Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.08.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-08-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000801020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900080102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900080102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-08
- Tag1900-08-01
- Monat1900-08
- Jahr1900
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
VezuftS-PrekS ' der Hauptexpeditton oder den im Gtndt« Vrzirk und den Bororten errichteten Au-» ^bestellen ab geholt: vierteljährlich^ 4.50, Sei zweimaliger täglicher Zustellung in- HauS 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich 6.—. Directe tägliche Kreuzbandienduag WS Ausland: monatlich 7.50. Die Morgen-AuSgabe erscheint um '/,? Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentag- um 5 Uhr. Ne-action und Ervedition: JohanntSgaffe 8. Die Expedition ist Wochentag- nnunterbroche» «»öffnet von früh 8 bi- Abend- 7 Uhr. Filialen: Alfred Hahn vorm. v. klemmt Eortim. Uuiveriitätsstrabe 3 (Paulinum„ Loui» Lösche, KuGmIueuftr. Io, Port, und »öuig-pla- R. Abend-AnsgaLe. Amtsblatt des Käuigkicheu Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Polizei-Amtes der Ltadt Leipzig. Anzetgen-PretS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Rrclamrn unter dem RedactionSstrich (4ge» spalten) 50/>z, vor den Familieanachrichte« (6gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis« verzrichniß. Tabellarischer und Ziffernlatz nach höherem Tarif. Sytra-Beilagen (gefalzt), nur mit de» Morgen «Ausgabe, ohne Postbeförderunz 60.—, mit Postbeförderung 70.—. .'Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eiml halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Er-edttto» zu richten. Druck und Verlag von L. Polz in Leipzig 387. Mittwoch den 1. August 1900. 9t. Jahrgang. Die Wirren in China. — S- Eine über Tschifu nach London gelangte Depesche aus Tientsin vom 27. Zull, besagt: Heute kam hier ein Courier mit Depeschen aus Peking an, die vom21.d. M. datirt sind, und vom amerikanischen Gesandten Conger, sowie von britischen, deutschen und japanischen Vertretern und verschiedenen Privatpersonen verrühren; sie bestätigen alle die früheren Berichte. Der Courier seinerseits bestätigte die Nachrichten über den schlechten Zustand der Wege und die Menge der Chinesen, die sich längs deS Weges nach Peking befinden. In der Note Conger's an den amerikanischen Consul beißt es: „Gemäß der Vereinbarung wird seit dem 16. Juli nicht mehr gesckossen. Wir haben Lebensmittel für verschiedene Wochen, jedoch nur wenig Munition. Wenn die Chinesen fortsahren, uns zu beschießen, wie sie es gelhan, so können wir nicht lange aushalten. Die Niedermetzelung Aller wird erfolgen. Ich hoffe, daß der Entsatz bald kommt." Eine Privatnachrirbt ohne Datum besagt: Gestern brachte ein Bote mit der Parlamentärsflagge dem britischen Gesandten Macdonald eine Note von Jung, in der dieser fragt, ob man gewillt sei, einen Waffenstillstand abzuschließen. Macdonald erwiderte, er sei dazu geneigt, vorausgesetzt, daß die Cbinesen aufhörten, zu schießen und nicht näher an die Gesandtschaften kämen. Das Schießen hat jetzt aufzebört; überall herrscht vollkommene Ruhe. Die Lebensmittel bestehen aus Neis und Pferdefleisch. Eine große Gefahr besteht darin, daß die bei Tientsin geschlagenen Cbinesen nach Peking kommen. Die Amerikaner machten in der Nacht zum 3. Juli