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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.07.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-07-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010705024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901070502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901070502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-07
- Tag1901-07-05
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Bei der Berathung der zweiten Lesung der Anleihebill erklärte Hicks Beach in Beantwortung mehrerer Anfragen, es sei nahe gelegt worden, dem Kriege ein Ende zu machen. Von Kitchener sei «in Telegramm eingegangen, in dem eine Bekanntmachung der Boerenführer in Transvaal wiedergegeben sei, wonach die Boeren für ihre Unabhängigkeit kämpften, die sie «ie aufgcben würden. (Beifall bei den Iren.) Das seien Bedingungen, die England ihnen nicht bieten könne. (Beifall.) Ein wesentlicher Theil der Kriegslasten müsse Transvaal und dem Oranje-Freistaat auferlegt werden, es könne aber nichts unternommen werden, ehe nicht der Krieg vorüber und das Land beruhigt sei. Bei der Bemessung des Betrages der Besteuerung der Gold minen müßten auch die Gewinnvortheile in Erwägung gezogen werden, welche ihnen aus der Beseitigung des Dynamitmonopols erwüchsen. Die Regierung würde indessen nichts thun, was die Entwickelung der Minen behindern könne. -- Aus die Rede des Schatzkanzlers Hicks Beach folgte eine sehr erregte Debatte. Lloyd George greift heftig die Politik der Regierung in Südafrika an und bespricht die Gefahren, die ihr entspringen. Hierauf bedauert der Kriegs- Minister Brodrick,der unter vielfachen Unterbrechungen derJren spricht, den Ton der Reden von George und anderen, die darauf berechnet seien, den Krieg zu verlängern, und theilt mit, daß Botba kürz lich von Lord Kitchener die Erlaubnis erhalten habe, an Kruger chifsrirte Telegramme abzusenden. Als Antwort sei eine unter dem 20. Juni ausgefertigte und von Burger und Steijn unterzeichnete Mittheilung eingetroffen, die den Passus enthielt, Krüger habe er klärt, daß er und üe Boerendeputatio» noch immer der festen Zuversicht seien, der lange Kamps werde in befriedigender Weise beendet werden, und das; nach de» Opfer» an Gut und Blut der Krieg fortgesetzt werde» müsse. — Was ihn und die Boeren-Deputation betreffe, so seien alle Schritte ge- than, pm für die Frauen uud Kinder, sowie für die Kriegs- gefangenen zu sorgen. Fe rner sei, fährt Brodick fort, in einer Versammlung, der auch Botha, Dewet, Telarey und andere Führer der Boeren beiwohnten, eine Resolution gefaßt worden, in der erklärt wird, daß kein Friede geschlossen oder angenommen werden solle nm den Preis der Aufgabe der Unabhängigkeit der Boeren oder der Interessen der Capholländer und daß der Krieg aufs Lebhafteste fortgesetzt werden solle. Es seien, fährt Brodrick fort, in den letzten drei Monaten befriedigende Fortschritte in der Führung des Krieges ge- macht worden. Die Regierung werde sich der verbrecherischen Thorheit nicht schuldig machen, auf Geheiß der Opposition heute Bedingungen zuzugestehen, welche sie im Jahre 1900 nicht bewilligt hätte. Schließlich spottet Brodrick über das Schweigen Campbell Bannermann's in dieser Debatte. Camphell Bannermann ergreift hierauf das Wort und erwidert, die dem gesunden Menschenverstand entsprechenden Anschauungen von Lloyd George seien die der großen Mehr- heit des Volkes. Die Regierung wende nach Ansicht der großen Mehrheit