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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.06.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-06-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010611011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901061101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901061101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
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Amtsblatt des Königlichen Land- nnd Äintsgerichtes Leipzig, -es Mathes und Notizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 2S Neela men unter dem Redacnonsstrich l4gespaltra) 75 H, vor den Familieuuach» richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen ur:d Offerteuannahme 25 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gefalzt), uur mit der Morgea-AuSgabe, ohne Postbeförderung t>0.—, mit Postbesörderuug 70.—, Itnnahmeschluß str Äuzrige«: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgeu-AoSgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filiale» und Annahmestelle» je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet» a» di« Expedition zu richte». Die Expedition ist Wochentag-ununterbrochen geöffnet von früh S bis Abends 7 Uhr. Druck uud Verlag vou E. Pol- ff» Leipzig 292. Dienstag den 11. Juni 1901. 95. Jahrgang. Jesuitische Volksmisfion. -S- Da- Zetergeschrei der ultramontanru Presse wegen des Verbote- einer jesuitischen Mission zu Lüdinghausen i. W. lenkt die Aufmerksamkeit auf ein- der eigenartigsten Propa- gandamittel der Gesellschaft Jesu. Selbstverständlich ist mit der Ordensthätigkeit der Söhne Loyvla'S auch deren „Volks- mission" im deutschen Reiche verboten, aber unbequeme Gesetze sind ja vom Ultramontanenthum immer ignorirt Worden und im Lüdinghausener Falle hat man dabei noch rin hübsches Quantum Märtyrerglorie eingeheimst. Letzteres ist erklärlich, wenn man bedenkt, wieviel gerade die Jesuiten dazu beigetragen haben, die innerkatholischen Missionen populär zu machen. An und für sich wäre kaum etwas dagegen einzu wenden, wenn eine christliche Confession auch einmal unter Anwendung außergewöhnlicher Mittel daS Glaubensleben ihrer Anhänger zu stärken oder von neuem zu wecken suchte. Mit den römischen Volksmissionen ist eS aber eine besondere Sacke. Ihr äußerer Hergang gestaltet sich gewöhnlich so, daß neben einem Cyclus von Bußübungen und Bußpredigten eine Reihe von Vorträgen gehalten wird, — alles zu dem Zwecke, eine heftige religiöse GemüthSerschütterung herbei zuführen und die großen Massen in den Beichtstuhl zu rufen. „Den Schluß der Mission", so heißt e» im großen katholischen Kirchenlexikon von Wetzer und Welte, «bildet die Erneuerung des TaufgelübdeS, die Uebergabe der Gemeinde an die heilige Jungfrau, die Abbitte und Danksagung vor dem allerheiligsten Sacramente, die Errichtung eines Kreuzes oder der Stationen, die feierliche Ertheilung des MissionSablasseS und die Seelen feier für die in die Ewigkeit eingeganzenen Eltern, Gatten, Kinder, Geschwister und Freunde." Dieselbe katholische Kund gebung nennt eine solche Volksmission „mit all ihren Wahr heiten und Thatsachen" eine „Quelle deS Segens für die Menschheit". Sehr gern berufen sich jene Kreise auch auf das Urtheil des zwar dem Namen nach protestantischen, in Wirklichkeit stark katholisirenden Geschichtschreibers Menzel, der den für evangelische Auffassung kaum verständlichen Satz auS- sprach: „Die katholischen Missionen hatten theils als Bilder des zurückgekehrten Seelenfriedens einen hohen, unvergl^ich lichea Reiz, theils offenbarte sich in ihnen so viel Kraft de» Religiösen und Sittlichen mitten in der Corruption der Zeit, daß kein Anwesender, selbst der mit Vorurtheil dazu getreten, sich eines heiligen