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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.08.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-08-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000808016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900080801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900080801
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- LDP: Zeitungen
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- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
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Gröbere Schriften laut unserem Preis* verzrichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz uach höherem Tarif. Extra-Veilaaen (gefalzt), nur mit der Morgen «Ausgabe, ohne Poslbeförderuug ^l vO.—, mit Postbeförderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abeud-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Margeu-Au-gabe: Nachmittag» 4UHL Bei den Filialen und Annahmestelle» je ein« halbe Stund« früher. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richte». Druck uud Verlag von L. Pol» in Leipzig 8L Jahrgang. Der Kampf um Italien in alten und neuen Tagen. -ü- Der Tod König Humbert's hat alle Blicke auf Italien gelenkt. Mehr denn je braucht das geeinigte Königreich einen festen, unbeugsamen Herrscherwillen, der mit gleicher Energie socialistischem wie klerikalen Umsturzgelüsten entgegenzutreten und das junge Reiich nach innen und außen zu sichern hat. Seit Jahrhunderten ist Italien gerade unS Deutschen ein interessantes Land gewesen; der unselige Traum, die deutsche Kaiserkrone durch altrömischen Glanz vergolden zu helfen, hat zu vielen fruchtlosen Kämpfen geführt; manch wackrer Fürst ist deshalb dahingesunken, und es kam die Rede auf, wonach Italien das Grab der Deutschen sei. Die mittelalterlichen Kämpfe zwischen Kaiser und Papst sind bekannt. Da geschah es aber um hie Wende des 15. Jahrhunderts, daß ein bis dahin unerhörter, allgemein e u r opä i s ch er Kampf um die apenninische Halbinsel ausbrach, Jahrzehnte dauernd und auf Jahrhunderte die Geschicke «der Völker beeinflussend. Italien, politisch zerrissen durch eine Fülle von souveränen Stadtstaaten, ward eine Beute seiner Nachbarn. Franzosen, Spanier, Deutsche rissen sich ab wechselnd um den oder jenen Theil des Landes, und es war eine feine Ironie ver Weltgeschichte, als die wilden Söldner Karl's V., dieses getreuesten Sohnes der römischen Kirche, am 6. Mai 1527 die Engelsburg stürmten und Papst Clemens VII. gefangen nahmen. Eine eigenthümliche Schaukelpolitik haben die Päpste damals betrieben; der Statthalter Christi hielt es nicht unter seiner Würde, gelegentlich sogar mit den heidnischen Türken an zubändeln, auf daß nur der Kirchenstaat durch einen allzu mäch tigen deutschen Kaiser keine Einbuße erlitte. Aber schon war die Macht dieser theatralischen Herrschaft im Sinken begriffen. Seit Luther's Auftreten schmolz der Peterspfennnig recht be denklich zusammen; Schküsselsowaten und Schweizer Söldlinge gaben nur eine ganz ungenügende militärische Garantie, und was das Schlimmste war, der Kirchenstaat mußte seiner Natur nach allmählich das größte Hinderniß werden gegenüber einer jeden nationalen Regung und Entwickelung Italiens. Die einsichtsvollen Patrioten dieses Landes sind zu keiner Zeit darüber im Zweifel gewesen; schon Dante ist ein Todfeind des Papst- ihums gewesen, nicht, um religiöser, sondern um nationaler Gründe willen. Nur idealistische Schwärmer, wie die Neoguelfen in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts, konnten auf den selt samen Gedanken kommen, das Papstthum möchte an die Spitze einer national-italienischen Bewegung treten. Der Krieg von 