der Opposition verkehrte Mittel an. Der einzige Weg zu einer befriedigenden Beendigung des Krieges sei der, dem Feinde versöhnlich entgegenzukomwcn. Redner fordert das Haus auf, gegen den Satz Einspruch zu erheben, daß England die Boeren ohne Gnade und Rücksicht Niederschlagen müsse. Aller dings müsse der Krieg zu einem erfolgreichen Ende geführt werden. Die Herbeiführung des Endes müsse durch eine ver- söbnliche und freundliche Haltung beschleunigt werden. Balfour bemerkt hierauf, Bannermann habe sich selbst als aus der Seite der Boeren stehend bezeichnet. Bannermann erhebt Einspruch gegen die Bezeichnung .pro bour", worauf Balfour den Ausdruck zurück- nimmt. Balfour führt weiter aus, manche Mitglieder LeS Hauses zeigten sich sehr um die Frauen und Kinder der Boeren besorgt, thüten aber Alles, was sie konnten, um den Krieg in die Länge zu ziehen und dadurch Leide» über die un'chuldige Bevölkerung zu bringen. Die Boeren rühmten sich, daß sie in England eine große Partei zu ihren Gunsten hätten, welche schließlich die Geschicke des Reiches bestimmen und den Boeren die Unabhängigkeit gebe» werde. Nach Schluß der Debatte wird die zweite Lesung der Anleihc-Bill mit 267 gegen 87 Stimmen angenommen. "Brüssel, 4. Juli. In der Repräsentantenkammer inter- pellirte der Fortschrittler Lorand die Regierung über die Winke, die die belgische Polizeivcrwaltung Andries Dewet erlheilt habe. Er fragte, ob die Regierung Dewet wirklich habe ausweisen wollen und erinnert daran, baß die Regierung s. Z. auch den P gidenten Krüger ersucht habe, in Belgien keinen Aufenthalt zu nehmen. Die Regierung wird die Interpellation morgen beantworten. * Pretoria, 4. Juli. Eine hier veröffentlichte Proklamation bestimmt, daß, wenn die Contrahenten irgend eines Ver- trags, der sich auf Kauf oder Pachtung von Farmen und Erwerb von Minenrechten bezieht, wegen LeS Krie.es außer Stande sind, die Verpflichtungen eines solchen Vertrags zu erfüllen, der Zeitraum vom 11. October 1899 an bis zu einem fest,»setzenden Tage bei der Berechnung der Geltungsdauer des betreffenden Vertrags nicht einbezogen werden soll. Die Proclamation hat für den Fall, Laß der Vertrag aus besonderen Gründen nicht erfüllt worden ist, keine Giltigkeit. Sie betrifft iin klebrigen Transvaal und den Oranje-Freistaat. Zugleich ist in Pretoria jetzt ein Bureau für die Eintragung »euer Gesellschaften eröffnet worden. Wesse» Pferde halten am längsten ans? Aus Capstadt, 12. Juni, sendet uns unser dortiger stän diger Mitarbeiter die folgende interessante Darstellung: Obwohl man den amtlichen englischen Angaben nicht allzu viel Glauben schenken darf, so ist doch selbst nach ihnen nicht daran zu zweifeln, daß England schon bis zum Beginne dieses Jahres an 200 000 P f e r v e und M a u l e s e l zu Kriegs zwecken hier gelandet hat. Und was für stattliche Thiere waren nicht die Pferde aus Ungarn und die Maulesel aus Nordamerika, die wir sahen! Außerdem wurden gleich zu Anfang des Krieges viele Tausende Pferde und Maulesel im Caplande und in Natal atifgekauft. Aber ach, die meisten der eingesührten Thiere muffen nun schon crepirt oder für militärische Zwecke zeitweise oder ganz unbrauchbar geworden sein! Und kein Wunder: Klima und Lebensweise sind doch zu verschieden von den ausländischen Plätzen; man sagt, die aus England eingeführten Rosse hätten sogar „gestreikt" und waren nicht zu bewegen, das aus Amerika erngefützrte Futter zu fressen. Geschont hat man die Thiere auch nicht, weder auf der Hatz hinter den Boeren