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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.07.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-07-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010725026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901072502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901072502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-07
- Tag1901-07-25
- Monat1901-07
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Donnerstag den 25. Juli 1901. Anzeige«-Preis die 6 gespaltene Petitzeile SL Neclamo« unter dem Redactio«»strich s4 gespalten) 7k» Ltz vor den Familieunach« richte« (6 grspallen) 6V Tabellarischer «nd Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertruaanahm« »5 L» (exrl. Porto). <?rkra-Beilagen (gefalzt), n«r mit der Morgen*Au»gabe, ohne Postbefördenrug SO—, mit Postbesörderung 70.—» Innahmeschluß fiir Ävzeigea: Ab end-Ausgabe: Bormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgab«: Nachmittag» L Uhr. Bet de« Filialen und Annahmestelle« je ein» halbe Stande früher. Anzeigen sind stets au bi« Expedition zu richte«. Die Expedition ist Wochentag» nnnaterbroche« geöffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pol» i» Leipziz. 95. Jahrgang. Ver Krieg in Südafrika. Krüger in Trauer. * A«S Hilversum wird dem ,,Local - Anzeiger" be richtet: Der Zar sprach durch den Grafen Lamsdarff dem Brüitdente« Krüger sein aufrichtiges Beileid au». Da» Gleiche «hat Präsident Landet. Kttchener'» „Gnadenatt". Man schreibt uns au» London unter dem 23. Juli: „Nebel angebrachte Nachsicht und Gnade", — so nennen die Jingo-Blätter London» die Umänderung der über 34 gefangene Capholländer verhängten Todesstrafe in lebenslängliche Ge fangenschaft auf der Insel Bermudas, durch welchen „Gnadenact" Lord Kitchener wahrscheinlich einen besseren und günstigeren Ein druck auf die Boeren und Caphollän'der in der Gesammtheit zu machen hofft, als wenn er nach Kriegsrecht die aufständischen Unterthanen der britischen Kron« in der Capcolonie hätte hin richten lassen. Ob dabei auch die einstweilen noch unverbürgt« Drohung des General-Commandanten der Boeren, Loui» Botha, für jeden ersHossenen oder gehängten Holländer «inen englischen Gefangenen hinrichten zu lassen, mitgesprochen hat, muß dahin gestellt bleiben. In Wirklichkeit wird der englische Generalissimus im Einverständniß mit seiner Regierung e» einstweilen noch ängst lich vermeiden wollen, daß, wie die Jingos mit ihren wüsten Hetzereien es gerne durchsetzen möchten, der ganze Krieg allmählich in einen blutigen Rache-Feldzug der schlimmsten Art ausartet, — denn die Zahl der von den Boren noch tagtäglich gefangenen eng lischen Soldaten, die den Burghers im Noihfall« als Geißeln dienen können, ist immer noch beträchtlich groß, — Um so mehr sollte sich die gelbe Presse Londons hüten, von der Regierung und dem britischen Hauptquartier unt«r allen Umständen ein rück sichtslose» Borgehen gegen di« Boeren und ihre Bundesgenossen in der Capcolonie zu verlangen. Das Organ der vornehmen Ge sellschaft in der britischen Metropole, der „Globe", l«istet sich einen Leitartikel, mit Bezug auf die gegen die Rebellen geübte Nachsicht, der an Blutdürstigkeit und Unvernunft nichts zu wünschen übrig läßt. — „Lord Kitchener'S Nachsicht gegen die