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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.07.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-07-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010719026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901071902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901071902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-07
- Tag1901-07-19
- Monat1901-07
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Amtsblatt des königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Nalhes und Notizei-Amtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile L5 Reklamen unter dem RedactionSstrich (»gespalten) 75 H, vor den Familiennach» richten (S gespalten) SO Ls. Tabellarischer und Ziffernsatz entspreche«» Häher. — Gebühren für Nachweisungen und Offrrtrnannahme L5 Ls (excl. Porto). Ertra Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesärderuug 70—> Ännahmeschluß für Anzeige»: Abend-AuSgab«: Bormittag» 10 Uhr. Morgen-Au-gabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je rin» halbe Stunde früher. Anzeige« sind stet- an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr- Druck und Verlag von E. Polz tu Leipzig 95. Jahrgang, Die Wirren in China. * Aden, 18. Juli. Der Dampfer „Gera" ist mit dem Feld- marschall Graf Waldersee an Bord hier eingetroffen und reist am 19. Juli weiter. An Bord ist Alles wohl. (Beil. Loc.-A.) * Shanghai» 18. Juli. Prinz Tschun erschien heute, nach- dem er die Besuche der Consuln der einzelnen Mächte erwidert hatte, im deutschen Consulat zum Frühstück. Der deutsche Consul begab sich mit einer Eskorte deutscher reitender Artillerie nach der Wohnung des Prinzen und geleitete ihn in seinem Wagen zum Consulat. * London, 18. Juli. (Unterhaus.) Herbert Roberts richtet an den Unterstaatssekretär Cranborne die Frage, ob er nicht eine Erklärung abgeben könne über die Schwierigkeiten, die dazu gesührt hätten, daß die Frage der Regelung der chinesischen Entschädigung aus den tobten Punkt gelangt sei, und ob daS indische Cavallerir« Regiment, das Tientsin verlassen sollte, Gegenbefehl erhalten habe. Cranborne entgegnet, die Schwierigkeit, die sich erhoben habe, stehe in Beziehung zu der Auswahl der Einnahmen, die für den Dienst der für die Entschädigungszahlung auszugebenden BondS bestimmt seien. Die Verhandlungen seien noch immer im Fort gang. Die Abfahrt des indischen Regiments sei nicht verschoben worden. * London, 19. Juli. (Telegramm.) Die „Times" berichten aus Peking unter dem 18. Juli: Die Verhandlungen über den russischen Vorschlag, den Seezolltarif auf lO Proc. zu erhöhen, gehen noch immer nicht vorwärts, da Eng land diese Erhöhung ohne Gewährung von Handelserleichterungen, wie sie im Artikel 11 des Protokolls vorgesehen sind, oblehnt. In der heutigen Sitzung der Gesandten wurde die Angelegenheit wiederum verhandelt, und der russische Vorschlag von allen Gesandten mit Ausnahme Les englischen angenommen. Heute nahmen die Gesandten ferner den neuesten von China aufgestellten Tilgungsplan an, wonach dieZahlungs- pflicht für die Entschädigung im Jahre 1940 zu Ende ist. Dieser Plan bedeutet für China ein beträchtliches finanzielle» Opfer, er belastet die Staatsschuld mit einer dauernden Leistung von jährlich etwa 42 Millionen TaölS, während der früher von den Gesandten befürwortete Plan China günstiger war, da er nach einigen Jahren die Zahlungslast ständig herabgehen und 1950 gänzlich aushören Uetz. China will also ein Opfer bringen, um die ganze Schuld zehn Jahre