noch bei den gemeldeten „geordneten Rückzügen", aiius wilder Flucht. Aus dem Munde mancher englischer Soldaten kann man hören: „In den letzten drei Monaten habe ich 10 oder 12 Pferde zu Schan den geritten." Dazu hat Pferdekrankheit und Feindeskugel auch gewaltig unter den Thiercn aufgeräumt. Bei dieser Pferdenoth brachte der Einfall der Boeren in die Kolonie eine rechte Hilfe, denn nun konnte Martial Law im ganzen Lande verhängt wer den, d. h. alle eben nur brauchbaren Reit- und Zugthiere konnten in der Capcolonie vom Militär „commandirt" werden. Ver kaufen darf jetzt Niemand ein Pferd, außer an das Militär. Von den circa 200 000 Pferden in der Capcolonie sind dann innerhalb der letzten Monate an 30 000 so „verkauft" worden, so daß mit schon früher wirklich verkauften sicher weit über ein Viertel des ganzen Pferdebestandes der Colonie militärischen Zwecken dienen muß. Die in die Colonie eingefallenen Boeren ihrerseits haben, wo sich Gelegenheit bot, auch die besten Pferde „commandirt", und so ist ersichtlich, daß der gezwungene Bei trag an Pferdefleisch zu dieser Kriegsführung von schwerwiegen den Folgen für den Landbau der ganzen Colonie ist. Mir sind persönlich Leute in der Karroo bekannt, die über 200 Pferde be saßen, Alles ist ihnen „abcommandirt" geworden, und einer von ihnen muß sich jetzt mit zwei alten abgearbeiteten Mauleseln be helfen. Allerdings verkauft das englische Militär hier und da von den Pferden, die zur Erholung in die nahe der Küste gelegenen Depots geschickt werden, um die unzufriedenen Farmer wieder zu beruhigen; oder man leiht dem Farmer sogar einige dieser Thiere. Viele dieser Nosinanten sind aber schon so weit herunter, daß alle Pflege vergeblich und die Farmer diese wieder zurücksenden — so weit sie nicht unterwegs crepiren. Der jetzige Krieg scheint also nun in das Stadium getreten zu sein, wo es sich darum handelt, wessen Zugthiere (denn außer Mauleseln finden auch viele Zugochsen Verwendung) und vor Allem: wessen Pferde es am längsten aushalten werden. An der nöthigen Munition wird es den Boeren nicht fehlen, dafür sorgen schon die englischen Soldaten, die sich dem Feinde übergeben. Man sagt, daß der wöchentliche Verlust an Pferden bei der eng lischen Armee 500 beträgt. Die Boeren wissen, daß das Pferdematerial jetzt eine Hauptrolle spielt, und handeln dem gemäß. Zunächst wissen sie mit Pferden umzugehen. Während die Engländer des Nachts ihre Pferde anbinden, denen sie etwas von dem mitgeschleppten eingeführten Futter vorwerfen, wobei die Thiere öfters im schneidenden Winde stillstehen müssen, lassen die Poeren ihre Pferde frei laufen, treiben sie in kalten Nächten hügelan, wo ein wärmerer Luftzug weht und die Thiere auch ihr gewohntes Futter im Felde finden. Selbst wo nicht viel zuni Fressen vorhanden zu sein scheint, schlägt das afrikanische Pferd mit seinem Hufe die saftige und viel verbreitete Quecke los, die ibm besser mundet, als das eingefllhrte Futter von England und Amerika, Dann aber sind di« Boeren auch gut oricntirt über die ver schiedenen Pferdedepots der Engländer und wissen auch manchen Eisenbahnzug mit Pferden zu berauben. Es schmerzt die Leut« in der Colonie auch nicht gerade, wenn die Nachricht eintrifft: die meisten Pferde, die aus Eurem Districte „com mandirt" worden, sind da und dort den Boeren in die Hände gefallen. Im Gezenthril. Oesters aber werden dir Pferde depots angefallen, von Johannesburg bis bei Beaufort, und selbst am Hellen lichten Tage die Beute weggeholt. In Khaki