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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.06.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-06-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010620011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901062001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901062001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-06
- Tag1901-06-20
- Monat1901-06
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Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petuzeile 2S Reclamen unter dem Redackionsstrich (4 gespalten) 75 vor den Familiennach» richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Eitra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung /t i>0.—, mit Postbesörderuug 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Ab end-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei dru Filialen und Annahmestelle» je eine halb« Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richte». Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochra geöffnet von früh 8 bi- Abend- 7 Uhr. Druck und Verlag von L. Pol» tu Leipzig. 3VS. Donnerstag den 20. Juni 1901. AF. IühtMNg. Vor -en Schiedsgerichten für Arbeiter versicherung. vr. L. Seit dem 1. Januar d. I. sind die Unfall-, In validen- und Altersversicherung wenigstens insofern ver schmolzen, al» e» «in und dasselbe Gericht ist, an welche- der Verletzte, der Invalide, der Siebzigjährige sich zu wenden hat, wenn sriu Anspruch auf Entschädigung abgelehnt oder nicht in der ihm vermeintlich gebührenden Höhe anerkannt wird. Di« früher gesondert für zede BerusSgcnossenschaft mit Beisitzern au» ihrem Berufe bestehenden Schiedsgerichte sind fortgefallen und e» sind einheitliche Schiedsgerichte für all« Berufe errichtet. Zwar sind stets Arbeitgeber und Arbeitnehmer in gleicher Anzahl Beisitzer, aber sie gehören nicht mehr dem gleichen Berufe an, wie der betreffende Ver letzte. Auf diesen Bortheil hat man bei der neuen Regelung verzichtet, um die Möglichkeit zu erlangen, mehr Schieds gerichte für kleinere Bezirke und alle Berufe zu errichten, damit «S dem Verletzten eher möglich ist, persönlich zu er scheinen und seine Rechte wahrzunehmen. Im Königreich Preußen ist in der Regel für jeden Regie rungsbezirk «in Schiedsgericht errichtet. In Bayern ist auch für jeden Regierungsbezirk eia Schiedsgericht errichtet, im Königreich Sachsen giebt eS deren 5, ebensoviel in Württem berg rc. Die Herzogthümer haben meist nur ein Schieds gericht für das ganze Land, desgleichen die Fürstenthümer und die freien Städte. Nur wenn es sich um Unfälle in der Land- und Forstwirthschaft oder im Bergbaubetrieb handelt, müssen die Beisitzer stets aus diesem Berufszweige gewählt sein. Diese Betriebe sind so umfangreich und beschäftigen so viele Arbeiter, daß es sich leicht einrichtrn läßt, einen be sonderen SitzungStag mit ihren Sachen zu süllen. Wenn ein Unfall in einem an d e rn Betriebe zu seiner Beurtheilung ausnahmsweise eine besondere Kenntniß der Technik dcS Be triebes erfordert, so kann auf Antrag VeS Verletzien oder auch der Berufszenoffenschaft der Vorsitzende Beisitzer aus dem betreffenden Berufe zuziehen. Die Inanspruchnahme der Schiedsgerichte wird angesichts der wachsenden Zahl der beanspruchten Invaliden- und Altersrenten stets größer. Man siebt jetzt nicht nur neben den BerufSgenoffenschaften und Versicherungsanstalten dort Arbeiter als Parteien auftreten, sondern auch mehr und mehr Beamte infolge der Bestimmung der neuen Unfallver- sicherungSgesetze nicht nur für die Gewerbe- und Baubetriebe, sondern auch für Land- und Forstwirthschaft, sowie für die Seeschifffahrt, daß Betriebsbeamte mit einem Gehalt bis zu 3000 statt bisher nur 2000 jährlich der gesetzlichen Unfallversicherung