soeben begnadigten 34 Rebellen ist «in sehr gefährlicher Jrrthum. Anstatt daß sie sofort erschossen werden, wie sie «8 reichlich ver dient haben, und was auch jede civilisirte Militärmacht gethan haben würde, sind sie jetzt zu lebenslänglicher Gefängnißstrafe vcrurtheilt worden. Dies heißt natürlich nichts Anderes, al« daß dies; Rebellen bald nach Beendigung ve» Kriege» au» Rück sicht auf das Lamento der Pro-Boeren begnadigt und nach Süd afrika zurückgesandt werden. . . . Wir glauben nicht, daß diese übel angebrachte Nachsicht der Ueberzeuguna Kitchener'S ent spricht, denn er weiß nur zu gut, welche Folgen dieselbe haben muß mit Bezug auf die Rebellion, die er in unserer Colonie unterdrücken soll. Außerdem ist er nicht der Mann, wie wir aus Erfahrung wissen, der vor den allrrstrrngsten Maßregeln zurück schreckt, wenn die Nothwendigkeit dies erfordert. Wenn er so gegen sein eigenes Urtheil handelt, so gehorcht er einfach den von hier erhaltenen Befehlen, und diese letzteren sind di« Folge der Furcht vor den Pro-Boeren, welche überhaupt jede Rücksicht nahme auf unsere loyalen Colonisten, auf Gerechtigkeit und auf die Achtung vor den vitalsten Interessen des britischen Reiches un möglich zu machen scheinen. Wären diese 34 Männer hingerichtet worden, so würden alle Rebellen in der Capcolonie, die ihr werth volles Leben sehr hoch schätzen, es sich gründlich überlegt haben, bevor sie weiter das Risico laufen, mit den Waffen in der Hand gefangen genommen zu werden. Jetzt sind sie überzeugt, daß sie nichts Schlimmeres zu befürchten haben, als eine kurze Ge- fängnißstraft, und sie werden deshalb ihre Raub- und Mord züge fortsehen, und zwar mit vermehrtem Vergnügen und Eifer. Für jeden der 34 Capholländer, deren Leben ihnen in thörichter Weile geschenkt würde, werden in Zukunft mindestens noch zehn englische Soldaten geopfert werden, — und dies nennen wir Menschlichkeit!" Aehnlich lassen sich die übrigen Jingoblätter vernehmen, die zum Theil Gift und Galle sprühen, und in ihren Angriffen gegen die nach ihrer Ansicht schlapp gewordene Regierung kaum noch ein Matz und Ziel kennen. — „Tod und Verderben allen Boeren, Rebellen und Pro-Boeren", — das ist die Losung der Jingos, mit welcher sie die Regierung unaufhörlich bestürmen, speciell seitdem es sich herausgestellt hat, daß mit der berühmten „Vlak- fontein-Affäre, mit den „scheußlichen, völkerrechtswidrigen Grausamkeiten der Boeren" nichts, aber auch gar nichts zu er reichen gewesen ist. Politische Tagesschau. * Lctp'.ig, 25. Juli. Der Rath, den das „Berl. Tagebl." den Liberalen in Memel-Heyockruq giebt, den lithauisch-conservativen Can- didaten als Anhänger der „Brodwucher"-Politik zu Fall zu bringen, wird von den dortigen Freisinnigen nicht befolgt werden. Denn der Beschluß der freisinnigen Vertrauens männer, bei der Stichwahl sich der Abstimmung zu enthalten, ohne daß die Nichtbetheiligung an der Wahl zur Principicn- sache gemacht werde, ist nach dem Wahlergebnis der Hauptwahl nicht als gegen die Conservativen, sondern _als gegen die Socialdemokratie gerichtet aufzufassen. Da die Conservativen aus eigener Kraft den Socialdemokraten schlagen können, wird es den Freisinnigen von den Conser vativen im Innersten kaum verdacht werden können, daß sie nicht ausdrücklich zum Eintreten für den conservativen