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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.06.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-06-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010606025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901060602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901060602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-06
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Nmtsösatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Ruthes und Rolizei-Ämtes -er Lindt Leipzig. Anzeigen.Preis die 6 gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem RedactionSstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familieunach» richten (S gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Osferteuannahme 25 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60—, mit Postbeförderung ^l 70.—. Ännahmeschluß für Anzeige«: Abend-AuSgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 28t. Donnerstag den 6. Juni 1901. 85. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Die Kanonen der voeren. * Brüssel, 5. Juni. Die hiesigen Transvaalkreise versichern, eS seien zuverlässige Meldungen eingetroffen, daß Botha und Delarey zu Anfang Mai noch über 22guteFeldgeschütze verfügten. Da nun inzwischen von Kitchener keinerlei Geschütz erbeutung gemeldet wurde, so dürfte sich in den letzten Wochen, in Folge der verschiedenen günstigen Gefechte, dieser Vorrath an Kanonen noch wesentlich vergrößert haben. Aus Amsterdamer voerenkreifen. Aus Amsterdam, 3. Juni, wird der „Rheinisch-Westf. Ztg." geschrieben: Der Präsident wird in den nächsten Tagen eine Unterredung haben mit den aus Südafrika heimgekehrten Ambulanzärzten Bierens de Haan und Pamcyer über die Kriegslage und die den Boeren zu verschaffende ärztliche Hilfe. Bekanntlich ist es mit letzterer sehr schlecht bestellt: nur zwei oder drei europäische Aerzte sind noch auf dem ganzen weiten Kriegsschauplätze. Wie es übrigens in den berüchtigten Frauenlagern aussieht, zeigt ein hier aus Johannesburg eingetroffenes Schreiben. Danach befinden sich allein in dem dortigen Lager an der Rennbahn etwa 2700 Frauen und Kinder, von denen 256 schwer krank sind! JneinerWochestarben 29 Personen, also-50 Proc. im Jahre! Ein schlagender Beweis von der vortrefflichen Nahrung und der liebevollen Behandlung der Engländer! Für diese Bedauerns- werthen sind bekanntlich hier und in Deutschland große Summen gesammelt worden — Frau Wahklewicz im Haag allein hat etwa 70 000zusammengebracht —, die englischen Behörden weigern sich aber, die Geldsendungen an die Lager auszahlen zu lassen. Diese raffinirte Bos heit war im englischen Unterhause zur Sprache gebracht und von der Regierung geleugnet worden. Der hier weilende Feldcornet Kouw, ein Augenzeuge der englischen Schandthaten in Süd afrika, hat nun eine legalisirte Erklärung abgegeben, die im englischen Parlament verlesen werden wird. Ueberhäupt wird hier neuerdings eine lebhafte Thätigkeit entfaltet, das englische Volk über die wahre Sachlage in Südafrika aufzuklärcn. — Das „Algemeen Nederl. Verband" sammelt von Augenzeugen be scheinigte Erklärungen über das Verbrennen von Farmen, — die englischerseits aufgegebene Zahl von etwa 650 wird nämlich von den hiesigen Boeren lächerlich niedrig genannt — und bocren- freundliche englische Abgeordnete wollen mit diesen Erklärungen die Regierung zur Verantwortung rufen. Ueber das Wegführen und Mißhandeln der Frauen und Kinder