einen muthigen Ausfall und fügten den Chinesen schwere Verluste zu. Der „Ageucia Stefans" wird über Tschifu auS Taku gemeldet: Der Commandant der „Elbe" bat aus Tientsin die Nachricht erhalten, das bis zum 2t. d. M. alle Italiener in Peking wohlbehalten waren. Ferner bat der Commandant der „Elbe", wie die „Agencia Stefani" aus Taku -meldet, folgende Nachricht erhalten: Der japanische Militär- Attache schrieb anö Peking unter dem 22. dieses MonatS: Vom 13. Juni ab wurden die auswärtigen Gesandschasten belagert, am 24. Juni begannen die Angriffe auf die Ge sandtschaften, die bis zum 17. Juli dauerten. Die Be lagerten haben wenig Lebens mittel und Munition. Entsatz wird sehnlichst erwartet, da die Gesandtschaften nicht mehr lange Widerstand leisten können. Bis zum 22. Juli waren sechzig Europäer in Peking ge- tödtet worden. Weniger hoffnungsvoll läßt sich dieselbe Meldung in folgender Version an: * Washington, 31. Juli. (Nenter's Bureau.) Oberst CaS- lidge, der Befehlshaber der amerikanischen Truppen in Tient- fin, telegraphirt: Ein vom 22. Juli datirter Brief des japanischen Militär-Attachös in Peking ist am 25. Juli in Tientsin eingetroffen, in dem dieser sich in größter Ang st erkundigt, wann die Entsatztruppen ein treffen. „Seit dem 13. Juli, heißt eS in dem Briese weiter, „wurden wir Tag und Nacht fortdauernd angegriffen. Mit äußerster Anstrengung vertheidigen wir uns noch. Wenn Ihr nicht innerhalb einer Woche ankommt, werden wir wahrscheinlich nicht länger auShalten können!" In dem Bericht ist von der Einstellung der Feindseligkeiten keine Rede. Wir können lediglich den Widerspruch zwischen der letzteren Fassung dieser einen Meldung mit der oben mitgetbeilteu Version, sowie mit allen übrigen nicht minder glaubwürdigen Nachrichten constatireu. Aber was dir „Agcuzia Stefani", das ofsiciöse italienische Depeschenbureau, sich telegraphireu läßt, ist ausführlicher und detaillirter als die Washingtoner Meldung, die schon durch die wohl auf Rechnung des Telegraphen zu setzenden unrichtige Datiruug, 13. Juli anstatt 13 Juni, etwas au Zuverlässigkeit verliert. Nach Washington scheint der Brief res Attaches nur auszugsweise übermittelt worden zu sein. Es ist also auf die Zusatzbemerkuug: „In dem Bericht ist von der Einstellung der Feindseligkeiten keine Rede" kaum Gewicht zu legen. In dem Stefani-Telegramm wird ausdrücklich gesagt, daß die Angriffe bis zum 17. Juli dauerten, was mit allen anderen direkten Pekinger Meldungen übereinstimmt. Wie dem auch sei, jedenfalls ist, wie wir schon hervor hoben, die Lage der Weißen iu Peking, von denen schon eine erhebliche Zahl das Leben hat opfern müssen, auch jetzt noch eine sehr gefährliche, und aus allen von dort nach Taku ge drungenen Botschaften klingt der dringende Nothruf nach dem Bormarsch auf Peking heraus. Lebensmittel und Munition waren am 21. und 23. Juli knapp und die Gesandtschaften in großer Sorge wegen der sehr leicht möglichen Wiederaufnahme der Belagerung. Es scheint renn auch, daß die Verbündeten seit vorgestern sich auf dem Wege nach Peking befinden. UnS wird berichtet: * London, 31. Juli. Unterhaus. Uerburgh fragt an, ob nicht im Hinblick auf das Telegramm Macdo- nald's der Vormarsch der Verbündeten ange treten werden könne, ohne aus die Ernennung eines Ober befehlshabers zu warten, oder, wenn dies nicht anginge, Japan nicht beauftragt werden könne, allein vorzngehcn. Brodrick erwidert, den letzten Nachrichten Gasclee's zufolge