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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.07.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-07-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000716027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900071602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900071602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-07
- Tag1900-07-16
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Folgende Depeschen ergänzen die Nachrichten: * London, 16. Juli. „Reuter's Bureau" berichtet aus Tientsin unter dem 9. Juli: Die Chinesen unterhielten gestern Nachmittag ein furchtbares Bombardement, da» sich namentlich gegen die Baracken der Verbündeten und ihr Haupt quartier richtete. Eine Granate fiel in eine britische Baracke und tödtete einen und verwundete zwei Mann. In der ver- gangenen Nacht wiesen die Japaner einen neuen heftigen Infanterie-Angriff auf den nordwestlichen Theil der Fremden niederlassung zurück. Britische und angloasiatischeArtillerie,Infanterie undSeesoldaten mitdeutscher und japanischerInfanterie und Cavallerie und cineAbtheilung japanischer reitender Artillerie, insgesammt 2000 Mann gingen nach Südwesten vor, schwenkten nach Norden um und zersprengten den Feind vollständig, obwohl er zweimal heftigen Widerstand zu leisten versuchte. Japanische, anglo asiatische und britische Artillerie beschoß sodann daS west liche Arsenal, das von den Japanern erstürmt, später aber wieder ausgegeben wurde. Es wurden 400 Chinesen getödtrt, und 6 Geschütze erbeutet. Japanische Cavallerie und Artillerie leisteten hervorragende Dienste. Nachmittag begannen die Chinesen wieder von der Chinesenstadt aus die Fremdenniederlassung zu be schießen. Ein Schuß traf die Baracken der englischen Seesoldaten, von denen zwei Mann getödtet wurden. * London, 16. Juli. „Daily Mail" berichtet aus Thanghat unter dem 15. Juli: Die verthetdiger der britischen Gesandtschaft machte» wäyrend der Be lagerung Tag und Nacht häufige Ausfälle. Der erste Versuch, die Gesandtschaften, nachdem Bresche gelegt worden war, zu sturmen, wurde unter schweren Verluste« zurück geschlagen. Ehe ein zweiter Bersnch gemacht wurde, er schienen Prinz Tsching und General Wang-Weng-Tscha» auf dem Kampfplätze und griffen Prinz Tuan'S Truppen an, sie wurden schließlich aber auSeinandcr- gcsprcugt. Wang - Weng - Tschau ist getödtet worden, Prinz Tsching wird vermißt. Wahrend der Nacht wurde» mehrere Angriffe abgewiesen. Die Angreifer zogen sich zurück, als gegen 5 Uhr Morgens General Tnug mit eincr starken Abtheilnng Kangsu-Truppen aus Tientsin eintraf. Bei Lonnenanfgang war die Munition der Bcr- theidigcr erschöpft. Die Ucberlebenden erwarteten, dicht anctuandergedräugt, den Ansturm der überwältigenden Massen und starben so. Aus London schreibt unser Herr (l. 6.