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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.07.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-07-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000709019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900070901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900070901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-07
- Tag1900-07-09
- Monat1900-07
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Größere Schriften laut unserem PreiS- verzeichuitz. Tabellarischer und Ziffernjatz nach höherem Taris. Extra-veilllocn (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbefürderunz 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Fnnahmeschlnß für Anzeigen: Abeud-Au-gobe: Vormittag- 10 Uhr. Margeu-AuSgabe: Nachmittags 4 Uhr. Vei den Filialen und Annahmestelle» je eia« halbe Stunde früher. Anzeigen find stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Montag den 9. Juli 1900. SL Jahrgang. Die Entwickelung, jetzige Organisation und Thätigkeit der Litdungsanstalten der Kaiserlichen Marine. Bei dem großen Interesse, das gegenwärtig die Marine er regt, und was sich auch in zahlreichen Anfragen über ihre Organisation u. s. w. kundgiebt, wird in nachfolgender Darstellung vielen Lesern willkommen sein. Das älteste Erziehungsinstitut ist die Schiffsjungen ci b t h e i l u n g, die am 26. April 1850 gegründet wurde. Al- älteste Schule ist die Marineschule zu nennen, deren Un terricht am 3. November 1851 an der Marineschule in Stettin begann. Am 22. August 1855 wurde das provi sorische Seecadetteninstitut von Danzig nach Berlin verlegt. Am 1. November 1866 wurde die Marineschule in Kiel eröffnet. Der Unterricht an der Maschinisten-, Steuermanns- und Torpederschule begann, am 4. Januar 1867. Die Marineakademie ist durch aller höchste Cabinetsordre vom 5. März 1872 errichtet worden. Zunächst wurde der Lehrcursus für 3 Cöten eingerichtet, durch allerhöchste Cabinetsordre vom 24. October 1883 aber in einen solchen von 2 Cöten umgewandelt. Gleichzeitig wurde durch diese allerhöchste Cabinetsordre die bis dahin bestandene Studiencommission der Marineakademie und -Schule zu Kiel aufgelöst. Unter dem 25. März 1885 bestimmte der damalige Chef der Admiralität mit allerhöchster Genehmigung: 1. daß der Director der Marineakademie und -Schule fortan den Titel „Director des Bildungswesens der Marine" und die ihm unter stellte Behörde den Titel „Dircction des Bildungswesens der Marine" zu führen habe und 2. daß die Maschinisten-, Steuermanns- und Torpederschule fortan den Namen Deck- officierschule" zu führen habe und dem Director des Bildungs wesens der Marine zu unterstellen sei. Durch allerhöchste Cabinetsordre vom 26. November 1895 wurde die Direction des Bildungswesens der Marine in die Inspektion des BildungSwesenS der Marine umgewandelt. Der Director des BildungswesenS führt seitdem den Titel „Inspekteur deS Bildungswesens der Marine". ' Mit dem durch allerhöchste Cabinetsordre vom 14. März 1899 verfügten Fortfall des ObercommandoS der Marine wurde die Inspektion des BildungswesenS der Marine direct unter den Befehl des Kaisers gestellt und dem Inspekteur die gerichtsherrlichen, Disciplinar- und Urlaubsbefugnisse, wie sie bisher dem commandirenden