Kan didaten aufgefordert haben. Schon der freisinnige Beschluß in seiner vorliegrnden Form läßt erkennen, daß die Memeler Freisinnigen ungeachtet deS wirthschaftspolitischen Gegensatzes zu den Conservativen nicht für den Sieg des Socialdemokraten eintreten wollen. Ein solcher Standpunkt scheint uns in gleicher Weise den Interessen der bürgerlichen Parteien wie des Staates zu dienen. Der Etat des RcichSamtS -es Innern für 1S02 der, wie lllc übrigen Reichsressortrtats, in Vorbereitung begriffen ist, dürft« in den verschiedensten Punkten Aenderungen gegenüber dem laufenden Etat unterworfen wevoen. Unter den Einnahmen dürften die Positionen der Patent-Mu st «rschutz- u. s. w. Gebühren, sowie die Gebühren aus dem Kaiser Wilhelm- Canal Ansatzerhöhungen erfahren. Die Einnahmen aus den letzteren haben sich in der Wirklichkeit bekanntlich so gehoben, daß sie nahezu schon «inen völligen Ausgleich für die Canalausgäben darstellen. Bei den Ausgabeerhöhungen wiro besonders erheblich auch diesmal wieder die Steigerung des Reichszuschusses für die Invalidität-- und Altersversicherung ins Gewicht fallen. Als das neue Jnvalidenversicherungsges«tz Anfangs 1900 in Kraft ge treten war, stellte es sich bald heraus, daß die darin den Arbeitern gewährten Vortheile bezüglich der Erlangung der Invalidenrenten di« Zahl der letzteren ganz bedeutend steigerten. Auf Grund dieser Thatsach« wurde schon in dem Etat für 1901 eine die früheren jährlichen Erhöhungen beträchtlich übersteigende Er weiterung deS entsprechenden Etatspostens vorgenommen. Sie betrug nahezu 4Vz Millionen Mark, so daß der gesammte Reichs zuschuß mit 34 Millionen Mark in den Etat eingestellt wurde. Allzusehr von der diesjährigen Steigerungssumme dürfte auch di« künftige nicht abweichen, so daß schon mit 1902 die für die JnvaliditätS- und Altersversicherung festgesetzte Leistung des Reiches di« Summe von etwa 38 Millionen Mark erreicht haben wird. Eine ganz neue Abteilung wird in dem Etat des Reichs amts des Innern für das Aufsichtsamt für das Privatv«rsicherungswes«n geschaffen werden, dessen Mittel bisher durch Nachtragsetat bewilligt sind. Die dem Reichs amt des Innern Nachgeordneten Ressorts werden damit im Etat eine neue Vermehrung erhalten. Wenn nauirlich auch das neue Amt in seinen Ausgaben bei Weitem nicht an diejenigen der größeren Nachgeordneten Ressorts heranreichen wird, so wird es doch auch jetzt schon ein« beträchtliche Summe erfordern. Wenn übrigens in süddeutschen Blättern bei Mittheilungen über das neue Amt die Vorstellung erweckt wird, als sei es als eine Ab theilung des Reichsversicherungsamtes gedacht, so wird d«r nächste Reichshaushaltsetat über die völlig« Unabhängigkeit des neuen Versicherungsamtes von dem alten Klarheit schaffsn. Daß die fortdauernden Ausgaben einzelner Aemter, wie des Patentamtes, des Reichsversicherungsamtes u. s. w., wieder einige Steigerungen aufweisen werden, erklärt sich durch die nothwendig werdende Vermehrung der in den Aemtern beschäftigten Kräfte. Auch die Erhöhung der Zahl der Stellvertreter der nichtständigen Mit glieder im Rüchsversicherungsamtr wird nach dieser Richtung einen, wenn auch unbedeutenden Einfluß ausüben. Eine ganz neue Position wird sich im Etat des Reichsamtes des Innern in Folge des Anschlusses des deutschen Reiches an die internationale