gekleidet, näbert sich vielleicht ein Boer den Farbigen, die einen Trupp Pferd« in der Nähe d«s englischen Lagers weiden lassen, be nimmt sich wie ein englischer Officier und giebt den Befehl, die Thier: mehr nach jenem Hügel zu treiben, wo bessere Weide sei —> und auch noch ein bischen weiter über die Anhöhe hinaus. Langsam reitet der angebliche englische Officier weiter, und das End« ist, daß solcher Trupp Pferde auf Nimmerwiedersehen aus den Augen der Engländer verschwindet. Eine der schönsten „Pferdefängereien" geschah zu NelSpoort in der Nähe von Beaufort. Dort wohnt ein sehr reicher Farmer D. Villiers, leider ein eingefleischter Jingo. Derselbe veranstaltete für die Officiere und Mannschaften, die zum Schutze des Pferde depots dort stationirt waren, ein abendliches Festessen. Japanische Lampen erleuchteten den Festplatz, man aß und trank und war guter Dinge, denn vom Feinde war ja weit und breit keine Spur zu sehen. Nach dem Katzenjammer fiel es am nächsten Tage einem unter ihnen doch auf, daß einige Pferde so mager aus sähen, — wohl infolge der versäumten Fütterung am Festabend; daß di« Hufeisen einiger Pferde recht schlecht waren —- und die Thiere waren doch erst kürzlich gut beschlagen wordcn —; endlich daß di« Rücken einer Anzahl Pferde wund waren. Da ging der Wacht ein Licht auf. Man erzählt, daß dann zum Uebeefluß auch ein Brief der Boeren an den Commandanten ein getroffen, des Inhalts, daß die Boeren gegen 500 der besten Pfevdr dort weggeholt, dafür aber einige Hundert ihrer abge triebenen Pferde zurückgelassen, die man recht freundlich ersuche, gut zu pflegen und neu zu beschlagen, bei der nächsten Visite würden die Boeren sie wieder abholen. Der Commandant mag nicht wenig wüthend geworden sein üb-r solche Unverfrorenheit der Boeren, und in der Meinung, sein freundlicher Gastgeber D. Villiers hätte mit den Boeren unter einer Decke gesteckt, ließ er den unschuldigen Jingo ins Ge- fängniß werfen. Nun, Herr D. Villiers ist jetzt wieder auf freien Füßen, aber schwerlich so leicht zu bewegen, wieder ein Gastmahl zu geben. Die Pferde bleiben aber futsch. Politische Tagesschau. * Leipzig, 5. Juli. Unsere Leser werden sich des peinlichen Aufsehens erinnern, das bei der Presse aller Parteien Ende Mai dadurch hervor gerufen wurde, daß der „Berl. Local-Anz." an Stelle des „Reichsanzeigers" Mittheilungen über einen vom Kaiser im Casino des 2. Garde-Regiments gehaltenen Trtnksprnch machen konnte; hatte doch der Kaiser darin u. A. auf ein Telegramm des Zaren über die Mission des Grafen Walders« Bezug genommen. Wie berechtigt jenes Aufsehen und die daran angeknüpfte Kritik der Presse war, bewies außer der eingeleiteten Untersuchung nach dem Urheber der indiscreten Veröffentlichung eine gleichlautende Kundgebung des „Reichsanzeigers" und der „Nordd. Allg. Ztg.", worin diese Veröffentlichung als auf einem Vertrauensmißbrauch beruhend bezeichnet und getadelt wurde. Ueber das Ergebniß der damals e i n g e l e i t e t e n Untersuchung wird uns heute von zuverlässiger Seite mit- getheilt, daß kein Angehöriger des deutschen Officiercorps den Vertrauensmißbrauch be gangen hat. Dieses Resultat muß mit um so größerer Genugthuung begrüßt werden, als die erwähnte Kundgebung des „Reichsanzeigers" und der „Nordd. Allg. Ztg." mit den Sätzen schloß: „Es widerspricht den allerhöchsten Intentionen und aus drücklichen Weisungen Sr. Majestät, daß Ansprachen und Aeußerungen Allerhöchstdesselben bei militärischen Anlässen und in kameradschaftlichen Kreisen ohne