früher zu tilgen. — Di« Gesandten haben den von dem englischen, dem deutschen, dem französischen und dem amerikanischen Vertreter vorgelegten Bericht über die Regultrung des Shanghai.Flusses mit zwei vom russischen Gesandten angeregten unwesentlichen Aenderungen angenommen. Der Bericht findet all gemeinen Beifall. Der Krieg in Südafrika. Eonfiscirte Zeitschriften. Die „Deutsche Turnzeitung", Amtsblatt der Deutschen Turnerschaft, hat das nämliche Schicksal ereilt, wie die „Allgemeine Evangelisch-Lutherische Kirchenzeitung", auch j sie ist in Südafrika verboten worden. Herr Verlagsbuchhändler I Paul Eberhardt in Leipzig, Expedition der „Deutschen Turn zeitung", stellt uns folgende Mittheilung zur Veröffentlichung zur Verfügung: „Von meinem Geschäftsfreund Herrn Herrm. Michaelis in Johannesburg geht mir soeben die Mittheilung zu, daß einer neuerlichen Verordnung der englischen Militärbehörde zufolge alle fremdländischen Zeitschriften der Vernichtung anheimfallen. Ich muß Sie daher auf Grund dieses Erlasses ersuchen, die weitere Zusendung der drei „Deutschen Turnzeitungen" an L. Gartzweiler zu unterlassen und den bereits entrichteten Abonnements betrag an mich zurückzuzahlen. Hochachtungsvoll p. Hermann Schultze." (Deutsche Turnvereine, die sich der Deutschen Turner schaft unmittelbar angeschlossen haben, sind in Südafrika in Heidelberg (Transvaal), in Johannesburg (Transvaal) und in Pretoria (Südafrik. Republik). Außerdem ist noch ein Deutscher Männerturnverein in Swakopmund (in Deutsch-Südwestafrika). In ihrer Nummer vom 17. Juli bringt die „Börsenzeitung" fol gende, das Vorhergehende noch schärfer illustrirende Notiz: Kreuzbandsendungen mit Zeitungen nach Südafrika. Wir empfingen die nachfolgende Mittheilung: „Nach einer neuerlichen Verfügung der Militärbehörde, die aber nicht veröffentlicht wor den ist, deren Richtigkeit mir jedoch auf Anfrage schriftlich be stätigt wurde, ist der Censur auf das Schärfste befohlen worden, alle fremdländischen Zeitungen, die unter Kreuz band eingehen, rein wissenschaftliche und technische allein aus genommen, zu vernichten (cksstro^)? Nach meiner Meinung überschreitet die Militärbehörde durch dieses Vorgehen ihre Machtbefugnisse, denn sie kann doch nicht ihr zur Beförderung übergebenes Privateigenthum so ohne Weiteres vernichten. Ich halte diesen Fall für wichtig genug, daß der Börsenverein an maßgebender Stelle vorstellig wird; ich selbst unterbreite denselben mit gleicher Post dem Gencralpostmeister in Berlin. Johannes burg, 18. Juni 1901. Mit Hochachtung (gez.) Herrm. Michaelis. * London, 19. Juli. (Telegramm.) Lord Kitchener meldet: In dem Gepäck des Präsidenten Steijn hat sich unter anderen Briefen ein Schreiben de» Staatssekretärs Reitz an den Präsidenten gefunden, in dem mitgetheilt wird, daß er in Transvaal mit Botha, Viljoen und Smuts eine Zusammen, kuuft abgehalten hätte, in der die Lage deS Landes in Er- Wägung gezogen und dargelegt worden sei. Zahlreiche Burghers hätten sich ergeben, die Munitionsvorräthe gingen auf die Neige und die Negierung von Transvaal sei in Auflösung begriffen; die Möglichkeit europäischer Complicationen liege nicht vor. DeSbalb habe sich die Regierung von Transvaal entschlossen, um die Crlanbniß zu bitten, Botenan den Präsidenten Krüger zu entsenden, ihm die entsetzliche Lage des Landes klarzumachen und, falls diese Bitte abgclehnt würde, nm einen Waffenstillstand zu bitten, damit die Meinung beider Nationen über die zukünftige Politik und über den früheren nnd jetzige» Stand der Dinge gehört werden