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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.07.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-07-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000711012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900071101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900071101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
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September auf der großen Straße nach Peking, die am linken Ufer des Peiho hinläuft, in Bewegung setzten. Der genannte Fluß wurde nutzbar gemacht unter dem Schutze bewaffneter flachgehender Fahrzeuge für den Transport von Lebensmitteln, Munition und sonstigen Armeebödürfnissen. Auf diese Weise allein wurde es für das Expeditionscorps möglich, unabhängig von den Schwie rigkeiten und Verzögerungen eines Landtransportes in jenen Gegenden den Marsch bis Peking in verhältnißmäßig kurzer Zeit auszuführen. Allerdings war durch di^ verrätherische Haltung der chine sischen Diplomaten eine kostbare Zeit von vier Wochen für die Alliirten verloren gegangen, denn inzwischen hatten sich über 30 000 Mann regulärer chinesischer Truppen — meistens Man- dschu — gegen die Verbündeten in Bewegung gesetzt. Es kam am 18. September bei Tschang-kioi-ouang — zwei Tagemärsche südlich von Peking — zum Kampfe, wobei die Chinesen eine feste Stellung genommen hatten, die durch 100 Geschütze vertheidigt wurde. Der Hauptantheil an dem nach mehreren Stunden hef tigen Gefechtes erfochtenen Siege der Alliirten fiel ihrer Artillerie und dem Eingreifen der englischen Cavallerie zu, die wiederholt brillante Attacken ritt. Der Verlust der Alliirten war nicht be deutend, dagegen ließen die Chinesen zahlreiche Todte und 80 Feldgeschütze auf dem Schlachtfelde zurück. Aber noch war der Widerstand der Chinesen nicht gebrochen. Prinz San - ko - li - tsin, welcher im Jahre 1858 dir Peiho-Forts erfolgreich vertheidigte, hatte den Oberbefehl über nommen und sich bei Tung-Chao — 10 Kilometer östlich von Peking —, wo die große Straße von Peiho in nahezu rechtem Winkel nach der Hauptstadt abbiegt, festgesetzt. Am 20. September unternahm der Generalstab des Expe ditionscorps eine sorgfältige Erkundung der chinesischen Auf stellung, als deren Schlüsselpunct die Brücke von Palikao erschien, die westlich von Tung-Chao über den Peking mit dem Peiho ver bindenden Canal führt. Am 21. September in früher Morgenstunde schritten die Ver- bünidetsn zum Angriff. Derjenige der Franzosen richtete sich gegen die Front, wobei als Hauptangriffspunct die Brücke von Palikao galt, während die Engländer den Canal westlich dieser Brücke überschreiten sollten, um die Chinesen in ihrer rechten Flanke und im Rücken zu fassen. Ehe aber der Aufmarsch der Verbündeten beendet war, warf sich die chinesische Cavallerie auf die isolirten Abteilungen der Franzosen und ließ von ihren wiederholten Attacken erst ab, nach dem das mörderische Feuer der Franzosen große Lücken in ihre Reihen gerissen hatte. Die französischen Gefechtsberichte stellen ausdrücklich fest, daß die Chinesen mit großer Bravour attackir- ten und einmal bis auf 50 Meter an die französischen Batterien vordrangen. Inzwischen war auch der Aufmarsch der Engländer beendet, und nunmehr gab General Cousin - Montauban — er wurde später vom Kaiser Napoleon III. zum Grafen von Palikao ernannt — den französischen Truppen Befehl zum Angriff auf das feindliche Centrum. Nach genügender Vorbereitung durch Geschützfeuer erstürmten die Franzosen die hartnäckig vertheidigte Brücke von Palikao und entschieden