Union zum Schutze des gewerblichen Eigenthums nöthig machen. Das Reich wird sich an der Deckung der aus der Union entstehenden Kosten mit betheiligen müssen. Der Posten wird aber die Höh« von einigen Tausend Mark nicht übersteigen. Jedenfalls geht aus dieser Darstellung schon hervor, daß der nächstjährige Etat des Reichsamtes des Innern g«bcnüber dem diesjährigen recht viel fache Aenderungen und Ergänzungen aufweisen wird. Der Besitz der Philippinen ist für die Vereinigten Staaten in mehr als einer Hinsicht von außerordentlicher Bedeutung. In fast unmittelbarer Nähe des gewaltigen Handelsgrbietes des Ostens gelegen, sind die Inseln bestimmt, das Bindeglied zwischen den zutünfügen Handelsbeziehungen der nordamerikanischen Re publik und des chinesischen Reiches zu bilden, auf dessen wirth- schaftliche Entwickelung Amerikas Handel und Industrie mit Recht große Hoffnungen setzt. Andererseits scheint man an eine dauernd friedliche Concurrenz der an den Handelsinteressen des östlichen Asiens betheiligten Mächte jenseits des Oceans nicht recht glauben zu wollen, da der Besitz der Inseln, wie es heißt, den Vereinigten Staaten die Möglichkeit gebe, eine achtunggebietende militärische Macht dort zu stationiren, die gegebenen Falles so fort eingreifen und die Vertreter des amerikanischen Handels vor Uebergriffen der übrigen Interessenten schützen könne. Zugleich glaubt man in der Hauptstadt Manila einen Platz zu besitzen, der gewissermaßen an der Schwelle des südöstlichen Asiens ge legen ist, und deshalb als eine Art Beobachtungsposten für den gcsammten Handelsverkehr zwischen Europa und den asiatischen Absatzgebieten angesehen werden kann. Damit ist aber der Nutzen, den man von der Erwerbung der Philippinen erwartet, noch nicht erschöpft. Die im Interesse der Küstenvertheidigung von den Spaniern ausgeführtcn fortificatorischen Anlagen sollen die Basis bilden für die in großem Maßstabc geplanten Be festigungsbauten, welche die Philippinen zu einem nahezu un überwindlichen Stützpunkte der Vereinigten Staaten-Flotte machen sollen. Eine weitere Stärkung der Wehrkraft des ame rikanischen Mutterlandes erwartet man von der Heranziehung der männlichen Filipinos zum Militärdienste. Wie verlautet, sollen die körperlich fast durchgehends kräftig entwickelten Be wohner der Insel unter amerikanischen Officieren in besonderen Kontingenten ausgebildet- werden und eine specielle Vertheidi- gungsarmee ihres Landes bilden. In Amerika ist dieser Ver such, die eingeborene Bevölkerung einer Colonie zum Heeres dienste heranzuziehen, der erste seiner Art, aber man hofft, daß die guten Erfahrungen, die man mit der Verwendung der far bigen Bevölkerungsclasse im Polizeidienste gemacht hat, auch unter den neuartigen Verhältnissen nicht versagen werden, und daß der Filipino ein ebenso tapferer und ausgezeichneter Soldat unter amerikanischer Führung werden wird, wie er es als spanischer Unterthan gewesen. Ob alle diese Erwartungen und Pläne, die gegenwärtig in der amerikanischen Presse lebhaft erörtert werden, eine den Wünschen ihrer Urheber entsprechende Verwirklichung finden werden, mag bezweifelt werden; soviel ist gewiß, daß die Vereinigten Staaten mit der Erwerbung des Philippinen-Archipelagus ihren colonialen Besitz um ein Land gebiet bereichert haben, dessen Bedeutung in