1848 gab da zum so und so vielsten Mal« die Lehre, daß die päpstliche, große, schwarze Internationale köinen vaterländischen, sondern nur kosmopolitischen Zielen Raum zu geben gewillt ist; gegen eine katholische Macht wie Oesterreich konnte und wollte Pio Nono nichts unternehmen. So war's eine geschicht liche Nothwendigkeit, daß ein modernes, national denkendes Italien dem Kirchenstaate am 20. September 1870 ein jähes Ende bereitete. Doch sofort ergaben sich neue Verwickelungen und Kämpfe. Das italienische Garantiegesetz von 1871 genügte dem römischen Stuhle in keiner Weis«; gleichwohl bot man dem Papste in ent gegenkommendster Form weit mehr, als ein entthronter Herrscher, der niemals ein eigentliches Recht auf weltliche Herrschaft gehabt, irgendwie hätte beanspruchen dürfen. Es wurde ihm die Souve- renetät zugesagt, persönliche Unverletzlichkeit eingeräumt und der Besitz des Vaticans, des Laterans und des Castells Gandolfo überlassen; dazu kam das Angebot einer Leibrente von jährlich ZiH Millionen Francs sowie einer stattlichen Leibgarde, endlich die freie Verfügung über Post und Telegraph. Nur grollend hat sich das Papstthum in das Unvermeidliche gefügt; jedenfalls hat es den Anspruch nicht aufgegeben, auch innerhalb Italiens eine politische Rolle zu spielen, und mit allen Kräften sucht es der jungen italienischen Einheit Hindernisse und Schwierigkeiten zu bereiten. Das Wahlverbot Pio Nono's, das Leo XIII. aus drücklich erneut hat, ist ein Uebergriff schlimmster Sorte; durch das Xon expeäir wird lder italienische Staatsbürger direct auf gefordert, seine Pflichten als solcher zu vernachlässigen. Man wird sich einigermaßen einen Begriff von der hemmenden Wir kung machen, die das schlankweg aufgestellte Verbot auf die poli tischen Verhältnisse Italiens ausüben soll, wenn man sich den Commentar vergegenwärtigt, den Rechtsanwalt Paganuzzi 1897 anläßlich der Vorbereitung der Katholiken-Congresse hierzu ge geben hat: „Die den führenden italienischen Katholiken klar vo «gezeichnete Pflicht ist, sich in jeglicher Weise der politischen Wahlen zu enthalten und ebenso die anderen Katho liken alle zu überreden, das Gleiche zu thun und das absolute und allgemeine Verbot nicht zu überschreiten, auch nicht in solchen be sonderen Fällen, wo die Bethriligung irgend welchen Dortheil erwarten lassen könnte, so z. B., daß dann ein Mann mit gemäßigteren Anschauungen über einen anderen, den Katho liken feindlicher Gesinnten siegen könnte. Bei alledem muß der für die Durchführung der Enthaltung entwickelte Eifer der Ent wickelung und Festigung jener Organisation dienen, welche dem heiligen Vater so am Herzen liegt und Vie der Papst im gegen wärtigen Augenblick mehr als alles Andere von den italienischen Katholiken fordert." Also ein offenes Kampfesverhältniß, das die Curie von Gewissens wegen seitens der italienischen Unter thonen deren Regierung gegenüber verlangt. Zur Linderung dieses traurigen Zustandes trägt es natürlich in keiner Art bei, daß der Träger der dreifachen Krone allenthalben die Fabel von der „Ge fangenschaft des Papstes" als ein politisches Propaganda-Mittel benutzt, wohl wissend, daß solch selbstgewählte Märtyrerstellung vorzüglich geeignet ist, das Mitleid und den Zorn der Gläubigen zu erregen. Würde sich der Papst, woran ihn kein Mensch hindern könnte, offen und frei bewegen, wo und wohin nur immer, dann würde eben ein gut Theil seines Nimbus ohne Weiteres erblassen. Ein verhängnißvoller Zwiespalt also, in den jeder könig-treue Italiener, der nebenbei ein guter Katholik sein will, tagtäglich gerathen kann. Daß der jetzige Papst trotz seiner vielgerühmten Friedlichkeit hieran nicht daS Geringste ändern mag. das hat gleich die erste