habe dieser den sofortigen Vormarsch inS Auge gefaßt, wobei er auf die Mitwirkung der verbündeten Truppen hoffe. (Beifall.) * Loudon, 31. Juli. Ein Kabeltelegranim des Generals Shasfee vom 29. Juli besagt, wie verlautet, besteht in Taku die Absicht, morgen nach Peking vorzumarschiren. * London, 1. August. (Telegramm.) „Morning Post" be richtet aus Washington vom 31. d. M.: Ter amerikanische Bot schafter iu London Choate setzte sich heute mit dem Premier- Minister Salisbury wegen des sofortigen Vormaschcs aus Peking in Verbindung und theilte ihm mit, daß die Ver einigten Staaten entschlossen sind, sofort den Vor marsch anzutreten. Salisbury antwortete, Groß- britannien habe sich in gleicher Weise schlüssig gemacht. — Die „Times" melden ans Tientsin: General Gaselee ist mit seinem Stabe hier am 28./7. eingetroffen. Auch große Ber- stärkungen sind angclangt. Ter Vormarsch soll gleich von Statten gehen. — Die Russen und Japaner schieben ihre Vorposten auf Peitsang vor. General Bamakuchi hofft, Nangtsuu in drei Tagen zu nehmen. Hoffentlich sind die Verbündeten wirklich unterwegs. Es wäre allerhöchste Zeit, ja man kann die Befürchtung nicht ganz unterdrücken, daß der Entsatz schließlich doch noch zu spät kommt. Weitere Nachrichten: * Brüssel, 31. Juli. Dem Minister des Aeußercn wurde von dem belgischen Geschäftsträger unterm 22. d. M. gemeldet: Der amerikanische Generalconsul hatte an Len amerikanischen Ge sandten in Peking Lurch Vermittelung der Localbehörden tele graphirt. Der Taotai Scheng theilte dem Generalconsul mit, daß daS Tsung li Namen sich weigere, jedes Zisferntelegramm weiter zu befördern und verlange, daß das Telegramm eu eluir abgefaßt werde. * Tschifu, 31. Juli. Tie Russen nahmen am 26. d. M. die Niutschwang-Forts. Die Verbindung zwischen Tschifu und Shanghai ist wieder hergeslellt. (Wiederholt.) * PctcrSbnrg, 3l. Juli. (Meldung der „Russischen Tele- graphcn-Agentur".) Folgende Nachrichten sind hier eiugegangen: General Grodekow meldet vom 28. Juli aus Chabarowsk: Blagowjcschtschensk wurde am 26. Juli von den Chinesen beschossen, ebenso der Dampfer „Selenga", als er den Amur aus wärts fuhr. Das Jever der russischen Geschütze brachte die Chinesen jedoch znm Schweigen. Die Verluste waren unbedeutende. Ans Charbin brachte am 28. dieses Monats ein Dampfer in drei Booten gegen 1500 Personen, darunter 79 Kranke und 40 Verwundete nach Sacham. — Am 26. Juli überschritt General Orlow mit seinem Detachement die Grenze bei Abagajtn und die Eiseiibahnarbeiten wurden wieder ausgenommen. — Am 28. Juli wurde Blagowjeschtschensk mit Artillerieseuer beschossen, auf welches die russischen Truppen antworteten. Verstärkungen sind im Anmarsch. — Am 24. Juli rückte das Detachement des Generals Sacharow vor die Festung Bajantyun und unternahm eine Recognos- cirung, welche ergab, daß die aus 2000 Mann bestehende chinesische Besatzung zu unterhandeln bat. Als der General sich aber der Festung näherte und die Kosaken vorrückten, eröffneten die Chinesen ein Gewehr- und Geschützfener, welches gegen Abend heiliger wurde. Tie Chinesen flohen dann in die Festung. Es wurden 5 Kanonen, eine große Anzahl Patronen, 4 Schiffsgeschiitze und Artillerie- Munition erbeutet. — Am 26. Juli unternahm die Truppen- abtheiluug Sacharow's eine Recognoscirung in der Richtung auf Saus in. — Ter Consul in Kuldscha telegraphirte am 24. Juli, daß d.r Gouverneur von Zjanzyun von der Kaiserin den Befehl erhalten habe, alle