Admiral zustanden, verliehen. Vorher, war bereits durch allerhöchste Cabinetsordre vom 29. August 1897 die Marineschule von der Jnspection des Bildungswesens der Marine abgetrennt und als besondere Be hörde mit der Benennung „Direction der Marineschule" orga- nisirt worden, sie blieb aber der Jnspection unterstellt. Der bisherige Directionsofficier der Marineakademie und -Schule wurde durch den Director der Marineschule ersetzt. Durch allerhöchste Cabinetsordre vom 5. Februar 1900 wurde außerdem auch eine besondere Direction der Marine akademie gebildet mit einem besonderen Director an der Spitze. Die jetzige Organisation und Thätigkeit der Bildungs anstalten der kaiserlichen Marine ist wesentlich in den neu erschienenen Dienstvorschriften: 1. „Dienstvorschrift für die Marineakademie", 2. „Dienstvorschrift für die Marineschule" und 3. „Vorschriften für die Ausbildung der Fähnriche zur See auf den Specialcursen und im praktischen Dienst an Bord der Schiffe", sowie in den bereits im Vorjahre erschienenen Dienstvorschriften: 1. „Vorschriften für die Ergänzung des Seeofficiercorps ff.", 2. „Vorschriften für die Ausbildung der Seecadetten auf den Schulschiffen" und 3. „Vorschriften für die Ausbildung der Schiffsjungen" niedergelegt. Durch die Herausgabe dieser Dienstvorschriften ist ein übersichtliches Bild der Gesammtthätigkeit der Bildungsanstalten geschaffen. Die Organisati-on. An der Spitze des Bildungs wesenS der Marine steht die direct unter dem Kaiser stehende, entsprechend benannte Jnspection. Der Jnspecteur ist ein Flaggofficier. Der Stab setzt sich zusammen aus dem 1. und dem 2. Adjutanten, dem Bibliothekar, dem Jnspections-Jn- genieur, -Arzt, «Zahlmeister und Auditeur. Der Jnspection sind unterstellt: die Marineakademie, die Marineschule, die Deckofficierschule, die Bibliothek der Bil dungsanstalten, die Schiffsjungenabtheilung, die Seecadetten- und Schiffsjungen-Schulschiffe. Während die Marincakademie unter einem Contreadmiral als Director steht, haben die anderen Institute Stabsofficiere als Leiter. Thätigkeit. a. Marineakademie. Sie soll die Seeofficiere durch weitere, allgemeine, wissenschaftliche, marine- und kriegswissenschaftliche Fortbildung in den Stand setzen, sich für die höheren Stellen in der Marine besonders geeignet zu machen. Das Lehrpersonal der Marincakademie besteht: 1. aus Officieren und Beamten der kaiserlichen Marine, welche ausschließlich als Docenten an der Akademie commandirt sind, 2. aus solchen Officieren und Beamten, welche neben ihren sonstigen Functionen die Ertheilung von Vorträgen an der Akademie übernommen haben, 3. aus etatsmäßig angestellten Civillehrern, welche Reichsbeamte sind, 4. aus solchen Do centen des Civilstandes bezw. inactiven Officieren, die die Er- theilung von Vorträgen an der Akademie vertragsmäßig über nommen haben. Die Hörer der Marineakademie sind entweder zum Besuche derselben commandirte Seeofficiere oder nur hospitirende Offi- ciere bezw. Militärbeamte. Die Erlaubniß, als Hospitant gewisse Vorlesungen zu hören, ertheilt der Director der Ma rineakademie. Die Bewerbungen um Commandirung zur Marincakademie gehen von den anderen Jmmediatbehörden ge sammelt an die Jnspection des Bildungswesens der Marine. Für das Kommando zur Marineakademie kommen nur solche