größere Kundgebung gezeigt, die er unmittelbar nach dem Antritt seine» Pontifikat- erließ, al- er in Form einer Oster- Encykkika di; stricte Wiederherstellung de» Kirchenstaate- ver ¬ langte. Diese Forderung ist seitdem zur Genüge wiederholt wor den und wirid auch immer wieder erhoben werden, so lange es Päpste giebt. Darin aber liegt das Unglück des modernen Italiens. Das Papstthum gehört für den schlichten Mann nun einmal zur Oloria itnliana; auch die Römer reißen sich darum, den Papst in irgend einem feierlichen Aufzuge anzustaunen; zu mal ein päpstliches Jubeljahr, wie es gegenwärtig wieder in- scenirt worden ist, bietet ja eine Unmenge von kirchlichem Glanze und imposanter Repräsentation. Und nun inmitten dieses be rauschenden, päpstlichen Pompes immer von Neuem der Protest des italienischen Ultramontanismus gegen das Königreich Italien! In dieser Beziehung ist die italienische Krone wahrlich nicht beneidenswerth. Selbstredend lehnt das italienisch« König- thum jede Verantwortung für die politischen Versuche und Thaten des Papstes rundweg ab, und doch muß es mit den Con sequenzen der päpstlichen Politik alle Zeit rechnen. Angenommen, eine auswärtige Macht sähe sich veranlaßt, einen kriegerischen Druck auf die Curie auszuüben, die fremden Truppen müßten doch italienischen Boden betreten; die Regierung würde also nicht nur sich und das Königreich, sondern auch den Papst indirect zu schützen haben. Mag dies auch zunächst nur eine theoretische Annahme sein, schwierig liegen die Verhältnisse unter allen Um ständen, und es ist bewundernswerth, mit welchem Tacte und mit welcher Thatkraft es die savoysche Dynastie gleichwohl verstanden hat, die Würde Italiens nach außen hin zu wahren und zu heben. Schon manchmal ist dem Papste angerathen worden, so z. B. von dem Jesuitenpater Ventura, er möchte sich mit der italieni schen Krone versöhnen, aber der Vatican ist sehr vorsichtig mit solchen Gedanken. Wollte er wirklich Hand in Hand mit dem Königthum gehen, dann wäre allerdings der nationale Jubel Italiens groß, wenn's auch fraglich ist, ob gerade auf die Dauer, denn dem leichtlebigen Italiener dürfte es unter einer wesentlich den Ton mit angebenden Pfaffenwirthschaft schließlich doch etwas ungemüthlich werden. Aber es ist gar nicht an solche Versöhnung zu denken. Der römische Stuhl calculirt sehr richtig: je größer sein Einfluß auf ein nationales Italien werden würde, um so weniger könnte er seine internationalen Machtgelüste pflegen, und das bleibt ihm zu guterleht doch die Hauptsache. Man sieht, mit wie vielen Factoren das geeinte Königreich bei Behandlung der „römischen Frage" zu rechnen hat. Möchte es dem jungen König Victor Emanuel gelingen, die nationalen Kräfte seines Landes immer voller zur Entfaltung zu bringen und, was daboi in erster Linie nöthig ist, einen klugen Kampf zu kämpfen gegen die vielverzwcigten Bestrebungen des italienischen Ultramontanismus. Die Wirren in China. -p Der französische Minister des Aeußern Delcassä erklärte gestern im Mimsterrathe, keine Depesche berechtige ihn zu glauben, daß der Marsch auf Peking beschlossen sei, auch sei keine Negierung dahin benach richtigt. Im englischen Unterhaus dagegen theilte, wie ge meldet, der Unterstaatssekretär des Aeußern Brodrick am gleichen Tage ein Telegramm des britischen Consuls aus Tientsin vom 4. August mit, dem zufolge der Vormarsch an diesem Tage begonnen bat. Der Widerspruch zwischen diesen beiden Erklärungen löst sich wohl dadurch, daß bis jetzt nur vorbereitende Recognoscirungen stattgesunden haben, die den Verbündeten größere Verluste, wenn auch nicht, wie einige inofficielle Meldungen wissen wollten, 1'200 Mann gekostet haben. In diesem Sinne ist auch die