unterliegen, sowie infolge der ferneren Bestimmung, daß kleine Unternehmer, deren Jahresarbeits verdienst 3000 nicht übersteigt oder welche nicht regel mäßig mehr als zwei Lohnarbeiter beschäftigen, seien sie Gewerbetreibende, Land- oder Forstwirthe oder SchiffSeigen- thümer, gesetzlich berechtigt sind, sich gegen die Folgen von Unfällen selbst zu versichern. Dazu kommt noch, daß durch daS Statut mancher Berufsgenossenschaften und Versicherungs anstalten die Versicherungspflicht auf Betriebsbeamte mit einem noch höhern Verdienst, sowie auf die Organe — z. B. Vertrauensmänner, Vorstandsmitglieder und die Beamten — Der Berufsgenoffenschaft ausgedehnt ist. Bei Einlegung der Berufung nehmen die neuen Gesetze Weitzehende Rücksicht darauf, daß mancher Arbeiter mit dem Gerichtsverfahren wenig vertraut ist. Die Berufung gegen den Bescheid der Versicherungsanstalt oder der Berufsgenoffenschaft muß nämlich innerhalb eines Monat- nach Empfang des Be scheides bei dem zuständigen Schiedsgericht ein gegangen sein. Da nun mancher Arbeiter nicht weiß, welche- Schiedsgericht zuständig ist, so besteht die Vorschrift, daß in jedem Bescheide, durch den eine Rente festgesetzt wird, zugleich angegeben wird, bei welchem Schiedsgerichte und innerhalb welcher Frist die Berufung eingelegt werden muß. Dessen ungeachtet be stimmt da- Gesetz noch ferner, daß die Frist auch dann als gewahrt gilt, wenn innerhalb derselben die Berufung bei irgend einer andern inländischen Behörde oder in Streitsachen au» der Unfallversicherung bei einem GenossenschastSorgan, in Angelegenheiten der Seeunfallversicherung auch bei einem deutschen SermannSamt im Auülande eingegangen ist. Diese Stellen haben die Berufungsschrift ungesäumt an daS zu ständige Schiedsgericht abzugeben. Gegen die Versäumung der Frist giebt eS allerdings keine Hilfe. Es müßte schon ein unabwendbarer Zufall, ein störende» Naturereignis z. B. Unterbrechung des Verkehrs durch andauernde Ueberschwemmung oder durch Krieg, längere, schwere Krankheit, Freiheitsberaubung oder dergleichen vorlirgen, um die Verzögerung zu entschuldigen. Der Um stand allein, daß dem Verletzten keine Schuld zur Last fällt, weil er vielleicht in den letzten Tagen des Monats verhindert war, ratschuldizt die Versäumniß nicht. Man darf die Be rufung nicht b!» zu den letzten Tagen aufschieben. Die Einlegung der Berufung kann nach Belieben münd lich oder schriftlich geschehen. Aber nur daS Schiedsgericht, die Versicherungsanstalt, die Berufsgenoffenschaft oder die OrtSbehörde werden die Berufung zu Protokoll nehmen, andere Behörden können schriftliche Einreichung verlangen. Wird letzterer Weg gewählt, so empfiehlt sich die Einsendung mittel» eingeschriebenen Briefe». Ist der Grad der Erwerbsfähigkeit zweifelhaft, so mag man sich von dem Vertrauensärzte de» Schiedsgericht» vorher «ntrrsuchen lassen, wenn man die Gebühr dafür zu zahlen sich nicht scheut. Andernfalls muß man sich damit begnügen, da» Schiedsgericht zu ersuchen, eine erneute ärztliche Untersuchung durch seinen Vertrauensarzt anzu ordnen. Zu prirAten Untersuchungen sind die beim Schieds gericht al« Vertrauensärzte zugelaffenen Aerzte zwar gesetzlich nicht für verpflichtet erklärten der Reichstagscommission wurde aber die Erwartung «»»gesprochen, daß dieselben auch dem Ver- letzte» auf seinen Wunsch und seine Kosten ein Gutachten an»- stellen werden. — Die BerufuogSschrift soll in doppelter An»- fertigung eiagrreicht werden. Sie muß unterzeichnet sein entweder von dem Rentenempfänger selbst oder auch von seinem Ehegatten, seinem Baier oder seiner Mutter oder seinem großjährigen Kinde. Diese verwandten werden al« Bertreter ohne schriftlich« Vollmacht zugelaffen, während andere Personen al- Vertreter einer solchen bedürfen. Man ann sich auch durch