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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.07.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-07-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010715010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901071501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901071501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-07
- Tag1901-07-15
- Monat1901-07
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Anzeigen «Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 Rerlameu unter dem Redacrion-strüy (4 gespalten) 7b H, vor de» Familieunach- richten («gespalten) bO H. Tabellarischer und Zisfernsatz entsprechend höher. — Gebühren sür Nachiveisuageo und Offertruauuahiue Lä (excl. Porto). Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung SO.—, mit Postbesörderuug ^tz 70.—, Ännahmeschluß für Äuzeigen: Abeud-AuSgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bet deu Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stunde früher. Anzeige» find stet- a» die Expedition zu richte». Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr- Druck und Verlag voo E. Polz tu Leipzig. 355. Montag den 15. Juli 1901. 95. Jahrgang. Amtlicher Theil. Bekanntmachung, die katholische Kirchen- und Schulanlage bctr. Zur Deckung des Bedarfs sür die römisch-katholischen Kirchen der Erblande und die hiesige katholische Schulgemeinde sind sür da» laufende Jahr 22 Pfennige von jeder Mark des normalmiitzigen EinkomiucnfteuersatzcS als Kirchena »läge und 20 Pfennige vou jeder Mark des normalmiitzigen EinkommensteuersatzeS als Schulanlage zu erheben. Die hierzu beitragspflichtigen hiesigen katholischen Glaubens- qeuofsen werden hierdurch aufgefordert, ihre Zahlung-Pflicht binnen drei Wochen, vom 15. dieses Monat» ab gerechnet, bei den be treffenden Zahlstellen zu erfüllen, widrigenfalls nach Ablauf dieser Frist gegen die Säumigen da» vorgefchriebene Beitreibung-verfahren eingrleitet werden wird. Leipzig, am 13. Juli 1901. Der Rath der Stadt Leipzig. —— vr. Tröudlin. Koch. Ausschreibung. Für den Neubau der Heil- und Versorganstalt Dösen soll die Mobiliarlieferung für die vier Hauser für Steche ver- geben werden. Die Bedingungen und Arbeitsverzeichnisse können beim Hochbau- Amte, Rathhau», H. Obergeschoß, Zimmer Nr. 6 eingesehen oder gegen Porto- und bestellgeldfreie Einsendung von zusammen 1,25 ^l, die auch in Briefmarken erlegt werden können, bezogen werden. Die Pläne rc. liegen in der Bauhütte der Heil- und Versorg« anstatt Dösen an der Chaussee von Probstheida nach Wachau zur Einsicht au»; auch können die Probestücke dorr besichtigt werde». Die Angebote sind verschlossen und mit der Aufschrift: „Heil- und Bersorganftalt Dösen, Mobiliar, Häuser für Sieche" versehen, bi» zum 22. Juli 1801, VormitttagS 10 Uhr auf dem Nachhause an obengenannter Stelle portofrei einzureichrn. Der Rath behält sich die Theiluug der Arbeiten, sowie jede Ent schließung vor. Leipzig, den 11. Juli 1901. Der Rath der Stadt Leipzig. Deputation zum Hochbauwescn. Scharenbrrg. Vermiethnngen. 1. Lange Stratzc Nr. Z2d Rauftschc Äakfe Rr. 1 a. Lade» mit Wurstküche, sür ein Produklengeschäst Passend, zu 600 jährlich — sofort — d. 1 Wohnung im I. Obergeschosse zu 850 jährlich zum 1. Oktober dieses Jahres. zu Vermietheu. Miethgefuche werden auf dem Rathhause II. Obergeschoß, Zimmer Nr. 20, entgegengenommen. Leipzig, den 3. April 1901. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Tröndlin. Römer. Versteigerung. Donnerstag, den 18. Juli d. I., 4 Nhr Nachmittags sollen im Grundstücke Brühl 21 1 großes Lager Manufacturwaaren im Schätzungswerthe von 13 300 bestehend auS Gardinen, Congreßslosse, Teppiche, Mäntel, Ball- und Kleiderstoffe, Schürzen- und Seidenstoffe, Sammet, Möbelstoffe, Matratzen-Drell, Bettzeuge, Jnlettstoff, Vitragenstoffe, Servietten, Tischtücher, Damast, Reinleinen, Kaffeegrdecke, Plüschdecke», Portiören, Tischdecken, Spachtel kante, Gardinenspitze, Wäschebesätze, Stickereien, Damenbein- tleider, Hemden, Jacken, Nachthemden, Kiuderbeinkleider und Hemden, Kragen, Manschetten, Chemisettes, Hemdeneinsätze, Steppdecken, Strümpfe, Herrenhemden und Uuterbeinkleider, 8 Sack Bettfedern, Ladentaseln, Regale, Pulte, Copierpresfe und verschiedene andere Gegenstände im Ganzen öffentlich an den Meistbietenden versteigert werden. Leipzig, den 8. Juli 1901. Der Gerichtsvollzieher des Kgl. Amtsgericht». Laurentius Meister, ein sächsischer Landpfarrer zur Zeit Luther's. Nach größtentheils ungedruckten >). Quellen dargestellt von Dr. Kurt Krebs. Drei- oder auch vierhundert Jahre alte Zeugenprotokoll« zu durchblättern, erscheint im Allgemeinen wohl recht nutzlos; und doch finden sich in den dicken, vergilbten Actenbänden, welche die selben füllen, nicht selten werthvolle Materialien zur Krrmtniß interessanter Personen der Vergangenheit, z. B. von Zeitgenossen Luther's. Aus den wohlerhaltenen Niederschriften über das Alter ländlicher Handwerke in den Jahren 1549 und 1552 und über die Jagdberechtigung der Herren von Einsiedel auf Gnandstein und von Kreipen auf Frohburg im Jahre 1555 erfahren wir zum Beispiel, daß der Pfarrer Laurentius Meister zu Altmörbitz bei Kohren im Jahre 1488 zu Jahns- Hain bei Kohren geboren und Wohl im Alter von 20 Jahren Schloßcaplan zu Gnandstein und fünf Jahre später Schösser, d. h. Stellvertreter des dortigen Gutsherrn, wurde; gewiß eine etwas wundersame Carriörr eines Geistlichen! Völliges Dunkel herrscht über seine vielleicht bäuerliche Abkunft, über seine Ver- wandtschaft, da nur ein Bruder, Namens Georg Meister, in Eschefeld bei Frohburg nachweisbar ist, über seine Vorbildung, über den Gang seiner Studien u. A. Schon früh scheint Meister für das Pfarramt Altmörbitz bei Kohren bestimmt worden zu sein, wird er doch schon als Schloß- caplan auf Gnandstein im Jahre 1516 „der würdige, ehrbar: Herr L. M., Pfarrer zu Altmörbitz" genannt, also volle acht Jahre vor der endgiltigen Uebernahme dieses Pfarramtes. Bis 1516 amtirte in diesem, an der altenburgischen Grenze gelegenen r) Der Professor Lias- Johann Erhard Kapp hat 1727 ihrer etliche publicirt in seiner „Kleinen Nachlese zur Re formations-Geschichte". Theil 1, Seite 210 u. s. w. sächsischen Dorfe der Pfarrer Johann Trünks, und bis 1524 Stephan Dörffer; ob letzterer schon seit 1501 „Fronepriester", d. h. Hilfsgeistlicher, gewesen, ist nicht näher bekannt; auch Meister scheint bereits vor 1524 zu Altmörbitz als Geistlicher thätig ge wesen zu sein, da Vorkommnisse kurz vor dem Tode Dörffer's ganz und gar denselben Geist athmen, wie viele der späteren unter Mcister's Amtirung. Mit der ersten Amtsführung unseres Pfarrers machen uns bekannt einige Rechtsgutachten des späteren Bürgermeisters vr. Ludwig Fachs zu Leipzig 2). Als guter Katholik bezeichnet dieser seine Zeit als eine, worin „Jedermann seines Ge fallens handeln will". In Altmörbitz geschah es leider. Die Ge meinde batte nämlich ein Scheffelmaß von bestimmter Größe und der Pfarrer auch eins von größerem Inhalte, und ein Jeder be zeichnete das seinige als das von den Vorfahren überkommene und darum auch giltige. Hatten die Bauern die kirchlichen Abgaben nach ihrem Scheffel