Schauers ru erwehren vermocht hat. Auch Zuhörer des evangelischen Bekenntnisses waren tief ergriffen und bekannten, daß hier nichts, was ihnen fremd und feindlich sein konnte, vorgekommen, sondern ein wahrhaft evangelischer (!) Geist in apostolischer Einfach beit und Kraft sich offenbart batte". Auf dem Würzburger Bischofscongreß vom Jahre 1848 hatte man eine Wieder belebung der katholischen Volksmission beschlossen; zumal die Jesuiten hatten sich sofort mit größtem Eifer der Sache an genommen und eben auS jener Zeit datiren die merkwürdigen Beobachtungen Menzel'S. Die Missionare verstanden eS auch trefflich, durch ihr, den geistlichen Exercitien des Jesuiten ordens nachgebildetes Verfahren, durch eine handgreifliche Rhetorik mit krassen Ausmalungen des SündenrlendS und der Höllenqualen u. dgl. mehr die vorher durch einen Oberen auSgekundschastete Gemeinde zu packen, man möchte sagen zu fasciuireu. Man sah darüber hinweg, daß in den Ansprachen vielfach die intimsten Familienverhältnisse auf das Unzarteste und Rücksichtsloseste erörtert wurden, und fühlte sich wie in einer Art religiösen Taumels, wenn im Anschluß an die meist 14 Tage dauernden Predigten ein Kreuz errichtet wurde mit der bedeutsamen Aufschrift: „Nur keine Todsünde!" Schon nach dieser Richtung hin dürfte Menzet'S Auffassung vom protestantischen Standpuncte auS einer gehörige« Cor- rectur beuöthigen; jedenfalls trifft ein anderer evangelischer Gelehrter, v. Steitz, das Richtigere, wenn er sagt: „Diese Predigten, die sich in den Raum weniger Wochen zusammen drängen, können durch effeclvollr Behandlung nuponiren, können durch Bestürmung de- sinnlichen Gefübls heftige Ge- müthSerschütterungen und augenblickliche Entschließungen Hervorrufen, aber eine unumstößliche Gewißheit der lieber- zeugung, eine durchgreifende Umwandlung der Gesinnung und deS Lebens können sie nicht zur Reise bringen." Dazu kommt, daß die jesuitische Volksmission nicht in erster Linie eine erneute, sittliche Freiheit bezweckt, sondern eine bedingungslose Unterwerfung unter die Autorität der römischen Kirche. Eine gegen den weltlichen Staat und de» Protestantismus gerichtete Waffe wollte man haben, als der EpiScopat in Deutschland nach >848 sich so eifrig der bei den Jesuiten von jeher beliebten VolkSmisstouen annahm. Daß gerade bei diesen Themata, wie Petri Primat, Ablaß, Recht der Tradition rc.- eine Hauptrolle spielen, ist doch im höchsten Grade bemerkeuSwerth. In jedem Falle ist eine Störung deß confessionellenFriedens durch derartige Missionen nicht nur nicht ausgeschlossen, sondern bei confesstouell gemischter Bevölkerung sogar direkt zu befürchten. ES ist sicherlich nicht ohne Grund, wenn in Baden nach dem Gesetze vom 2. April 1872 der artige Missionen überhaupt nicht auftrete» dürfen, also auch beispielsweise die Missionen der Capuziner und FranciSkaner keinen Raum finden würden. Heißt es doch in dem ange führten Gesetze ausdrücklich: „Die Abhaltung von Missionen und die Aushilfe in der Seelsorge (ausgenommen die Spen dung der Sakramente in Notbfällen) durch Mitglieder religiöser Orden, welche im Großherzogthum nicht .... mit Staatsgenehmigung eingesührt sind, ist verboten." In Art. 2 steht dann weiter zu lesen: „Die Uebertrrtung dieses Verbotes wird mit Haft nicht unter 14 Tagen bestraft." Manchmal müssen die römischen Volk-Missionen recht sonderbare Begleiterscheinungen gehabt haben. „In Frank reich", so erzählt der schon erwähnte O. Steitz in seinem hierauf bezüglichen Artikel in der protestantischen „Real- encyclopädie", „schloß sich ... . zur Zeit der Restauration den Missionären stets ein Schweif müßiaen Gesindels als Makler de- Reliquien-, Amuletten- und Äblaßkram- oder als Verkäufer wuudrrkräftiger Wasser und Oele an". Man wird sich