Oberleutnants z. S. in Betracht, die das 30. Lebensjahr noch nicht erreicht haben und nach Beendigung des Commandos zur Beförderung zum Capitänleutnant heranstehen. Das Commando zur Marineakademie als Lehrer oder Hörer ist als eine Versetzung nach Kiel zu betrachten. Nach Schluß des 2. Kursus treten diejenigen Officiere, die vorher zur Ma rinestation der Nordsee gehört haben, ohne Weiteres zu derselben zurück. Die Ausbildung auf der Akademie umfaßt zwei Curse. Die Hörer des ersten Cursus bilden den 1. Cötus, diejenigen des zweiten den 2. Cötus. Der Beginn beider Curse erfolgt am 1. October jeden Jahres; die Dauer des 1. Cötus ist auf 9 Monate, die des zweiten vorläufig auf 6 Monate festgesetzt. Die Vorlesungen in beiden Cöten werden unterbrochen durch etwa 14 tägige Ferien zu Weihnachten, für den 1. CötuS durch etwa gleich lange zu Ostern. Während der dazwischen liegenden drei Sommermonate werden die commandirten Officiere im praktischen Dienst ver wandt. Die Art und der Umfang der Vorlesungen sind durch eine besondere Leseordnung festgesetzt. b. Marineschule. Die Marineschule hat den Zweck, die Fähnriche z. S. in Ergänzung der Ausbildung auf den Seecadetten-Schulschiffen in wissenschaftlicher und berufstech nischer Beziehung für die Seeofficierprüfung vorzubereiten. Das Lchrerpersonal der Anstalt besteht: 1. aus Officieren und Beamten der kaiserlichen Marine, welche ausschließlich als Lehrer commandirt sind, 2. aus etatsmäßig angcstellten Civil lehrern, welche Reichsbeamte sind, 3. aus solchen Officieren und Beamten, welche neben ihren sonstigen Functionen zur Er theilung von Unterricht herangezogen werden, 4. auS con- tracrlich angenommenen Lehrern deS CivilstandeS. Diejenigen Fähnriche z. S., welche nach der ersten Uebungs- reise mit den Seecadetten-Schulschiffen die Prüfung bestanden haben, werden vom Jnspecteur des Bildungswesens zum Be suche der Marineschule commandirt. Der Cursus beginnt im Frühjahr und dauert etwa 12 Monate. Der Unterricht wird in Zeitabschnitten in der Regel von einstündig r Dauer cr- theilt. Den Unterrichtsabtheilungen sollen thunlichst nicht mehr als 25 Schüler angehören. Danach ist die Einrichtung von Parallelklassen zu regeln. Beim Schlüsse des Unicrrichtscursus findet die Haupt- prüsung zum Seeofficier statt. Die „Anforderungen in der Prüfung zum Seeofficier" sind in der Lehrordnung der Marineschule enthalten. Die Prüfung wird nach den Be stimmungen der von der Jnspection des Bildungswesens auf gestellten „Anleitung für die Abhaltung von Prüfungen an der Marineschule" abgehalten. Das Ergebniß der Haupt prüfung wird durch die Ergebnisse der Theilprüfungen nach den auf den Besuch der Marineschule folgenden Specialcursen in Artillerie, Torpedowesen und Jnfanteriedienst ergänzt. Die Theilergebnisse werden von den Commandos der Spe cialschiffe bezw. vom Prüfenden im Jnfanteriedienst dem Vor sitzenden der Seeofficier-Prüfungscommission übersandt. Letz tere stellt hiernach im Herbst jedes Jahres das Gcsammtergebniß der Seeofficierprüfung fest. Zu Weihnachten werden etwa 14 Tage, zu Ostern etwa drei Wochen und im Sommer ein Monat Ferien für alle zu diesen Zeiten bestehenden Unterrichtsabtheilungen der Marineschule ge geben. Soweit sich aus dem eben Gesagten der Ausbildungsgang der Seecadetten