entrichtet, so war es der Pfarrer nicht zu frieden; und wollte Meister den Decem nach dem Kirchenscheffel in Empfang nehmen, so waren die Bauern nicht bereit dazu. Fachs räth dem blutjungen Kirchenpatron, der ganz wahrschein lich einst der Schüler Meister's gewesen war, die streitenden Gegner an den Bischof von Merseburg zu weisen, sich selbst aber keinen Uebergriff zu erlauben. Welches Ende dieser Zwist ge nommen, ist nicht bekannt, rr zeigt uns aber das Nahen deS Bauernkrieges auch in dieser Gegend. Der Begehrlichkeit der katholischen Geistlichkeit tritt die bäuerlich« Armuth entgegen, der unklugen Uebertreibung vielleicht zu Recht bestehender Befugnisse hier, ein trotziges Versagen, wie es nur gänzliche Mittellosigkeit fertig bringt, dort. Man sollte glauben, Pfarrer Meister habe infolge dieses .Zwistes mit seiner Gemeinde innigere Anlehnung an das ihm so vertraute Haus Gnandstein gesucht, zumal sich die Altmörbitzer auch sehr bald gegen die Forderungen ihres neuen Erbherrn theils auf dem Wege des Rechts, theils auf >>im der revolutionären Selbsthilfe wehrten; es scheint aber durchaus nicht so gekommen zu sein. Die späteren Rechtsgutachten des bereits erwähnten Leipziger Juristen lassen sogar erkennen, daß der Patron beab sichtigt hatte, unseren Laurentius Meister verhaften und in seine Burggefängnissc sperren zu lassen, ihn abzusetzen und von der Stelle zu jagen. Auf die nicht erhalten gebliebenen Beschuldi gungen des Patrons hin nennt FachLden Pfarrer Meister nicht nur einen muthwilligen Pfaffen, sondern sogar einen Buben. Worin seine Vergehen bestanden, ist Nicht mit Sicherheit zu er kennen; die Wort«: „Ohne Zweifel, der Bischdf von Merseburg würde darauf dem Pfarrer wohl den Knebel einbinden", deuten auf Zungensünden, und der Anfang deS Briefes: „Der Schrift halben, die der Pfarrer von Altmörbitz an Eure Frau Mutter gethan", auf schriftliche Aeußerungen, die als Beleidigungen aus genommen worden waren. Wenn es endlich in jenem Briefe heißt, daß Meist«! „die Sache nun abermals angeregt, sonderlich von wegen fremder Leute", so möchte man fast annehmen, die ge meinsame Nothlage habe Seelsorger und Pfarrkinder geeinigt r) Vergleiche meinen Aufsatz im „Leipziger Tageblatt«" 1898 am 7. November (Nr. 564). und den Pfarrer zum Verfechter der gemeinsamen Forderunger gemacht. Den Altmörbitzern war z. B. verboten worden, ii ihrem Kretzscham anderes Bier zu trinken, als das theure unk minderwerthige aus per Brauerei zu Gnandstein, auch jedes öffentlich« Spiel mit Karten war bei drückender Geldstrafe unter sagt worden; ferner hatte der Erbherr die Fischereibefugniß in der an Altmörbitz voriiberflietzenden Wyhra an sich gerissen, und all' diesen Beschränkungen gegenüber waren auch noch die bisherigen Frondienste vermehrt worden, so daß „die armen Leute in solch' Abn«hmen und Armuth gekommen, daß, wo vor Jahren einer allhier vier Kühe erhalten, jetzt schwerlich mit aller Noih «ine Kuh ernähren und erhalten" konnte. Wir verstehen hieraus, daß sich die Altmörbitzer „letzlich mit anderen Dörfern verbinden und in Aufruhr begeben" konnten. Unvergeßlich blieb es dem Erbherrn, „welchergestclt sie im 1525. Jahre vor dem Schlosse Gnandstein erschienen waren und ihre Zinse geboten hatten." Fachs räth unterm 12. Juni 1524, Achtung zu haben auf die Hauptleute und Buben, welche solches Thun anrichten und die anderen verhetzen, und sie zuhanden zu nehmen und strafen zu lassen, denn sie möchten sich mit keiner Vernunft behandeln lassen. Er deutet damit also an, daß nach Altmörbitz zur Unzufriedenheit mit ört lichen Beziehungen auch Aufreizungen von auswärts gekommen waren, daß local« Belästigungen als Glieder allgemeiner Leiden des zahlreichsten aller deutscher Stände empfunden wurden. Weder adlige Abkunft, noch adlige Bildung hatten also den unerfahrenen Erbherrn so verständig sein lasten, in aufrührerischen Zeiten nicht noch gefährliche Zündstoff« anzuhäufen. 