könne. Das Schreiben des Staatssekretärs schließt, die Zeit zu einem endgiltigen Schritte sei gekommen. Steijn's Antwort, die vom 15. Mai datirt ist, besagte, der Brief des Staatssekretärs sei ein schwerer Schlag für ihn, er erkläre aber, nicht zum Aeußersten schreiten zu wollen. Die Munition sei zwar sehr knapp, aber es fei noch einige vorhanden. Was für einen Grund habe man, sich zu weigern, auch fürderhin auf Gott zu ver trauen? „Ich bin fest davon überzeugt", sagt Steiju, „daß im Lause weniger Monate europäische Complicationen ent- stehen, die uns zum Glück verhelfen werden. Das Verbleiben unserer Abordnung in Europa beweist nur, daß unser Fall nicht hoffnungs los ist." Der Präsident schließt, er sei schwer verletzt darüber, daß sei» Rath nicht eingeholt wordeu sei, und er bitte Reitz, zu warten, bis er Lew et um Rath gefragt habe. Milncr'S Rückkehr. * London, 18. Juli. Im Laufe der Beratbung im Unter ¬ hause tbeilte Chamberlain mit, der Gouverneur der Cap- colonie Milner kehre am 10. August nach Südafrika zurück. * London, 19. Juli. (Telegramm.) Aus Pretoria wird den „Times" telegraphirt: Jetzt steht der Beginn der dritten Phase der Winteroperationen bevor, die so geplant sind, daß sie von einer durchgreifenden Wirkung sein sollen. Politische Tagesschau. * Leipzig, 19. Juli. Gegen die gestern wicvergegebene halbamtliche Beleuchtung der „Huii»c»brtcs"-Indnstric weiß der „Vorwärts" außer aus gesucht albernen Witzeleien nichts vorzubrmgen, als die Hervor hebung des Umstandes, daß der als Brieffälscher entlarvt« Hand lungsgehilfe B. „nicht einmal ein Reichsdeutscher" sei. Das ist gar nicht erwiesen, man kann auch, namentlich wenn man ge hörig subventionirt ist, aus dem Reiche eigens zu dem Zwecke nach Luzern reisen, um dort einen Brief in den Briefkasten zu werfen. Die Landeszugehörigkeit des Fälschers ist aber voll kommen gleichgiltig. Wie ein Schweizer für deutsche Freund: Briefe fabricirte, so kann er auch von deutschen Freunden dazu aufgefordert oder darum gebeten gewesen sein. Die Socialdemo- kratie ist ja international. Unter allen Umständen hat der Handlungsgehilfe B. im Interesse der gewerbsmäßigen reichs deutschen Berausgaber der „chinesischen" Falschmünzererzeugnisse gehandelr, denn die Annahme des als Werkzeug ausersehenrn deutschen Unterofficiers, B. habe bei seinen Angehörigen den Glauben seiner persönlichen Anwesenheit in China erwecken wollen, wird hinfällig durch die Tendenz des Peking- Luzerner Briefschreibers, die mit ihren Mord-, Brand- und Plünderberichten („Werde viel Chinageld hcimbringen") unver kennbar auf Verleumdung der deutschen Kämpfer gerichtet ist. Daß man für die Ausführung solcher Manöver fremden Boden bevorzugt, läßt sich ebenso leicht erklären, wie der vom „Vorwärts" eifrig hervorgehobene Umstand, daß auch an nicht socialdemokratische Blätter „Hunnenbriefe" gelangt sind. Die Erzeuger und Inspiratoren können dennoch Socialdemokraten gewesen sein, der Fuchs verwischt be kanntlich auch seine Spuren, wenn cs angeht. Das socialdemo kratische Centralorgan strengt sich gegenüber der „Berl. Corr." an, die folgende Schlußfolgerung lächerlich zu machen: weil der Luzerner Commis gefälscht« „Hunnenbriefe" in di« Oeffent- lichteit zu bringen versucht hat, so sind alle die Hundert« von ver öffentlichten Hunnenbriefen unecht. Einen solchen Schluß hat aber das halbamtliche Organ nicht nur nicht gezogen, es erkennt vielmehr mit Bädauern an, daß Briefe erdichteten Inhalts in sofern echt sind, als sie von Angehörigen des Expeditionscorps thatsächlich geschrieben