so das Schicksal des Tages. Immerhin hatte der Kampf im Ganzen sieben Stunden ge dauert. Er kostete den Chinesen über 1000 Todte und Verwun dete, welche die Franzosen auf dem Schlachtfelde vorfanden. Die englischen Truppen fanden den Hauptwiderstand auf dem rechten Ufer des Canals, wo ihnen zahlreiche chinesische Cavallerie entgegentrat, die aber durch die Attacken der beiden englischen Kavallerie-Regimenter zurückgeworfen wurde. Jedenfalls ge bührten den Franzosen die Hauptehren von dem Siege des 21. September. Aber trotz desselben beschlossen die Verbündeten, den Angriff auf das nahe Peking nicht eher zu unternehmen, als bis sie Verstärkungen von Tientsin herangezogen hätten. So kamen die Bewegungen vorläufig ins Stocken, um erst am 5. Ok tober wieder ausgenommen zu werden. Das Expeditionskorps war bis dahin auf 9000 Mann verstärkt worden, außerdem mit schweren englischen Belagerungsgeschützen für die Beschießung von Peking. Natürlich versuchte die chinesische Regierung nach der Nieder lage bei Palikao durch neue Verhandlungen Zeit zu gewinnen, und diesmal trat der Bruder des Kaisers, Prinz Kung, als Friedensvermittler auf. Nach den gemachten Erfahrungen zogen es aber die Generale der Verbündeten vor, den Frieden in Peking selbst zu dictiren. Sie beschlossen jedoch, vorher das verschanzte Lager im Norden der Hauptstadt, wohin die Chinesen nach der Schlacht bei Palikao sich zurückgezogen hatten, zu nehmen und dann erst zum Sturm auf Peking zu schreiten. Das verschanzte Lager fand sich beim Anmarsch am 6. Oc tober unbesetzt, und da nach Meldung von Spionen die chine sischen Truppen sich nach dem nordwestlich von Peking gelegenen kaiserlichen Sommerpalast Auen-zuim-yuen zurückgezogen haben sollten, so wurde der sofortige Weitermarsch dorthin in zwei ge trennten Colonnen beschlossen. Da aber die englische Colonne sich auf dem Wege nach dem Sommerpalaste verirrte, so erschien die französische Colonne, der sich schließlich noch die englische Cavallerie angeschlossen hatte, allein vor dem Sommerpalaste, der, mit hohen Mauern umgeben, einen ungeheueren Complex von Gärten, Seen, Hainen u, s. w. umfaßte. Marinesoldaten drangen nach kurzem Kampfe zuerst ein. Hier fand sich nun «in märchenhafter Reichthum — die aufgesammelten Schätze von Jahrhunderten — an Edelmetallen, kostbaren Bronzen und Ge- räthen, an Seidenstoffen, Porzellan und Schmuckgegenständen, die zum größten Theil den französischen Officieren und Soldaten als Beute zufielen. Der Werth dieser Schätze wurde auf mehrere hundert Millionen Francs geschätzt. Erst am folgenden Morgen kamen die Engländer an, aber auch diesen fiel noch eine reichliche Beute zu. Schließlich ging der ganze Sommerpalast in Flammen auf. Am 9. October bezogen die Verbündeten ein Lager im Norden von Peking und errichteten Breschbatterien gegen die Nordfront der Hauptstadt, worauf die chinesischen Mandarinen sich beeilten, zu ernsthaften Friedensverhandlungen, zu schreiten und ein Stadt-Thor den Verbündeten zu öffnen. Am 23. October wurde endlich der Frieden abgeschlossen, worauf das Expeditions korps Anfangs November den Rückmarsch nach Tientsin antrat und Ende des Jahres das chinesische Gebiet räumte, nachdem ein Theil der Kriegskosten von China erlegt war. Der Friedensschluss von Peking ist dann bis zur neuesten Zeit die Grundlage geblieben für die politischen und kommerziellen Beziehungen Chinas zu den europäischen Mächten. Was endlich den Verlauf und die Erfolge des Feldzuges von 1860 angeht, so würde es ein Fehler sein, aus denselben allzu weitgehende Schlüsse zu ziehen für ein ähnliches