einen Rechtsanwalt oder andern Bei- tand vertreten lassen. Im Allgemeinen ist eine Vertretung nicht erforderlich, sondern eS ist am besten, daß der Ver- etzte persönlich erscheint. Es ist auch schwierig, einen sach verständigen Vertreter zu erhalten, da nur sehr wenige Anwälte mit der einschlägigen Rechtsprechung genau ver traut sind. Bei den Ansprüchen auf Invaliden- oder Altersrente handelt e» sich meist darum, ob für die erforderliche Zeit geklebt ist. Bei Ansprüchen auf Unfallrente wird gestritten, ob das schädigende Ereizniß ein „Unfall" im Sinne VeS Ge setzes ist oder ob der Unfall bei dem „Betriebe" geschehen ist, sowie über die Höhe der Beeinträchtigung der Erwerbs fähigkeit. . Die Einlegung der Berufung hat auf die Fortzahlung der festgesetzten Rente keinen Einfluß. Dieselbe wird vorläufig in der festgesetzten Höhe weitergezahlt und der Beamte oder Arbeiter erkennt durch ihre Annahme nicht an, daß er damit einverstanden ist. Die mündliche Verhandlung vor dem Schiedsgerichte voll zieht sich in ähnlicher Weise wie die mündliche Verhandlung vor dem ordentlichen Gericht. Eine wichtige Ausnahme be steht jedoch insofern, als daS Erscheinen im Termin sür keine Person nöthig ist. Während von dem ordentlichen Gerichte gegen eine nicht erscheinende Partei ein Versäumnißurtheil erlassen wird, werden hier vom Gerichte die Rechte der nicht erschienenen Partei nach Maßgabe der Acten in vollem Um fang wahrgcnommen. Wenn das Erscheinen einer Partei nöthig ist, so ordnet daS Schiedsgericht da- persönliche Erscheinen ausdrücklich an. Wenn eine Partei ohne solche Anordnung kommt, so hat sie keinen Anspruch auf Entschädigung für ihre Versäumniß. DaS Gericht kann ihr aber eine solche zusprechen, wenn nach seiner Ansicht das Erscheinen erforderlich war. — Bekommt der Verletzte Unrecht, so erhält er niemals eine Entschädigung für den Weg. Gleiche Grundsätze gelten auch, wenn gegen die Entscheidung des Schiedsgericht» Recurs an daS ReichSversicherungSaml eingelegt wird, sür den RecurStermin. Die Wirren in China. Tie Ruffen in der Mandschurei. Ein Telegramm der „Times" aus Niutsch w a n g vom II. Juni besagt, die Regierung werde sich in der nächsten Zeit etwas mehr mit der Lage in dec Mandschurei und dem Einfluß, den die militärische Besetzung durch die Russen auf die britischen Handelsinteressen ausübe, beschäftigen muffen. Alle Bedingungen des Tsengtschi-Alexejew-Vertrages seien erfüllt worden, weil der Tatarengeneral Tsengtschi sich als ein willenloses Instrument in den Händen des russischen Ministerresidenten in Mulden, des geschickten Obersten Grobtschewsky erwiesen habe. Das für die Verwaltung nöthige Geld werde in Form von Anleihen von der russisch-chinesischen Bank entnommen, deren Einfluß und Macht in der Mandschurei daher von Tag zu Tag wachse. Laut eines Ergänzungsvertrages, der am 30. Januar in Port Arthur gezeichnet wurde, behielt Tsengtschi seinen Posten für volle vier Jahre, so daß Rußland durch ihn die Provinz verwalten könne, selbst wenn die Chinesen die Civil- verwaltung wieder in die Hände nehmen würden. Abgesehen von dem Zolltarif sei Niutschwang jetzt thatsächlich rin russischer Hafen. Die russische Flagge wehe über dem Seezollhaus, alle Zölle würden in die russisch-chinesische Bank eingezahlt. Die Russen hätten die Eisenbahn auf beiden Seiten des Flusses, sie überwachten die inneren Zölle, kurz, nichts könne geschehen, ohne daß vorher die russische Genehmigung eingeholt worden wäre. Der Handel entwickele sich in ausgezeichneter Weise, obgleich die Lag« so ungewiß sei, und sowohl die Chinesen, wie auch die frem den Kaufleute, den Russen nicht trauten. Die französischen und die belgischen Missionare wünschten dringend daS Aufhören der russischen Besetzung, weil sie fürchteten, daß, wenn die Russen