2) Am 14. September 1527 mußte sich Laurentius Meister dem Patron gegenüber verpflichten, die Pfarre zu Altmörbitz aufzulassen, wenn er das heilig« Wort Gottes nicht ohne Zusatz, nicht lauter und rein predige, von unordentlichem Wesen nicht ab lassen und Wandel und Leben nicht zu gutem Exempel und Bei spiele richten und führen würde. Das ist di« erste bekannt« einer langen Reihe ähnlicher Verschreibungen, die im Laufe der Zeit der Patron unserm Pfarrer abforderte, und wohl auch di« einzige, der wir unfern Beifall spenden können.«) Es war ja das gute Recht der Patron« und der evangelisch gewordenen Landesregie rung des Kurfürstrntbumes Sachsen, von den früher katholisch gewesenen Pfarrern, die ihres Amtes weiter walten wollten, lauter« und reine Verkündigung des Wortes Gottes zu fordern und evangelischen Wandel zu vkklancM.'""Daß der Patron aber unserem Meister mitunter um ganz unmöglicher Zugeständnisse Willen neue und immer neue Verschreibungen abforderte, das erbitterte weithin; das gemeine Volk rief den Betherligten spöttisch zu: „Schreibt, Herr Pfarrer, schreibt, Daß Ihr bei der Pfarre bleibt!" und der berühmte Superintendent Altenburgs, Georg Spalatirr, meinte zornig: „So ist's wahrlich Verschreibung genug, ja auch Verpflichtung genug, da mein Gnädigster Herr, der Kurfürst zu Sachsen, gar kein«n Pfarrer länger leidet, denn er recht und christ- 2) Einiges über den Bauernkrieg in dieser Gegend inW 0 lf - ram's Chronik der Stadt Borna, S. 34 u. s. w. 4) Des Verfassers „Heinrich von Einsiedel u. s. w.", S. 93. Lenellaton. Allgegenwärtiger Staub. Eine zeitgemäße Plauderei für den Sommer. Von Conrad Ber gt m ann. Nachdruck rcrdotcn. Wenn die sommerliche Sonne die Feuchtigkeit des Winters nnd Frühlings aufgetrocknet hat und mit sengenden Strahlen auf das vor Hitze zerklüftete Erdreich herniederscheint, beginnt die Plage des Staubes. In dichter Schicht lagert er auf den Uni formen und den Gesichtern der von der Felddienstübung heim kehrenden Truppe; auch der flüchtig mit Windeseile dahersausende Radfahrer entgeht ihm ebenso wenig wie der Tourist, wenn dieser nicht gerade über den schwellenden Rasen der Bergwiesen und Alpenmatten marschirt, und auch im Eisenbahncoup6 ist man keineswegs sicher vor ihm, denn dort tritt er in seiner unange nehmsten Abart auf, als jenes innigfeines Gemenge von Loco- motivruß und geriebenem Schotter, welches durch die feinsten Spalten dringt und der schweißfeuchten Haut so fest anhastet, daß nur Seife und Bürste im Stande sind, un» davon zu be» freien. In der That, Überall, wohin wir blicken, drängt sich der Staub unS auf. Maa die Hausfrau noch so sorgfältig die Thüren und Fenster verschließen, er findet doch seinen Weg durch die feinsten Ritzen unserer Zimmer und lagert sich in die Bezüge unserer Möbel und die Teppiche, die Gardinen und auf alle jene kleinen Nippsachen, mit denen der moderne Geschmack unsere Wohnungen auszustaffiren liebt. Er ist die Hydra, welcher statt eines abgeschlagenen Kopfes sofort zwei neue wachsen und gegen die unsere weiblichen Herkulesse in Rock und Schürze mit Wisch lappen und Staubtuch einen Kamps ohne Ende führen. Er setzt sich in die Oelfarbe und den Lack unserer Gemälde, deren Farbenpracht keinen ärgeren Feind hat, al» ihn; er hemmt den Gang