Unternehmen in der Gegenwart. Die chinesischen Truppen sind jetzt viel zahl reicher auf der Route Tientsin-Peking versammelt als damals, weil die Hauptstreitkräfte in jener Zeit gegen die rebellischen Taipings fochten. Die Bewaffnung, Ausrüstung und militärische Schulung der Chinesen ließ vor 40 Jahren so ziemlich Alles zu wünschen übrig, während jetzt mehrere Hunderttausend moderne Hinterlader und einige Hundert moderner Geschütze — sowohl für den Feld- wie für den Festungsgebrauch — im Besitze der Armee sind. Auch soll nicht verschwiegen werden, daß selbst aus den amt lichen Darstellungen, die von französischer wie von englischer Seite über die kriegerischen Ereignisse des Jahres 1860 er- chienen sind, hervorgeht, daß gegen Ende des Feldzuges die militärische Uebereinstimmung der beiden commandirenden Gene rale sehr viel zu wünschen übrig ließ und nur durch die verhält nißmäßig rasche Beendigung des Feldzuges bedenkliche Weite rungen vermieden wurden. Auch bei dem besten Willen der Betheiligten bleiben bei einer alliirten Kriegführung Reibungen nur selten aus, wenn die Operationen sich lange hinziehen. Ein Grund mehr, durch eine rasche, aber vor Allem auch nume risch ausreichende militärische Action in China den dor tigen unzuträglichen Zuständen ein Ende zu bereiten. Die Wirren in China. Au« London, 9. Juli, früh wird uns geschrieben: Ein praktisches Einvernehmen über die Cooperation Japan« scheint nun doch glücklich erzielt zu sein, denn die vor Kurzem mobilisirte japanische Dwision von 20 000 Mann ist nun den ersten 15 000 Japanern gefolgt, ja die erste Abtheilung derselben soll bereit« in Taku gelandet sein. Das erscheint zweifelhaft, wie alle Zahlenangaben, die uns das Kabel in der letzten Zeit aus Tschifu gebracht, denn nach derselben Meldung hätten diese Japaner die Zahl der Truppen in Taku bereits auf 35 000 gebracht. Das ist aber offenbar unrichtig, sonst könnte nicht der letzte Bericht von dort wieder die Räumung Tientsin« al« unmittel bar bevorstehend hinstellen. Aber auch da« kann sich, wie schon so vieles seit Beginn dieser Krise nachträglich al« irrig Herausstellen. Tie Haupt sache bleibt, daß man sich unter den Cabinetten an gesichts der allgemeinen Gefahr wirklich, wenn auch nur „vorläufig" geeinigt, den Japanern zu gestatten, so viel Truppen al« irgend möglich wenigstens solange nach China zu werfen, bis die übrigen Mächte Zeit gefunden, ihrerseits eine entsprechende Anzahl Truppen nach dem äußersten Osten zu schaffen. Davon aber, daß etwa Japan eine Art Vollmacht ertheilt Ware, in China sozusagen als Mandator Europas Ordnung zu schaffen, kann nach unseren besten Informationen z. Z. keine Rede sein. Dafür ist gegenwärtig weder Rußland noch andere Mächte zu haben. ES ist gut, daS festzuhallen, denn eS liegt noch eine andere Frage vor: Japan hat den Wunsch aus gesprochen, gleichzeitig darüber beruhigt zu werden, daß eS ihm nach glücklicher Niederwerfung des Aufstandes in Peking nicht etwa wieder so gehe, al« nach dem chino-japanischen Kriege — es will wissen, welche Entschädigung ihm die übrigen Großmächte für seine Dienste zuzubilligen bereit sind. In Downing Street wird vertraulich versichert, Japan verlange gar nicht etwa territoriale Ab tretungen, sondern lediglich Garantien für seinen Handel, insbesondere da« Recht, überall in dem pacificirten Reiche Fabriken anlegen, Grubrnrechte zu erwerben und bei Re- organisirung der Verwaltung de« Lande« den entsprechenden Einfluß zugesichert ru erhalten, ungefähr da-, was England auch wünscht. Denselben Standpunkt nimmt bekanntlich auch Amerika ein, und wir