-Berichterstatter über die Haltung Japans: „Der vor anderthalb Wochen hier eingetroffene neue japanische Gesandte, Baron Hayaschi kam, wie von durch aus unterrichteter Seite versichert wird, mit sehr bestimmten Aufträgen bicrber. Damit erklärt sich auch die Verzögerung der japanischen Truppenlandung. Japan verlangte bindende Garantien, worüber Hayaschi eine Woche lang verhandelte. Seine Ansicht ist die, daß ohne die Zustimmung der Kaiserin-Wittwe und ihrer nächsten Berather die Boxer gegen die Europäer keinerlei Gewaltflreiche hätten verüben können. Insofern seien auf alle Fälle die früheren oder jetzigen Machthaber in Peking für alle Unthaten ver antwortlich zu machen. DaS heißt, die einrückenden Truppenführer der Mächte muffen in jedem Falle zeit weilig die gesammte Reichsgewalt an sich nehmen und um dies zu erreichen, muß der Kriest in aller Form der chinesischen Negierung erklärt werden. Derselbe kann aber niemals mit der Eroberung Pekings beendet werden; denn die Mächte baben nicht die geringste Gewähr, daß ihre in der Hauptstadt getroffenen Anord nungen in den Provinzen durchgeführt werden. Deshalb müssen auch diese erobert werden und wenigsten» zeit weilig an den Hauptpunkten fremde Besatzungen erhalten. Andernfalls können sich die jetzigen Vorgänge in Peking in den folgenden Jahren in jever anderen Provinz wiederholen. Japan sei sich somit der Tragweite einer Kriegserklärung vollständig bewußt und mache sich darauf gefaßt, daß ein solcher Krieg zwei bis drei Jahre dauern würde. Bei einem solchen Vorgehen könne Japan natur gemäß nur nach Empfang ausreichender Garantien die Haupt arbeit übernehmen. ES wird auch hier in London als völlig sicher angesehen, daß die britische Negierung solche Garantie gegeben und ein festes Abkommen getroffen hat. Ueber den Inhalt der Vereinbarungen können selbstverständlich nur Muthmaßungen ausgesprochen werden; es wird jedoch versichert, daß mehrere Mächte genau unterrichtet wurden und ihre grundsätzliche Zustimmung gegeben hätten." Wie vo» Shanghai telegraphirt wird, legt man dort hauptsächlich einem Berichte eine gewisse Wahrschein lichkeit und Wichtigkeit bei, welcher mit vielen Details in der Eingeborenenpresse erscheint, gleichzeitig allerdings aber auch jeder officiellen Bestätigung entbehrt. Es soll nämlich ein Courier von Peking am 7. Juli in Cbinan-Fu mit der Meldung eingetroffen sein, daß der General Nieh, welcher bekanntlich beim Ausbruch der Empörung von der kaiserlichen Regierung bestraft worden war, weil er seine Soldaten auf die Boxer hatte feuern lassen, mit einer Armee von etwa 9000 Mann auf einem großen Umwege von Nord osten in Peking eingetroffen sei, nachdem er östlich von Tung- Cbau eine beträchtliche Streitkraft des Prinzen Tun besiegt und gründlich aufgerieben hat. Nieh soll jetzt die Partei des Prinzen Ching und deS Generals Aong-Lu in ihren auf die Unterdrückung der Boxer gerichteten Bestrebungen unterstützen. Li-H ung-Chang hat persönlich die folgende Li sie der chinesischen Vicekönige und Gouverneure aufgestellt, aus welcher die politische Gesinnung und Stellungnahme der einzelnen Mandarine des höchsten Ranges ersichtlich wird: 1) fortschrittlich und angeblich sremdenfreuudlich: Au-Lu (Mandschu), Vicekönig von Chili, Liu-Kun-Ai, Vice- tönig von Liang-Kiang (Chinese), Chan-chi-tung (Cb), Vice könig von Nu-kwang, Li-Hung-Cbang (Cb-), Vicckönig von Two-Kwangs, Kweichun (Mbsch.), Vicekönig von Sze-Sze-Cbun, Auan-Shi-Kai (CH ), Gouverneur von Schantung, Wang-Chi- Chun (CH-), Gouverneur von An-Hwei,Au-Lien-San,Gouverneur von Huan (CH ), Au-Ain-Lin (CH ), Gouverneur von Hupcb, Liu-Shun-Tang (Ch.), Gouverneur von Cbe-Kiang, Te-Sbou (Mdsch.), Gouverneur von Kwang-Tu-Ang,Teng-Su-Assi (CH.), Gouverneur von Kwei-Chau, Tu-Au-Fang (Mdsch.), Gouver neur von Shansi. 