wird eine ähnliche Enquete veranstaltet. Sogar die englischen Krankenpflegerinnen werden in den transvaalschen Frauenlagern nicht zugelassen, und das Hilfscomite in Capstadt schreibt, daß es unmöglich ist, Unterstützungen dorthin zu senden. Wo Worte finden, diese weitgehende Niedertracht des englischen Pharisäerthums nach Gebühr zu brandmarken? * Washington, 6. Juni. (Rcuter's Bureau.) Auf die An fragen von Verwandten solcher Amerikaner, die auf Seiten der Boeren gefochten haben und in englische Gefangenschaft gerathen sind, bat der amerikanische Generalconsul in Capstadt dem Staatssekretär Hay mitgetheilt, daß dieselben sich in Simonstown und Durban, auf St. Helena und Ceylon befänden, daß gut für sie gesorgt werde, und daß ihre Lage gegenwärtig eine viel bessere sei, als die der englischen Soldaten. Die Wirren in China. * Peking, 5. Juni. Die Feuersbrunst im west lichen Theile der von den Amerikanern und Japanern be wachten verbotenen Stadt entstand vermuthlich durch einen Blitzschlag während eines gestern Abend -über Peking herr schenden schweren Gewitters. Trotz des starken RegenS griff das Feuer um sich und zerstörte viele Gebäude, darunter die Wuying-Halle mit den Archiven und der kaiserlichen Biblio thek. Unversehrt blieben die große Mittelhalle, die Ahnen tempel und die kaiserlichen Privatgemächer. Anscheinend ist kein Verlust an Menschenleben zu verzeichnen. Die strengen Absperrungsmaßnahmen wurden durch die Notkwendigkeit begründet, plünderndes Gesindel fernzuhalten. (Wiederholt.) * Shanghai, 5. Juni. Die „North China Daily News" be- richten: Durch ein kaiserliches Decret wird die Abhaltung besondererPrüfungen für die Besetzung der Aemter bei der ge- planten Regierungsreform angeordnet. Tie Candidaten sollen theils aus der Pekinger Beamtenschaft gewählt, theils von den Vicekönigen und Provinzgouverneuren ernannt werven. Auch wird durch ein Decret die Abschaffung der jährlichen Tributsendungen an den Hof, mit Ausnahme von Thee und Arzneien, verfügt. * London, 6. Juni. Der „Standard" berichtet aus Tientsin: Zwischen Peking und Tientsin sind heftige Regengüsse nieder gegangen, infolge deren Hochwasser eingetreten ist. Politische Tagesschau. * Leipzig, 6. Juni. Der Tod deS Freiherrn von Stauffenberg dient der „Freisinnigen Ztg." als Anlaß, einen combinirten Angriff gegen Bismarck und Bennigsen zu richten. Das Organ des Abgeordneten Richter bebauptet nämlich, „daß Fürst BiSmarck mit den Nationalliberalen ein Spiel trieb und niemals ernstlich gewillt war, mit ihnen gemein schaftliche Sache zu machen". Nach dem ganzen Zu sammenhänge will Herr Richter unter den „National liberalen" ausschließlich Herrn v. Bennigsen verstanden wissen; es müßte denn sei», daß dem Beherrscher der freisinnigen Volkspartei die betreffende Stelle in BiSmarck's „Gedanken und Erinnerungen" unbekannt geblieben wäre, an der BiSmarck über seine Verhandlungen mit Bennigsen als in Aussicht genommenen Minister des Innern wörtlich berichtet: „Bennigsen dürfe überhaupt nicht daraus rechne», daß eS dem Könige und unserer ganzen politischen Lage gegenüber möglich sein werde, seine Fraction gewissermaßen mit in das Ministerium zu nehmen .., gewissermaßen ein constitutionelleS Majoritätsmiuisterium zu schaffen." Diese Ausführung BiSmarck's bezog sich auf daS bekannte Verlangen Bennigsen'S, daß mit ihm Forckenbeck und Stauffen berg, die darauf bestanden, in bas preußische Ministerium eintreten sollten. Die Mühe, die BiSmarck zur Beseitigung dieses Verlangens aufwandte, ist viel zu eindringlich, um den Verdacht zu rechtfertigen, es sei ihm niemals ernst mit dem Gedanken an die ministerielle Mitarbeit Bennigsen'S gewesen. Wäre der entsprechende Vorschlag nur vorzespiegelt worden, wie die „Freis. Ztg." glauben machen will, so hätte das Verhalten BiSmarck's bei der infolge seiner Verhandlungen mit Bennigsen zwischen dem Kaiser und ihm entstandenen Differenz ein anderes sein muffen. Bismarck erhielt vom Kaiser ein „ungewöhnlich ungnädiges Schreiben", das die kaiserliche Entrüstung über BiSmarck's „Eigenmächtigkeit" und über die „Zumuthung", daß der Kaiser ausbören solle, conservativ zu regieren, „lebhaft" zum Ausdruck brachte. Wie verhielt sich nun dem gegenüber Fürst Bismarck? Nach seinen eigenen Angaben folgender maßen: „Ich war unwohl und abgespannt und der Text deS kaiserlichen Schreibens und der Eulenburgische Angriff fielen mir dermaßen auf die Nerven, daß ich von Neuem ziemlich schwer erkrankte, nach dem ich dem Kaiser durch Roon geantwortet hatte, ich könne ihm einen Nachfolger Eulenburg'S doch nicht Vorschlägen, ohne mich vorher vergewissert zu haben, daß der Betreffende die Ernennung annehmen werde; ich hätte Bennigsen für geeignet gehalten und leine Stimmungen sondirt, bei ihm aber nicht die Auffassung ge funden, die ich erwartet hätte, und die Ueberzeuguug gewonnen, daß ich ihn nicht zum Minister Vorschlägen könne; die ungnädige Verurtheilung, die ich durch das Schreiben erfahren hätte, nöthige mich, mein Abschiedsgesuch vom Frühjahr zu erneuern." Hätte BiSmarck die Berufung Bennigsen'S in das Ministerium nicht ernstlich betrieben, so hätte er dem Kaiser gegenüber die vorstehende Angabe nicht gemacht und auch kaum sein Abschiedsgesuch erneuert. Erledigt wurde Letzteres damals durch die Erklärung des Kaisers, er sei über das Sachvcrhältniß getäuscht worden und wünsche, daß BiSmarck seinen vorhergebenden Brief als nicht geschrieben betrachte. Wenn Bismarck im Anschluß an das Vorstehende fortfährt: „Jede weitere Verhandlung mit Bennigsen verbot sich durch diesen Vorgang von selbst", — so ist diese Auffassung für den Präsidenten des preußischen Staatsministeriums durchaus gerechtfertigt. Ob es noth- wendig war, daß Bismarck Bennigsen nicht sofort Mittbcilung von der Aufnahme machte, die seine Person und Candidatur beim Kaiser gefunden hatte, kann unerörtert bleiben. Bismarck berichtet in seinen „Gedanken und Er innerungen" in voller Offenheit: „Ich ließ die für mich definitiv abgeschlossene Unterhandlung äußerlich iu suuxsnso; als ich dann wieder in Berlin war, ergriff Bennigsen die Initiative, um die seiner Meinung nach noch schwebende Angelegenheit in freundschaftlicher Form zum negativen Abschluß zu bringen." Daß Bennigsen wirklich die Angelegenheit damals noch für schwebend gehalten hat, können wir bestätigen; die Be hauptung aber, daß Bismarck mit Bennigsen sein Spiel ge trieben habe und niemals ernstlich gewillt gewesen sei, mit ihm gemeinschaftliche Sache zu machen, ist falsch: eS gab bei jenen Verhandlungen weder einen Täuschenden, noch einen Getäuschten, so gern auch die „Freis. Ztg." diese Meinung Hervorrufen möchte. Der klerikale Abgeordnete Herold hat dieser Tage in einer Versammlung des Volksvereins für das katholische Deutschland besonders die Stellung deS Zentrums zur Canalvorlage erörtert. Er kam dabei nach manchem Wenn und Aber zu dem Schluß: Eine Vervollkommnung der Verkehrswege ist für die allgemeine wirthschaftliche Entwickelung immer von Nutzen. Ohne den Aus bau der Eisenbahnen hätten wir niemals den wirthschaft- lichen Aufschwung erreichen können. Der Gedanke, unsere großen schiffbaren Ströme, welche jämmtlich von Süden nach Norden annähernd parallel laufen, durch eine Wasserstraße zu verbinden, ist gewiß rin gesunder. Verschiebungen in der Entwickelung kommen allerdings vor bei jeder neuen Verkehrs straße; bei jeder Eisenbahn, ja bei jeder Chaufseranlage, bei jeder Tarifänderung ist eS der Fall. Je größer und wirksamer die neue Straße, um so vielgestaltiger auch die Verschiebungen und etwaige Benachtheiligung einzelner; da» läßt sich nicht vermeiden. Nur die Gesammtwirkung muß mau inS Auge fassen. Die ausländische Concurrenz, namentlich auch für die Landwirthschaft, ist aber nicht abzuhalten durch Erschwerung de» Verkehrs im In- lande; und wenn man als Grund gegen den Canal anführt, daß der Import von Getreide erleichtert würde, so müßte mau folgerichtig auch gegen die Eisenbahnen sein, denn auch diese erleichtern die Einfuhr ganz außerordentlich. Ohne Eisenbahnen, ohne Binnenschifffahrt würden die Transportkosten im Innern auch bei der billigsten Seefracht so hoch sein, daß durch die Einfuhr keine große Concurrenz mehr verursacht würde. Den uothwendigen Schutz gegen den Import habeu wir durch einen ausreichenden Zollschutz zu suchen, der allerdings herbeigesührt werden muß. DaS ist selbstverständlich eine Erklärung für die Canal« Vorlage. Warum hat nun der Abg. Herold, der seine Fractiou in der Commission vertrat, dieser Auffassung nicht dort energisch Ausdruck gegeben, um durch eine solche Stellung nahme das Schicksal der Vorlage zu verbessern? Die Ant wort, die er auf diese heikle Frage gab, bestand in einem Hinweis auf die Bedeutung der — Conservativen: Die beiden conservativen Parteien zählen zusammen reichlich 200 Mandate und sind fest geschloffen principielle Gegner der Canäle. Die Polen, welche ebenfalls gegen den Canal sind, haben 13 Mit glieder, außerdem sind mehrere Wilde Gegner des Canals, während die absolute Mehrheit von 433 Mitgliedern des Abgeordnetenhauses 217 beträgt. Daß unter diesen Umständen gegen die Conservative» kein positives Resultat zu erreichen war, liegt auf der Hand, um so mehr, als bei den anderen Parteien, namentlich auch beim Centrum, gethcilte Auffassungen bestehen. Man mußte also durch gegen- seitige Nachgiebigkeit eine Verständigung herbeizuführeu suchen. Daß die Getreuen des Herrn vr. Lieber, indem sie den Conservativen gefällig waren, auch ihrem Führer den Liebes dienst erwiesen, Miquel'S Stellung zu erschüttern, verschwieg Herr Herold. Dem Grafen Bülow gegenüber, für den die Rede mit bestimmt war, bedurfte das auch keiner Hervor hebung. DaS Wichtigste für ihn ist die Gewißheit, daß wenigstens ein Theil des CentrumS sachliche Bedenken gegen das Canalproject nicht hat und also für dieses unter Um ständen zu haben ist. Welche Umstände dies sind, wird ihm, wenn er eS noch nicht wissen sollte, Herr vr. Lieber bei einem gelegentlichen Besuche in Berlin auf Verlangen bereitwilligst darlegen. Das Spanien von den Vereinigten Staaten abgeknöpfte Kuba steht vor einer für die ganze Zukunft der Insel wichtigen Entscheidung. Es wurde mitgetheilt, daß die Vereinigten Staaten die Herrschaft über Kuba so lange ausüben werden, bis das „Amendement Platts" von dem kubanischen Convent in seinem vollen Umfange angenommen ist. Es ist dies das Amendement des Senators Platt, welches für die Union eine Flotten st ation auf Kuba und die Mitwirkung bei dem Abschluß von Verträgen Kubas mit fremden Staaten fordert. Wie bekannt, war eine kubanische Sondercommiffion nach Washington gegangen, um im Interesse der vollen und uneingeschränkten Souveränität von den sogenannten „Plattbeschlüssen" etwas abzuhandeln. Einen Erfolg konnte man von dieser Mission von vornherein nicht FrnrHeton. 24) Ein Engel -er Finfterniß. Roman von Gertrude Warden. Autorisirte deutsche Uebersetzung von A. Braun». Nachdruck verdvim. Fast noch bevor die Sterbende den letzten Odem ausgehaucht, und lange bevor Betty sich nur einigermaßen erholt von dem ersten Jammer über das jähe Ableben ihrer Verwandten, war Francesca von Susen im Wohnzimmer der Entschlafenen auf den Knien betroffen worden, wie sie Alles von oben bis unten durchstöberte nach einem Briefe mit einer italienischen Postmarke, den sie während ihrer Unterredung mit ihrer Tante fallen ge lassen habe und für dessen Wiederfinden sie «in« Belohnung von ein«r Guinee bot. Selbst in ihrem Weh und-dem allgemeinen Wirrwarr im Hause erinnerte sich Betty, daß an dem in Rede stehenden Tage Frau Redelsworth einen Brief aus Rom erhalten hatte. Und als späterhin Francesca um die Erlaubniß bat, ver seligen Tante Schlafzimmer nach dem Briefe durchsuchen zu dürfen, erachtete Betty eS als Pflicht gegen ihre verstorbene Verwandte und als Beruhigung für sich selbst, zuvor den Raum selbst zu überblicken. Das Resultat ihrer Vorsichtsmaßnahme war denn auch, daß sie den Brief in einem Roman, den sie selbst auf Frau Revelsworth's Nachttisch gelegt, entdeckte. Der Brief trug den Poststempel „Rom" und war von fester Männerhand an Frau Redelsworth, nicht aber an Francesca adressirt. Es währte lange, bi» Betty zu einem Entschluß gelangen konnte, was ihr die Pflicht in Bezug auf den Brief zu thun ge biete. Daß er Francesca nicht gehörte, lag klar am Tage, und ebenso klar war es, daß der Inhalt auf Jen« Bezug hab«, denn Betty wußte ganz bestimmt, daß dies der einzige an die Herr schaft an dem Tage eingelaufene Brief war, und Francesca'S Angst, ihn in ihren Besitz zu bringen, gab ihr viel zu denken. Am Abend de» Begräbnißtages, nachdem sie den Brief in seinem Umschläge bereits zwei Tage ungelesen in ihrer Verwahrung gehabt, entschied sich Betty, den Wünschen ihrer verblichenen Freundin und Principalin wohl am besten nachzukommen, wenn , sie da» Schreiben lese; und in der Einsamkeit ihres Zimmers entnahm sie den engbeschriebenen Briefbogen feinem Umschläge und la» Folgende»; - > — - „Meine werthe Frau Revelsworth! Vor zehn Tagen empfing ich Ihr Geehrtes, und befinde mich jetzt erst in der Lage, die mir darin vorgelegten, auf Ihre Nichte Francesca Bezug habenden Fragen beantworten zu können. Sie nennen aber, wie ich merke, die Tochter Ihres verstorbenen Schwagers Harold Francesca. Meine Zuneigung und Hoch achtung für Ihren verstorbenen Gatten und Sie, geehrte Frau Redelsworth, sind so mächtig, daß ich nicht umhin kann, die mir zugewiesene Aufgabe zu bedauern. Und bei Alledem fühle ich, daß es nach den von Ihnen dargestcllten Umständen meine Pflicht ist, die volle Wahrheit bekannt zu geben. Zu einer Zeit war ich mit Harold Revelsworth ziemlich befreundet — ein schöner, an genehmer, fast brillanter Mann, aber veränderlich und empfind sam, reizbaren Temperaments und mit sehr extravaganter Ge schmacksrichtung und gleichen Liebhabereien, außerdem noch be haftet mit einer Schrulle für wissenschaftliche Experimente, die ihn halb ruinirten. Durch Ihre Erwähnung seiner schlag gelähmten Wittwe setzen Sie mich wahrhaft in Verwirrung. Seine Gattin, ein« höchst liebenswürdige Italienerin von sehr vornehmer Abkunft, starb vor zwanzig Jahren an Malaria fieber. Ich habe ihr Grabmal mit dem voll ausgeschriebenen Namen oftmals gesehen. Sie war eine Comtesse und aus der Conti-Familie. So viel ich mich zu erinnern vermag, wurde Ihre Nichte, ein auffallend schönes Kind, von einer alten Kinder muhme erzogen. Sehr bald nach dem jähen Tode ihres Vaters brannte Fräulein Revelsworth, wie ich hörte, mlt einem jungen italienischen Tenor durch — «inem schönen, liederlichen Burschen, ohne Vermögen, Familie oder Ausbildung, Mirglied einer reisen den Operngesellschaft. Ein paar Jähre später sah ich sie selbst mit einem nichtswürdigen, jungen Spieler — sollte von gutem Herkommen sein, ein jüngerer Sohn eines irländischen Pears — in eleganter Equipage und elegantester Toilette in Rom herum- kutfchiren. In seiner Gesellschaft wurde sie später auch in Nizza und Paris gesehen. Ich glaube, der Name des Mannes war Devreux, doch bin ich dessen nicht ganz sicher. Es thut mir leid, Ihnen solch' schlechten Bericht über das Mädchen zukommen lassen zu müssen, aber ich muß nach bestem Wissen und Ge wissen handeln; und wenn zwei Ihrer Neffen, wie Sie sagen, sich in Jene verliebt haben, so steht Ihnen das volle Recht zu, «ine Erklärung über diese verdächtigen Puncte in deren Vorleben zu vxlangcn. In der Hoffnung, daß Francesca im Stand« ist, die» zu Ihrer vollen Zufriedenheit zu thun, verbleibe ich, geehrte Frau Revelsworth, für alle Zeiten Ihr aufrichtiger Freund Graham Andrew Jarker." Der Inhalt dieses Briefes erfüllte Betty mit tiefer Betrübniß. Ihn mit dem Verlangen der alten Dame zu einer Unterredung mit ihrer Nichte, gleich nach deren Heimkehr von London, Fran- cesca's Abwesenheit bei Tische, Frau Revelsworth's Schweig samkeit und sichtlicher Erregung und der Beorderung des Sachwalters in Verbindung bringend, gelangte das junge Mäd chen ohne Mühe zu dem Schluß, daß Francesca mit voller Ab sicht die wirklichen Thatsachen falsch darstelltc, indem sie be hauptete, ihr letztes Gespräch mit ihrer Tante wär« ein völlig an genehmes und freundschaftliches gewesen. Von Herrn Simpson selbst war wenig zu erfahren, dies Wenige war aber, in dem Lichte betrachtet, was Betty wußte, wichtig. „Ich wünsche Ihre Gegenwart morgen um Mittag", hatte die nun Abgeschiedene ihm geschrieben. „Es sind gewisse Dinge zu meinerKenntniß gelangt, welche die Vernichtung meines Testa mentes und die Aussetzung eines neuen erheischen. Seien Sie gefälligst darauf vorbereitet, nicht Rath zu erthellen, sondern mich in meinem Vorhaben zu unterstützen." Zum Glück jedoch für Francesca waren die Pläne der alten Dame durch ihren plötzlichen Tod vereitelt worden, und das alte Testament behielt seine Giltigkeit. Dieser Urkunde entsprechend, dessen Inhalt allen dabei Betheiligten schon vor der öffentlichen Verlesung durch den Sachwalter bekannt war, wünschte die Erb lasserin, daß ihre Erben in Revelsworth House wohnen bleiben sollten bis zum hundertsten Jahrestage der Gründung der Firma — also bis zu Johannis des nächstfolgenden Jahres, an welchem Tage das gesammte Besitzthum in drei Theile getheilt werden sollte — Dudley, als der älteste Sohn des älteren Bruders, er hielt den Löwenantheil, das Uebrige ging in gleichen Theilen an Viktor und Francesca. Revelsworth Hoüse mtt der ganzen Ein richtung und den Nebengebäuden, allen Liegenschaften u. s. w., ausgeschlossen davon waren blos einige Familienerbstücke und das Familiensilber —, wird, wie es in der Urkunde hieß, meiner theueren Freundin und Gesellschafterin Elisabeth Mannington, der Tochter meines Cousins, vermacht, ferner noch zweihundert Pfund Sterling jährlich« Revenuen und was sie sich aus meinen Kleinodien zum Werthe von zweihundert Pfund zu wählen wünscht. Diese letztere Bestimmung im Testamente, die den Privatbesitz der Verstorbenen betraf, mußte sofort in Kraft treten, so daß sich Betty zu ihrer eigenen Ueberraschung al« die Besitzerin von Revelsworth House und damit in der Stellung befand, die sämmtlichen Träger des RevAworth'schen Namens als Gäste bei sich zu haben. ! Dies« Verantwortlichkeit machte ihre Lage noch schwieriger. Als Frau Revelsworth diese Bedingung stellte, hatte sie keine Ahnung gehabt, so jäh aus dem Diesseits hinweggerafft zu werden, hatte auch jenen Brief aus Italien noch nicht erhalten, der solch' verdunkelnde Schatten auf den Charakter und das Vor leben ihrer schönen Nichte warf. Betty, die sich in gewissem Sinne als die Vertreterin ihrer seligen Principalin fühlte, war im Gemüth von Bangen und angstvollem Zweifel erfüllt, welcher Weg in Betreff des Briefes einzuschlagen sei. Der Jnstinct sagte ihr, daß, ihn Francesca vorlegen, schlimmer als nutzlos sei. Es hatte wirklich den Anschein, als habe die Verstorbene Betty ihren geheimen Argwohn gegen Francesca hinterlassen. Natürlich würde ihr Francesca bezüglich des Briefes nur Lügen sagen, überschlaue, glaubhaft scheinende Lügen, durfte sie mit Sicher heit annehmen; denn Betty hatte bereits angefangen, die Fähig keiten ihrer Freundin nach dieser Richtung hin und sich selbst vor ihr zu fürchten. Tapfer kämpfte sie gegen dieses Gefühl an, mit schamrothen Wangen sich gestehend, daß es einzig hervorgerufen von niedriger Eifersucht auf Francesca'S Einfluß auf Dudley. „Weil ich solch' unbedeutendes kleines Geschöpf bin, das nicht in einem Athem mit Francesca genannt werden kann, darf ich dann so albern eifersüchtig sein?" fragt« sie sich. „Oder weil ich so thöricht gewesen bin, mich in einen Herrn zu verlieben, der mich nur wie eine Schwester betrachtet, darf ich dann argwöhnisch sein gegen Francesca, eben, weil sie ihn bezaubert und weil sie seltsame und traurige Erfahrungen gemacht hat, wie mir nie ähnliche in meinem ereignißlosen Lebensdasein zugefioßen sind?" Und nach dieser sich selbst gehaltenen Moralpredigt schloß sie Herrn Jarker's Brief in ihr Pult ein, nicht eine Silbe darüber zu irgend Einem äußernd, durch welche That selbstloser Gut- müthigkeit und wohlwollender Ehrlichkeit sie unbewußt di« Ver, anlassung würde, auf die Häupter Anderer, die ihr theuer waren, unendliches Unglück herabzuziehen. Mittlerweile ging der heiße Juni in einen glühenden Juli und erdrückend heißen, trockenen August über. Für dieJnsassrn von Revelsworth House war die Themse die einzige Ausflucht wäh rend dieser Tage eines noch nie dagewesenen tropischen Som mers, und fast jeden Nachmittag wurden der Nachen und der flache Kahn oder der letztere und eines von O*Mearas Booten flott gemacht, die fünf jungen Leute zu «inem Picknick auf den Fluß zu fahren. An den mit Wasserlilien besetzten Ufern bei Penton Jook wurde an den sonnigen Nachmittagen unter den gestutzten Weidenbäumen und zwischen hochgewachsenen Vergißmeinnicht- strauchern, über die schillernd« Libellen dahinschwebten, gevespert. Oder sie legten oberhalb Datchrt an, vor den Anhöhen v«
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