dürften deshalb die genannten die« Staaten auf derselben „Plattform" finden. Englischen Blätter« wird au« Tschifu, 8. Juli, tele- graphirt: Heute au« Niutschuang eingetroffene Flüchtlinge brachten uns die ersten, scheinbar wenigsten« zuver lässigen Nachrichten au« der Mandschurei und der Liaotung Halbinsel. Danach sind hier wie dort die Eingeborenen, Chinesen wie Mandschu und Tataren in vollem Aufstande, und erheben sich überall wo Russen sind gerade so gegen diese, wie wider die übrigen Europäer und Japa nesen. DaS ganze Land nördlich von Niutschuang ist in den Händen der Rebellen, mit denen die Mandarine übrigen« durchweg gemeinsame Sache zu machen scheinen, die Eisenbahn ist auf weite Strecken hin zerstört und die Russen fast überall von ihren Verbindungslinien abgeschnitten. Die Haupt- stadt der Mandschurei, Mukhdrn, die „heilige Stadt", ist bereit« den Aufständischen zum Opfer gefallen, die dortigen Missionen sind zerstört, die große katholisch« Mission besonder« völlig niedergebrannt, der französische Missionar nach scheußlichen Martern hin- gemordet, und mit ihm viele Hundert« Eingeborener zum Cbristenthume Bekehrter niedergemetzelt. Nur zehn Weiße Christen entkamen glücklich dem Blutbade und retteten sich nach unsäglichen Gefahren nach Niutschuang, ein französischer katholischer Priester und neun Nonnen. Sie erzäblen, daß die Chinesen die Anderen den furchtbarsten Torturen und schänd lichsten Qualen vor ihren Augen ausgesetzt und dabei die Con- vertiten zwangen, zuzusehen, damit sie „nicht mehr an die Macht der Teufel glaubten". Die Schwestern wurden eben falls gemartert, einige derselben von der Soldateska vorher in einer Weise geschändet, die sich überhaupt nicht wieder geben läßt, und dann erst, als sie schon halbtodt, ihnen der Gnadenstoß gegeben. Die Geretteten sind heute hier mit dem Dampfer „Wusung" eingetrosfen. Nach ihren Angaben befinde» sich im Innern keine Christen mehr. Wer nicht rechtzeitig geflohen, wurde ermordet. Eine ganze Reihe russischer Posten, meist Kosacken, welchen die Bewachung der Eisenbahn rc. oblag, wären von den Rebellen, die übrigens dort nirgends von den Europäern „Boxer" genannt werden, aufgehoben und niedergemacht worden. In keinem Falle scheinen die Chinesen Pardon ge geben zu haben, wie sie überhaupt im ganzen Norden des Reichs, bis über Peking hinab, es darauf abgesehen zu haben scheinen, alle Fremde» und alle einheimischen Convertiten, die den verhaßten Christenglauben nicht abschwören, einfach ermorden. Folgende Depeschen müssen, da nur in einem Theil der gestrigen Abendnummer, wiederholt werden: L. Berlin, 10. Juli. (Priv attelgramm.) An unterrichteter Stelle gilt es als wahrscheinlich, daß die Mächte mit der Frage der Einschränkung von Waffenlieferungen nach China sich beschäftigen. Die Petersburger Meldung von einem deutsch- russischen Abkommen wegen Ostasien ist falsch. * Petersburg, 9. Juli. Amtlich wird bekannt gegeben: A.n 28. Juni ist die zweite ostsibirische Linienbrigade in die vierte ost sibirische Schützenbrigade umgebildet worden. Die bis herigen Bataillone werden zu Regimentern von je zwei Bataillonen erweitert. Neugebildet werden das erste und zweite Wladiwostoksche Festungs-Jnfanterie-Regiment, jedes aus drei Bataillonen bestehend, und das 17. Schützen-Regiment zu zwei Bataillonen. * Shanghai, 10. Juli. („Reuter's Bureau".) Nach einer Nachricht au« einer chinesischen Quelle hat di« Kaiserin die Negierungsgcwalt am 30. Juni wieder übernommen und Uunglu zum Premierminister ernannt. Sie sandte einen Läufer nach Nanking, um den Vicekönigen der Pangtse-Provinzen für