ohne Weitere- sagen können, daß die katholische Bolk-mission in der Hand von Jesuiten zu einem recht brauchbar,« Mittel für ibr« klerikalen Sondermterefien werden kann, und eü ist nur zu wünschen, daß man mit un erbittlicher Strenge auch gegen diese, anscheinend mehr harm lose Bethätigung der Gesellschaft Jesu die gesetzlichen Be stimmungen allezeit anwende. Der Krieg in Südafrika. Las letzte Mittel. Eine schon kurz erwähnte Drahtmeldung des „Time-"- Correspondenten in Middelburg (Transvaal) vom 7. Juni besagt: Ich bin in der Lage gewesen, die Meinungen mehrerer hervorragender Holländer in Pretoria hinsicht lich der gegenwärtigen Kriegführung kennen zu lernen. Diese Männer, die alte Einwohner Transvaals sind, (?) haben keine angeborene Liebe für unS, aber sie sehnen sich nach dem Ende der Feindseligkeiten und stimmen darin überein, daß daS einzige Mittel, den Krieg zu einem schleunigen Ende zu bringen, der Erlaß einer Kund machung sei, daß nach seiner gewissen Frist die Farmen der noch auf Commando befindlichen Männer confiScirt werden. Dir- würde die Uebergabe einer großen Anzahl vou Commandanten herbeiführen, aber nicht die Ausländer oder solche Boerenführer, wie Botba und andere, die kein Eigenthum besitzen, berühren. Delarey werde, wie sie glauben, bis zu Ende kämpfen. Die „Times" bemerken dazu: Wir wissen nicht, ob die Zeit schon für diese drastische Maßregel gekommen ist, aber früher oder später werden wir gezwungen sein, sie anzuwenden. Wir können die Boeren, wenn sie aufgehört haben, organisirten Widerstand zu leisten, nicht die Rechte der Kriegführenden für einen unbestimmten Zeitraum genießen lassen, aber der Termin für die Zurück ziehung der Privilegien, die wir ihnen bislang zugestanden haben, scheint kaum schon erreicht zu sein, so lange sie noch über solche Streitkräfte verfügen wie die, welche jüngst Delarey befehligte. Präsident Krüger. *Haag, 10. Juni. (Telegramm.) Präsident Krüger ist in Begleitung deS Gesandten vr. Leyds aoS Hilversum hier ein- getroffen und begab sick in geschlossenem Wagen in die Wohnung de» Boecendetegirtrn WvciiaranS. Präsident Krüge? beabsichtig:, einige Tage in Schev«ui»gea zu verweilen. Keine Intervention. ck. Verlin» 10. Juni. (Privat-Telegramm.) Gegenüber dem „Kleinen Journal" wird an zuständigster Stelle erklärt, daß weder Deutschland «ine Action zur Beendigung des TranSvaalkriegeS unternommen, noch entsprechende Fühler vom Zweibund und vou England Deutschland gegenüber auS- gegangen sind. Die Wirren in China. Lle euglischc Presse über das „Eoncert" in China. Aus London,-. Juni, wird der „Münchner Allgem. Zig." geschrieben: Die Ergebnisse des ostasiatischen Concerts oer Mächte und der Ausblick in China werden von der englischen Presse lebhaft besprochen. Die meisten Blätter stimmen darin überein, daß im Grunde nichts erreicht worden ist und daß in Zukunft die Chinesen mehr denn je zu Excessen gegen Ausländer und zur Mißachtung der Wünsche und der Drohungen der Mächte geneigt sein werden, weil sie sich aus eigener Anschauung haben überzeugen können, wie sehr diese Christen einander lieben, und weil sie nun wissen, daß die fremden Völker zufolge ihrer gegen seitigen Eifersucht völlig ohnmächtig sind und daß deren Regie rungen, durch die böse Erfahrung belehrt, sich künftig zweimal bedenken werden, ehe sie sich wieder an einem Concert be theiligen, daS jeden Augenblick zu einer welterschütternden Dissonanz unter den Theilnehmern umschlagen kann. In seiner internationalen Stellung, d. h. in seinen Beziehungen zu den Mächten hält man daher China eher für gestärkt als geschwächt. Ein wichtiger Punct bei den Erörterungen der Presse ist auch die Frage, welche Wirkung es auf das Ansehen Groß britanniens gehabt hat, daß britische Truppen