militärischer und handelspolitischer Hinsicht nicht unterschätzt werden sollte. Deutsches Reich. Berlin, 24. Juli. (Aus den Memoiren de» Unterstaatssekretärs a. D. von Gruner.) Im Augusthest der „Deutschen Revue" wird ein weiterer Abschnitt der Autobiographie des Unterstaatssekretärs a. D. I. von Gruner veröffentlicht. Gruner erzählt darin u. A. eine Epi sode aus dem Jahre 1860, die, ihre Richtigkeit vorausgesetzt, ein nicht unwichtiger Beitrag zur Charakteristik Wil li e l m ' s I. u n d M o l t k e' s ist. Nach der Angabe des Herrn v. Gruner haben sich Prinzregent Wilhelm und Kaiser Franz Josef am 26. Juli 1860 zu Teplitz über den Gedanken ge einigt, bezüglich der eventuellen Vertheidigung Deutschlands gegenüber französischen Angriffen eine militärische Vereinbarung zu treffen; Graf Rechberg hätte bei der Dreikaiserzusammenkunft in Warschau (October 1860) Gruner daran erinnert, ob es nicht Zeit sei, Officiere berathen zu lassen; im Spätherbst wären in Folge dessen zwei hohe österreichische Officiere in Berlin ein getroffen, mit denen auf Befehl des Prinzregenten Generalstabs chef von Moltke und Generaladjutant Gustav von A l v e n s l e b e n die Verhandlungen ausgenommen hätten. Aus den Protokollen sahen der Minister des Auswärtigen von Schleinitz und sein Unterstaatssekretär von Gruner „mit unaus sprechlichem Erstaunen", daß Moltke und Alvensleben mit den österreichischen Kommissaren sich in dem Grundsätze geeinigt hatten, „daß die Vertheidigung des österreichi schen Italien ein gemeinsames deutsches Interesse, und Preußen daher gewillt sei, für die Erhaltung dieses Besitzes eventuell mit seiner gesammten Macht e i n z u st e h e n."— „Offenbar hatten", fährt Gruner wörtlich fort, „unsere beiden Commissare das Gefühl, ihre Vollmacht wesentlich überschritten zu haben, und sie versuchten es daher dahin zu bringen, daß der Minister von Schleinitz ihren Sitzungen in Zukunft beiwohnen möchte, ohne Zweifel in der Absicht, ihn in ihre Behan-dlungsweise der Sache hineinzuziehen. Es gelang mir, dies zu verhindern, und der Minister sprach sich in einem ausführlichen Schreiben unfern beiden Kommissaren gegenüber dahin aus, daß dieselben, indem sie die po litis e Frag« vor ihr Forum zögen, ihren Auftrag über schritten und sich daher in Zukunft darauf zu beschränken hätten, ausschließlich militärische Fragen zum Gegenstände ihrer Behandlung zu machen, di« politisch« Seit« der Angelegenheiten aber dem Ministerium des Auswärtigen vorzubehalten. Dieses Schreiben und diese bestimmte Erklärung nahmen die beiden Commissare sehr übel. Sie beschwerten sich bei dem Prinz-Regenten, daß der Minister des Auswärtigen die Generale des Königs desavouirt hab«, und baten den Regenten, sie hiergegen in Schutz zu nehmen. Der Regent forderte uns zum Bericht darüber auf, welchen wir auch sofort «ingehend erstatteten. Eine Entscheidung des Regenten darüber ist niemals erfolgt, LerrLllston „ lllm Geld. Romcm von F. Ilex. SI-Ldruck «erbott«. Capitell. Da» LiebeSmahl, welch«» in den Räumen de» Officiercasino» gefeiert wurde, neigt« sich stark s«in«m Ende zu. Dicht« Wolken Cigarrendampf und Staub, gemischt mit dem Dunst von Wein ucko Speisen, schwebten über den Köpfen der sich in zwang loser, ziemlich laut geführter Unterhaltung ergehenden Officiere. DaS Ga»licht, dessen Flammen