ihre Treue zu danken und ihnen zu empfehlen, die Fremden um jeden Preis zu schützen. Ueber die Entstehung^ und die Ausbreitung der „Secte vom Großen Messer", sowie das Verhältmß, in dem der frühere Gouverneur von Shantung, Dü-shien, zu der von ihr ins Leben gerufenen sremdenseindlichen Be wegung steht, wird dem „O. Lloyd" geschrieben: Die „große Messergesellschaft", Dadauhui, ist eine revolutionäre Secte und hängt als solche eng mit den übrigen 72 Secten in China zusammen. Die Secte der „weißen Lilie", die streng von der chinesischen Regierung verboten ist, ist in ihr unter anderem Namen wieder aufgelebt. Ihr Gründer soll ein gewisser Chau-tien-tji jein, von dem die Zeitungen im vergangenen Jahre jagten, daß er ge fangen worden sei. Neuerdings stellt e« sich aber heraus, daß das der Wahrheit nicht entspricht. Die Dadauhui hat den großen Vortheil, daß sie, obwohl revolu tionär und verboten, doch heimlich von der Regierung beschützt wird. Es ist das ein Räthsel, Las sich vielleicht nur durch die Parole erklären läßt, die die Gesellschaft für die Oefsentlichkeit auf ihre Fahne geschrieben hat: „bau rinA mis jan" „Schutz der Dynastie, Tod den Europäern". Durch kluge Leitung wußte sie eS fertig zu bringen, sich die Gunst des letzten Gouver neurs von Shantung, Uü-shien, zu erwerben. Sie half ihm vor Jahren in Zhau-chou-su Räuber fangen. Die Dadaubui-di sind nach der chinesischen Meinung unverwundbar. Stiche nnd Hiebe prallen an ihnen ab oder können doch leicht durch ein ein faches Blasen ihrer Obrrsten geheilt werden. Sie müssen dabei aber ihre „Kraft" im Kampfe gebrauchen, die sich in einem fort« während ächzenden Hm äußert. Wenn auch das Ganze Schwindel und Betrug ist, so glaubt doch der Chinese an diese Kraft und das ist genug, um ihn vor den Kerlen gruseln zu machen. Diese Menschen gebrauchte M als Räubersgnger. In Ti'ao- chou-fu, wo das Räubern täglicv Brod ist und die reicheren Leute vollständig schutzlos gegen die Räuber sind, fand Liese Secte des halb guten Boden. Allenthalben lud man Lehrer ein, die die jungen Torfburschen in den Geheimnissen der Secte Abends beim Lampeuschein unterrichteten und „unverwundbar" machten. In kurzer Zeit waren die Räuber verschwunden. Die Anführer der Secte erhielten von den Mandarine» Knöpfe als Belohnung; die Seele hatte einen guten Namen. In diesem Jubel verlor aber die Secte ihren Kopf. Die bessere Leitung mußte einer wilderen weichen, die Räuber traten bei ihr rin. Nun herrschte lustiges Leben in Ts'ao-chou-fu. Die Räuber waren oben auf. Die Secte theilte sich in zwei Theil«, die „Confer- vativen", die die alten Grundsätze beibehielten und vielfach aus guten Elementen bestanden, und die „Wilden", die sich aus dem Gesindel recrutirten und nach Herzenslust raubten und plünderten. Erstere lebten auch mit Europäern und Christen in guter Freundschaft. 1896 kam es im snördlichen Kiagnaen und in den Unterpräfec- turen Ts'ao-chou-fus, Shen-shien, Ts'ao « shien, Ch'eng - wu zur Rebellion. Die „wilden" Messerhelden verbanden sich mit den Räubern und pflanzten die schwarze Revolutionsfahne auf. Viele Dörfer wurden geplündert, darunter auch viele Christendörser. Die europäischen Missionare mußten flüchten, weil man bet ihnen viel Geld vermuthet«, oder sie sangen und nur gegen großes Lüsegeld sreigeben wollte. Jetzt versuchten es die Mandarinen Anfangs mit Edicten und Strafdrohungen, und als da- Treiben immer toller wurde, fingen sie auch einige ein. Als dos aber auch nichts fruchtete, schickte man Soldaten unter dem berühmten Uü-shien in die Gebiete der Ausständischen. Dieser bekannte Räubersänger