noch lang« die Herren im Lande blieben, der heilige Synod das von ihnen bisher begonnene Missionswerk vernichten werde. Viele britische Missionare seien auf ihre Posten zurückgekehrt. Zwei Puncte, die gegenwärtig bei den Verhandlungen in Peking eine Rolle spielten, hätten viel Aufmerksamkeit in Niutschwang erregt. Der eine Punct sei das Einziehen der inneren Zölle durch von dem Seezollamt abgeordnete Beamte nach dem Seetarifsystem, das bisher vollkommen glatt von Statten gegangen sei, und als ein guter Erfolg bezeichnet werden müsse. Die Einnahmen daraus verhielten sich zu denen aus den Seezöllen wie 3 zu 10. Der zweite Punct sei der ausgesprochene Wunsch der chinesischen Kauf leute in der Mandschurei und am Aangtse, daß die Verhand lungen in Peking zu dem Ergebniß führen möchten, daß das Ausfuhrverbot von Korn zurückgezogen werde. Die Mandschurei, die ein kornbauendes Land sei, wie Canada, könne ihr überflüssiges Getreide nicht ausführen, obgleich die Märkte dafür vorhanden wären, und ebenso wären große Absatzgebiete für den Reis vor handen, der aus dem Dangtsethal nicht exportirt werden dürfe. Obwohl die Expeditionen gegen Räuber noch immer fortgesetzt würden, merke man doch, daß die Russen versuchten, di« Chinesen mit etwas mehr Rücksicht zu behandeln, da sie einsähen, daß die Japaner mit ihrer größeren Rücksicht weiter kämen. * Yokohama, IS. Juni. („Reuter'» Bureau" ) Dem Feld- marscholl Graf Waldersre wurde in Kobe von dort wohnenden Ausländern eine silberne Bowl« geschenkt. Bel seiner Abfahrt waren zahlreiche angesehen« Persönlichkeiten zugegen. * Peking, 19. Juni. („Reuter'» Bureau") In einer Zusammen kunft der fremden Gesandten wurde da» chinesische Ersuchen be- rathen, daß es 3000 chinesischen Soldaten erlaubt werden soll», in Peking »inzurückrn. E» wurde beschlossen, daß eS nicht räthlich sei, hieraus rinzugehen, bi» gegen Ende August alle fremden Truppen, mit Ausnahme der Schutzwachen für die G«. iandtschaften, Peking verlassen hätten. De-glrichen beschlossen die Gesandten, daß die fremden Truppe» die verboten» Stadt so lange bewachen, bi» die chinesischen Truppen in Peking »intreffen. Der Krieg m Südafrika. KriegSstimniung in England. Wie es augenblicklich um die Kriegsstimmung in England mit Bezug auf den südafrikanischen Feldzug bestellt ist, dafür er bringen sogar wieder einmal die „Times" ein treffendes Bei spiel, indem sie sich unter Berücksichtigung der b e i d e n l e tz t e n englischen Mißerfolge im Transvaal und im Freistaate und auf die allgemeine Kriegslage wie folgt äußert: „Unsere Nation wird allerdings, davon sind wir überzeugt, in den letzten Erfolgen der Boeren einen weiteren Grund für eine energischcFortsetzungder Bemühungen Englands sehen, einen so hartnäckigen Feind schließlich doch noch zur bedingungslosen Uebergabe zu zwingen. Wir erwarten nun mehr, bald die nöthigen Anzeichen davon zu sehen, daß unsere Regierung die entsprechenden Arrangements trifft. Wir wissen, daß kürzlich ein ununterbrochener Strom von Truppen aus Südafrika hierher zurückgekehrt ist, und da erscheint die Frage be rechtigt, ob diese heimkehrenden Verbände durch eine auch nur annähernd gleich große Streitkraft ersetzt werden können. Außerdem wissen wir, daß der südafrikanische Winter unter unsern Soldaten furchtbar aufräumt und noch weiter auf räumen wird, je schärfer und härter er sich entwickelt. Aller dings kann der Winter nicht ewig dauern und gegen Ende September steht das Gras auf dem Veldt wieder saftig und grün, wovon dann auch die Boeren Vortheil haben werden. Ihre Führer werden leichter im Stande sein, den Guerilla krieg fortzusetzen, und dann erst recht nicht an die Uebergabe denken. Hoffentlich capituliren die Boeren vor dem Herb st e, und wir haben hierfür bessere Anzeichen, als in