nur verhältnißmäßig schwach den Nebel zu durchdringen vermochten, beleuchtete einen in Huf eisenform gedeckten Tisch, auf dem in wirrem Durcheinander Gläser und vereinzelt« Fruchtschalen, in zwar gefälliger, aber ein facher Auistattung, al» Zeugen eine» eben beendet«« Mahle» zu sehen waren. Der Regimentskommandeur liebte e», an solchen Tagen bei seinem OfficiercorpS nach Aushebung der officnllan Festlichkeit beim Glas« Wein und der Cigarre sitzen zu bleiben, und war dann auch nach keiner Richtung ein Spielverderber. Seine größt« Freude war e», wenn die jüngeren Herren nach dem Tacte der Musik tanzten, wobei die „Damen" durch ein« um den Arm ge bundene Serviette kenntlich gemacht wurden; ja, er verschmähte eS nicht, bei einer Quadrille selbst mit zu thun, und fattd e» durchaus nicht unter seiner Würde, auch mit den jüngsten Kame raden im selben Biereck al» Gegenüber zu taiqen. Diese Art de» Eintanzen», welcher sich keiner der jüngeren Herren entziehen durfte, hielt der Oberst für eine vorzügliche Vorübung für den Ernstfall, wie er scherzend die vallabende zu nennen pflegte; war «» doch sein Steckenpferd, daß zu allen gemeinsamen Lustbarkeiten in der Garnison sein Regiment die größte Anzahl flotter Tänzer stellt«. Und so ging e» auch heute wieder in harmlos», »venu auch nicht gerade lautloser Fröhlichst zu. Die Anwesenheit de» TommandeurS und der übrigen älteren Officiere hielt den vielleicht §u Uedergriffen geneigten Sinn der jüngeren Kameraden in d«n nothigen, wenn auch nicht allzu eng« gezogenen Schranken. Im tollsten Tempo wirbelten Vie Paare durcheinander, denn hier hindert« kein« Rücksichtnahme auf da» zartere Geschlecht, der durch reichlichen Weing«nuß erhöhten Lust de» Tanzen- die Zügel schießen zu lassen. Di« Musik hatte eben eine für di« Bläser fahr nöthig« Pause gemacht. In einer Ecke d«s Saales, nahe dem Eingang«, hatt« sich eine Gruppe junger Officiere, von der gehabten Anstrengung theilweis« noch tief Athem holend, zusammengefunden. „Nun, Hilling", sagte ein junger, schlanker Offici«r, dessen hellblondes Haupthaar zu den dunklen Brauen über den großen, graublauen Augen einen eigenartigen Gegensatz bildete, zu einem neben ihm stehenden Kameraden von nur mittelgroßer, aber auf fallend eleganter, geschmeidiger Gestalt, der dazu den Interims rock mit den Premierleutnantsabzeichen trug, „wie wäre es mit einem kleinen Jeu, wenn nachher die Stobsofficiere raus sind?" „Mir ist «» recht", erwidert« wer Angeredete, indem er mit raschem Blick die Umstehenden streifte, „nur möchte ich nicht, daß Gallow mitspirtt. Sie wissen, ich habe wegen der neulichen Differenz beim Scatanschreiben nicht gern« mit ihm zu thun, und bin, offen gestanden, nur dann ein Freund vom Jeu, wenn dasselbe nach jeder Richtung vom Standpuncte de» Gentleman aufgefaßt wird." „Auf der Lüneburger Haide", intonirte die Musik, das Ge spräch unterbrechend, da jeder der beiden Freunde sich 'beeilen mußte, zu der beginnenden Quadrille seine vorher engagirte Dam« aufzusuchen, oder sich al» solche führen zu lassen. Nach Schluß de» Schritttanz«», an dem sich auch der Regi- mentscommandeur in höchst eigener Person betheiligt hatte, fand der allgemein« Aufbruch unter Dorantritt de» Obersten statt. Di« Stabsofficiere schloffen sich sämmtkich, di« älteren, namentlich die verheiratheten