dem Befehl eines deutschen Ofsiciers unterstellt wurden. Der „Standard" ist fast daS einzige Blatt, daS eine optimistische Auffassung kund- giebt. Diejenigen, sagt er, die in dem KriegSrath unter dem Grafen Waldersee mit einander in Berührung kamen, lernten einander achten, „und in vielen Fällen endete die Eintracht in herzlicher Freundschaft'. Andererseits weisen die „Times" darauf hin, daß Graf Waldersee nur sehr kurze Zeit eigentlicher Oberbefehlshaber war. Bei der ersten Gelegenheit entzogen Frankreich, Amerika und Rußland ihre Truppen seiner Controle. In Folge dessen waren die britischen Streitkräfte — die stärksten, die von irgend einer Macht auf dem Kriegsschauplätze erhalten wurden — die einzigen, die sich von Anfang bis zu Ende unter seinem Befehl befanden. „Wenn wir auf unsere Erfahrungen zurückblicken", sagt das große Cityblatt, „die wir seit der Zeit, wo Graf Waldersee die Oberleitung über die verbündeten Truppen in Tschili übernahm, gemacht haben, so müssen wir be kennen, daß daS Experiment, zu dessen Versuch wir unsere Zu stimmung gaben, nicht dazu beigetragen hat, unsere politischen Zwecke oder unser militärisches Ansehen zu fördern." Der „Globe" führt diesen Hinweis etwas umständlicher aus, indem er bemerkt: „Bei seinen wohlgemeinten Anstrengungen, Reibungen unter den einzelnen Theilen deS gemischten Heeres zu vermeiden, das er leitete oder scheinbar leitete, nahm Graf Waldersee zu weilen nicht genügende Rücksicht auf britische Interessen. Da er überzeugt war, daß er bei Ausübung seiner Pflicht auf die loyale Unterstützung Großbritanniens rechnen konnte, so traf er — nur um Mächte zu versöhnen, deren Freundschaft weniger zuverlässig war — bei verschiedenen Gelegenheiten Ent scheidungen, die den Rücksichten der Billigkeit nicht entsprachen. Die Folge war, daß der Feldmarschall, sobald Streitigkeiten ent- standen, bei denen britische Interessen in Betracht kamen, zu sehr di« Gewohnheit hatte, auf unsere Kosten den Schein der Eintracht zu erzeugen." „Warum England", so fügt ihrer seits die „Pall Mau Gazette' hinzu, sich so dienstwillig (gegen Deuschland) zeigte, ist eine- jener Geheimnisse, die zu erklären wir nicht versuchen wollen. Ob aber da- Ergebniß darin be steht, daß unser Ansehen auf solch« Weise aufrecht erhalten worden ist, muß als zweifelhaft betrachtet werden; es ist viel wahrscheinlicher, daß es erniedrigt worden ist — und zwar nicht in China allein. Zu diesem Nachsatz liefert wieder der „Globe" die Ergänzung. Er sieht eine Erschütterung der Loyalität Indiens voraus. „Es steht zu befürchten", sagt das conser- vative Blatt, „daß sie (die Sikhs) nach Indien die fast un glaubliche Erzählung mitbringen werden, daß, während sie in China dienten, die britischen Streitkräfte unter den Oberbefehl eines deutschen Officsers gestellt wurden, gerade als ob kein eng lischer General die nöthigen Fähigkeiten besäße." Wenn die Sikhs und sonstige indische Truppen etwas über den südafrika nischen Krieg gehört haben, so werden sie vielleicht über diesen letzteren Punct nicht ganz im Unklaren sein. Die Frage „6ui dono?" wird von der öffentlichen Meinung Englands — und vielleicht auch anderer Länder — dahin be antwortet, daß die chinesischen Wirren und das sogenannte „ge meinsame Vorgehen" gegen das himmlische Reich wesentlich nur einer Macht, nämlich Rußland, positiven Nutzen gebracht haben. Rußland hat in der Mandschurei festen Fuß gefaßt und hat nach dem Fiasco des Concerts freiere Hand denn zuvor. „Da sie auf französische Mitwirkung rechnen kann", so bemerkt nicht mit Unrecht ein Torh-Organ, „so hat die Peters burger Regierung jede Veranlassung, die Mandschurei als eine Basis für südwärts gerichtete aggressive Zwecke zu benützen, und es wird eine weitere Ermuthigung aus