der Uhren und anderer feiner Räderwerke, in deren Achsen lagern er unerwünschte Reibung verursacht; dem Chemiker ver dirbt er seine feinsten Waagen und sonstigen PräcisionSinstru- mente, dem Amateurphotographen legt er sich zu dessen Verdruß auf die im Trockenen begriffenen Negativplattrn und dem Manne der Wissenschaft, der im stillen Laboratorium bakteriologische Untersuchungen anstellt, fälscht er die Ergebnisse seiner mühe vollen Arbeit, wenn rin einzige» Staubkornchen mit etlichen ilnn anhaftenden Bazillen oder Sporen den Weg zu den sorgfältig verschlossenen Bakterienculturen und Nährgelatinen findet. Ein« Vertilgung de» Staube» von Grund au» ist «in Ding der Unmöglichkeit, wenn die Straßen auch noch so fleißig ge sprengt werden und in der Wohnung auch noch so peinlich auf gewischt wird, so ist der Staub doch im nächsten Augenblick schon wieder da; denn wenn wir durch ein Loch der aeschlofstnen Fenster laden einen Sonnenstrahl inS verdunkelte Zimmer fallen lassen, sehen wir, Wit sich unzählige Staubtheilchen in lustigem Tanze in der Luft tummeln. ManhatdieZahl d«r in der Luft herumschwim menden Staubtheilchen bestimmt und dabei ganz ungeheuerliche Zahlen ermittelt; so fand Aitken in freier Luft bei Regen 32 000, bei schönem Wetter 130 000, in normaler Zimmerluft in Kopfes- höhe 1860 000, an der Decke sogar 5 420 000 Staubtheilchen in einem Cubikcentimeter, während er auf dem Rigi bei Regenwetter deren nur 210 in demselben Luftraum ermittelte. Ein großer Theil derselben ist organischen Ursprunges und besteht aus aus gewachsenen Bakterien oder Sporen derselben, besonders Schim melpilzen, von denen die Luft im März am wenigsten, nämlich etwa 5500 im Kubikmeter enthält, während ihre Zahl im Juni auf das Zehnfache steigt. Haben wir nun heute auch jene schreckhaften Vorstellungen aus den Anfangszeiten der Bakteriologie überwunden, in denen man sich entsetzte, daß man mit jedem Athemzuge und jedem Schluck Getränk eine ungeheure Menge der uncontrolirbaren Kleinlebewesen in sich aufnahm, so haben wir doch den Staub als grimmigen Feind unserer Gesundheit kennen gelernt. Wir wissen, daß es einen absoluten Schutz gegen ihn nicht giebt; aber die Erwähnung, daß die Gefahr mit der Menge des eingeathmeten Staubes wächst, spornt uns zu dem in unserem eigenen Interesse nothwendigen Kampfe an. Einen rechten Begriff von dieser Nothwendigkeit bekommt man erst, wenn man ein Pröbchen Staub unter verschiedenen Vergrößerungen im Mikroskope betrachtet. Pflanzenreste und Partikelchen thierischer Nahrung sind da mit rasirmesserscharfen mineralischen Trümmern vermengt, welche durch den Fußgänger- und Wagenverkehr von der Straßendecke losgelöst sind, und wir wundern uns nicht mehr, daß diese winzigen, aber zahllosen dolchartigen Staubtheilchen, wenn sie mit der Äthmungsluft in un sere Lungen gelangen, die feinen Schleimhäute der Lungenbläschen durch tausendfache, winzige Wunden verletzen können; wenn wir aber ein wenig Staub mit einer geeigneten Nährflüssigkeit aus säen und unter einer Glasglocke im Brutschränke sich selbst über lassen, wächst binnen 48 Stunden ein wahrhaft botanischer Gar ten von Bakteriencolonien heran. Ueber die durch Staub verursachten Krankheiten ist dem Publicum in den letzten Jahren so viel erzählt worden, daß es hier kaum einer näheren Ausführung über diesen Punct bedarf; alle mit starker Staubentwickelung verbundenen Gewerbe zeichnen sich unvortheilhaft durch einen ungewöhnlich hohen Procentsatz von Lungentrankheiten auS; die Lungentuberkulose, welche :in Drittel der arbeitenden männlichen Bevölkerung zum Opfer fallt, ist