Officiere zum größer«» Theil an. Nur eine klein«, „aber au»erwählt« Gesellschaft", wi« der üblich« Witz ging, war sitzen geblieben; ober nicht etwa zu einem Ganzen zu- samm«ngeschloff«n, sondern hatte sich in verschiedenen Gruppen, wir sie Absicht oder Zufall zusammemgeführt, niedergelassen. An der Spitz« der einen Schmalseite saß der Hauptmann v. Felten, «in alter Junggeselle, den man sonst, außer im Dienst, nur selten zu Gesicht bekam, da er weder tm Casino mit den jüngeren Kameraden, noch im Hotel mit den übrigen unverhei- ratheten Hauptleuten und StckbSofficieren speiste, sondern eigen« Wirtschaft mit Hilf« de» Burschen zu Hause führt«. U«ber die LebenSgewohnheikn dieses Sonderling» waren di« eigentüm lichsten Geschichten im Schwange. So wurde erzählt, daß er an jedem Ersten d«» Monat» sein Gehalt in ungefähr ein Dutzend verschiedener Theil« theiltr, die, je nach der Bestimmung de» Gesde», verschiedene Namen führen sollten. Neben einer Woh nung»-, Essen«, Getränke- u. s. w. Tasse sollte auch ein« für Vergnügen und Extraordinarien bestehen, die sämmtlich getrennt und unabhängig von einander verwaltet wurden. Kam nun der Fall vor, daß zum Beispiel die Casse für das Vergnügen den an sie gestellten Anforderungen nicht genügen konnte, so war der Gebrauch «ingeführt, daß diese ein mit Gründen belegtes Darlehensgesuch schriftlich an eine der besser bestellten Schwester- casfen unter Zusicherung pünktlicher Rückzahlung, einschließlich Zinsen, einzureichen hatte. Hierbei sollte es — allerdings un verbürgten Gerüchten zufolge — vorgelommen sein, daß ein solches Gesuch „abschlägig" beschieden wurde. Heute sah man dem leicht ergrauten Herrn, mit «der «twaS röthlich angehauchten Gesichtsfarbe, diese schrullenhafte An gewohnheit nicht an; im Gegenthcil, er war d«r Vergnügtesten Einer und dabei von einer Zutraulichkeit und Mittheilsamkeit selbst den jüngsten Kameraden gegenüber, daß Niemand in diesem jovialen Herrn einen der gefürchtetsten Compagnrechess des Regi ments wieder erkannt hätte. Wehe aber dem jüngeren Officier, der Im Vertrauen auf die heute, bei der Bowle, gezeigt« Kanrerad- sckmftlichkeit, morgen in oder außer Dienst, nur den leisesten Gebrauch davon gemacht hätte! Allerdings vermied der Ein geweihte, d. h. der einmal dieselbe Erfahrung gemacht hatte, ein zweites Mal, sich heute als Vertrauten selbst intimster Be ziehungen, und morgen als gänzlich Fremden, völlig Gleich- giltigen behandelt zu sehen, zumal da das Gerücht ging, daß die Ausdauer des Gistrongen lediglich ihren G^»nd darin habe, die Ausgaben der Vergnügung»- over Getränkcasse durch möglichste Entwickelung des sogenannten „RepartitionSdursteS" auf das ge ringste Maß zu beschränken. So war «s denn auch hergebracht, daß Felten nicht «her von der Stelle wich, als bi» der letzte Tropfen der für gemeinsam« Rechnung ausgestellten Getränke sein« Bestimmung gefunden hatte. Dabei genirte er, vorausgesetzt, daß er nur noch einen aufmerksamen Zuhörer hatt«, die jüngeren Officiere nach keiner Richtung; mochte nun, je nach der Stimmung, entweder zur Be gleitung der Musik gesungen werden, wobei di« Andacht und Aus dauer der Mitwirkend-n gewöhnlich im umgekehrten Verhältniß zu ihrer musikalischen Begabung zu stehen pflegte, oder mochte es, wie heute, zu einem kleinen leichtsinnigen Jeu am anderen