wurden. Jene Schlußfolgerung hat man sich sogar fern gehalten, als der „Vorwärts" ein Greuel- bild von der chinesischen Expedition veröffentlichte und sich hinterher herausstellt«, daß die Illustration längst veröffentlicht war, als die chinesisch«?. Wirren ausbrachen. Diese Erinnerung zeigt übrigens, >oaß wenigstens das Gelüste, das der Herr B. von Luzern aus befriedigen wollte, dem socialdemokratischen Central organ nicht vollkommen fremd gewesen ist. An sich würde sich aber die Socialdemokratie gar nicht haben beklagen dürfen, wenn man aus den nachgewiesenvn Fällen von Fälschungen und Fäl schungsversuchen auf die Unechtheit aller „Hunnenbriefe" hätte schließen wollen. Man hätte damit nur ihre (der Socialdemo- kratie) Methode befolgt, die darauf hinausläuft, bei jedem tadelnswerthen Vorfall im Bürgerthum oder im Staat in die Welt zu schreien: das ist typisch, das ist das Gewöhnliche, nur daß dergleichen Dinge selten aufgedeckt werden. So z. B. auch in der 12 OOO-Mark-Affäre, die als ein alltäglicher Vorgang be zeichnet wurde, an dem nur das Eine merkwürdig sei, daß ,chie Schuldigen erwischt" wurden. Der „Vorwärts", um das anzuschließen, versichert zu den wegen der Veröffent lichung von „Hunnenbriesen" gegen ihn gerichteten Anklagen, die Staatsanwaltschaft bestreite weder di« Echtheit der „Hunnen briefe", noch die Richtigkeit der darin behaupteten Thatsachen, sie werfe ihm nur form«ll« Beleidigungen vor. Wenn sich die» bestätigen und die Staatsanwaltschaft ihr Verfahren nicht ändern sollte, so wäre nur Kargethan, daß die Anklagebehörde zunächst die Möglichkeit, vor einem Berliner Gerichte zeitlich weit zurück liegende chinesische Vorgänge feststrllen zu lassen, bezweifelt hat. Im klebrigen empfiehlt sich nach dieser Richtung hin: Abwarten. In dem Organ des Herrn v. Ger lach wird di« freisinnige Partei — unter herbem Tadel ihrer bisherigen Lässigkeit — be schworen, im Wahlkreise Tuisbnrg alle Hebel in Be wegung zu setzen, um dort den nach der Meinung des national socialen Führers leichten Sieg vavonzutragen. Die Aussichten eines „bürgerlichen Brodwuchergegners", so findet der einstmalige Schildknappe des Herrn Stöcker, „sind da bei die denkbar günstigst«»", und „evne geschickte freisinnige Agi tation hätte es außerordentlich leicht, die katholischen Arbeiter vom agrarischen Centrum loszumachen". Aber noch mehr: „Die (im Wahlkreise stark vertretenen) Polen sind besonders un zufrieden mit dem Centrum, weil es ihnen nicht genug polnische Geistlich« und Gottesdienste verschafft hat." Also, die freisinnige Volkspartei soll den Polen die Verdrängung des Deutschthums erleichtern und hierin noch die Ultramontanen übertrumpfen! Von einem National-Socialen ein kostbarer Rath. Das Organ des berufenen Kämpen wider den „Brodwucher" hofft selbst nicht, daß di« Freisinnigen, die, beiläufig bemerkt, bei der letzten Wahl in Duisburg unter 60 000 Wählern noch nicht 1000 Stimmen aufbrachtan, aus ihrer „Todtenstarre" erwachen werden. Wenn dem aber auch nicht so wäre: Warum tritt Herr von Gerlach nicht selbst auf den Plan? Er besitzt noch kein Mandat, und wie schon aus den der Volkspartei er- theilten Rathschlägcn h«rvorgeht, er versteht das Geschäft besser als die Freisinnigen. Sein Zurück ist also kaum zu begreifen. Over sollte Herr v. Gerlach die Empfindung überkommen sein, daß er kein „bürgerlicher Brodwucher- gegner" mehr ist? Eine seltsame Unhöflichkeit gegen den deutschen Kaiser bat sich das Organ der norwegische» Negierung, das I „Dagbladet", zu Schulden kommen lassen, indem es l folgenden