brachte die Secte auch bald zur Ruhe, in wenigen Tagen köpfte er 30 ihrer Anhänger, darunter die beiden Häupter, Tsiao und Liu, dir er durch List zu sich gerufen hatte. Die Secte wurde als regierungsfeindlich strenge verboten. Aber im Stillen lebte sie weiter. Di« zerstört«« Kirchen und Wohnungen der Europäer wurden von der Regierung wieder auf gebaut, während die au«grplünderten Heiden keinen oder fast keinen Ersah erhielten. In Folge dessen glaubten vielleicht die Sectirer, daß ihrem Treiben durch die Europäer Embalt geiban worden sei; wenigstens stammt von da ab ihr größerer Haß gegen die Europäer und Christen, die sogenannten zweiten Europäer, 1897 wurden aus Rache für den Tod ihrer beiden obigen Anführer die beiden Pot«» Nie« und Henle ermordet. Deutsches Reich- Leipzig, 10. Juli. (Säumige Steuerzahler, Wirthshausverbot und Socialdemokratie.) Da in dem Gemeindewahlprogramm der sächsischen Socialdemokratie die Aufhebung des Wirthshausverbots für säumige Steuerzahler gefordert wird, hält sich die „Sächs. Arbeiterztg." darüber auf, daß sogar socialdemokratische Gemeindevertreter sich zu dem genannten Programmpunct in Gegensatz stellen. Dies ist jüngst in Niedcrhaßlau bei Zwickau geschehen, wo zwar von zwei „Genossen" die Aufhebung des Wirthshausverbotes beantragt, von zwei anderen Genossen aber durch Rede und Abstimmung bekämpft worden ist. Die „Sächs. Arbeiterztg." macht in Bezug hierauf geltend, daß durch das Wirthshausverbot „die Aermsten der Armen, die ohne jede Schuld nicht in der Lage sind, Steuern bezahlen zu können, bloß gestellt werden." — Wie falsch es ist, in solcher Art unter den säumigen Steuerzahlern ganz allgemein Leute zu vermuthen, die ohne jede Schuld ihrerseits zur Steuerzahlung unfähig sind, darüber kann sich die „Sächs. Arbeiterztg." aus ihren eigenen Spalten unterrichten. Das genannte Blatt bat nämlich am 18. April 1899 einen Bericht über eine Versammlung des s o c i a l d e m o k r a t i s ch e n Arbeitervereins in CottabeiDresden veröffentlicht, in der über den Beschluß des Cottaer Gemeinderaths, die nachweislich böswilligen Steuer restanten zu veröffentlichen und die Listen den Gemeindever tretern, Restaurateuren und Schutzleuten zuzustellen, referirt wurde. In diesem Berichte wurde hervorgehoben, daß die Steuer restanten 179 meist junge, unverheirathete Leute von 17—30 Jahren wären, die zum Theil besseren Verdienst hätten, als mancher Familienvater, der gezwungen sei, die ausfallenden Steucrbeträge mit zu decken. Der Bericht der „Sächs. Arbeiterztg." schloß wörtlich: „Die Mehrzahl der Versammelten war nicht sonderlich erbaut von dem Gedanken, für diese Leute, welche meist ein recht nobles Auftretenzur Schau tragen, die Steuern mit zu zahlen." — So haben sich nicht nur Arbeiter, sondern sogar social demokratische Arbeiter ausgesprochen. Die „Arbeiterpresse" aber erblickt in jedem Steuerrestanten einen Aermsten der Armen, der „ohne jede Schuld" zum Steuerrestanten wurde. Die Kosten für diese zukunftsstaatliche Auffassung von Wirthschaftlichkeit tragen, wie im socialdemokratischen Arbeitervereine zu Cotta zutreffend hervorgehoben wurde, in nur zu vielen Fälle« Familienväter, die zum Theil weniger Verdienst haben, als die unverheirathete», nobel auftretenden Steuerrestanten. --- Berlin, 10. Juli. (Co nservative und National liberale in Preußen.) Das Wort „Hochmuth kommt vor dem Fall" ist selten so in Erfüllung gegangen, wie in diesen Tagen an der „Kreuzztg.". In ihrer Wochenschau vom 1. Juli hatte das Blatt hochmllthig die Nationalliberalen darüber be lehrt, „daß ihr Anhang im Volke nicht