Ende des Tisches kommen. Dort hatte sich um Hilling und seinen Freund Steinbergk eine Gesellschaft jüngerer Herren angesiedelt, deren mehr oder wenigrr erhitzte Gesichter sowohl die vorgeschrittene Abendstunwe, wi« den, sich rasch tiefer und tiefer senkenden Pegel de» letzten Aufgusses der Bowle erkennbar machten. Die Unterhaltung wurde dem«ntsprechend ziemlich laut geführt und drehte sich be sonders um die Frage, ob man im Casino bleiben oder ob man zur Abkühlung noch «in Bierlocal aufsuchen soll«. Diesem Für und Wider machte plötzlich die Stimme «ine» älteren Secondlrutnants ein Ende, der mit hohem, durchdringen dem Tone „Ordonnanz, den großen Kurfürsten!" üief. Der Rufer war der vorhin schon im Gespräch zwischen Hilling un!v Steinbergk erwähnte Gallow, «in großgewachsener Officier, dessen von einem wohlgepflegten dunkelblonden Vollbart be schattete Züge auf den unbefangenen Dritten, beim ersten Be gegnen, einen harmlosen, sogar Zutrauen erweckenden Eindruck machen konnten. Allerdings haftete dieser Eindruck im günstigsten Falle nur auf ganz kurze Zeit, denn di« Charaktereigenschaften des Trägers waren derartige, daß, wenn es di« Rücksichten auf di« Kameradschaft im Großen und Ganzen erlaubt hätten, «S beinahe rathsam gewesen Nxive, di« jüngeren Officiere vor seinem Umgang« zu warnen. Grade unter letzteren aber suchte er seinen Verkehr, waS um so auffälliger war, als «r sonst, bei jeder Ge- l«genh«it, eifersüchtig aus sein« Ancirnnetät pochte. Da dieser Verkehr jedoch nie von sehr langer Dauer zu sein pflegt«, die jungen Herren — auch Fähnriche, besonders wenn sie im Gerüche einer auskömmlichen Zulage standen, wurden davon nicht ausgeschlossen — suchten sich mehr oder minder bald dem Einflüsse Gallow's zu entziehen; so war «s nur naturgemäß, daß dieser sich dem jüngsten Nachwuchs« oder den neu in» Regi ment Versetzten immer wieder zuweävete. Dieser Neulinge auf beinah« allen Gebieten nahm er sich insofern an, al» er es sich an gelegen sein ließ, ihnen die verschieden«:! Arten, wie Kaffee und Schnäpse, sei es durch Karten, Domnio oder sonstwie, auSgespivlt werden können, beizubringen. Als Sohn «in«» ponsionirten Officier», der für eine zahlreiche Familie zu sorgen hatte, war Gallow lediglich auf sein Gehalt angewiesen, das bei seinem ausgesprochenen Hange zum Wohl leben nicht im Entferntesten hinreichte, seine filbstqeschaffenen Bedürfnisse zu befriedigen. Di« klein«» täglichen Belehrungen, die er den unerfahrenen Kameraden zu Theil werden ließ, konnten nur von untergeordneter Bedeutung für ihn fein; zur Bestreitung der übrigen Luxusausgaben bedurfte e» schon größerer Mittel, und dies« verschobst« er sich durch seine hervorragende KennkNiß aller Kartenspiel«, vom Whist und Scat onfangend, bi» zu den gerissensten Hazardsprelen. Gerckvezu erstaunlich war dabei da» Glück, da» ihn fast ausnahmslos al» Gewinner au» diesem Kampfe de» Zufalls mit der Geschicklichkeit hervorgehen ließ. Man braucht« dabei noch nicht an unsaubere Machenschaften zu denken. In allen den Spielen, wo es überwiegend odor doch zum Theil auf Geschicklichkeit ankam, unterstützte ihn seine Ruhe ebenso wie sein ans Wunderbar« streifende» Gedächtnis». Er wußte mit Bestimmtheit jede gefallen« Kart« anzugeben, und besonder» Leim
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