bezw. Fähnriche z. S. nicht ergiebt, muß auf die „Vorschriften für die Ergänzung des Seeofficiercorps nebst Ausführungsbestimmungen für die Annahme und Einstellung als Seecadett in der kaiserl. Marine", bezw. die „Vorschriften für die Ausbildung der Seecadetten auf den Schulschiffen", bezw. auf die „Vorschriften für die Ausbildung der Fähnriche z. S. auf den Specialcursen und im praktischen Dienst an Bord der Schiffe" verwiesen werden. Danach ist für die Ausbildung noch zu erwähnen: 1)Vor der Commandirung auf Marine schule. Das Seeofficiercorps ersetzt sich aus jungen Leuten, welche nach Prüfung ihrer persönlichen Eigenschaften und wissenschaftlichen Vorbildung als Seecadetten eingestellt werden. Die Einstellung als Seecadett erfolgt einmal im Jahre in der Regel im Monat April. Den Tag bestimmt der Jn specteur des Bildungswesens der Marine. Die Anmeldung geschieht schriftlich bei der Inspektion des BildungswesenS der Marine in dec der Einstellung vorher gehenden Zeit vom 1. August bis 1. Februar. Bei der Anmeldung zur Einstellung als Seecadett sind die nachfolgenden Papiere einzureichen: 1) Geburtsurkunde und Abschrift des Taufregisters, 2) ein Nationale, 3) der von dem Angemeldeten unter Aufsicht eines Officiers oder Lehrers angefertigte und dahin bescheinigte Lebenslauf, 4) eine Uebersicht des genossenen Unterrichts nebst den zu gehörigen Schulzeugnissen, 5) entweder a. ein vollgiltiges Abiturientenzeugniß eines deutschen Gymnasiums oder eines deutschen Realgymnasiums, Regen und Sonnenschein. Momentaufnahmen aus dem Badeleben von Armin Ronai. Nachdruck vrrdorrn. (Schauplatz: Ein fashionabler Curort. Sechs Uhr früh. Es regnet in Strömen, von den Platanen des Curparks rinnt es ununterbrochen auf die umgestürzten Tische und Bänke. Im Musikpavillon stimmen einige Geiger schläfrig ihre Instrumente zum Frühconcert. Die Terrasse des Curhauses ist leer. Der einzige Kellner liegt im Frack lang gestreckt auf dem Billard tisch und schnarcht den unterbrochenen Morgenschlaf weiter. Es regnet und regnet. Um ein Viertel nach Sechs wird auf dem Ocean ein Regenschirm sichtbar. Unter ihm patscht durch die Fluthen der gichtische Major. Er erscheint immer als Erster zum Morgenkaffee im Curhaus. Das Frühaufstehen ist er von seiner Dienstzeit her gewöhnt und läßt sich davon auch durch den ärgsten Platzregen nicht abhalten.) Der Major (gelangt auf die Terrasse, schüttelt sich wie ein Pudel und gähnt mächtig): „Puh, Puh scheußliches Curweitter das! Nicht zum Aushalten mehr, dieser ewige Regen. Man friert ja ganz durch dabei." (Klopft mit seinem Ringe auf die Marmorplatte eines Tisches.) „Kellner, Kellner!!" Jean (der Kellner, schnarcht auf dem Billard ruhig weiter, als gingen ihn die Gäste des CurhauseS nichts an). Major (klopft stärker): „Heda, Kellner, meinen Kaffee, aber recht heiß, denn ich bin ganz erstarrt — und sofort, ver standen?" Jean (erwacht allmählich und reibt sich unsicher die Augen): „So früh schon Einer da — thut ja gerade, als wenn'S schon zwölf Uhr Mittag wär. Könnte bei so einem Wetter auch lieber in den Federn bleiben." (Steht endlich auf und nähert sich schlaftrunken dem Major): „Sie wünschen?" Major (zornig): „Mensch, ich frühstücke schon zehn Wochen lang Tag für Tag in dieser miserablen Bude, und Sie fragen noch so albern, waS