aber vorzugsweise eine Staubkrankheit, die dann ihren Einzug in den Körper hält, wenn die natürlichen Schutzwehcen desselben, namentlich die den Staub entfernende Flimmer bewegung der Schleimhäute, nicht mehr im Stand« sind, die großen Staubmengen, die eingeathmet wurden, zu entfernen. Wa» aber weniger beachtet wird, ist der Umstand, daß auch ein von Mikroorganismen relativ freier Staub schließlich die Lungen in gefahrdrohender Weise überlastet und daß der, welcher Kohlen oder Mehlstaub oder den bei Steinmetzarbeitcn, beim Stein klopfen oder in der Thon- und Porzellanwaarenindustrie ent stehenden Staub lange Zeit rinzuathmrn gezwungen ist, schließ lich ebenso zu Schaden kommt, wie der Arbeiter in der GewebS- indufiri» und der Kürschner, der beim Klopfen eine» Rennthier oder sibirischen Blaufuchspelzes vielleicht die Keime des gefürch teten Milzbrandes einathmet. Für Jenen, der viel Staub schlucken muß und dabei einen staubfangenden Respirator nicht tragen will oder kann, giebt es eigentlich nur zwei Wege, um die ihn bedrohenden Uebel nach Möglichkeit zu verhindern. Er muß sich nämlich daran ge wöhnen, ständig durch die Nase zu athmen, weil sich auf diesen: Wege die meisten Staubtheilchen der Athmungsluft auf den Nasenschleimhäuten niederschlagen, um von dort gelegentlich ent fernt zu werden. Die zweite Gesundheitsregel geht aber dahin, daß man in kürzeren Zwischenräumen mehrmals hintereinander tiefe Athemzllge bis zur äußersten, möglichen Grenze der In spiration und Exspiration machen soll. Hierdurch wird nämlich erstens die Lunge gründlich ventilirt, und wenn hierbei, wie es bei Stubensitzern meistens der Fall ist, Hustenreiz eintritt, be sorgen die Hustenstöße, welche man keineswegs unterdrücken soll, außerdem noch eine Befreiung der Lunge von dem in ihr ent haltenen, staubbeladenen Schleim. Wie entstehen nun eigentlich die ungeheuren Staubmengen, von deren Dasein wir uns an jedem Halbwegs trockenen Sommer tage überzeugen können? Ein griechischer Naturphilosoph hat schon vor 2^2 Jahrtausenden den Satz ausgesprochen, daß sich Alles in der Welt in ewiger Bewegung befindet. Wo aber Be wegung ist, reibt Materie an Materie und reißt kleinste Theilchen derselben los, welche nun ein selbstständiges Dasein führen, falls sie nicht einer chemischen oder mechanischen Bindung oder Auf lösung verfallen. Aus diesem Grunde erzeugt jegliche menschliche Arbeit Staub; bei jedem Schritt, welchen wir thun, werden feinste Theilchen der Ledersohle ebenso wie des Bodens, den wir treten, zerrieben und zerfasert; die Pferdehufe und Wagenräder besorgen dasselbe Ge schäft in ungleich größerem Maßstabe. Ganz Bedeutendes aber leisten in dieser Hinsicht unsere Maschinen, welche bei dem Hin- und Hergehen ihrer Theile fortwährend Staub erzeugen, der ent weder sofort oder sobald er ausgetrocknet ist, seine Wanderschaft beginnt. Ein Eisenbahnzug von mittlerer Länge verwandelt, wie man au» dein Gewichtsverlust der Schienen berechnet hat, während einer Fahrt von einem Kilometer jedesmal über ein Kilogramm festesten Stahle» der Gleise in feinste Eisensplitter; durch den Druck des Zuge» auf Schienen und Schwellen und die darunter liegende Kiesschüttung geschieht innerhalb der letzteren ein Gleiche», und man denkt deshalb jetzt ernsthaft daran, nach amerikanischem Vorbilde den immer unerträglicher werdenden Eisrndahnstaub durch Besprengung der Kietschüttung mit Pe troleum an letztere zu binden. Wie überall ist aber auch hier da» Werk der Menschenhand etwa» Geringfügige» im Vergleich mit den Naturgewalten. Der stete Wechsel von Kälte und Hitze, von Nässe