausdruck der Befriedigung über SalinaS' Züge. Denn in den Zweigen deS heiligen Baumes flüsterte e« noch immer, und die Stimme von oben schien Sperber'« Worte zu bestätigen. „Darf ich zu Ihnen in den Wagen steigen?" fragte der Amerikaner, an den Professor herantrrtend. „Ihr Herr Sohn mag meinen Platz einnehmen." Damit schob er seinen Arm unter den de« älteren Braun und ging mit ihm dem Ausgang deS GartenS zu. DaS war ein Rückzug in optima konru», und nun erst wagte da« junge Paar an sein Glück zu glauben. Kurze Zeit darauf fuhren die beiden Wagen Heliopolis zu, von dessen einstigerHerrlichkeit nur noch ein einziger Obelisk Kunde giebt. Er stammt aus dem dritten Jahrhundert vor Christus, und al« sein Erbauer ist Usertesen, ein König der XII- Dynastie, angegeben. Die einstige Sonnenstadt, deren zahllose Obelisken, die versteinerten Symbole der Sonnenstrahlen, mit ihren goldenen Spitzen weithin leuchtend den Ruhm Egyptens ausmachten, deren Tempel und Heiligthümer Wallfahrtsstätten für das ganze Land bildeten, sie ist vom Erdboden verschwunden wie Memphis und so viele ihrer Schwesterstädte. Zu melancholischen Betrachtungen hatte Harald indeß heute keine Zeit. Das Glück selbst fuhr ja mit ihm, und in seinem eigenen Herzen brannte eine so Helle Flamme der Liebe, daß sein Blick nur in die Zukunft gerichtet war und nicht in der Ver gangenheit weilen mochte. Was kümmerte ihn die jetzt! Vor ihm lag ja das reiche, blühende Leben, in dem es sich zu be- thätigen galt, so lange es noch Tag war. Und wie das Erhabene und das Triviale oft nah beieinander liegen, so drängte sich ihm plötzlich fast unbewußt ein Operettencitat auf die Lippen: „Vorwärts mit frischem Muth, Lieb' ist mein Panier!" sang er freudig vor sich hin. Das Brautpaar, daS sich bisher, ganz benommen von der überraschenden Erfüllung seiner Wünsche, an der Sprache der Augen und stillen Händedrücken hatte begnügen lassen, bezog Harald « Citat auf sich und erwachte aus seiner Versunkenheit. Zum ersten Male wieder erklang Mary « melodisches Lachen, und dann, al- sei sie sich plötzlich be wußt geworden, wa» Harald für sie gethan, griff sie nach seiner Hand und küßte sie, ehe er es zu hindern vermochte. „Miß Mary, wie können Sie", rief er, dunkelroth, beschämt. „Lassen Sie sich'« ruhig gefallen", mischte sich die Mutter «in. „Sie verdankt Ihnen ihr Leben und ihr Glück." „Ja, ja", rief Mary — „und niemals kann ich Ihnen ver gelten, wa» ich Ihnen schulde." In ihren Augen schimmerte e» feucht. „Wissen Sie, wie schlecht Sie mich behandelten, al« ich Ihnen damals im Gezirehhotel zugehört hatte?" fragte er. „St« sangen das traurige, spanische Lied." Braun s und Mary's Blicke trafen sich — und die Umgebung versank für die Liebenden. Harald wandte sich lächelnd an die Mutter und zog sie in eine Unterhaltung. Am liebsten hätte er da- junge Paar ganz von seiner Gegenwart befreit. * * «- Täglich sprach Harald fortan im Diakonissenhause vor, fragte nach dem Ergehen de» Kranken, brachte Blumen für Erna und
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