ich wünsche? Habe ich denn gestern Petroleum gefrühstückt oder vorgestern gar flüssigen Siegellack? (Laut.) Einen Kaffee will ich haben, recht heiß, verstanden? — Und dunkel soll er sein, und dazu Zwieback und Butter! Nun ist es Ihnen doch hoffentlich klar, waS ich wünsche!" Jean: „Etwas Butter wünschen Sie?" Major (wüthend): „Wenn Sie mir die allein bringen, werfe ich sie Ihnen an den Kopf. Nein, so WaS! Sitze ich nun schon 70 Tage hier auf demselben Platz jeden Morgen — und schließlich doch noch solchen Fragen ausgesetzt zu sein! Un glaublich!" Jean (mit Seelenruhe): „Also Sie belieben einen weißen Kaffee?" Major (springt auf): „Bringen Sie grünen Kaffee oder strohgelben oder fuchSrothen — WaS Sie wollen, nur bringen Sie endlich irgend etwas, sonst reiße ich Ihnen die ganze Schandbud« über dem Kopfe zusammen." Jean (schleicht langsam zur Küche und brummt unterwegs): „Alt ob man e» ibm von der Nase ablesen könnte, waS er haben möchte. (Zum Küchenchef.) Machen Sie einen Kaffee zurecht für diesen alten Brummbären." Küchenchef: „Soll n heiß sein?" Jean: „Sie können schon etwas kalte Milch zugießen, mag sich der Grobian grün und blau ärgern; ein Trinkgeld kriegt man von ihn: doch nicht." (Nimmt das Service und verschüttet unter wegs die halbe Portion auf die Untertasse.) Major (bleich): „Und das nennt man hier einen heißen Kaffee?" Jean (unterthänigss ernst): „Jawohl!" Major: „So? Mit Dynamit sollte man die ganz« Schandwirthschaft in die Luft sprengen . . . (Gespenstig.) Mensch — wo ist die Butter . . .?" Jean (naiv): „Was für Butter?" Major (brüllt heiser): „Elephantenbutter, Tigerbutter oder Walfischbutter — was weiß ich, was für Butter man hier zu benutzen pflegt . . . Habe ich denn keine Butter bestellt?" Jean (ruhig): „Belieben Sie in der That Butter bestellt zu haben?" Major (mit geschwollenen Adern): „Packen Sie sich fort, Sie — Sie — sonst geschieht ein Unglück. Ein sauberes Cur haus das, eine nette Bude — mit Feuer und Schwert sollte man Euch vertilgen, Canaille. . ." (stürzt in den Regen hinaus, nach dem er einen Marmortisch mit Allem, was darauf stand, um geworfen hat). Jean schleicht ruhig zum Billardtisch und zwei Minuten später schnarcht er weiter. * (Halb acht Uhr. Auf der gedeckten Terrasse wirbH es leben diger. Einige ältere Damen schlürfen ihren Thee. Curgäste wandeln in der Halle mürrisch auf und ab. ES regnet ohne Unterbrechung. Herr Stern und Herr Blau sitzen abseits an einem kleinen Tische und verzehren ihr Frühstück.) Herr Stern: „Heute ist es mit dem Baden auch vorbei. Wenn's so fort geht, hat das Wasser bis morgen mindesten» 125 Grad unter Null." Herr Blau: „Alt und lahm kann man bei dem Wetter werden und unsere Bärte wachsen in den Tisch. So bald werden wir wohl nicht inS Freie hinauskommen." Herr Stern: „Herr, ich habe eine Idee: Schlagen wir die nasse Zeit mit trockenen Spielkarten todt! Möchten Sie einige Partien Piquet spielen? Jedenfalls vernünftiger, als fortwährend blödsinnig in den Regen hinauSzustarren." Herr Blau: „Meinetwegen. Wie lange wollen wir aber spielen?" Herr Stern: „Lange habe ich allerdings nicht Zeit. (Zieht die Uhr hervor.) Jetzt ist eS s48, am Sechzehnten will ich unbedingt abreisen, daS Geschäft drängt .... Also ich stehe Ihnen vier Tage und dritthalb Stunden zur Verfügung." Herr