2) Conservative von zweifelhafter Gesinnung: Hsu-Aing-Kwei (Mdsch.), Vicekönig vonWei- Kwang-Tao, Shen-Kan-Sung-Fan (Mdsch.), Vicekönig von Aun-Kwei, Aueb-Si-En (Mdsch.), Gouverneur von Shansi, Au-Chang (Mdsch.), Gouverneur von Honan, Lu-Cbun-Lin (Ch.), Gouverneur von Kiangsu, Hwang-Hwai-Sen (Cb.), Gouverneur von Kwangsi, Ting-Chen-Tu (Ch.), Gouverneur von Jun-Nan, Sung-Shou (Mdsch), Gouverneur von Kiangsi. Der bekannte englische Reisende vr. Colqhoun, der in chinesischen Angelegenheiten eine anerkannteAutorität ist, hat dem britischen Auswärtigen Amte ein Schreiben zugestellt, in welchem er an der Hand seiner genauen Kenntniß deS Landes einige Vorschläge über die Art und Weise macht, in welcher der Weg nach Peking erzwungen werden kann. Wir geben daS interessante Schriftstück in wörtlicher Ueber» setzung wieder: „Zu dieser Jahreszeit sind die Hochwege nach Peking aller Wahrscheinlichkeit nach nahezu unpassirbar, dagegen sollte der Flußweg bis zu einem Punkte 15 Meilen von Peking offen sein, von welchem aus dann eine steingepflasterte Chaussee geraden Weges nach der Hauptstadt führt. Der Strom fließt bis Peking durch nahezu vollständig offenes und ebenes Land, so daß eine feindliche Uebermacht, die das Vordringen der verbündeten Truppen hindern wollte, wenig oder gar keine Deckung finden würde. An den Ufern deS Flusses befinden sich auf dem Wege nach Peking kaum ein halbes Dutzend Dörfer und kleinere Städte. ES sollte eine große Anzahl Boote oder Schiffe an Ort und Stelle erhältlich sein, von denen jedes bequem 100 Mann halten kann; da außerdem eine Menge localer Dampfbarkassen. Schlepper rc., sowie die großen Boote der Kriegsschiffe zur Verfügung stehen, so sollten genügend Transportmittel vor handen sei», um eine größere Entsatztruppe in einem Zeit raum von einer Woche nach der Hauptstadt auf dem Wasser wege zu befördern. WaS den Charakter deS zu erwartenden Widerstandes anbetrifft, so ist derselbe dadurch genügend gekennzeichnet worden, daß Admiral Seymour nut seiner kleinen Truppe im Stande war, sich mit verhältnißmäßig geringen Verlusten nach Tientsin wieder durchzuschlagen. Falls nicht sofort der Entsatz der Gesandtschaften in Peking vorgenommen werden kann, so treten zwei Möglich keiten in den Vordergrund: Entweder werden unsere Lands leute massacrirt oder wenn sie im Stande sind auSzuhalteu, bis die Revolution unterworfen ist, so wird in dem Ge- müthe des chinesischen Volkes der Eindruck hervorgerufen werden, daß die Errettung der Ausländer in der Gesandt- schastSstraße nicht der Stärke und der Entschiedenheit der Groß mächte zuzuschreiben ist' sondern nur der eigenen Initiative und dem Maßhalten der Chinesen selbst, daß also sozusagen chinesische Gnade und Barmherzigkeit schließlich über die Ausländer noch triumphirt hätten. Unter dieser Auffassung kann daS Prestige der Ausländer nur außerordentlich verlieren. An Hand meiner Kenntniß des Landes und der chine sischen Bevölkerung bin ich fest überzeugt, daß ein unnach sichtlicher Angriff auf die Eingeborenenstadt in Tientsin die Situation in sehr befriedigender Weise klären und den Fluß weg nach Peking öffnen werde, worauf dann die oben erwähnte Möglichkeit eines schnellen Vordringens auf die Hauptstadt