dem Umstande ab leiten, daß andere Mächte entschieden abgeneigt sein werden, sich fernerhin auf irgend ein Unternehmen behufs gemeinsamen Vor gehens im fernen Osten einzulassen." Aus allen diesen Aus lassungen spricht doch im Grunde nur der Verdruß darüber, daß die Zeiten, in denen England im äußersten Osten fast aus schließlich herrschte und nach Belieben Regen oder gut Wetter machen konnte, für immer dahin sind. lieber den Undank, den er dafür erntet, daß er es den Engländern ermöglichte, aus den Händeln, die sie im äußersten Osten mit den Vertretern anderer Mächte, namentlich mit den Russen, angefangen hatten, mit leidlichem Anstand und ziemlich heiler Haut, wenn auch nicht ohne einige Stöße und Püffe, sich rückwärts zu concentriren, wird Graf Waldersee sich vermuthlich sehr leicht trösten. * Verlin, 10. Juni. (Telegramm.) Nach der „Berliner Correspondenz" bleiben in Ostasien drei deutsche Infanterie- Regimenter zu, drei Bataillonen zu drei Compagnien mit l! 110 Combattar/ien, eine EScadron berittener Jager, eine Abtheilung Feldartillerie mit drei Batterien, eine Compagnie Pioniere, eine Train-Compagnie. Die Gesammt- stärke beträgt 3600 Mann, wovon etwa 800 Mann, nämlich zwei Bataillone mit einer Batterie für Shanghai bestimmt sind. In Petschili bleibt die Hauptmasse in Tientsin, während je ein Bataillon Peking, Dangtsun, Langfang und Schanhaikwan besetzt bält. Ver- wendet werden nur Mannschaften, die über den Herbst 1901 hinaus sich zum Dienst in Ostasien verpflichtet haben. Deutsches Reich. Q Berlin, 10. Juni. (Die Seehäfen in unser« ost afrikanischen Colonien.) Die Deutsche Colonialgesell schaft nahm, wir bereits gemeldet, auf ihrer Hauptversamm lung den Antrag an, die ReichSrcgierung aufzufordern, auf den Ausbau der Häfen von Dar-eS-Salaam nnd am Tanga ihr Augenmerk zu richten, damit diese deutschen Hafenplätze in jeder Beziehung von der bevorzugten Lage des Hafens von Zanzibar unabhängig werden. In diesem Wunsche, den die Reichsrezierung gern erfüllen wird, falls der Reichstag nur die erforderlichen Mittel bewilligt, kommt zweifellos die richtige Ansicht zum Durchbruch, daß mit der nebelhaften Aussicht auf Verwirklichung deS deutsch englischen Eventual-VertrageS, welche uns möglicher Weise den einen oder anderen guten Hafenplatz in die Hände spielen könnte, nicht zu rechnen ist und daß die deutsche Colonialpolitik sich auf ihre eigene Kraft und Entwickelung verlassen und für den Aus bau der Häsen Sorge tragen muß. Nach diesem Grundsatz handelt auch die Regierung in Südwest Afrika durch den Molen bau vor Swakopmund. Mit großer Zähigkeit und unter ver- bältnißmäßig recht bescheidenen Mitteln ist dort ein Werk vollführt, daS einigermaßen den fehlenden Hafen für Süd west-Afrika ersetzen kann. Aber eS gab auch Stimmen und sie sind auch bis heute noch nicht verstummt, welche meinen, alle auf Swakopmund verwendete Arbeit und Mittel seien unnütz, da unS vielleicht doch die Tigerbai und die Swakopmund benach barte englische Walfischbai, letztere als „AuStausch-Object", über kurz oder lang zufallen würde. Ob jemals die „Tigerbai" für deutsche Interessen nutzbar gemacht werden kann, ist noch eine große Frage^ ganz zu verwerfen ist aber der Gedanke, die für unS völlig werthloS gewordene Walfischbai etwa im Austausch für irgend «in anderes deutsches Colonial-Besitz- thum herzugeben. Die Walfischbai versandet mehr und mehr und wird für die Engländer nur eine Last, während das benachbarte Swakopmund trotz aller im Anfang und auch jetzt noch gegensteheuden schwierigen Verhältnisse dank der deutschen Zähigkeit aufblühen und sich wenigsten« zu einer guten Rhede entwickeln wird. * Berlin, 10. Juni. (Conflicte mit Krieger vereinen.) Während bisher Conflicte mit Kriegeivereinen eine