Blau (ruft dem Kellner zu): „Bringen Sie eine Piquetkarte, Tafel, Kreide, Schwamm, Cognac, Cigarren und Streichhölzer, aber rasch, Herr Stern will in vier Tagen ver- reisen." (Der Kellner bringt daS Verlangt«, die Herren setzen sich zum Spiel und Herr Blau gewinnt jede Partie mit fabelhaftem Glück. Beim zehnten AuStheilen macht Blau wieder einen „Neunziger auS der Hinterhand" und pfeift dazu den Puppenfee-Walzrr.) Her, Stern (ziemlich nervös): „Merkwürdig, wie hübsch Sie pfeifen können! Aber ich bitt« mir'» au», entweder Sie spielen oder Sie geben Opernvorstrllungen — «in» von Beidem." Herr Blau: „Ich bin nur neugierig, ob Sie da« Pfeifen auch geniren würde, wenn Sie der Gewinner wären?" HerrStern (gereizt): „Es ist nur gut, daß Sie während des Spielens nicht noch den Hamlet declamiren oder eine Rhap sodie von Liszt auf der Occarina blasen!" HerrBlau: „Donnerwetter, da finde ich ja den Carreau- König! Sie sind wieder gründlich geneunzigt, und Stiche werden Sie wohl kaum bekommen. — Ja, ja, schlechtes Piquetwetter heute!" Herr Stern (sehr aufgeregt): „Wie prächtig Sie bei Laune sind! Freilich, wenn Sie verlieren, vergeht Ihnen jedes mal die Lust zum Scherzen. Uebrigens, ich werde mir'S merken." Herr Blau: „Was denn?" Herr Stern: „Daß der Mensch in Curorten sehr wohl daran thut, äußerst peinlich in der Auswahl seiner Spielpartner zu sein." HerrBlau: „Wollen Sie denn, daß ich verliere, nur damit Sic nicht zornig werden?" HerrStern: „Wer ist denn zornig? Vielleicht ich?" Herr Blau: „Wer denn sonst? Sie wissen ja vor Zorn gar nicht mehr, was Sie sagen." Herr Stern (die Karten hinwerfend): „Das ist zu viel! Rechnen wir ab. Hier sind Ihre fünf Mark — na, mit Ihnen spiele ich auch noch ....!" HerrBlau: „Darauf können Sie lange warten! Kellner, nehmen Sie die Karten weg, Herr Stern spielt nicht mehr, er ist nicht bei Stimmung, und daS Wetter ist ihm zu schlecht." * * (9 Uhr. Es regnet immer noch in Strömen. Frau Emilie kommt mit ihrem Gatten auf die Terrasse. Beide frösteln. Sie trägt einen grauen Regenmantel, er einen dicken Winterrock. Sie verzehren schweigend das Frühstück: Kaffee, Thee, Eier, Schinken, Erdbeeren, Butter und Honig. Georg raucht eine Cigarette an.) Frau Emilie (etwas verstimmt): „Wie habe ich mich auf die Kahnfahrt heute gefreut und nun dieser abscheuliche Regen." Herr Georg: „Zum Kahnfahren hatte ich ohnehin nicht recht Lust — wenn der Wind conträr bläst, ist so eine Waflerfahrt kein Vergnügen." Emilie: „Du hast zu nicht« Lust, wa» mir Freude macht!" Georg: „Aber, mein Liebchen, wie kannst Du nur so wa» behaupten!" Emilie: „Nun ja! Will ich tanzen, meinst.Du gleich, der Tanz sei ein lächerliches Herumhüpfen; will ich schwimmen, so weißt Du sofort von den Gefahren diese» Sporte» Furchtbares zu erzählen; gehen wir einmal in» Theater, machst Du malitiöse Bemerkungen über die Schauspieler. Bin ich zurückhaltend, be fürchtest Du, die Leute könnten mich für dumm halten, spreche ich aber mit Herren, so schneidest Du gleich eifersüchtige Gesichter. Na, ich kann sagen, diese Badereise ist für mich ein Pracht vergnügen, und ich bin Dir sehr dankbar, daß Du mich mik- genommen hast." Georg: „Verzeihe, mein Kind, aber ich habe Grund, anzu nehmen, daß Du noch nicht ganz aulgeschlafen hast." Emilie: „Wie meinst Du