einträte." * Tschifu, 13. Juli. Die Telegraphenlinien sind wieder- hergestellt. * Rom, 15. Juli. Wie die Blätter melden, wird sich König Humbert nach Neapel begeben, um die nach China gehenden Truppen vor ihrer Abreise zu begrüßen. * Aus Verona wird der „Voss. Ztg." gemeldet, daß dort eine deutsche Pionier- und Artillerie-Abtheilung in der Stärke von 120 Mann und 20 Osficieren erwartet werde, welche sich nach Genua begiebt, um sich mit dem nächsten Postdampser nach China einzuschiffen; die nachgesuchte Erlaubniß der Durchreise sei seitens der italienischen Regierung in den letzten Tagen ertheilt worden. Gesucht — ein Lommantzeur. Unter diesem Titel bringt die Londoner „Daily Chro- nicle" einen interessanten Artikel, der die Frage der Ober führung über die Truppen der Verbündeten in China «in» gehend behandelt, und dem wir Folgendes entnehmen: „ES scheint mittlerweile eine Sache allgemeiner Ueber- eiostimmung geworden zu sein, daß in China ein commandirender Officier mit unabhängiger Controle über sämmtliche verbündeten Truppentheile unbedingt und schleunigst erforderlich ist. Dabei kann ein Engländer gar nicht in Frage kommen, da er sämmtlichen anderen Mächten durchaus unangenehm sein würde. Außerdem, um ganz offen zu reden, darf nicht vergessen werden, daß, wenn unser Kriegsamt wirklich noch einen General iu petto hat, der in der elementaren Strategie einigermaßen Bescheid weiß, wir einen solchen Führer in Südafrika selbst sehr nothwendig brauchen; ein solcher englischer General sollte überhaupt als bleibeudeSMusterstuck für zukünftige britische Kriege sein. Wir Engländer würden unter keinen Umständen «inen russischen Führer gern sehen, die Russen würden einem Japaner opponiren und die Franzosen wissen selbst viel zu wenig von DiSciplin, um den erforderlichen starken Mann liefern zu können. Daher wäre es am allereinfachsten und vernünftigsten, wenn man an den deutschen Kaiser daS Ersuchen stellte, einen General auszuwählen, der Len Oberbefehl über sämmtliche Truppen der verbündeten Mächte in Ostasien übernehmen soll. Es ist anerkannte Thatsache, daß der deutsche Officier der be st erzogene So j da t in der ganzen Welt ist, der übrigens während deS südafrikanischen Krieges und bei anderen Gelegenheiten sich auch mit Vorliebe ajs Kritiker in den Vordergrund gedrängt hat. Es wäre also wohl jetzt an der Zeit, daß der „Herr Kritiker" in diesem schwierigen chinesischen Durcheinander einmal bewiese, WaS er wirklich vom Soldatenhandwerk versteht und wie weit seine taktischen und strategischen Fähigkeiten reichen. Es würde dann allerdings der wunderbare Fall eintreten, daß auf beiden Seiten, auf chinesischer sowohl wie auf unserer, der Geist deS deutschen Generalstabes vorwiegend sein würde, denn die wenigen Tausende von wirklich geschulten chinesischen Truppen sind bekanntlich in der Hauptsache durch deutsche Instrukteure und deutsche Taktiker erzogen und aus gebildet worden. < Wenn der General des deutschen Kaisers in der ungeheuren Aufgabe sich wirklich als daS erweist, was die Welt von ihm erwartet, dann können unsere eigenen Osficiere und diejenigen der anderen Armeen nur sehr werthvvlle Lectionen in Strategie und Taktik von ihm erhalten, was übrigens manchem unserer Generale nur zu Gute kommen könnte; ist der deutsche Officier