ausdrückliche Ermächtigung durch die Presse verbreitet werden." — Die Feststellung, daß kein deutscher Officier über die ausdrücklichen Weisungen des obersten Kriegsherrn sich hinweggesetzt hat, genügt aber noch nicht, den Zwischenfall vergessen zu machen. Das kann nur geschehen, wenn man den Namen des Schuldigen und die Art seiner Bestrafung erfährt, oder wenn man inne wird, daß über kaiserliche Ansprachen und Aeußerungen bei militärischen An lässen Schweigen beobachtet wird. Wenn der Schuldige und FrurllstsM» Uechtsanwalt Lohmann. llj Roman von Rudolf Jura. »xxNrrck rollen. Der Rechtsanwalt blickte sie betroffen an und das Fräulein fuhr mit frecher Offenheit fort: „Nun ja, Sie sind doch in der peinlichsten Verlegenheit, wie Sie sich mir gegenüber stellen sollen. Sie sind im Zweifel, ob ich im Besitze des Briefes bin oder nicht, und fürchten sich daher, mich durch irgend welche Gewaltmaßregeln zum Aeußersten, also zur wirklichen Vernichtung des Papiers, zur reizen. Dieser Zustand ist für mich ebenso günstig, wie für Sie unangenehm. Ich werde daher, obwohl der Brief thatsächlich verbrannt ist. Alles thun, was in meinen Kräften steht, um Sie in Ihrem Zweifel zu erhalten." „Ich zweifle jetzt nAi im Mindesten mehr", rief der Rechts anwalt empört und strich sein Geld wieder ein, „sondern ich bin überzeugt, daß Ihnen gegenüber jedes Mittel erlaubt ist. Glück licher Weise können wir ja den Brief selbst vielleicht ganz ent behren, da wir seit gestern Abend in dem Besitze Ihrer freund lichen Abschrift sind. Guten Morgen!" Eilig begab er sich jetzt nach der Adalbertstraße. Denn er hatte schon früh im Krankenhaus erfahren, daß die Kranke wieder dorthin übergeführt worden war. Er sprach zunächst bei der Frau Staatsanwalt vor und theilte ihr mit, daß er eine Abschrift deS Briefes ihrer Schwägerin bei sich habe, und daß er hoffe, vielleicht schon damit die Rettung bewerkstelligen zu können. Die Frau Staatsanwalt ließ sich durch seine überzeugte Sicherheit immer mehr zum Glauben an das von ihm behauptete Doppelleben der Frau Doctor bekehren. Sie ließ sich auch von seiner Hoffnung auf Heilung anstecken und ging mit ihm in die Wohnung ihrer Schwägerin hinauf, wo dieselbe eben ihre ge wohnte Morgenarbeit beendet hatte und, wie immer in der zehnten Stunde, anfing, nach dem Briefe zu suchen. Der Rechtsanwalt erschrak und das Herz zog sich ihm schmerz lich zusammen, als er ihr abgemagcrtes Gesicht mit den tief gesunkenen Augen erblickte. In dieser elenden Verfassung saü di« arme Kranke allerdings weder der Frau Doctor selbst, noch ihrem Dienstmädchen ähnlich. Er mußt« mit Gewalt an sich balten, um das unglückliche Wesen nicht in seine Arme zu schließen. Dinn ihm war, als könnte er sie mit seinen Küssen zum Bewußtsein und wahren Leben wieder aufwe«U. Aber er bezwang sich, drängte die Thränen des Mitleids und der Liebe zurück, die ihm in die Augen schießen wollten, und redete sie mit ruhiger Freundlichkeit an: „Es ist hier ein Brief von der Frau Doctor an Sie. Ich will ihn Ihnen Vorlesern" Ihre grauen Augen hefteten sich mit gespannter Aufmerksam keit cuf seine Lippen und auf seinen Brief, und gierig lauschte sie seinen Worten, als er nun las: „Jetzt wache auf! Vergiß all das Niedrige, was Du soeben gcthan hast, und sei wieder, wie früher, die feine, vornehme Frau Doctor Römer." Die Wirkung dieser Worte, die er langsam und nachdrück lich gesprochen hatte, war unverkennbar. Ein freudiges Zittern lief durch ihren Körper. Sie athmete hastig, wie Einer, der sich