jenen Gerüchten und Meldungen vom Continent und speciell von Brüssel enthalten sind. Aber leider können und dürfen wir natürlich in einer so ernsten und wichtigen An gelegenheit uns nicht auf Wahrscheinlichkeiten und Möglichkeiten verlassen. Es gab sowieso schon viel zu viel Speculation auf Seiten einiger unserer Minister insofern, als die Letzteren nur zu häufig erwarteten, daß Alles nach Wunsch gehen würde. Immer wieder erwiesen sich diese Speculationen als grobe Jrrthiimer, welche die Nation auf das Schwerste schädigten, und heute wäre das britische Volk von Herzen froh, wenn das Cabinet Salisbury endlich den Beweis erbringen wollte, daß es mit dieser unzeitgemäßen und gefährlichen Hoffnungsfreudigkeit gründlich gebrochen hat. Wenn wir unseres Erfolges sicher sein wollen, so müssen wir auf Eventualitäten vorbereitet sein, und selbst wenn wir heute der Ueberzeugung sind, daß die intelligenteren Boeren längst eingesehen haben, daß weiterer Widerstand nichts anderes ist als verbrecherische Thorheit, so darf nicht vergessen werden, daß es nicht gerade immer die geistig am höchsten stehenden Männer eines Volkes sind, welche die Geschicke des letzteren in einem verzweifelten Kampfe letten. Wir wollen natürlich den Frieden, aber keinen geflickten und gestückten Frieden, und um eine solche für Eng land, für Südafrika und auch für die Boeren unermeßlich große Calamität zu vermeiden, ist es das Beste, wenn der Feind sobald als nur eben möglich zu der Einsicht gebracht wird, daß er voll ständig besiegt und geschlagen ist." Soweit die „Times", die aber in ihrer schönen Schluß folgerung anscheinend vergessen, daß es gerade diese ersehnte Ueberzeugung der Boeren von ihrem angeblichen „Besiegtsein" ist, welche 300 000 Mann britischer Truppen seit 1^ Jahren ihrem tapferen Gegner nicht beizubringen im Stande waren. Die Regierung von Großbritannien ist natürlich längst nicht mehr in der Lage, irgend welche nennens- werthen Verstärkungen von England aus nach Süd afrika zu senden, wo nahezu zwei Drittel der riesigen Armee an den ungeheuren Verbindungslinien und rückwärtigen Depotplätzen festgelegt sind, und doch meistens in steter Furcht vor den kühnen Ueberfällen der flinken Boerencommandos leben müssen. Der erneute Hinweis der „Times" auf „bedingungslose Uebergabe" ist wohl nur noch als ein kleines Parademanöver zu nehmen, welches nicht ganz ernst gemeint ist. Ersatzansprüche. * verkitt, 19. Juni. „Wolfs's Telegraphen-Burean" berichtet aus Capstadt: Amtlich wird bekannt gemacht, daß die Ersatz- ansprüche wegen der nach dem 31. März 1901 erfolgten Requisitionen und EiqenthumSbeschädigungen durch englische Truppen bi» zum 31. Juli 1901 bei dem sür den Wohnort de» Rrclamanten zuständigen Districtscommandanten (eeueralvtticsrcowmanämr) unter Einreichung von Empfangsbescheinigungen und sonstigem Bewelsmateriat geltend zu machen sind. Deutsches Reich. -r- Verkitt, 19. Juni. (Der radikale Liberalis- musund die Jugend.) Die rührende Einigkeit der links liberalen Parteien wird am herrlichsten dadurch documentirt, daß das officielle Organ der freisinnigen Volkspartei, wenn es sich nicht gerade mit der freisinnigen Vereinigung herumschlägt, die süddeutsche Demokratie am Wickel «hat. In einer Polemik zwischen der „Freisinnigen Zta." und der „Frankfurter Ztg." hatte das letztere Blatt darauf hingewiesen, daß eine Partei, di« jahrelang keine Parteitage abhalte und die, wenn sie welch« ab halte, ihnen die Oeffentlichkeit nehme, sich nicht beklagen dürfe, wenn die junge Welt solch«» Parteien sich anschliehe, deren ganzes Wesen auch auf Parteitagen in di« Erscheinung tritt. Auf diesen Angriff antwortet, die „Freis. Ztg." spöttisch: „Was die junge Welt anbetrifft, so braucht die „Frankfurter Ztg." nicht um die Freisinnigen zu sorgen, sondern