Russen »iedcrzumachen. Nach An kunft von zwei Escadrons Russen zum Schutze des ConsulatS trat wieder Ruhe ein. — Admiral Alexejew telegraphirt, daß in den Arsenalen von Tientsin und in den Befestigungen eine Menge Material erbeutet worden sei, darunter gegen 300 Kanonen, Munition, Patrone», Pulver und in dem ehemaligen Palaste Li-Hung-Tschangs verschiedenes wcrlhvolle Eigenthum. — Ter Consul in Kaschgar berichtet unter dem 20. Juli, die Lage daselbst sei sehr beunruhigend wegen der verbreiteten falschen Gerüchte über Bewegungen russischer Truppen. Die muselmanische Bevölkerung sei gegen die Chinesen sehr gereizt. Unverständliche Maßregeln, der chinesischen Verwaltung bewirkten noch größere Aufregung. Auch unter Len chinesischen Truppen mache sich eine Erregung bemerkbar. Der Königsmord in Italien. König Humbert, der Edle, sinkt inS Grab und König Victor Emanuel III. besteigt den Thron seiner Väter. Italien ist ruhig und politisch wird Alles beim Alten bleiben. Der Mörder Bressi hat also zunächst nur erreicht, daß er daS HauS Savoyen mit unsagbarem Schmerz und die Welt mit Entsetzen, Abscheu und Furcht vor weiteren Gräuelthatcn seiner Genossen erfüllt hat. Er wurde gestern Vormittag in daS Große Gcfängniß abgeführt. Nach römischen Blätter meldungen batte er in Mailand einen Gefährten, der die Nackt bei ihm zubrachte und dem er erklärte, daß er ab reise. Er sprach nur gebrochen italienisch. Bressi spricht englisch, französisch uns spanisch. Sein Bruder ist Artillerieleutuant und steht in der Garnison von Caserta. Der Mörder ist also der verlorene Sohn einer guten und achtbaren Familie, was das ganze beklagenswerthe Geschehniß nur noch tragischer gestalten kann. Er hat wie einst sein Mordgenosse Luccheni in Genf, seine belle Freude daran, daß der Richter und die ganze Welt Interesse an ihm nehmen. Er hat lebhafte, intelligente Augen, im Uebrigen ein ganz gewöhnliches Aus sehen. Nack der Einlieferung in die provisorische Haft ver langte er tüchtig Suppe zu essen und Wein dazu; den letz teren erhielt er natürlich nicht. — König Umberto liebte es nicht, auf seinen einsamen Spaziergängen von Polizei begleitet und gehütet zu werden. Traf er solche, so schickte er sie sofort heim, und als ihm einmal ein Sickerheitsinspector sagte, daß ihm doch früher oder später etwas begegnen könnte, lehnte Umberto ab: er sei Fatalist und fürchte sich nickt. Zwei Attentaten sei er entgangen und er würde auch dem dritten entgehen, wenn eS das Schicksal wolle. Und nun hat da- Schicksal cs anders gewollt! Tas Verhör. Seiner ersten Angabe nach kam Bressi erst vor Monats frist auö Amerika zurück. Er war in San Paolo (Brasilien) gewesen und wieder nach seiner Heimatb gekommen, weil er dort seinen ursprünglichen Beruf als Schuster wieder auf nehmen wollte. Später wurde er einem eingehenden Verhör unterzogen. Als er gerufen wurde, sprang er (wie aus Rom gemeldet wird) frisch und lebhaft auf und folgte seinen sieben Wächtern ohne die geringste Ge- inülhsbeweguug, als ob nichts geschehen wäre. Er gestand sofort, daß er absichtlich nach Monza gekommen sei, um den König zu tödten. Befragt, warum, antwortete er: „Weil der König eine Institution repräsentirt, welche nicht meinen Grundsätzen entspricht." „Welches sind Ihre Grundsätze?" Bressi antwortete nur mit einer leichten Geste. „Bereuen Sie die Thal?" „Nein, ich würde sie nochmals auSsühren." „Wie lange sind Sie schon in Monza?" „Seit zwei Tagen." „Was haben