da»?" Georg: „Nun, Du träumst noch tüchtig." Emilie: „Mit anderen Worten, ich weiß nicht, wa» ich spreche, — ich bin unzurechnungsfähig." Georg: „Aber, Emilie...." Emilie: „Schweig' nur, ich weiß schon, wa» Du sagen willst. Ich hätte Launen, ich hätte überhaupt immer Launen. Aber nur zu, quäle mich nur so fort, ich hab« «» ja redlich ver dient, daß Du mich so behandelst." Georg: „So nimm doch Vernunft an, Emilie." Emilie (bitter): „Freilich, Vernunft habe ich auch nicht." Georg (erregt): „Ich bitte Dich, laß' diesen gereizten Ton. Du suchst ja um jeden Preis aus meinen Worten Dinge herauszulesen, an die ich nicht im Entferntesten denke. Willst Du denn unbedingt Streit beginnen?" Emilie: „Das ist ja prächtig! Also ich beginne Streit? Vernunft habe ich auch nicht, ich träume wachend, wenn ich ein ernstes Wort mit Dir reden möchte. Oh, meine arme Mutter, wie gut hast Du das Alles vorausgesehen!" Georg: „Um Gotteswillen, Emilie, beruhige Dich, man wird aufmerksam auf uns! In Curorten achtet man auf jede Bewegung, jede Miene. Wollen wir uns so bloßstellen?" Emilie: „Ein wahres Glück noch, daß Menschen um uns sind, Du wärst im Stande, mich auch noch zu — schlagen." (Georg kann vor Verblüffung über die Wendung kein Wort hervorbringen, Emilie greift hastig nach der erstbesten Zeitung, — es ist die „Times", und sie liest darin mit Verzweiflung, obwohl sie kein Wort Englisch versteht.) (11 Uhr. Die Sonne beginnt durch die Wolken zu dringen, da und dort blickt der blaue Himmel bereits hervor. An den Blättern der Platanen vor dem Curhause glitzern Millionen Regentröpfchen. Ein herrlicher Duft dringt überallhin. Einige Spaziergänger ziehen bereits ihre Regenschirme ein. Nun regnet es gar nicht mehr. Der erste Sonnenstrahl bescheint den herr lichen Platz.) Der Major (äußerst jovial): „Lieber Jean, Sie haben wohl die Güte, mir ein Gläschen Cognac zu bringen, aber Line okauapasns — Sie kennen ja meine Sorte. So gut wie hier kriegt man den Cognak doch nirgends, wahrhaftig ein Ver gnügen." .(Reibt sich vergnügt die Hände und lächelt der Sonne zu.) Jean: „Bitte, sofort, Herr Major. (Im Abgehen): Ein prächtiger Herr, und immer so gut gelaunt und freundlich." Herr Stern (zu Herrn Blau): „Sie sind genau so ein nervöser Narr, wie ich einer bin. Aber hoffentlich doch ver nünftig genug, um die Geschichte von vorhin vergessen zu haben. WaS?" Herr Blau (lachend): „Als wenn'» gar nie geschehen wäre! Wer wird denn so empfindlich sein!" Herr Stern: „Na also. Und wenn e» Ihnen recht ist, könnten wir ja die unterbrochene Partie fortsetzen. Sehen Sie nur, wie das Wetter schön wird." Herr Blau: „Mit Vergnügen . . . aber denn bitte, rasch; denn ich möchte am Sechzehnten auch verreisen." — Frau Emilie (zu Georg, schmunzelnd): „Du, Männi, immer noch böS?" Georg: „Fällt mir gar nicht ein! Wer könnte Dir auch böse sein?" Emilie: „Brummbär, süßer." (Streichelt seine Hand.) Georg: „Willst Du, daß wir heute beim Wasserfall speisen?" Emilie: „Aber e» tropft ja noch von den Bäumen." Georg: „Nicht di« Spur! Da» schönste Wetter! Sieh nur, wie die Sonne prächtig scheint. Willst Du?" Emilie: „Meinetwegen, Du lieber, süßer, guter Mann." (Die Sonne lacht, di« Menschen leben auf, und Alle» ist froh, heiter und guter Dinge.)
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