folgende Nachricht zu verstehen: * London, 7. August. (Telegramm.) „Standard" meldet aus Shanghai unter dem 5. d. M.: Japanische Kundschafter stießen auf eine große chinesische Truppen macht, bestehend au» Cavallerie und Infanterie, südwestlich von Tientsin, und auf »ine andere große Truppenabtheilung in der Nähe von Lutai, östlich von Tientsin. Wie viel noch fehlt, um den Vormarsch thatsächlich b->- ginnen zu können, ersieht man wieder aus einem der Londoner „Daily Mail" auS Shangbai, 7. August, zugehenden Tele gramm, nach welchem der englische General Gaslee bessere Artillerie verlangt und Admiral Bruce erklärt, daß er nicht über eine genügende Anzahl Officiere verfüge. DaS ist kläglich! Mittlerweile drängen sich, nachdem in Peking die fremden feindliche Strömung wieder Oberwasser erlangt hat, erneut Bedenken wegen der Schicksale der Gesandten auf. Allerdings besagt ein im gestrigen französischen Minister rathe von DelcassS verlesenes Telegramm deS französischen ConsulS in Shanghai vom 5. August, Scheng babe diesen amtlich benachrichtigt, daß ein kaiserliches Decret vom 2. August besage, die fremden Gesandten würden, sobald sie wollten, unter Geleite nach Tientsin geführt werden und dürften von nun an in offener Schrift mit ihren Regierungen verkehren. Damit ist nicht viel gewonnen. Nach dem Wiederbeginn der Feindseligkeiten zwischen Peking und Tientsin werken Tele- gramme der Gesandten zweifellos aufgcfangcn nnd diese werden sich schwerlich auf den Weg nach Tientsin machen. Sie wissen, was ihrer harrt. Die chinesische Regierung wäre freilich alle Verantwortung loS, denn sie könnte, wenn die Fremden außerhalb der Mauern Pekings ermordet wären, sich mit der Behauptung decken, diese seien trotz ihres Befehls und ihres Schutzes von den Boxern massacrirt worden, also von — Aufrührern. Vielleicht befinden die Gesandten sich jetzt bereits wieder in äußerster Noth. Bedrohlich klingt wenigstens die folgende Meldung: * New Hark, 7. August. (Telegramm.) „Journal and AdreeNser" berichtet au» SHan »hat unter dem 6. August: Ter Oberst der amerikanischen Marine truppen hat durch einen eingeborenen Läufer eine „Tanger" unterreichnere Depesche erhalte», die besagt: „Helfet, wenn überhaupt sofort! In Peking ist keuie Regierung, ausgenommen die militärische» Chefs, die die Vernichtung der Ausländer beschlösse» habe«." Das ist das letzte Lebenszeichen aus Peking. Es ist ein verzweifelter Nus um Hilfe und die Streitmacht der Ver bündeten liegt noch thatenlcs in Tientsin! Ein Shanghaier Telegramm deS „Daily Expreß" vom 6. August besagt, Li-Hung-Tschang machte heule dem Consularcorps die amtliche Mitlheilung, die Gesandten hätten Freitag Nachmittag Peking verlassen, um sich nach Tientsin zu begeben; es werde auch amtlich gemeldet, daß das kaiserliche Edict, demzufolge Uunglu, früher Generalissimus der kaiserlichen Truppen, zum Chef der Armee ernannt worden, welche den Ge sandten als Escorte dienen soll, in Folge der von den Vice königen Linkunyi und Li-Hung-Tschang an den Thron gerich teten Bittschrift erlassen wurde. DieConsuln sind aber keineswegs geneigt, zu glauben, daß vie Gesandten Peking verlassen. Glaubwürdigste Miltheilungen, die den fremden Beamten zuzegangen sind, besagen, daß, sobald das erwähnte Ecict veröffentlicht worden war, die reaktionäre Partei, an deren Spitze L-pingheng und Kangyi stehen, Maß nahmen verabredete, um das Entrinnen der Fremden zu ver hindern. Alle Zufuhr von Lebensmitteln für sie wurde ab- gescknitten und mächtige Hindernisse geschaffen, um die Aus führung des Edicts zu vereiteln. Dem General Tungfuhsiang wurden Befehle gesandt, die Gesandten und deren Escorte aufznhalten, falls es unthunlich sein sollte, sie in Peking zu