dagegen nicht erfolgreich in seiner militärischen Arbeit im fernen Osten, dann lernt die große und stolze deutsche Nation, die immer mit so viel Emphase auf ihr militärisches Uebergewicht pocht, vielleicht ein wenig mehr Bescheidenheit. - Hierbei tritt übrigens noch ein Punct in den Vorder grund, der für England von ganz besonderem Interesse ist; wenn nämlich mit unserer Einwilligung einem deutschen General das Obercommando in Ostasien gegeben wird, so könnten wir ungehindert darauf bestehen, daß an der Hand unserer maritimen Uebcrlegenheit die Flotten der verbündeten Mächte von einem britischen Admiral befehligt würden, sodaß für uns hierdurch auf jeden Fall ein ausreichendes Aequivalent geschaffen würde". England kann unter keinen Umständen irgendwelchen Haken darin finden, daß ein General aus der brillanten preußischen FerrNletsir. 28j Diana. Roman von Marian Comyn. Nachdruck vrrdotni. Obgleich Antonius seine Absicht, den Tag der Hochzeit fest gesetzt zu sehen, erreicht hatte, war er dennoch verstimmt. Diana hatte niemals Vorgegeben, ihn zu lieben, im Gcgenthcil — sie hatte ihm ganz offen erklärt, daß sie dies nicht thue, aber noch niemals hatte sie irgend welche Abneigung gegen ihn gezeigt. — Doch heute — er konnte sich diese Thatsache nicht verhehlen — heute war sie zusammengezuckt, als er liebkosend ihre Hand be rührt hatte. Heftig stand er auf und verließ sie. Diana blickte ihm nach, doch kaum war er ihren Augen entschwunden, als sie — auf blickend — Philipp Heathcote vor sich stehen sah. „Ich war eben im Begriffe, ins Haus zu gehen, als ich Sie hier sitzen sah", sagte er. Er blickte Diana ernst und auf merksam an. „Sie sehen bleich und übermüdet aus", fuhr er fort, „Sie haben sich noch nicht von dem Schreck und den Strapazen des gestrigen Abends erholt." Sie beruhigte ihn über diesen Punct, oder versuchte wenigstens, dies zu thun, denn er blickte sie noch immer zweifelnd und besorgt an. „Lassen Sie uns nicht von meinem Befinden sprechen, sondern erzählen Sie mir lieber, waS sich in Priors Holm zugetragen hat", sagte sie, ein wenig bei Seite rückend und ihn auffordernd, neben ihr Platz zu nehmen. „Bitte, sagen Sie mir Alles!" „Zu diesem Zweck« kam ich her!" antwortete er. Es war ein eigener Klang in seiner Stimm«, welcher sie er staunt aufblicken ließ. Ein Ausdruck von Weichheit, den sie noch niemals dort gesehen, lag auf seinem Antlitze, und in seinem ganzen Wesen schien eine eigenthiimliche Veränderung vorgegangen zu sein. Der strenge, finstere Ausdruck seines Ge sichtes, die Gemessenheit in seiner Haltung waren verschwunden. Welches Ereignis, hatte eine solche Umwälzung hervorgebracht, was war geschehen? fragte Diana sich verwundert. Und trotzdem er gesagt hatte, daß er gekommen sei, um Diana Mittheilung über die Vorgänge der verflossenen Nacht zu machen, schienen ihm dennoch di« Wort« zu fehien, denn anstatt mit seinrr Er zählung zu beginnen, ließ er seine Augen auf ihrem Antlitze ruhen, auf welchem ein Zauber für ihn zu liegen schien, der ihn verstummen Uetz. Der Blick Philipp's würde Diana verlegen gemacht haben, wenn sie nicht so begierig gewesen wäre, die Begebenheiten der vergangenen Nacht zu erfahren. „Sind die Leute gekommen?" fragte sie. „Ja, und es ist ihnen gelungen, in das Haus zu dringen!" Ein