ihm zugegangenen Brief mit der Unterschrift Die verhiingnißvolle Inschrift. kj Roman von A. W. Kahl«. Nachdruck verbot«». VI. Am Spätnachmittag desselben TagcS, an welch«,» Reinhold Gerstorf vergeblich sein« Braut zu sprich«» versucht hatte, fuhr ein Wagen, in dem eine Dame und «in Herr saßen, die Anhöhe von Sanssouci hinauf. Es waren die Gräfin Laniska und Al brecht Altenberg, der Freund des Grafe». Die Gräfin hatte unmittelbar nach der Arrestation ihres Sohnes einen Diener nach Sanssouci gescndrt, um anfragen zu lassen, ob der König geneigt sei, sie zu empfangen und um welche Stunde. Die Antwort hatte gelautet, daß der König sie zwischen sechs und sieben Uhr erwart«. Vorher war Altenberg, dem die Nachricht bereits von dort gemeldet worden, von dort ein getroffen. Die Beiden blickten schweigend vor sich hin. Sowohl die Gräfin, deren schwarzer Anzug die Blässe ihres Gesichtes noch deutlicher zeigt«, als Altenberg, waren ernst, aber wie «S schien, gefaßt. Sie hatten sich das Wenige, daS zu sagen war, in den ersten Minuten gesagt. Die Gräfin, daß sie auch nicht eine Ahnung von einem Vergehen oder gar Verbrechen ihres Söhne hab«, der Freund, daß er felsenfest überzeugt sei, August Laniska habe nimmer etwas gethan, wa» einen so heftigen Zorn des Königs verdiene. Jetzt waren ihre Gedanken, ihr« geistigen Augen auf den Schleier gerichtet, d«r ihnen di« Gründe dieses unseligen Wechsels verhüllte und der in einer halben Stunde fallen mußte. Beide durchforschten in sich selbst all« Möglichkeiten. Einmal schüttelt« Altenberg, als sei er abermals zu demselben Resultat gelangt, entschieden den Kopf und sagt«: „Nein, er ist unschuldig!" „Es giebt nur ein« Möglichkeit", erwidert« die Gräfin uckd ihre großen blauen Augen blickten traurig und starr tief hinein in d«n duftigen Himnrel. „Er könnt« sich durch s«im Heftigkeit e« «iner Arußerung habrn hinreihen lassen, ähnlich derjenigen in »er Manufaktur." „Auch das glaub« ich nicht!" sagte Altenberg bestimmt. „Er war in der letzten Zeit so freudig bewegt von der glücklichen Weisung, welch« daS Schicksal seiner Schutzbefohlenen ge nommen, so erfreut üb« die Grahmuth des Königs, daß er mir fast böse wurde, als ich einig« Bedenken über die Form, in welcher dir Gnad« ertheilt worden, aussprach. Ich mußte überhaupt mit meinen vtmerkungen über Manche», wa» mir auffiel, vorsichtig sein, wenn ich ihn nicht reizen wollt«. Ich hört« nur das un bedingte Lob des Königs aus seinem Munioe. Also jetzt am wenigsten hätte ihm «ine derartige Aeußrrung entfahren können." „Gott geb« es!" sagte die Gräfin leise. Der Wagen hi«lt am Thore. Altenberg reichte der Gräfin seinen Arm und führte sie bis zur Thür des königlichen Pavillons. Der Eintritt Schöning's schreckte sie aus ihrer Betäubung. Der Kammerhusar schien erschreckt, als er in ihr Antlitz blickte. Sie erhob sich, aber sie schwankte. „Darf ich Ihnen meinen Arm anbieten, gnädigste Gräfin?" fragte er ehrerbietig. „Ich danke Ihnen, Schöning; ich nehme es an!" erwiderte sie schnell, sich sammelnd. Ihr Blick fiel auf eine Vase, die am Fenster aus einem Tisch stand. Es war das Werk Sophie's das den Preis errungen. Einen Augenblick schien sie Willens, darauf zuschreitcn zu wollen. Dann wandte sie sich entschiede» ab. Altenberg, der sie vor der Thür erwartete, mußte noch etwas mehr als Schmerz und Schrecken in ihren Mienen gelesen haben, denn sein Gesicht verdüsterte sich auf eine cigenthümliche Weise. Die Gräfin sprach nicht. Erst in ihrem Hotel in Potsdam be richtete sie dem Freunde ihres Sohnes, so genau ihr