Specialität der katholischen und namentlich der polnischen Geistlichkeit darstellten, liegt jetzt auch der seltsame Fall vor, daß ein evangelischer Geistlicher der Betheiligung eines Krieger vereins an einer Begräbnisfeier rntgegengetreten ist. Die Brom berger „Ostdeutsche Rundschau" berichtet darüber: „Ein evangelischer Geistlicher, der die Thcil- nahme des Nriegervcreins an der Beerdigung seiner Mitglieder nicht dulden will — auch diese ebenso merkwürdige als unge wöhnliche Erscheinung hat unser Osten nunmehr aufzuweisen, daß polnisch-katholische Geistliche den Kriegervercinen, wenn sic ihren verstorbenen Mitgliedern die letzte Ehre erweisen wollen, die größten Schwierigkeiten in den Weg legen und das dircct zu verhindern suchen, ist ja in unserem Osten leider nichts Seltenes mehr; daß aber ein deutscher evangelischer Geist licher einen Kricgervcrein zwingen will, von der üblichen Ehrung verstorbener Kameraden abzuslehcn, da- dürfte über haupt noch nicht dagewesen sein. Von durchaus zuverlässiger und maßgebender Seite wird uns über einen solchen Fall aus Brodden, Kreis Kalmar i. P., Folgendes mitgetheilt: Dec Ackcrwirth Albert Schmidt von hier, der an den Feldzügen von 1864 und 1870/71 ehrenvollen Antheil genommen hatte und seit langen Jahren Mitglied und stellvertretender Vorsitzen der des hiesigen Kriegervereins war, starb und wurde auf dem hiesigen evangelischen Friedhöfe beerdigt. Natürlich erwies ihm der Kriegerverein die letzte Ehre durch gemeinschaftliches Geleit bis an das Grab. Auf dem Friedhöfe angekommen, spielte die dem Trauerzuge voranschreitende Musik bis an das Grab einen Choral. Als die Capelle gerade absetzte, sprang der inzwischen vorangecilte evangelische Pfarrer Herr Schack vor die Musik und rief, mit den Armen durch die Luft schlagend: „Halt — ich verbiete Ihnen hier auf dem evangelischen Kirchhofe jegliches Spielen!" Tann schritt er vor das offene Grab. Als die Leiche am Grabe niedergesctzl worden war, rief der Herr Pfarrer: „Träger halt!" und machte durch eine Ansprache die zahlreiche Tranerversammlung darauf aufmerksam, daß sie sich auf dem evangelischen Friedhöfe befinde. Er sagte dann ungefähr noch: Ich verbiete hier jedes Sprechen, Commandiren und Spielen; Jeder, der von den Anwesenden hier spricht, commandirt oder spielt, macht sich des Hausfriedensbruchs schuldig, und ich ver lasse, wenn das geschieht, die Leiche bei offenem Grabe. Hier auf befahl er: „Nun, Träger (Mitglieder des Kriegervereins), weiter!" Es entstand alsdann ein lebhaftes Gemurmel, ein Jeder der Anwesenden schien über die Scene erregt zu sein. Beim Hinunterlasscn der Leiche in das Grab commandirtc der Commandoführer des Kriegervercins, königlicher Forst sekretär Schrank aus Selgenau, gleichwohl, aber in ge dämpftem Tone: „Achtung, präsentirt das Gewehr, das Ge wehr über, Gewehr ab." Herr Pfarrer Schack verließ trotz seiner Ankündigung das Grab nicht, sondern hielt doch die Leichenrede. Als aber die kirchliche Ceremonie beendet und vom Kriegerverein, trotz der Drohung des Geistlichen, die erste Salve über das Grab abgcfeuert worden war, trat der Pfarrer an den vor der Front des Kriegervercins stehenden Commando- führcr, Forslsekrctär Schrank, heran, forderte ihn auf, „das Commandiren zu unterlassen" und erklärte, daß er (Schrank), sich soeben durch Abgabe des CommandoS des Hausfriedens bruchs schuldig gemachr babe, wcShalb er angetlagt werden würde u. s. w. Herr Schrank aber ließ sich hierdurch nicht irriliren, wendete sich entschlossen, aber ruhig und höflich salutirend, zum Pfarrer und erklärte diesem: „Herr Pfarrer, i ch habe das Commando", und commandirtc die anderen beiden Salven, die vorzüglich klappten, ruhig und ungestört weiter. Als der Kriegcrvcrcin den Friedhof verließ, sagte