bemüht, einen schweren Traum abzuschütteln, und sprach mit einem unendlich rührenden, flehenden Ton in der Stimme: „Ja, das ist wohl richtig. Geben Sie mir den Brief! Bitte, bitte, geben Sie mir ihn. Ich muß ihn selbst lesen. Er muß doch auf dem Nachttisch gelegen haben. Nicht wahr? Es ist sonderbar, daß ich ihn nicht gefunden habe, als ich vorhin suchte. Lassen Sie mich noch einmal Nachsehen!" Von einer plötzlichen Eingebung beseelt, gab der Rechts anwalt jetzt den Brief der Frau Staatsanwalt, die seinen Wink sogleich verstand und, während er die Kranke noch zurückhiclt, ins Schlafzimmer eilte. Dort kniffte sie den Brief so um, daß die begleitenden Zeilen Fräulein Kurzmüller's verschwanden und nur die eigentliche Abschrift sichtbar blieb, und legte ihn auf den Nachttisch. Kaum hatte sic dies Werk beendet, da trat ihre Schwägerin ein und griff sogleich nach dem Zettel, den sie mit frohem Staunen auf seinem gewohnten Platze liegen sah. Sie nahm ihn zur Hand und setzte sich nach ihrer Gewohn heit damit in den großen Polsterstuhl am Fenster, um ihn in Ruhe zu lesen. Sowie sie jedoch die ersten Blicke auf die fremden Schrift züge geworfen hatte, ließ sie enttäuscht das Blatt sinken und die Thränen traten ihr in die Augen über den boshaften Schaber nack, der ihr nach ihrer Meinung gespielt worden war. „Das hat die Frau Doctor nicht geschrieben", sagte sie. „Das ist nicht ihre Schrift und auch nicht ihr Briefpapier. Ich muß cber den Brief lesen, den sie selbst mir geschrieben Hot Das ist meine Pflicht. Und ich werde ihn suchen, bis ich ihn finde. Wenn Sie wissen, wo er liegt, so zeigen Sie mir ihn doch, bitte, bitte! Ich muß ihn doch lesen. Und ich habe ihn Emil gegeben, und der hat ihn behalten. Warum kommt er nicht und giebt ibn mir zurück?" Immer aufgeregter schrie sie nun nach dem Brief, und al«» bald verfiel sie wieder in einen jener Anfälle, die nun schon den dritten Tag ihren geschwächten Körper verzehrten. Die Frau Staatsanwalt war jetzt nicht mehr im Zweifel oarüber, in der Unglücklichen ihre Schwägerin vor sich zu haben, und bemühte sich mit liebevoller Sorgfalt, ihr in ihrem Leiden Erleichterung zu schaffen. Aber jede Handreichung, jeder lindernde Versuch war bei diesem halb ohnmächtigen, nur von einer unbewußten fieberhaften Wuth geschüttelten Körper ver gebens. Es war nichts Anderes zu thun, als ruhig abzuwarten, dis der Anfall seine Kraft erschöpft haben und nach der Krisis die unausbleibliche Ermattung wieder eintretcn würde. Der Rechtsanwalt stand in verzweifelter Unthätigkeit daneben. Der Versuch mit der Abschrift war gründlich fehl geschlagen, und die Urschrift dem boshaften Fräulein Kurz müller aus den Händen zu reißen, wollte ihm auch kein Mittel ein.fallen. Gerettet aber mußte die Geliebte werden. Um jeden Preis! Was also thun? Es war ihm unmöglich, jetzt so gänzlich unverrichteter Sache wieder davon zu gehen, ohne wenigstens einen neuen Plan gefaßt zu haben, und nachdenklich setzte er sich an den Schreibtisch der Frau Doctor, um über einen neuen Rettungsweg nachzusinnen. In der Mitte des Schreibtisches, in einem offenen Fach des Aufsatzes, lag das Briefpapier der Frau Doctor, und als Kin Auge auf die zierlichen, elfenbeingelblichen Bogen fiel, stieß er plötzlich einen Laut freudiger Erkenntniß aus, als habe er unvermuthet einen kostbaren Fund gemacht. Der Gedanke, der ihm beim Anblick des Briefpapiers ge kommen war, war so einfach und selbstverständlich, daß er sich selbst wunderte, nich. sogleich darauf verfallen zu