rückzuhalten. Nach einem Londoner Blatt bat Li Hung-Tschang in Peking um einen einmonatigen Urlaub nachgesucht. Er wurde in große Aufregung durch die Nachricht versetzt, daß zwei fremeenfreundliche Mitglieder des Tsung li Hamens bin gerichtet, und daß die Hingerichteten nicht geköpft, sondern gezweitbeilt worden seien. Er hat allerdings Ursache zu fürchten, daß die letztere Todcsart auch seiner wartet, wenn er Li-Ping-Heng, dem jetzt Allgewaltigen in Peking, in die Hände fällt, denn seine Politik war bisher durchweg eine „zweigctheilte". Er trug auf zwei Schultern nnd wollte weder bei der Regierung IN Peking noch bei den Fremden es verderben, bis sich zeigte, auf welche Seite der Sieg sich neigen würde. Aus einer Unterredung, die der Berichterstatter eines Berliner Blattes mit Li-Hung-Tschang vor dessen Abreise nach Shanghai gehabt hat, entnehmen wir Folgendes: Li- Hung-Tschang sagte: „Die besseren Clcissen der Bevölkerung hier, besonders die größern Kaufleute, wollen von den Boxern nichts wissen, weil sie von dein ganzen Ausstand nur Schaden für das Land und sich selbst erwarten tonnen. Es laßt sich aber nicht leugnen, daß auch unter ihnen, besonders aber in der Masse der Bevölkerung die Boxer Sympathien gefunden haben, denn eine steigende Erbitterung gegen die Fremden ist gerade in den letzten Jahren durch die fremden Mächte selbst hervor« gerufen worden". Dann brachte er das Gespräch aus die Ermordung des deutschen Gesandten und sprach sein tiefstes Bedauern über diesen traurigen Vorfall aus. Er fragte mich, was wohl die deutsche Regierung thun würde? Ich konnte nur erwidern, daß ich darüber selbst nichts als rein persönliche Vcrmuthungen haben könnte. „Es wäre mir von Interesse", versetzte Li, „wenn Sie als Deutscher mir Ihre persönliche Ansicht miitheilen würden. Ter deutsche Kaiser ist bekannt als ein Mann von raschem, energischem Handeln" (buiolc anck onerAotic in rwtiux, übersetzte der Dolmetscher). „Glauben Sie, daß er China den Krieg erklären wird? Ich machte Li darauf aufmerksam, daß nach der deutschen Verfassung der Kaiser nur im Falle eines Angriffs auf Deutschland in der Lage sei, ohne besondere Zustimmung des Bundesraths den Krieg zu er klären. In diesem Falle käme Alles daraus an, daß festgestellt würde, ob Baron von Ketteler ein Lpser des Pöbels geworden sei oder mit Wissen, vielleicht gar auf Befehl der derzeitigen chinesischen Regierung oder des Prinzen Tuan ermordet sei. Eine große Genug« thuung würde unter allen Umständen gefordert werden. — Li ant wortete: „Ich kann Ihnen ganz bestimmt versichern, daß weder Prinz Tuan noch sonst ein Mitglied der Regierung etwas von dieser Ermordung gewußt haben. Im Gegentheil hatte Prinz Tuan gerade die fremden Gesandten zu einer Conserenz in das Tsung li Painen emgetaden, um über die besten Maßnahmen mit ihnen gemeinsam zu berathen. Das hatte er Loch nur gethan, um den Frieden wieder herzustellcn. Auf dem Wege zum Panien wurde der Baron er« mordet, als er sich als Erster dorthin begeben wollte, natürlich nicht etwa, weil er der deutsche Gesandte war, denn eS besteht kein besonderer Haß gegen Deutschland; er ist lediglich als Fremder ein Lpser aufrührerischer Banden geworden, und Prinz Tuan und die ganze chinesische Regierung bedauern ebenso sehr, wie ich, diese abscheuliche That, die überdies unsere Lage überaus schwierig macht." — Auf die Bemerkung, daß Prinz Tuan zum Mindesten sehr wenig energisch gegen die Boxer vorgegangen sei, erwiderte Li: „Ich tadle den Prinzen Tuan sowohl wie die Kaiserin-Wittwe und die ganze Regierung in Peking wegen dieses Mangels an Energie. Die Lage hätte nie so ernst werden dürfen. Ich kenne den Norden China- sehr gut und bin überzeugt, wenn ich