Sie seither gethan?" „Ich blieb stets zu HauS, ich wußte, daß König Umberto zum Feste ging, deshalb kam ick auch her. Den Revolver besitze ich schon seit einiger Zeit. Hätte ich den König gestern Abend nicht tödten können, hätte ich einfach eine bessere G:- legenheit abgewartet." Anarchistisches Komplott? In Mailand sind weitere Verhaftungen vorgenommen worden und der „Italic" zufolge scheint eS sich zu bestätigen, Ferrilletsn. is Gold und Llut. Roman aus Südafrika von O. Elster. Siachtruck verboten. ErstesCapitel. Der große Passagierdampfer der Southampton-Linie näherte sich dem Cap der Guten Hoffnung, dessen langgestreckter Berg rücken bereits am Horizonte auftauchte. Die Schrauben des Dampfers arbeiteten mit gewaltiger Kraft gegen die hochgehende See, die in wilder, zorniger Wuth schäumte und brauste, die Wogen zu Bergen aufthürmte und die sich bäumenden Wellen in tollem Spiel daherjagte, daß sie sich brausend überstürzten und die eine die andere verschlang. Wie ein krystallener Fels stieg hier und da der Wogenschwall, reckte die schäumende Krone empor, streckte und dehnte sich — doch da pfeift der Sturm daher, reißt ihm die Schaumkrone vom Haupt und stürzt den Felsen, der zusammenfließend in weißschäumen- den Wirbeln auseinanderfluthet. Wie das kocht und gährt und wühlt, ineinanderfließt, sich aufbäumt und wieder verschwindet! lieber die dunklen Wasser heult es daher in sausenden, pfeifenden, jauchzenden Tönen. Die Windsbraut tanzt mit dem Meer und der Sturm pfeift die wilden Melodien. Aber wie das Meer auch kocht und gährt, wie der Wind auch pfeift und brüllt, der starke Dampfer zieht unaufhaltsam seine Bahn; die Schrauben peitschen die hochaufspritzenden Wogen und der gewaltige Bug des Dampfers zertheilt die sich entgegen bäumenden Wellen mit unwiderstehlicher Kraft. Auf dem Promenadendeck, an die Reeling gelehnt, steht ein junger Mann von kaum dreißig Jahren und blickt mit ernstem Auge auf die empörte See, folgt mit seinen Blicken dem Albatros, der mit gewaltigem langsamen Flügelschlag in der Ferne ver schwindet, oder beobachtet die leichtbeschwingten Möven, die sich auf silberschimmerndem Fittich über den schäumenden Wellen tummeln. Dann wendet er seinen Blick dem immer deutlicher auf tauchenden Jnselberge zu, an dessen Küste Capstadt liegt, das vorläufige Endziel seiner Reise. Die Gestalt des Mannes ist noch jugendlich schlank und die Haltung soldatisch straff. Das Gesicht, etwas hager, gebräunt von Wind und Wetter, zeigt einen ernsten, fast finsteren Aus druck; um seinen Mund, den ein blonder Schnurrbart beschattet, zückt öfter ein düsteres, spöttisches Lächeln. In Deutschland würde man ihn sofort als Officier in Civil erkannt haben. Jetzt tritt ein anderer Herr, eine schlanke, zierliche, jugendliche Gestalt, die dem Ersten kaum bis zur Schulter reicht, auf den Einsamen zu. „Na, Herr von Ehrenstein, haben's sich meinen Vorschlag überlegt?" fragte er lächelnd. Man hörte seiner Sprache den Wiener an. Der Andere wandte sich ihm langsam zu. „Ich weiß in der That noch nicht, ob ich Ihr freundliches Anerbieten annehmen soll, Herr Graf", erwiderte er sinnend. „Meine Pläne zeigen allerdings nicht auf eine Jagdtour durch die Kalaharie-Wüste. Ich sagte Ihnen schon, Herr Graf, daß ich nach Südafrika gegangen bin, um Geld zu verdienen. . . ." „Ich weiß, ich weiß", unterbrach ihn der kleine Graf Arthur von Sellien. „Aber glauben Sie nur nicht, daß das für einen alten Officier hier