und Trockenheit führt zu einer Verwitterung der Gesteine, welche ungeheure Mengen mineralischen Staubes liefert. Die ganze Ackerkrume und alle» da», wa» die Tiefebenen der Erde auSfüllt, ist im Grunde nicht» andere» als Staub, der in Hahrmillionen von den stolzen Zinnen der damals noch viel höheren Gebirge abge splittert und durch die Luft und da» Wasser weit weg von der Stätte seine» Ursprung» fortgetragen ist. Welche ungeheure Mengen Staub im Sandmeere der Wüsten durch die reibende Wirkung des Windes erzeugt werden, wurde uns vor Kurzem erst recht handgreiflich demonstrirt, als ein heftiger und an dauernder Wüstenwind nach ganz Süd- und Mitteleuropa Millionen von Centnern Saharastaub entführte, der bei uns die seltene Erscheinung des Blutregens herbeiführte. Eine fernere ausgiebige Staubquelle ist in der vulkanischen Thätigkeit zu suchen. Der Ausbruch des Krakatau im Sunda- archipel, wahrscheinlich die gewaltigste vulkanische Eruption in historischen Zeiten, schleuderte im Jahre 1882 gewaltige Staub massen in so hohe Schichten der Atmosphäre, daß diese während fast zwei Jahren in derselben schwebend blieben und sich über den ganzen Erdball verbreiteten, wobei sie die prächtigsten Dämme rungserscheinungen hervorriefen. Der Staub ist aber durchaus nicht ausschließlich terrestrischen Ursprunges; er ist auch in den entlegensten Fernen des Weltalls zu finden, wo er mächtige Dunstballen bildet, die uns als Nebel flecken erscheinen; wahrscheinlich erfüllt er in unbeschreiblicher Verdünnung überhaupt den ganzen Weltraum, so daß ein be ständiges, aber unmeßbar langsames Wachsen der Weltkörper durch angezogenen und abgelagerten kosmischen Staub statt findet. Auch das Zodiakallicht gilt nach heut allgemein giltigcr Annahme als Reflex des Sonnenlichtes auf einem um die Erd« schwebenden Ringe, der aus kosmischem Staube besteht. In letzter Linie ist schließlich die ganze Schöpfung, so weit sie unseren Sinnen erkennbar ist, nichts als Staub; denn alle Materie, ganz gleich, ob sie fest, flüssig oder gasförmig ist, setzt sich aus ein zelnen Molekülen oder Moleklllegruppen zusammen, denen wir, sobald sie ein Sonderdasein führen, nicht verschiedene Modifi kationen beilegen können, und von denen jedes einzelne nichts an deres ist, als ein Stäubchen von für uns unmeßbarer Kleinheit. So lange wir leben, ist der Staub, aus dem wir selbst be stehen, eine fortwährende Gefahr für uns, und e» ist unverant wortlich von uns, daß wir ihm in unseren Wohnungen so viel Schlupfwinkel bieten, in denen er sich einnisten kann. Eine Hauptschuld hierbei tragen freilich unsere Herren Baumeister, welche noch vielfach der Gepflogenheit huldigen, die Zwischen räume zwischen der Decke des unteren und dem Fußboden des nächsthöheren Stockwerke» mit Bauschutt auSzufiillen, durch welchen natürlich in die prächtigen Neubauten sofort Unmengen gemeingefährlichen Staube» eingefiihrt werden. Ist der Staub nun auch eine unangenehme Beigabe der sommerlichen Wandertage, so wird er deswegen noch nicht dem Touristen die Freude an der Natur vergällen. Man wehrt sich seiner, so gut man kann, und wenn wir nach erhitzender staubibqer Fußwanderung unfern Leib seinem Antipoden, dem krystall- klaren lebendigen Wasser, überantwortet haben und in frischer Gewandung die Sommerluft mit vollen Zügen trinken, er- kennen wir mit Wonne, daß Mephistopheles mit seinem schlin- men Wunsche: „Staub soll er fressen und mit Lust Wie meine Muhme, die berühmte Schlange" wieder einmal gegenüber dem menschlichen LptlmiSmuI z« Schanden geworden ist.
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