mag uns einmal nach weisen, was sie selbst an junger Welt in ihrer nächsten Umgebung noch hinter sich hat." Dies« gegenseitigen Anzapfungen rufen dem objektiven Beobachter unwillkürlich da» bekannte Wort: „Es will uns schier bedünken u. s. w." im die Erinnerung. Denn so wohl di« freisinnige Dolkspartei, wie die süddeutsche Volkspartei haben Grund, sich über den Mangel jungen Nachwuchses zu be klag«»; dies haben die Reichstagswahlen -von 1898 bezüglich beider Parteien und die württembergischen Landtag-wachlen vom letzten Jahre bezüglich der süddeutschen Volk-Partei zur G«nüge dargetban. Darin aber hat die „Freis. Ztg." freilich Recht, wenn sie es lächerlich findet, die Frage des Nachwuchses mit der Ab haltung von Parteitagen in Verbindung zu bringen. Selbst wenn derartige Parteitage öffentlich sind und selbst wenn zu diesen Parteitagen die Jugend herangezogen wird, so hilft dies für di« dauernd« Gewinnung der heranwachs«nd«n Generation gar nichts. Gerad« die Demokratie, die doch immer den Idealis mus der Jugend betont und angeblich auch fördern will, dürste doch nicht annehmen, daß die Besprechung organisatorischer und sonstiger streng realpolitffcher Fragen für die Jugend ein Lock mittel sein könnte. Wenn die lintslilberalen Parteien den jugend lichen Nachwuchs nach rechts und links abgegeben haben, so liegen die Gründe dafür denn doch wohl tiefer. Der Hauptgrund ist der, daß, wie Bismarck schon vor einem halben Menschenalter einmal treffend gesagt hat, die Fortschrittspartei diesen Namen nicht verdient, sondern eigentlich „Hemmschuhpartei" heißen müßte. Dafür hat die Jugend «in sehr feines Ge fühl, und da sie von Natur fortschrittlich ist, so wendet sie sich lieber jeder anderen Partri zu, als dem radikalen Liberalismus. * verkitt, 19. Juni. Ein Culturbild aus der Kassubei wird in einem Niesenprocesse enthüllt, der vorgestern vor dem Schwurgericht in Danzig begann«» hat und auf zehn Tage berechnet ist. Es handelt sich darum, den wechselnden Kurs des M e i n e i d e s in gewissen tassubischen Gegenden sachgemäß festzustellen. Als Normalpreis galt früher in einigen Ortschaften an der Meineidsbörse der Satz: fünf Dittchen (Groschen) und ein Schnaps. Man muß sagen, daß damit der Meineid geradezu verramscht wurde. An anderen Stellen hat man sich auf solche Schleuderpreise nicht eingelassen. Ob die Meineidbörse im Allgemeinen jetzt eine festere Haltung be wahrt, wird der Proceh lehren, zu dem fast ein viertel Tausend Zeugen geladen sind. Vom ökonomischen Gesichtspunkt aus ist der Thatbestand nicht gerade leicht verständlich. Das Object, um das es sich ursprünglich handelt, hat nämlich nur den be scheidenen Werth von 36 Mark 70 Reichspfennigen, während die inzwischen gezahlten Meineidspreise, auch wenn man den niedrigsten Kurs zu Grunde legt, in Summe diesen Betrag er heblich überschreiten dürften — man muß sagen, ein unwirth- schaftlicher Diebstahl. Denn von einem solchen nimmt die Historie natürlich ihren Ausgang, und zwar von einem im Jahre 1896 von dem Angeklagten Biessek nebst Vater begangenen Forstdiebsiahl. Biessek Vater und Sohn wurden damals wegen des Diebstahls einiger Kiefernstämmc im oben genannten Werthe verurtheilt, legten aber Berufung ein. Es fanden sich zahl reiche Entlastungszeugen, aber einige Zeugen sagten auch un günstig aus. Die Folge war, daß sie von dem Angeklagten wegen Wilddieberei angezeigt wurden. Daraus ergab sich aber mals ein Proceß gegen Familie Biessek wegen wissentlich falscher Anschuldigung, und nach abermaligem Auftreten zahlreicher Ent lastungszeugen ein umfangreicher Meineidsproceß, der wieder weitere Meineidsprocesse nach sich zog. Jetzt sitzen auf der An klagebank zwölf Personen, von denen vier zur Familie Biessek gehören und wegen Anstiftung zum Meineid in 15 