Gedächtniß es gestattete, die Worte des Königs. „Frau Gräfin", sagte Altenberg, der mit der gespanntesten Aufmerksamkeit der Erzählung gefolgt war, „ich weiß, was in Ihrem Herzen vorgeht. Sie halten es nicht für möglich, daß Ihr Sohn jenes Wort geschrieben haben könnte, und dem Gedanken gange des König folgend, sehen Sie in mir einen Mitschul digen. Sie halten, gleich dem Könige, meinen Einfluß auf Ihren Sohn für größer, als er war. Und hätte ich selbst diesen Einfluß besessen, so würde ich ihn nie in einer Welse geltend gemacht haben, um meinen Freund aufzureizen gegen einen Monarchen, dem «r so viel verdankt und den ich selbst so hoch schätze, wenn auch meine Erinnerung an England mir manches, was hier ge schieht, unbegreiflich erscheinen läßt. Ich rufe Ihnen zurück, was ich Ihnen vorher gesagt. Ihr Sohn war in einem solchen Grade für seinen König eingenommen, daß ich selbst, wenn ich es ge wollt, nicht gewagt haben würde, ihm andere Empfindungen einzuflößen. Nie ist eS mir in den Sinn gekommen, eine Stim mung in ihm zu erwecken, aus der jene Handlung, die ich für eine feige Handlung und unwürdige halten muß, hätte ent springen können. Ihr Sohn hat jenes Wort nicht geschrieben! — Ich bürge dafür! Er ist einer solchen That unfähig. Und ich werde alle meine Kraft daran setzen, es zu beweisen. Das Schicksal meine» Freunde« soll von diesem Augenblicke daS meine sein! — Erlauben Sie mir, am nächsten Dienstag in Ihrem Salon zu erscheinen?" Die Diener, sehr wohl bekannt mit der Persönlichkeit der Gräfin, die jeden Sommer in Potsdam verlebte, aber auch unter richtet von der Ungnade, in welche der junge Graf gefallen, em pfingen die Gräfin mit einem scheuen Respcct, welcher die Mitte hielt zwischen der unterthänigen Dienstfertigkeit, die sie ihr früher erwiesen, und dem erwachenden Hohne über eine gefallene Größe, die sich indessen noch sicher fühlt. Die edle Frau achtete nicht darauf. Langsam, in stolzer Haltung, nur den Kopf ein wenig geneigt, schritt sie durch die einfachen Zimmer von Sanssouci vis in die Bildergalerie, wo Schöning, der Kammerhusar, sie empfing. Mit Schöning, dem späteren geheimen Kämmerer und Kriegsrath, einem gebildeten und gewandten Manne, hatte die Gräfin öfters einige Worte geplaudert, wenn sie ihm begegnet. Er verneigte sich artig. „Gnädigste Gräfin", sagte er leise, nachdem er zwei Sessel nach der Mitte des Saales gerückt, „ich weiß gar nicht, was ge- chehen. Ich hörte nur heute Morgen, wie Seine Majestät, als ie am Fenster standen, laut zu sich sagten: Wer soll es denn onst gewesen sein? — und ich vermuthete, daß sich diese Worte auf den Herrn Grafen bezogen, denn Seine Majestät hatten so eben den Rapport erhalten, daß der Herr Leutnant arretirt seien. Seine Majestät sind übrigens in angenehmer Stimmung." Er öffnete die Thür und ging in das anstoßende Cabinet. Eine Minute darauf erschien Friedrich auf der Schwelle. Es ist bekannt, daß der König oft in vollkommener Uniform, selbst mit dem Hute auf dem Kopfe, den Stock neben sich, arbeitete. So erschien er der Gräfin, die ihn stehend erwartete und sich tief verneigte. Friedrich nahm den Hut ab und sagte ernst: „Guten Tag, Madame! Nehmen Sie Platz!" Er wiederholte die letzteren Worte etwas schnell, als die Gräfin stehen blieb. Sie ließ sich auf den Sessel nieder. „Madame", sagte Friedrich, der sich ihr gegenüber gesetzt und d.e Hände auf die Krücke seines Stockes --^üht hatte, indem er sie fest anblickte, mit ernster Stimme, „Madame, ich bedauere die Gelegenheit, die Sie zu mir führt. Ich habe mich in Ihrem