Schreckensruf entfuhr ihren Lippen. „Haben Sie denn keine Vorkehrungen getroffen, das Fenster, welches ich Ihnen bezeichnete, so zu verschließen, daß man nicht durch dasselbe einsteigen konnte?" „Nicht das eine nur, sondern auch sämmtliche übrigen Fenster deS Hauses habe ich fest verschlossen und verriegelt, aber die Leute find gar nicht durch ein Fenster eingedrungen, sondern ganz ein fach durch die Thür, welche unachtsamer Weise offen gelassen worden war!" „Und was hat sich zugetragen?" fragte Diana in hoher Er regung, während sie einen forschenden Blick auf ihn warf, um sich zu vergewissern, daß wenigstens er keinen Schaden ge nommen hatte. Ehe Philipp antworten konnte, wurden sie von Antonius unterbrochen, der schnell auf sie zukam und mit vor Aerger ge- röthetcm Antlitz vor ihnen stehen blieb. Er hatte einige Blumen in der Hand, welche er Diana zu bringen beabsichtigte, und war empört darüber, den Mann, der sich selbst öffentlich als seinenFeind bezeichnet hatte, an ihrer Seite zu finden. Vielleicht würde er weniger entrüstet gewesen sein, wenn er nicht das warme Interesse in den Augen des Mädchens, die lebhafte Art und Weise, mit der sie sprach, wahrgenommen hätte, welche so scharf mit der Gleichgiltigkeit contrastirte, welche sie ihm gezeigt hatte, als er sie vor kaum zehn Minuten verlassen hatte. „Crowhurst fühlt sich durch Ihren Besuch außerordentlich geehrt, Heathcote", sagte er spöttisch. „Seit wann haben Sie denn Frieden mit der Gesellschaft geschloffen und einen Verkehr wieder ausgenommen, der vor sieben Jahren so plötzlich ab gebrochen wurde?" Philipp zögerte keinen Augenblick mit der Antwort. Lang sam erhob er sich und trat Antonius gegenüber. „Seit heute Morgen", antwortete er ruhig. „Und wieso — seit heut« Morgen?" fragte Antonius in ver bindlichem Tone, obwohl das Lächeln, welches seine Worte be gleitete, ein wenig gezwungen war. „Weil die Welt mir nun nichts mehr vorwerfen kann, weil der Bann, unter dem ich so lange und so schwer gelitten, von mir genommen ist und ich meinen Mitmenschen nicht nur mit dem Bewußtsein der Unschuld, sondern mit der Gewißheit, daß diese Unschuld auch der ganzen Welt bekannt ist, ins Auge sehen kann!" Philipp hatte seine Worte zuletzt mehr an Diana, als an Antonius gerichtet. Was lag Alles in dem Tone seiner Stimme! Glück, Stolz, Triumph! Hoch aufgerichtet, mit leuchtenden Augen, stand er neben Antonius. So mochte einem Gefangenen zu Muthe sein, der nach jahrelangem Kerker zum ersten Male wieder als freier Mann in die Gotteswelt hinaustritt! Unwillkürlich hatte Diana sich ebenfalls von ihrem Platze erhoben und streckte ihm beide Hände entgegen. Sie hatte in diesem Augenblicke vollständig vergessen, daß sie verlobt war und daß ihr Verlobter neben ihr stand. Sie sagte kein Wort, aber ehre leuchtenden Augen sagten auch ohne Worte, was ihr Herz empfand. Es geschah nicht oft, daß Antonius sich von seinen Gefühlen hinreisien ließ. Aber so bewunderungswürdig er es sonst ver stand, seine Selbstbeherrschung zu bewahren, heute war zu Vieles auf ihn eingestürmt, er war nicht dazu im Stande. Diana'S Schweigsamkeit, ja ihr offenbares Zurückschrecken vor ihm, als er sie vorhin gebeten, den Tag ihrer Hochzeit zu be stimmen, hatten in erster Reihe zu seiner Mißstimmung bei getragen und Philipp