Herr Pfarrer Schack noch: „Wartet, Ihr sollt wissen, daß Ihr auf dem evangelischen Kirchhofe gewesen seid." Es sei hierbei bemerkt, daß die Mitglieder des Kriegervercins Broddcn sämmtlich evangelischer Confession sind. Aus Hüflichkeitsrücksichten hielt es der Commandoführer für angezeigt, der Musik das Spielen voni Kirchhofe bis zum Abbringen der Fahne zu untersagen. Schließlich ist noch zu erwähnen, daß Herr Pfarrer Schack, als er zur Beerdigung des Schmidt kam und im Trauerhause den vom Kricgervcrein gewidmeten Kranz bemerkte, zu den Leidtragenden sagte, daß, sowie der Kricgcrvercin eine Function bei der Leiche übernehme, er sofort das Haus verlassen werde. — Ter Kricgcrvercin hat beschlossen, gegen Herrn Pfarrer Schack wegen Beleidigung u. s. w. den Procetzweg zu beschreiten und zugleich Beschwerde bei der Vorgesetzten Behörde desselben zu führen." » Der Fall ist außerordentlich seltsam, und das Verhalten des Geistlichen, wie das Bromberger Blatt mit Recht bemerkt, völlig räthselhaft. Zunächst bleibt abzuwarten, was der Pfarrer Schack zu seiner Rechtfertigung oorzubringen hat. Jedenfalls liegt es aber im Interesse ver Sache, daß die vorgesetzten Instanzen der Wiederholung so unliebsamer Vorkommnisse, die zur Entkirch- lichung der Bevölkerung ungleich mehr beitragen als all« Agi tationen der Socialdemokratie, schnell und energisch vorbeugen. * Berlin, 10. Juni. Der Centralvorstand des Evangelischen Bundes hat an seine Haupt- und Zweig, vereine ein bemerkenSwertbeS Rundschreiben gerichtet, dem wir die nachfolgenden Stellen entnehmen: Ter Evangelische Bund hat sich seit seinem Entstehen das Recht nicht nehmen lassen, daS deutsche Volk auf die Gefahren hinzuweisen, die seine Wohlfahrt, zumal seitens der römischen Curie und der ihr dienstbaren „politischen" Partei in den deutschen BertretungSkärper- schaffen bedrohen. Dieses Recht wird zur unabweisbaren Pflicht, wenn die zur Abwehr berufenen Stellen sich je länger je mehr daran gewöhnen, dir durch beharrliche Nachgiebigkeit gegen Rom allmählich entstandene kirchenpolitische Lage als unabänderlich hinzuuehmen und mit ihr als einer politischen Nothwrodigkeit zu rechne». AlS letzter Rest aus der Zeit des Kampfes zur Sicherung der Staatshoheit über die römische Kirche war die Anzeigepflicht der preußischen Bischöfe bei der Anstellung vou Pfarrern, sowie die oberste Leitung des grsammteu UnterrichtSwesenS de- Staats stehen geblieben. DaS Centrum brauchte blo» di« Anregung zu geben, daß auch diese letzte Sicherung der staatliche» Oberaufsicht fallen müsse, so erklärte sich der Vertreter deS preußischen Staat-Ministerium- bereit, seinerseits auf die Revision dieser Gesetze einzogehe», di« nicht nur KampseSgesetze im Sinne vorübergehender Nothwendigkeit, sondern für jeden Staat unerläßliche Ordnungen sind. Wenn diese Erklärung auch uachträg- sich in abgeschwächter Form durch den stenographische» Bericht wieder, gegeben wurde, so war doch da- Wort gefalle» and di« Sachlage sympto- matisch gekennzeichnet. Bon derselben ministerielle» Stell« «rsolgte eine „neidlose" Aufzählung der OrdenSnirderlassungru, di« während der letzten Jahrzehnte vom preußischen TultuSminifleriom genehmigt worden seien; und eine „günstig« und gedeihliche Entwickelung" wurde eS genannt, daß die Zahl der Ordrnsmitglieder in Preußen sich von 8795 im Jahre 1872 auf 22 000 in der Gegenwart gehoben habe; daß von den in den letzten 5 Jahren beantragten 93 Dis pensationen von den gesetzlich vorgeschriebenen Vorbedingungen für die Anstellung katholischer Geistlicher 88 genehmigt worden seien! Im deutschen Reichstag« sind«» LentrumSrrdner, mit denen sich der Reichskanzler in Verbindung setzt, wean die ReichSregierung
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