sein. Mit einer raschen Kopfwendung und lebhafter Stimme rief er die Frau Staatsanwalt herbei, zeigte ihr das Briefpapier und fragte: „Sind dies die Briefbogen, die Ihre Frau Schwägerin ge wöhnlich zu benutzen pflegt? Mir scheint es so. Denn mir hat sic alle geschäftlichen Mittheilungen immer auf diesem Format gemacht. Aber es wäre ja möglich, daß sie noch anderes im Gebrauch hätte." „Meines Wissens nicht. Es ist ja auch nichts weiter auf dem Schreibtisch zu bemerken. Aber warum fragen Sie? „Weil ich sicher ,ein will, daß wir unseren neuen, künstlichen Brief auch wirklich auf dem richtigen Papier Herstellen." „Ich verstehe Si: nicht." „Die Sache ist aber sehr einfach. Sie haben vorhin selbst gehört, daß unsere Abschrift nur deshalb ihre Wirkung auf die Kranke verfehlte, we-l sie beim Lesen des wohlbekannten Wort lautes bemerkte, daß weder die Handschrift der Frau Doctor, noch das echte Papier vorhanden war. Diesen beiden Fehlern läßt sich aber leicht abhelfen. Hier haben wir das echte Briefpapier Ihrer Frau Schwägerin, und auf diesem Papier werden wir auch sogleich ihre echte Handschrift haben." Erstaunt und ungläubig blickte ihn die Frau Staatsanwalt an. Er aber fuhr weiter fort: „Sie scheinen ganz zu vergessen, daß Ihre Frau Schwägerin in eigenem Person, wenn auch bewußtlos, da vor uns auf dem Divan liegt! Sie selbst muß uns Beihilfe zu ihrer eigenen Errettung leihen. Sehen Sie, sie athmet schon ruhiger. In wenigen Minuten wird ibr Anfall vorüber sein. Dann pflegt sie doch immer einige Zeit bei klarem Bewußtsein, wenn auch nur bei ihrem hypnotischen Dienstmädchenbewußtsein, zu bleiben. Diese Zeit müssen wir ausnutzen. Legen wir hier immer Alles zum Briefschreiben zurecht. Ein paar Zeilen nach Dictat zu schreiben, wird sie doch im Stande sein." Jetzt erst verstand die Frau Staatsanwalt seinen Plan. „Ja, nun sehe ich, wo Sie hinaus wollen", rief sie glück strahlend. „Gott segne Sie für diesen guten Gedanken! Wenn wir sie dazu bringen können, zu schreiben, muß die Sache ja gelingen!" Ungeduldig standen sie nun Beide an ihrem Laaer und warteten das Ende ihrer Ohnmacht ab. Der Wuthanfall war schon vorüber. Sie lag in ruhigem Schlummer, und nach fünf Minuten schlug sie verwundert die Augen auf. „Stehen Sie auf", sagte jetzt der Rechtsanwalt in strengem, wenn auch nicht unfreundlichem Tone zu ihr. „Sie muffen einen Brief schreiben." Die Kranke war noch müde und suchte sich dem Einfluß, den diese bestimmte Aufforderung unverkennbar auf sie ausübte, zu entziehen. Sie erhob sich zwar etwas von dem Divan, murmelte aber mit niedergeschlagenen Augen: „Ich w«iß nichts. Ich kann nicht schreiben." Der Rechtsanwalt empfand wohl Mitleid mit ihrer Schwäche. Aber um ihrer selbst Willen durfte er nicht weichherzig sein und sie nicht schonen. „Kommen Sie", fuhr er energisch fort. „Setzen Sie sich an den Schreibtisch und schreiben Si«. Es ist ein Auftrag der Frau Doctor Römer, den Sie auszuführen haben. Si« können sehr gut schreiben. DaS weiß ich. Sie haben mir ja selbst erzählt, daß Sie der Frau Doctor allerhand Mittheilungen auf dke Schiefertafel in der Küche zu schreiben pflegen. Hier ist Feder und Papier. Gehorchen Sie und schreiben Sie genau nach, was ich Ihnen dictire. Wenn Sie mit der kleinen Arbeit fertig sind, dürfen Si« sich wieder hinlegen urkd schlafen, so viel Sie wollen." Er batte ibr müde herabhängender Gesicht unter dem Kinn gefaßt und in die Höhr gehoben und ihr fest tn di« jetzt so matten
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