Heathcote's Gegenwart Lwr sicherlich nicht dazu geeignet, seine Laune zu verbessern. Und die Handlungs weise seiner Braut, wie unschuldig dieselbe auch sein mochte, hatte das Maß seiner Geduld nun vollends erschöpft. „Geben Sie Miß Beauchamp's Hände frei!" rief er Philipp zornig zu. „Ich will nicht, daß meine zukünftige Gattin sich der Gefahr aussetzt, Hand in Hand mit Ihnen gesehen zu werden!" Der Befehl brauchte nicht wiederholt zu werden. Philipp war vor Erstaunen und Bestürzung einen Schritt zurückgetreten und Diana hatte sich abgewendet; die Röthe der freudigen Er regung auf ihrem Antlitz hatte einer fahlen Bläffe Platz gemacht. Philipp Heathcote blickte von ihr zu Antonius und dann irrten sein« Augen wieder zu ihr zurück. „Ist daS wahr, was dieser Mann sagt?" fragte er. „Ja, es ist wahr!" hauchten ihre Lippen. Jetzt war die Reihe zu triumphiren an Antonius. Ueber die Bedeutung des verzweiflungSvollen Ausdrucke» in den Augen seines Gegners konnte kein Zweifel obwalten. Einige Augen blicke stanv Philipp schweigend da, er vermochte keine Worte zu finden. Ach, was wurde nun aus seinen Träumen von einer Zukunft, welche ihn für die Vergangenheit entschädigen sollte! „Warten Sie!" rief er, als Antonius den Versuch machte, Diana mit sich hinwegzuführen. „Ich habe noch ein Wort in dieser Angelegenheit zu sagen. Wenn ich Miß Beauchamp da durch Kummer bereite, so thut mir dies unendlich leid, aber die Verhältnisse zwingen mich, zu sprechen. Antonius Beauchamp", wendete er sich jetzt zu diesem, „es giebt keine Buße, die schwer genug wäre, um das Unrecht und die Sünden, die Sie begangen haben, wieder gut zu machen!" Antonius machte eine abweisende Geberde. „Welches auch mein« Sünden sein mögen, es ist weder die Zeit, noch der Ort dazu, dieselben zur Sprache zu bringen", antwortete er nicht ohne gewisse Würde. „Ich will durchaus nicht sagen, daß ich ein vollkommen vorwurfsfreies Leben ge führt habe; aber ich gestehe keinem Andern, wie Miß Beauchamp, das Recht zu, mich zp richten, und sie hat bereits zu meinem Gunsten entschieden." Philipp lachte spöttisch. „Was das anbetrifft, so bin ich überzeugt, daß es Ihrer Geschicklichkeit gelungen ist. Miß Beauchamp für sich einzunehmen, ich kenne Ihre Art und Weise den Frauen gegenüber zu gut, um Ihre Macht in der Beziehung zu unterschätzen. Aber trotz dem werde ich Diana Beauchamp aus Ihren Händen erretten!" Eine wilde, halb wahnsinnige Hoffnung stieg in Diana's Herzen auf. Dieselbe mußte sich in ihren Augen widergespiegelt haben, denn Philipp's Gesichtsausdruck veränderte sich, und fragend, stutzend, blickte er sie an. „Ich habe Ihnen schon einmal gesagt, daß Sie überspannte Ideen haben, und ich wiederhole Ihnen das heute. Ihr ein sames Leben und die Ereignisse, welche die Ursache zu demselben gewesen sind, haben einen nachtheiligen Einfluß auf Sie aus geübt und verhindern Sie daran, klar zu sehen. Ihre Wort- sind einfach der Ausfluß einer krankhaften Einbildung. Glück licher Weise können derartige Worte Niemandem schaden!" „Seien Sie dessen nicht so sicher. Ich habe eine Macht hinter I mir, welche selbst Sie nicht verwerfen werden — die Gesetze I Ihre» Landes!" I „Und wa» haben die Gesetze meine» Lande» mit meiner I Heirath zu thun?"
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