Sohne getäuscht; er vergilt mir die Gnade, die ich ihm stets und erst vor Kurzem noch bei einer bestimmten Gelegenheit erwiesen, mit einem Undank, der um so schwärzer ist, da er sich unter einer tiefen Ergebenheit verbirgt und nur im Geheimen sein Gift aeqen mich spritzt. Ich habe Sie auf jenen Engländer aufmerksam gemacht, dessen Fähigkeiten ich anerkenne, der aber die Verhält nisse nicht mit dem richtigen Maßstabe zu messen weiß. Meine Warnung ist, wie es scheint, vergeblich gewesen. Nur durch den Umgang mit jenem Manne kann ich mir die unwürdige Weis« erklären, in welcher Ihr Sohn seinem Groll gegen mich Luft zu machen und meinen Namen noch für die Nachwelt zu schänden gesucht hat!" Der König hielt einen Augenblick inne. Die Gräfin, in der höchsten Spannung, todtenbleich, hatte die Blicke starr auf ihn geheftet. Die Worte des Königs mußten ihr klingen wie ein Todesurtheil. „Ich werde Ihnen den Hergang erzählen, Madame!" fuhr dieser fort. „Einer Einleitung bin ich überboben, da Sie die Angelegenheit mit der sächsischen Künstlerin, der Mansfeld, kennen, die ein böses Geschick mit Ihrem Sohne zusammen geführt hat. Das Werk der Künstlerin hat mir ungemein ge fallen, ich war stolz darauf. Ich hatte beschlossen, es nach Paris an einen Gelehrten zu senden, mit dem ich correspondire, um sein Urtheil über die Vase zu hören, und den Franzosen zu zeigen, was wir zu leisten im Stande sind. Es war gestern Abend spät, hier in derselben Galerie. Der Expedient der Fabrik hatte die Vasen hierher geschafft; ich wollte noch einige andere Vasen mit nach Paris senden; der Expedient sollte sie einpacken und war mit seiner Arbeit beschäftigt. Ich betrachtete inzwischen ein neu angekommenes Bild. Als ich mich einmal zu dem Expedienten hinwandte, machte er mich auf die Inschrift der Vase aufmerksam. Ich laS mit Vergnügen und fragte den Expedienten, ob er wisse, wer sie verfaßt habe. Er antwortete mir, wer sie verfaßt habe, wisse er nicht, aber geschrieben habe sie der Graf Laniska. Verhält sich dies so, Madame?" „In der That, Majestät", antwortete die Gräfin mit dem selben bleichen Antlitz und mit der Qual der Angst und Un gewißheit in den edlen Zügen. „Ich war selbst Zeuge, wie sie mein Sohn schrieb. Sophie Mansfeld bat ihn darum, da sie selbst nicht gut schreibt." „Und Ihr Sohn hat die Inschrift auch verfaßt?" fragte Friedrich. „Ja, Majestät. Ich fand sie kurz, sinnvoll und ihrem Zwecke angemessen." „Sie besinnnen sich noch genau, wie sie lautete, Madame?" fragte der König aufmerksam. „Gewiß, Majestät. Sie lautete: I'sttorneUo gloirs 6« I-'i4clena Io Ornnck." „Nu-nwohl, das 'bestätigt vollkommen di« Angaben de» Ex pedienten!" fuhr Friedrich fort. „Ich freute mich darüber, Ma dame, denn die Zeichen der Zuneigung derjenigen, denen ich wohl will, sind mir angenehm. Mit dem Gedanken an irgend eine Freude, die ich Ihrem Sohne bereiten könne, wandt« ich mich wieder der Betrachtung des neuen Bildes zu, desselben, da» dort an der Wand gelehnt steht, als ich plötzlich hinter mir von einer erschreckten Stimme den AuSruf: Gott, Vater Abraham! hörte Der Expedient ist ein Jude. Verwundert wandte ich mich zu ihm; seine Stellung fiel mir auf. Er stand mit einem Tuche in der Hand, die Vase starr betrachtens. Auf meine Frage, was es gäbe, antwortete er mir nicht, sondern wiederholte nur noch einmal seinen AuSruf. Erzürnt trat ich näher; ich glaubte, er habe irgend etwas an der Vase zerbrochen. Ich untersuchte sie mit scharfem Blickt und sah sogleich, daß hin!«
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