noch dort gewesen wäre, r» wäre niemals zu einem derartigen nutzlosen Auf stand gegen die Fremden gekommen." Weiter sagte Li-Hung-Tschang: „Es ist meine feste Ueberzruguung, daß die Missionare für Las Verhättniß der chinesischen Bevölkerung zu den Fremden immer eine Gefahr und die Ursache fast aller Unruhen gewesen sind und immer bleiben werden." Der Vicekönig war sich über die Be deutung seiner Worte vollkommen klar, denn er fügte nach einer kurzen Pause noch hinzu: „Es wird mir lieb sein, wenn Sic für die Verbreitung dieser nieiner Ansicht sorgen würden." Der Vice- künig führte dann weiter aus, daß eine gewisse steigende Er- bitterung gegen die Fremden in den letzten Jahren durch die fremden Mächte selbst hervorgerufen sei und fuhr dann fort: „Ich nenne Ihnen al» Beispiel di» Erwerbung KiautschauS durch Deutschland. Ein paar Missionare waren ermordet worden. Die chinesische Regierung bat, als Genugthuunq gefordert wurde, die Verbrecher und auch die verantwortlichen Beamten hart gestrast, sie hat eine sehr große Geldbuße angeboten, aber das alles hat nicht genügt. Deutschland hat auf seiner Forderung, Land in China zu erwerben, bestanden und hat seinen Willen durchgesetzt. DaS war »ine übermäßige Buße sür ein paar Missionare, aber Kiautschau ist nur ein Beispiel. Andere Mächte sind gefolgt und dieses Vorgehen hat in weilen Kreisen der Bevölkerung auch bei sonst fremdensrrundlichen Chinesen Erbitterung hervorgerufen. China darf unter keinen Umständen weitere» Land abtreten." Unsere Truppen unterwegs. Für die zahlreichen Verwandten uud Freunde unserer nach Ostasien geschickten Officiere und Soldaten dürfte eine Zusammenstellung darüber von Interesse sein, wo sich augenblicklich unsere Schiffe befinden und wie es ihnen bisher auf der Reise ergangen ist. Dampfer f„Köl n", der ein AblösungScommando von löOOMaun nach Kiautschau ührte, daS sich noch an den Kämpfen in und bei Tientsin betheiligen konnte, ist noch in den chinesischen Gewässern, wo er zu verschiedenen Dienstleistungen gebraucht wird. Die Mehrzahl der Ablösungstruppen befinden sich in Kiautschau, einige hundert in Tientsin. Dampfer „Frankfurt" und „Wit t e- i n d"(?) haben nach einer wenn auch beißen, so doch ziemlich reundlichen Fahrt Singapore erreicht und sind jetzt auf der Fahrt nach Hongkong. Dampfer „Preußen", der das Vor- bereitungscommando trägt, das sich in Genua einschiffte, hlieb von Stürmen verschont und wird in diesen Tagen in Colombo eintreffen. Dampfer „Gera" hat mit drei Torpedobooten Gibraltar passirt und wird sich jetzt auf der Höhe von Tunis befinden. Dem bösen Wetter im Canal und der Biscaya ist er davongefahren. Die Dampfer „Batavia", „Halte" und „Dresden" werden jetzt vor der Straße von Gibraltar sein und können leicht noch von einem kleinen „Schwänze" des Unwetters erwischt worden sein. Die Dampfer „Sardinia" und „Straßburg" sind jetzt an der portugiesischen Küste und werden Wohl in Len letzten Tagen noch etwas von dem unfreundlichen Wetter ab bekommen haben. Die Dampfer „Rhein" und „Adria" nid sowohl im Canal als auch in der BiScaya tüchtig ge- chüttclt worden. Sie waren gerade im Canal, als die englischen Postschiffe wegen Sturmes nickt auslaufen konnten. Auf diesen Bolen dürfte reichlich dem Seegott geopfert worden fein. Die Dampfer „H. H. Meier" und „Phönicia" bekamen gleich bei ihrer Ausfahrt einen gründlichen Vorgeschmack von dem, was sich die Nordsee bis weilen leistet, und passiren jetzt bei starkemWinde den Canal. Wenn „Straßburg", „Sardinia", „Rhein", „Adria", „H.H.Meier" und „Phönicia" gleich zu Anfang die Unbilden der Schifffahrt er fahren haben, so sollen ihre Insassen sich das nicht leid sein lassen, denn sie werden nun hoffentlich gegen