ausreiche, ihnen eine Be deutung im öffentlichen Leben zu geben", und daß sie sich des halb an die Regierung anklammern müßten, um „die nöthige Folie" zu haben. Darin lag natürlich zugleich die selbstbewußte Anschauung, daß die Conservativen aus eigener Kraft über eine stattliche Anhängerschaft verfügten und die Regierung nicht brauchten. Die — gelinde gesagt — Jrrthümlichkeit dieser Auf fassung ist nun durch die am Ende jener Woche, die von der „Kreuzztg." mit der erwähnten Wochenschau eingeleitet wurde, stattgehabte Wahl in Northeim-Einbeck illustrirt worden. Bei dieser Ersatzwahl haben bekanntlich die Nationalliberalen 1600 Stimmen gewonnen, die Agrarisch-Konservativen 600 Stimmen verloren. In diesem Wahlkreise, dessen Wählerschaft zu mehr als zwei Dritteln in Orten von weniger als 2000 Ein wohnern wohnt, wo also so recht festgestellt werden kann, wer den stärkeren Anhang im Volke hat, haben die Nationalliberalen die Conservativen also bei Weitem aus dem Felde geschlagen. Und die geschah, ohne daß die Regierung, wie die „Kreuzztg." sich so schön ausdrückt, „als Folie" benutzt wurde. Ganz im Gegen- theil; war doch die Wahl für ungiltig erklärt worden, weil die Regierung bei den allgemeinen Wahlen von 1898 im Interesse der conservativ-biindlerischen Elemente des Guten gar zu viel gethan hatte. Mag nun auch die Regierung diesmal etwas vorsichtiger verfahren sein, so stand sie doch sicherlich mit ihren Sympathien auch diesmal mehr auf der konservativ-agrarischen, als auf der nationalliberalen Seite. Man sollte nun meinen, daß ein solches die Behauptungen des conservativen Organs nct adsurckunr führendes Ergebniß das führende Blatt der conservativen Partei in Preußen etwas bescheidener stimmen würde. Auch diesmal aber wirft es den Nationalliberalen vor, daß sie der Regierung ihren Willen aufzwingen möchten. Den Anlaß zu diesem Vorwande bietet die Mißstimmung der nationalliberalen Presse über die Berufung des Herrn von Haydebrand zum Prä sidenten in Osnabrück. „Die „Kreuzztg." meint: „Anscheinend verlangt man, daß die Regierung sich bei ihren derartigen Vor schlägen und der König bei seinen Beamtenanstellungen an das Placet der nationalliberalen Provinzialorganisationen gebunden erachtet. Es mag ja in jenen Kreisen schmerzlich berühren, daß die Behandlung Hannovers als rein nationalliberale Domäne nicht mehr fortgesetzt wird, allein bei ruhigem Blute wird man sich doch sagen müssen, daß Parteiinterrssen bei der Berufung von Beamten nicht in Betracht kommen dürfen." Dieser letzte Satz klingt genau so, als wenn etwa ein reicher Mann einem Hungrigen einen Vortrag darüber hielte, daß Speise und Trank ganz und gar nicht zu den höchsten Gütern der Menschheit gehörten. Es läßt sich sehr schön sagen, daß Partriinteressen bei der Besetzung von Be amtenstellen nicht in Betracht gezogen werden dürften, wenn man sicher ist, daß alle einflußreichen Beamtenstellen mit An gehörigen der eigenen Partei beseht werden. Wollte die „Kreuz zeitung" eine Liste der nationalliberalen Oberpräsidenten, Re gierungspräsidenten und Landräthe aufstellen, so könnte sie trotz des Raummangels, an dem jetzt die Zeitungen wegen der chinesi schen Wirren leiden, diese Liste tagtäglich ihren entsehten Lesern vorführen, um ihnen zu zeigen, in wie grradezu unerhörter Weise die Regierung die nationalliberale Partei bei der Besetzung von Beamtenstellen bevorzugt. Die Wahl in Northeim hat doch wohl ebenso, wie einige Monate vorher die Wahl in Aurich dargethan, daß trotz aller durch die Regierung begünstigten konservativen
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