Fällen, die übrigen wegen Meineids angeklagt sind. Die Angeklagten be finden sich fast durchweg im Besitz mehr oder weniger zahlreicher Vorstrafen. Ein einziger, dessen dauernder Aufenthaltsort seit einiger Zeit wegen eines früheren Meineids das Zuchthaus zu Graudenz ist, bekennt sich schuldig. Die Zahl der Zeugen be läuft sich, wie schon gesagt, auf weit über zweihundert. Böse Zungen behaupten, daß die Haussepartei an der Meineidsbörse starkes Oberwasser bekommen habe und die Kurse eine rapide Aufwärtsbewegung zeigen. Der Vorsitzende des Ge richt s h o f s'kennzeichnete zu Beginn der Verhandlungen das traurige Culturbild, indem er in einer kurzen Ansprache an die Geschworenen hervorhob, daß in der Kassubei schon öfter eine Gruppe von Personen sich gebildet habe, die durch Gewissenlosig keit in Bezug auf Gesetzes-Uebertrctungen und Verbrechen eine ganze Gegend verseuchen. So sei erst vor ein paar Jahren solch ein Meineidsnrst ausgehoben worden, worauf denn auch kurze Zeit hindurch Ruhe hergestellt wurde. Jetzt liege der Verdacht vor, daß man in den Angeklagten eine Gesellschaft ent deckt habe, die gewissenlos zu jeder Zeit einen Meineid leistet, wenn es gilt, einen guten Bekannten heraus- oder einen Feind hineinzureiben. Hoffentlich zieht nicht auch dieser MeineidS- proceß wieder weitere nach sich. Die Cultur- und Criminak- geschichtc der Kassubei ist durch die bisherigen Folgen des einen Kirchendiebstahls schon gerade genug bereichert. 8. Berlin, 19. Juni. (Privattelegramm.) Zu der Rede, die der Kaiser gestern in Cuxhaven an Bord der Dampsyacht „Prinzessin Victoria Luise" der Hamburg- Amerika-Linie in Erwiderung auf eine Ansprache de- Ham burger Bürgermeisters Mönckebcrg gehalten, schreibt die „Nat.-Ztg.": Die kaiserlich« Rede ist offenbar sowohl in Bezug auf die aus wärtige, al» aus die innere Politik von großer Wichtigkeit. In ersterer Hinsicht tritt die wiederholte Betonung des auf lange Jahre hinau» gesicherten Frieden» hervor; die Bedeutung dieser Kundgebung wird noch dadurch verstärkt, daß der Kaiser die von ihm au-gesprochene Zuversicht auch au- den Er- fahrungen der Mächte bei ihrem Zusammenwirken in China herleitet. Ebenso bedeutungsvoll aber ist, wa» der Kaiser, ankaüpsrnd an da» Wort de» Grasen Bülow von dem „Platz an der Sonne", über die wirthschaftlichen Aufgaben Deutschland» in der Welt sagte. DaS, wozu jetzt — in China — die Krime gelegt worden, kann nur „in Ruhe und Sicherheit anfsprießea", die Hansestädte können nur dann „neue Absatzgebiete er- kämpfen und erwerben", wenn «ine entsprechend« Handels politik befolgt, wenn durch neu« Handelsverträge der Austausch der Waarrn und der Arbeit zwischen Deutschland und den anderen Völkern gefördert wird. Au» der kaiserlichen Rede ist eine Bekräftigung dr» Entschlüsse» der Regierung, eine derartige Handelspolitik zu befolgen, mit Be stimmtheit zu entnehmen. In der That ist «in« solch« Politik die Constquenz der Schöpfung Kaiser Wilhelm'» und BiSmarck'S; denn «in wirthschaftliche» Stillleben innerhalb drr vier Pfähl« hätte Deutschland alleusall» auch »ater dem Frankfurter Bundr-tag führen können. Der Kaiser hat in seiner Rede besonder» Bezug genommen auf dl« neuen Verbindungen, welch« drr Direktor drr Hamburg-Amerika-Gesrllschast Herr Ballin nrurrdtng» angeknüpst hat. Der Kaiser hat, wie au» den Hamburger Blättern ersichtlich ist, am Montag Abend, nach dem Diner bei dem vreußischrn Gesandten in Hamburg, in dessen Garten mit Herrn Ballin eiue so lange Unterredung gehabt, daß die Abreise dadurch erheblich über di« an gesetzte Zeit verzögert wurde; der Eindruck der Mitthailungen, welche Herr Ballin dem Kaiser in der Unterredung gemacht, ist au» dem öffentlich«» Lank «rknnbar, din «r dem Dirrcwr der
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