zu Lande so leicht ist." „Man muß eben die Officiersgewohnheiten ablegen, Herr Graf. Außerdem habe ich einen Empfehlungsbrief an ein deut sches Handelshaus in Johannesburg. Ich denke dort eine An stellung zu erhalten." „Das ist immer noch kein Grund, meinen Vorschlag abzu lehnen. Das deutsche Handelshaus in Johannesburg läuft Ihnen nicht weg, und später begleite ich Sic nach Transvaal, denn ich will Ihnen nur gestehen, daß ich seit dem verrückten Einfall des vr. Jameson in Transvaal für diese Boeren schwärme, die so mannhaft ihre Freiheit gegen England ver theidigen. Ich muß Transvaal kennen lernen — aber erst muß ich einen Löwen in der Kalaharie-Wüste erlegen." Hans von Ehrenstein lächelte. Der kleine, zierliche Graf sah gar nicht danach aus, daß er Löwen erlegen könnte. „Und dazu soll ich Ihnen behilflich sein?" „Sie spotten wieder, bester Freund. — Aber Sie sollen mich kennen lernen! Ich habe schon mehr als einen Löwen, ein Dutzend Elephanten und Flußpferde erlegt. Mein Schuß sitzt stets auf dem richtigen Fleck, Verehrtester." „Ich weiß, Sie schießen ja die Möve im Fluge. Ich wollte auch wirklich nicht spotten. Sie haben mir ja erzählt, daß Sie bereits den Tiger in den indischen Dschungeln, den Löwen in der Sahara, den grauen Bären in den Rocky-Mountains und den Elephanten und daS Flußpferd in Inner-Afrika gejagt haben." „Freilich, und den Eisbären im Eismeer. Nur diesen Theil der Welt kenne ich noch nicht und deshalb muß ich hin und Sie sollen mich begleiten. Schlagen Sic ein, bester Herr! Ich gebrauche einen guten Freund und Kameraden, auf den ich mich verlassen kann. . . ." „Aber die Ausrüstung ist sehr kostspielig. . , „Sprechen Sie mir nicht davon. Dafür werde ich schon sorgen." „Ich kann es nicht annehmen. . . ." „Ah bah, machen Sie keine Flausen. Sie gehen mit mir nach der Kalaharie-Wüste, später fahren wir zusammen nach Johannesburg und Pretoria, dann können Sie immer noch in Ihr deutsches Handelshaus eintrctcn." „Sie kennen mich erst seit kurzer Zeit. . . ." „Tschau — ich kenne Sie als Gentleman. — Sie sind daheim nicdcrgebrochen — hrostcn ckcnvn — das begegnet manch' Einem! Sie kommen hierher, um Ihr Glück zu machen — ost dien, ich möchte Ihnen den ersten Schritt in diesem wildfremden Lande erleichtern. Ich habe hier, wie überall in der Welt, meine Ver bindungen, trotte ich doch nicht umsonst seit zehn Jahren in der Welt umher. Daheim in Wien nennt man mich den kleinen Globetrotter. Mögen sie spotten. Ich verroste wenigstens nicht daheim auf meinem alten Eulennest von Schloß in den böhmi schen Wäldern. Wenn ich draußen in der Welt Jemanden treffe, dem ich helfen kann, so thue ich cs — also schlagen Sie ein." „Nun denn — ja, ich bin Ihnen herzlich dankbar für Ihr Anerbieten." „Von Dank dürfen's nit sprechen, wenn ich nit bös werden soll. Und nun will ich Ihnen noch eins verrathen: Glauben's nit, daß ich nur von wegen der Kalaharie-Wüste hergekommen bin — nein, von wegen dem Kriege. . . ." „Krieg? — ES herrscht ja tiefster Friede?" „Wer weiß, wie lange. Die Engländer heranguiren ja die Transvaalbocren bis aufs Blut. Sie sollen sehen, binnen Kurzem bricht's los und dann giebt's eine Mordshetz' da drüben in dem Transvaal. Ich hab' meine Verbindungen in Pretoria — man sucht da Jnstructoren fürs Militär. . . . Deutsche Offi- ciere — ja, wie wär'S, bester Freund, mit einem Posten in der Transvaal-Armee? Wenn's gilt, die Engländer zu klopfen, bin ich auch dabei, und sollt ich als einfacher Schütze mitlaufen." „Eine militärische Stellung würde ich freilich lieber an nehmen, als eine Stellung in einem Bankhaus." „Und ich verschaff' Ihnen eine solche — aber zuerst die Kala harie-Wüste. . . ." Mehrere andere Herren traten näher, englische Officiere, die sich zu ihren in Südafrika stehenden Regimentern begaben. Der eine von ihnen ging nach Ladysmith in Natal, wo die Eng länder ein befestigtes Lager errichteten, andere nach Kimberlev und Mafcking. 