alles, was noch folgen kann, so abgehärtet sein, daß ihnen die nachfolgende Reise nur umsomehr Vergnügen machen wird. Unsere Transporte bilden jetzt eine langgezogene Linie vom Canal bis zur Mitte des Mittelmeeres, vor ihnen aber befindet sich dann eine ganze Reihe von Kriegsschiffen. Von ihnen ist der „Fürst Bismarck" am weitesten nnd muß jetzt bald in Singapore eintreffen. Dann folgen zwei kleine Kreuzer und nach diesen das Panzergeschwader, daS sich jetzt Colombo nähert und hinter ihm noch ein kleiner Kreuzer. In Summa befinden sich auf allen diesen Schiffen über 15 000 Deutsche. (Köln. Ztg.) Der Krieg in Südafrika. —p. Tie Signatur der Lage aus dem Schauplatz der wenig rühmlichen „Großthaten" AlbionS ist wechselndes KricgSglück. Wie das Reuter'sche Bureau aus Capstadt, 7. August, telegraphirt, hat sich Harrismith im Freistaat dem General Macdonald ergeben, wodurch die Eisenbahnverbindung nach Natal wieder bergestelll wird. — Ein heftiges Gefecht begann am 5. August am Elands River und dauerte am 6. d. MtS. noch fort. Einzelheiten fehlen, jedoch glaubt man, daß cS den Generälen Carrington unv Jan Hamilton ge lungen ist, die Garnison von Rüstend urg zu entsetzen, und daß diese Garnison sich nach Zeerust zurückziehe. DaS wäre ein etwas merkwürdiger Entsatz, denn bei Zeernst stehen starke Boerencommandos, die bisher glücklich operirt haben. Warum verfolgen die englischen Generäle die Be lagerer nicht und warum machen sie nickt den Versuch, die Boeren bei Zeerust zu vertreiben? Im Westen des Trans- vaalstaatcS scheint Roberts überhaupt noch manche Nuß knacken zu müssen, nachdem er südlich des Vaal so ziemlich aufgeräumt hat. DaS lag ganz außer aller Berechnung und der englische Generalissimus sieht sich jetzt plötzlich vor neue Aufgaben gestellt. Nun muß er hier wieder mit der Säuberungsarbcit beginnen, ehe er den „großen Schlag" gegen LouiS Botba führen kann. Aber auch an der Bahnlinie (zwischen Kimberley und Mafeking erbebt der Aufstand wieder das Haupt, nachdem der ganze Distrikt „vollständig pacisicirl" war. Wir ver zeichnen die folgende überraschende Meldung: * Eradock, 6. August. („Rcuter's Bureau".) Ein hier ein gegangenes Telegramm besagt, daß inVryburg am Sonnabend eine große Erregung geherrscht habe. Die Stadtwache sei rinberusen worden und es seien militärische Verstärkungen ein- getroffen. Auch sonst sei Alle» für einen Angriff der Boeren vorbereitet. Daß die Engländer dort nochmals zu schaffen bekommen würden, batte im RobertS'schen Hauptquartier Wohl Nie mand vermuthet. Nock, peinlicher für die siegesfrohen Eroberer ist die fol gende Nachricht: * LonVon, 7.August. (Telegramm.) „Taily Tele graph" berichtet ano Pretoria unter dem L. d. M.: Kleine Voere» - Abthetlungen bedrängen die Briten von alle» Seiten insolge des Rückzüge» der vlarnison Springs. Tie voeren besetzten diese» durch seine Kohlenproduettvn wichtigen Platz tu» östlichen Randgebiete wieder. Diese Meldung bestätigt ausS Neue, daß in unmittel barer Nähe der englische» Operation-basi« — SpringS-Station liegt südlich von Pretoria in nächster Nabe von Johannesburg am End« der von hier abzweigenden kleinen Localbahn — sich noch zahlreiche boerische Guerilla banden Herumtreiben, bald verschwinden, bald wieder ans tauchen und jede Gelegenheit benutzen, dem Feinde ein- auS- zuwischen. Schlachten können sie ja nicht schlagen, aber sie können Lord Robert» da» Leben sehr schwer machen, indem sie ihn bindern, etwa- Ernstliche- in der Richtung auf Lydenburg zu unternehmen. Er vermag sie nicht zu fassen und sieht sich durch sie zu monatelanger Untbätigkeit ver« > urtheilt — eine klägliche Situation nach den großen Tagen
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