4)ie Unterhaltung wurde allgemein, man sprach über Land und Leute, und der kleine Graf Sellien trumpfte die Engländer glänzend ab, als diese meinten, ein Feldzug gegen Transvaal sei ein militärischer Spaziergang. „Die Herren scheinen die Schlacht am Majuba-Hügel ver gessen zu haben", sagte er lachend, und die englischen Officiere zogen ein verdrießliches Gesicht. Hans von Ehrcnstein bcgab sich nach unten in seine Koje, um sein Gepäck in Ordnung zu bringen, da sich der Dampfer der Hafeneinfahrt näherte. Groß war sein Gepäck nicht; sein ganzes Besitzthum fand in einem größeren Koffer und zwei Handtaschen Platz. Mit trübem Lächeln blickte er auf diese wenigen Habselig keiten, den Ueberrest des Lebens eines dermalig glänzenden Officiers. Er unterdrückte mit Gewalt die aufsteigenden Erinnerungen, die trüben Gedanken, und begab sich wieder nach oben. Graf Sellien war nicht da; so lehnte sich Hans von Ehrenstein gegen die Reeling und betrachtete, in schweigendes Staunen versunken, das prächtige Panorama, das sich jetzt seinem Blick eröffnete. Dort reckte sich der gewaltige Jnselberg, rechts davon die Kuppe des wildzerrissenen Teufelsberges und links schroff in das Meer abfallend der Löwenberg. Wie ein Amphitheater lag das Bild der Stadt mit ihren weißschimmernden Häusern und schmucken Villen da, die an den grünen Seiten der Berge emporklctterten, überragt von den Mauern und Bastionen des starken Castells, über dem der „Union-Jack" im Winde sich blähte. Weit in das bewegte, tiefblaue, brausende Meer hinaus zogen sich die mäch tigen Hafendämme mit ihren Signalmasten und dem Leuchtfeuer, an dessen Felsen die See sich schäumend und brausend brach. Würde Hans sich hier in dieser fremden Welt ein neues Leben aufbauen können? Weshalb war er gerade hierher, nach dem Cap, gegangen, wo die Civilisation sich in nichts unterschied von der in Europa? Weshalb nicht in ein wildes Land, wo er als Pionier der Civili sation in harter, täglicher Arbeit frohnden mußte oder als Jäger und Trapper ein abenteuerreiches Leben führen konnte? Ah, wie ein lockender Traum schwebte ihm das Bild eines schönen Mädchens vor, das er daheim in Deutschland kennen ge lernt und dessen Heimath daS Capland war! Wie ein lockender Traum schwebten ihm auch die Berichte von dem Gold und Edel gestein vor, welches dieses Land barg, und die Gestalt jenes Mädchens und das verführerische Bild eines rasch zu erringen den NeiLthums verschmolzen in eins — wie eine lichte, glänzende Tranmgestalt schwebte eS vor seiner Seele — Gold — Gold wollte er gewinnen — und dann auch den Traum seiner Liebe zur Wirklichkeit gestalten. Dort hinter jcnen Bergen — dort in den wüsten Gefilden, wohin die Civilisation kaum den Fuß gesetzt — dort schlummer ten die Schätze im Boden der Erde — im Schlamm der Flüsse, im Erzgestcin der Berge. In der Schiffsgesellschaft wurde oft von dem fabelhaften Goldreichthum Südafrikas erzählt; maiz
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite