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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.07.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-07-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010729027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901072902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901072902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-07
- Tag1901-07-29
- Monat1901-07
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Montag den 29. Juli 1901. Anzeigen-PreiS die 6 gespaltene Petilzeile LS H. Neelam«» unter dem Redaction»strich (»gespalten) 75 vor den Familie» nach- richteu («gespalten) KO Lj. Tabellarischer and Ziffernsa- entsprechend Häher. — Gebühren für Nachweisungen und Offerteuanuahm« LS Lj (excl. Porto). Extra-Beilage« (gesalzt), nur mit der Morgen »Ausgabe, ohne Postbefärderung ^l 60.—, mit Postbefärderung ^l 70.—, Änaahmeschloß siir Anzeigen: Abeud-Tu-gab«: Bormittag» 10 Uhr. Morgeu-An»gab«: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestelle» je eia« halbe Stund« früher. Anzeigen find stet» au di« Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag» uunaterbrochr» geöffuu vo» früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Druck und Verlag vo» L Polz t» Leipzig. 95. Jahrgang. Ver Krieg in Südafrika. Zur militärische« Lage. Den „Bert. N. N." wird von militärischer Seite ae- schrieben: Da» englische amtliche Nachrichtenwesen hat zwar wäh rend deS ganzen bisherigen Verlaufes des südafrikanischen Feldzuges an Unsicherheit nie etwas zu wünschen übrig ge lassen und das „Evidenz-Bureau", unserem Nachrichtenamt entsprechend, bat gezeigt, daß es entweder seiner Aufgabe durchaus nicht gewachsen, oder daß «« ia vollkommener Verkennung derselben glaubt, durch Vertuschungen, Beschöni- gungen uud Verschleppungen der englischen Armee dienen zu können — was aber gerade in der allerjünzsten Zeit in dieser Beziehung geleistet worben ist, das spottet allem bisher Dagewrsenen. Die spätere Geschichtsschreibung wird unter diesen Verhältnissen jedenfalls außerordentlich zu leiden haben, denn schon jetzt ist eS schwer, aus der Summe der vor liegenden, sich mehr oder weniger widersprechenden Berichte ein Bild der Lage zu gewinnen. AuS den vorliegenden eng lischen Berichten klingt, wie man eS anders gar nicht mehr gewohnt ist, eine große Zuversichtlichkeit hervor; au« dem Norden meldet Kitchener, daß eS ihm gelungen ist, die Boeren aller Orten zurückzutreiben, und in der Capcolonie versichert deren Premierminister, daß die Lage dort noch nie so günstig gewesen sei wie gerade jetzt. Und doch wird auf der anderen Seite, wenn auch nur schlichter», mitgethrilt, das bei Pretoria stehende Armee-Obercommando beabsichtige, eine Conceotrirung seiner Truppen-Abtheiluugen zwischen Johannesburg, Maritzburg und Durban vorzunehmen, und eS wird begründet, daß man an Stelle von 70 000 zurückzusendender Mann Infanterie 50 000 berittene bedürfe. Hier liegt rin Widerspruch vor, denn wenn die Verhältnisse für die Briten in der Transvaal-Republik und dem Oranjefreistaat thatsächlich günstige sein würden, so würde man doch nie an eine solche „Conceutrirung" denken, die mit einer vollständigen Aufgabe der Hauptstadt des feind lichen Landes gleichbedeutend ist und einer Aufgabe der nur unter Aufbietung großer Opfer erkämpften Stellung im occupirten Lande gleichkommt. Dann würde man auch nicht eines derartigen, nur außerordentlich schwer zu bewerkstelligen den Umtausches der Waffen bedürfen. Stände man that sächlich in hervorragend günstiger Weise inmitten des ia- surgirten Landes, daun würde man es wohl in kürzester Zeit fertig bringen, den Aufstand niederzuwerfen und durch dirrctes Eingreifen entlang der Bahn Bloemfontein-De Aar-Capstadt die Verbindung mit letzterer Stadt wieder herzustcllcn. Hier liegt aber der springende Punct: Diese Verbindung ist in einer Weise jedenfalls verloren gegangen, daß eS un möglich erscheint, sie wieder zu gewinnen, und deshalb ist man gezwungen, sich nach einer anderen zur Küste führenden Linie umzusehen. Wählt man hierzu diejenige nach Durban, so !ist dies nicht befremdend, denn sie ist die günstigste. Schwer ins Gewicht fällt nur, daß man dies thun muß, daß man die vielen Unbequemlichkeiten, wie wir uns gelinde ausdrücken wollen, in Kauf nimmt, um eine neue OperationS- Lasis zu gewinnen. Daß jene Verbindungslinie in den Midland-Districten unterbrochen wird, unterlag seit Langem keinem Zweifel mehr; di« angedeuteten Maßnahmen der Briten taffen aber jetzt den Schluß zu, daß sie ihnen — zunächst wenigstens — unwiderbringlich ver loren ging) und zwar trotz Cambdebro und anderer, von den Engländern als Siege für sich in Anspruch ge nommenen Kämpfen, Cambdebro kann man im Allgemeinen auch »och als solchen gelten lassen, denn wenn zwar di« Briten hier auch nicht den Zweck ihr«S UateruebmrnS, die Gefangennahme ScheeverS, erreichten, so zwangen sie doch die Boeren, den Kampfplatz zu räumen. Groß kann aber der Eindruck, den dieser britische Waffenerfolg auf den Feind machte, nicht gewesen sein, denn anderenfalls hätte Comman- dant Scheeper eS nicht nach so kurzer Zeit und in so geringer Entfernung, wie zwischen dem genannten Ort und Beaufort- West liegt, wagen können, von Neuem zum Angriff vorzu gehen, und dann würde dieser zweite Angriff auch wohl nicht von dem Erfolg begleitet gewesen sein, den er, wir auch englische Meldungen Zugrben müssen, den Boeren brachte. Uud auch Aberdeen und Cradock, wo die Engländer die Boeren zurückgetrieben beziehungsweise geschlagen zu haben behaupteten, sind nachträglich zu Erfolgen ihrer Feinde ge worden. Wohl ist eS möglich, daß bei beiden Orten die Ent scheidung mehrere Tage geschwankt hat, daß aus einem Zu sammenstoß sich zahlreiche Gefechte entwickelt haben, schließ lich aber sind die Briten doch immer zur Aufgabe ihrer Stellung gezwungen worden. Und gerade in dieser starren Zähigkeit, welche sich ia dem Festhalten der Boeren an dem einmal gesteckten Ziel ausspricht, ist eine Gewähr dafür zu erblicken, daß ihre Sache nicht schlecht steht. Sicher ist eS, daß sie an Zahl, an Ausrüstung und Kriegsmaterial somit in vie en anderen Beziehungen den Engländern unterlegen sind; fest steht eS aber auch, daß sie eine ganze Reibe moralischer Factoren für sich haben. Jedenfalls haben die Boeren in den Hauptorten der Linie Alival North, Aberdeen, Cradock, Beaufort-West alle Hauptpunkte der von der Küste nach der Grenze vrS Oranjestaate« führenden Bahnen in idren Händen, und gewährleistet der Besitz vieser Linien den Erfolg eines „allgemeinen, von sämmtlichen Boerenführern beabsichtigten Vormärsche» nach dem Süden", wie er auS dem Hauptquartier des Obersten Allenby gemeldet wird. Und auch hier stoßen wir wieder auf einen Widerspruch der britische» Berichterstattung: General Kitchener meldete noch vor wenigen Tage», daß seit dem bekannten Ueberfall gegen die Oraniestaat-Regierung De Wet und Strijn im Distrikt Vrede „als Flüchtling« umherirrten"; Oberst Allenby dagegen berichtet, daß die Genannten bei Heilbron-Road die Bah» überschritte» und sich nach Westen Htvrandt hätten. Zu vermuthrn ist, daß De Wet und Steil» hiermit schon den ersten Schritt zu der ia Aussicht stehenden erneute» Invasion nach der Capcolonie getbau habe», die im Hinblick auf die Stellung der augenblicklich i» der Colonie schon anwesenden CommandoS nicht ohne Aussicht auf Erfolg zu sein scheint. — Au« den vorliegenden Meldungen läßt sich die Wahrscheinlich keit solcher Invasion wohl herleiten und ebenso, wie man hier den Drang nach der Küste feststellen kann, ist er auch im Hauptquartier deS GeueralS Kitchener nicht zu verkennen. Nur werden die Züge in verschiedenen Richtungen erfolgen; bier im Allgemeine» mit der Richtung auf De Aar-Beaujorl- West, dort mit der Direktion auf Durban. Uud zu diesem Streben wird wohl viel, sehr viel auch die vollständige Ver nichtung der Republiken, ihre vollkommene Erschöpfung bei tragen. Jedenfalls dürften die nächsten entscheidung-vollen Kämpfe noch mehr al- bisher ia der Nähe der Küste zu er warten jeia. Die Wirren in China. Kriegsentschädigung. Au» Washington, 27. Juli, meldet da» Reuter sch« Bureau: Nachrichten aus Peking zufolge hat Rußland erklärt, es werde jetzt nicht weiter aus ein« eventuelle Er höhung der Zollabgaben über 5 Procent der gegen wärtigen Ziffer hinaus drängen und seine Zustimmung ge geben, daß, falls Chinas Einkünfte nicht ausreichend sein sollten zur Zahlung von Capital und Zinsen, die Mächte die Einkünfte Chinas untersuchen und bestimmen sollen, welche Berändcrungen zur Deckung des Erfordernisses notwendig ^eien. In diese Klbmachung seien die kaiserlichen Seezölle mrt eingeschlossen. Der englische Gesandte sei hiervon befriedigt. Daher sei die ganze Frage der finanziellen Maßnahmen geregelt. Die 450 Millionen Taels sollen nach Maßgabe des Werthes des Tc»:l am 1. April nächsten Jahres in Gold convertirt werden. In dem Falle, daß die Einfuhrzölle später erhöht werden, soll die Frei liste, mit Ausnahme der für Cerealien, abgeschaffk'werden. Es verlautet jedoch, daß dafür eine Compensation wahrscheinlich finanzieller Natur verlangt werde. Die Theilnahme Chinas an der Verbesserung der Wasserzugänge zu Shanghai und Tientsin und alle anveren Hauptpuncte der Verhandlungen seien jetzt geregelt, und eS werde erwartet, daß die Ergebnisse der Verhandlungen innerhalb vierzehn Tagen in ein Schluß- Protokoll zusammengcfaht werden, das alsdann von allen Machten unterzeichnet werden wird. Räuberbande». * Loudon, 2S. Juli. (Telegramm.) Der „Standard" be richtet au- Shanghai: Chiaesischen Berichten aus dem südwest lichen Tschtli zusolg» besteht die sogenannte „B«retntgung der Landlrute" jetzt auS 25000 gut bewaffneten Truppen, die sich größteiitheilS auS früheren Boxern und entwaffneten Soldaten zusammeusetzen. Sie erbeuteten alle kaiserlichen Borräth«, die von Peking über Land gesandt wurden. Politische Tagesschau. * Lechzt^ 2S. Juli. Während unbefangene Beurtheller deS AoStartf-SntwurfeS zu dem Eindruck gelangen müsse«, daß derselbe de» Agrariern bi« an die Grenze der Möglichkeit entgegengekommen ist, stellt sich die „Deutsche Tageszeitung", al« führendes Organ deS Bunde- der Landwirthe, selbstredend im höchste» Grade un befriedigt. Wer die jahrelange, der Landwirthschaft nicht immer zu Nutz und Frommen gereichende Agitation dieses bochschutzzöllnerischen Blattes einigermaßen im Gedächtniß hat, wird nicht weiter überrascht sein. DaS Blatt muß seiner ganzen Vergangenheit nach und im Interesse der Zu kunft einfach unzufrieden sein. Es giebt seinem Miß mut!) in folgenden Worten Ausdruck: „Wir glaube» nicht, daß der Zolltarif auch die bescheidensten Landwirthe befriedigen kann, und sind ebenso überzeugt, daß die Industrie »ach vielen Richtungen hin sehr peinliche Lücken und Per- schiebungrn zu beklagen Hal. Ferner müssen wir es als rin ganz besonders befremdliches und geradezu unverständliche- Vorgehen be zeichnen, daß die Regierung eS nicht für nöthig gehalten hat, den deutschen Gartenbau in irgend einer Weise zu schützen. So hat den» jetzt der letzte Act des großen Dramas begonnen; es müssen alle Kräfte angespannt werden, um den völlig unzulänglichen Zolltarif in eine brauchbare Schutzwehr für die heimische BolkSwicthschaft umzu wandeln. Wir hoffen auf di« thatkräftige Unterstützung der ge jammten deutschen Landwirthschaft io diesem schweren Kampfe. Wir hoffen trotz alledem und alledem auf den Sieg der guten und gerechten Sache, weil es rin Widersinn wäre, der Landwirthschaft nach den unend lichen Leiden, die sie im letzten Jahrzehnt erdulden mußte, mit halben Maßregeln scheinbare Hilfe zu bringen, die weiter nichts bedeuten würde, als eine Verlängerung ihrer entkräftenden Leiden. Dazu kann keine deutsche Regierung die Hand bieten, und wenn ihr im Reichstage klipp und klar auseinandergesetzt werden wird, welche Zollsätze dir deutsche Landwirthschaft unbedingt haben muß, um zu bestehen, dann wird sie sich dazu bequemen müssen, ganze Arbeit zu thun." Diele „ganze Arbeit" erblickt die „Deutsche TageSztg." in einem Zollsätze von 7,50 für Getreide, der keineswegs so hoch sei, daß die anderen Staaten auf unsere» Markt ver zichten, d. h. langfristige Handelsverträge unmöglich würden. DaS Blatt versteht weiterhin nicht, daß die Negierung sich nicht zu einem Kartoffelzoll hat entschließen können, und daß Futterrüben frei eingehen sollen. Es hält eine Erhöhung des TabakzollcS für dringend nothwendig und schließt aus der vorgesehenen zollfreien Einfuhr aller frischen Küchengewächse, daß eS auf die Gärtner ganz besonders abgesehen sei. Der unbedeutende Zoll von 10 auf getrocknete Küchengewächse falle ebenso wenig sür die Gärtnerei ins Gewicht, wie ein Zoll von 10 auf Blumenzwiebeln und von 20 auf Cycaswedel, wenn alles Andere, auch Blume», Blütheu, zu Binde- und Zierzweckcn frei eingehe. In angenehmem Gegensätze dazu steht folgende Auslassung der „Germania": „WaS unS anlangt, so gönnen wir der Landwirthschaft eine Zollerhöhung von Herzen. ES wird aber Gegenstand einer ernsten und eingehenden Prüfung sein müssen, bis zu welcher Höhe man, namentlich bei der unleugbaren Krisis in Industrie und Handel, welche eine Verschlechterung der Arbeit-Verhältnisse naturnothwendig im Gefolge haben muß, geben darf. Für durch aus vrrk«hrt und mit den Grundsätzen der auSgleichenden Gerechtigkeit durchau« im Widerspruch stehend, würde» wir iS erachten, di« Zöll« ans Bieh und Getreide — die nothwendigstea Lebensmittel — so zu steigern, daß dadurch der Arbeiterschaft die Lebenshaltung ung«bürlich erschwert oder gar unmöglich gemacht würde DaS ist mit anderen Worte» die gleiche Auffassung, die dieser Tage in der „Leipz. Ztg." warnend in dem Hinweis »um Ausdruck kam, daß vas Beharren ver „Deutsch. TageSztg." und der „Klapper'schen Agrarcorrespoudenz" auf dem Standpuncte „Alles oder Nicht»" ohne Gnade zum „Nicht-" führen werde. Denn „Alles" im Siune einer einseitigen Berücksichtigung nur agrarischer Interessen sei bei unS undurchführbar, weil wir kein reiner Agrarstaat mehr sind und eS nie wieder werden könnten. Darein müsse sich unsere Landwirthschaft finden und sie werde sich darin zu finden wissen, wenn ihr durch gleichmäßige Berücksichtigung ihrer Interessen gegen über den Interessen unserer Industrie und unseres Handels ein angemessener Platz innerhalb unserer Volkswirthschaft, auf den sie Anspruch habe, gewahrt bliebe. — Unserer Auf fassung nach können nur Leidenschaft und Unverstand behaupten, daß im Zolltarife diese gleichmäßige Berücksichtigung der landwirthschaftlichen Interessen n i cv t zum Ausdruck kommt. — Zur völligen Orientirung über die Aufnahme deS Tarif- FeuLHeton. o Am Geld. Roman von F. Ilex. NaSdruS verboten. Nun bot ihm Gallon» mehr, als seine kühnsten Hoffnungen I erwarten durften. Mit der Aussicht, seine ganzen Auslagen ersetzt zu sehen, war ein guter Theil seiner Sorgen, und gerade die dringendsten, gehoben. Mit vierhundert Mark Ueberschutz über seine Spielschuld konnte er den Rest des staatlichen Zu schusses, konnte er vor Allem den Wechsel, der die Eltern momentan so hart bedrängte, bezahlen. Die von ihm bean spruchte Gegenleistung war so geringfügig — zudem war seine Fürsprache, wenn überhaupt verlangt — so wenig entscheidend, daß er es wohl mit seinem Gewissen vereinbaren konnte, dem Kameraden, dem er sich für das bezeigte Entgegenkommen zu wärmstem Danke verpflichtet fühlte, diesen Gefallen zu thun. Zwar regte sich in ihm das Gefühl, daß Gallon», ohne diesen Zwischenfall, wohl der Letzte gewesen wäre, den er sich zum Nachfolger gewünscht; allein, wie die Verhältnisse jetzt lagen, wer konnte es ihm verübeln, wenn er ihn — auf Anfrage — in Vorschlag brachte? Gerade das ehrliche Gefühl der Dank barkeit, welches ihm die Großmuth Gallow's einflößte, half ihm darüber hinweg, das Anerbieten selbst nicht ÄS reine Be stechung aufrufassen. Einen Moment noch zauderte er, dann schlug er in die dar gebotene Hand ein, indem er gleichzeitig — und das mit auf richtigem Herzen — seinem Danke für die glatte und liebens würdige Art der Erledigung Ausdruck gab. „Nachdem das abgemacht ist", nahm Gallon, nach der so über raschend günstigen Erledigung der Spielangclegenheit das Wort, „darf ich Ihnen — Sie werden micht recht verstehen und e» nicht als Mangel an Zartgefühl auSlegen — vielleicht meine Börse, natürlich in Abschlag auf unsere Vereinbarung, zur Verfügung Kellen? Sie haben gestern derartiges Pech gehabt, daß ich mir denken kann, daß Sie es einem Kameraden nicht verargen, wenn er als unschuldige Ursache Ihres Verluste« Ihnen die Sache so leicht wie möglich zu machen sucht!" Steinbergk traute seinen Ohren nicht. Da- sollte der alt Egoist verschrieene Gallow sein, von dem noch ganz andere Sachen gemunkelt wurden? Wie Unrecht hatte man dem Manne gethan! Sein einziger Kummer, daß er trotz de- in Aussicht stehenden guten Verkaufes seines Pferdes vorerst nicht in der Lage war, den Eltern helfen zu können, war durch dieses freiwillige, in der zartesten Weise gemachte Anerbieten gehoben! Mit der An nahme desselben brauchte er den immerhin sauren Gang zu Hilling nicht zu machen, ersparte er sich überhaupt diesem Manne gegenüber jedes Geständnis der Folgen der letzten Unglücksnacht; denn daß die wenigen betheiligten Kameraden, die seine gestrigen Abmachungen mit Gallow bemerkt haben könnten, reinen Mund hallen würden, dafür sprach deren eigenes Interesse. Er hätte seinem Gegenüber um den Hals fallen mögen! Jedenfalls bat er ihm im Stillen Alles ab, was er e Ungünstiges von ihm gedacht oder geglaubt hatte. Zog es doch wie Friede in sein schwer bedrängtes Gemüth, da er die Möglichkeit, ja Sicher beit vor Augen sah, nicht nur die augenblickliche Bevrängniß der Eltern zu lösen, sondern auch durch äußerste Sparsamkeit, die er sich im Innern von Neuem gelobte, in Zukunft zur Erleichterung der elterlichen Nothlage beitragen zu können. So bat er sich die so heiß ersehnten 150 aus, indem er, ohne den etwa» erstaunten Blick Gallow's zu bemerken, eine mo mentane Verlegenheit in anderer Richtung vorschützte. Ohne weitere Bemerkung entnahm Gallow daS Verlangte seinem Schreibtische, indem er nur hinzufllgte: „Ich brauche Sie wohl nicht zu bitten, über unsere Ab machungen gegen Jedermann daS unverbrüchlichste Stillschweigen zu beobachten? Vor Allem bitte ich Sie, reinen Mund gegen Hilling zu bewahren. Ich weiß ja, daß Sie befreundet mit ihm sind, und es klingt vielleicht sonderbar, daß ich gerade Ihnen sagen muß, daß ich für diesen Herrn eine — vielleicht auf gegenseitiger Antipathie beruhende — Abneigung empfinde, und fürchten muß, speciell von ihm, wie in so manchen anderen Richtungen, so auch in der vorliegenden, falsch beurtheilt zu werden." Die Erfüllung diese- Wunsche», der Steinbergk'» Absichten sozusagen vorautnahm, konnte von ihm nur mit der größten Wärme zugesichert werden. Erleichterten Herzen» verließ er nach nochmaligem Danke die Schwelle, die er mit so ganz anderen Gefühlen überschritten hatte. Noch von dem BataillonSbureau aus sandte er in ein geschriebenem Briefe die 150 an seine Mutter, indem er mit frommer Lüge den DiSpositiontfond» de» Regiments als Quelle des unvrrmutheten ReichthumS angab. 4. Eapttel. Steinbergk war in den letzten Wochen mit gewohntem Eifer seinen Pflichten al» Bataillon»adjutant und untersuchungs führender Officier nachgekommen. Je mehr die Erinnerung an jene verhänanihvolle Nacht bet ihm verblaßte, desto schwerer wurde ihm der Grdank, aul der vertraut und ltebgewordenen Thätigkeit, die gegen das Einerlei des Frontdienstes so vieles An genehme hatte, ganz abgesehen von dem näheren persönlichen Verkehr, in den er mit seinem nächsten Vorgesetzten — dem Bataillonscommandeur — getreten war, scheiden zu müssen. Wie oft ertappte er sich auf dem Gedanken, Mittel und Wege aus findig zu machen, sich dieses Opfer zu ersparen. Vergebens! Denn außer der Unmöglichkeit, seine Spielschulden an Gallow auf andere Weise abzutragcn, band ihn schon sein Versprechen, sowie die auf Abschlag erhaltene Summe. Andererseits zermarterte er sein Gehirn, irgend einen Vor wand zu finden, der seine Absicht, in die Front zurückzutrelen, den betreffenden Vorgesetzten annehmbar erscheinen lassen konnte. Seinem sich selbst gegebenen Versprechen war er indessen nach jeder Richtung treu geblieben; zum Spielen hatte sich überhaupt keine Gelegenheit gezeigt, doch war er sicher, Selbstbeherrschung genug zu besitzen, um der Versuchung mannhaft die Stirn zu bieten. Zur Bctbätigung seiner sonstigen guten Vorsätze hatte es ihm an gutem Willen nicht gefehlt, doch war das Ergebniß des nun fast zwei volle Monate durchgeführten SparsystemS ein so ge ringes, daß er mit Kummer die Unzulänglichkeit seiner Mittel, den Eltern eine auch nur einigermaßen nennenSwerthe Unter stützung leisten zu können, einsehen mußte. Wenn er auch, dem Beispiele des Hauptmanns v. Felten fol gend, sein Gehalt, oder besser den Rest feines Gehaltes, den er nach Bezahlung des Mittagstisches und der sonstigen gesetzlichen Abzüge zu erhalten pflegte, je nach der Zweckbestimmung in ver schiedene Lassen eintheilte, so mußte er stets auf die gar nicht un bedeutenden außerordentlichen Ausgaben gefaßt sein, die gewöhn lich alle Vorausberechnungen seiner Fmanzkunst über den Haufen warfen. Wo sollten diese Ersparnisse auch gemacht werden, wenn ihm monatlich knapp dreißig Mark übrig blieben, wovon Frühstück, Abendbrod, Beleuchtung, Wäsche, jegliches sonstige Bedürfniß, alles Getränk bestritten werden mutzten! Als er am Schlüsse eine» Monats voll Kasteiung — seinen Hund hatte er an einen alten Schulfreund in einer benachbarten Garnison verschenkt — die gemachten Ersparnisse überschlug, er gaben sich knapp zwölf Mark. Trotz des geringen materiellen Erfolges konnte er ein Gefühl der Befriedigung nicht unterdrücken. Der hohe sittliche Werth, der im Sparen als Beweis der Selbstentsagung liegt, mackte sich auch bei ihm durch gehobenes Selbstgefühl bemerkbar. Die kleine Summe war ihm ein Sporn auf der beschrittenen Bahn Wetter zu gehen, und wenn er sie im Geiste mit der Anzahl der Monate im Jahre vervielfältigte, kam immer schon so viel heraus, um den Eltern eine Art Erleichterung zu gewähren. Wenn er nur die drückende Last seiner Verbindlichkeiten Gallow gegenüber los gewesen wäre! Trotzdem war dieses Ab kommen seine einzige Rettung. Denn wer würde ihm Pferd und Ausrüstung heute zu dem vor zwei Jahren gezahlten Preise abgenommen haben? Und von anderer Seite sich das Geld zu verschaffen, war schlechterdings unmöglich! Dabei rückte der Termin seines Rücktrittes immer näher und näher! Mit Hilling war er, ohne daß es zu einer Aussprache ge kommen wäre, in ein etwas kühleres Verhältniß getreten. Dieser, der schon vordem möglichst wenig mit Gallow verkehrt hatte, trug seit dem verhängnißvollcn Liebesmahl eine nur notb- dürftig verschleierte Mißachtung gegen den glücklichen Spieler fast offenkundig zur Schau. Er grüßte in ihm nur die Uniform, deren Träger im Uebrigen nicht für ihn vorhanden war. Als er am Tage nach dem Feste Steinbergk nach dem weiteren Er folge des Abends gefragt, und dieser ihm eine ausweichende, einen allgemein befriedigenden Verlauf meldende Antwort ge geben hatte, war er nicht weiter in ihn gedrungen. Zwar hatte er, als er den intimer werdenden Verkehr zwischen Gallow und Steinbergk bemerkte, einen Versuch gemacht, de» jüngeren, ihm lieb gewordenen Kameraden vorsichtig zu warnen, hatte dann aber, als er von dieser Seite nicht nur kein Entgegen kommen, sondern eine geradezu warme Theilnahme für Gallow fand, geschwiegen, und sich mehr und mehr auch von Steinbergk zurückgezogen. Früher Cavallerist, hatte Hilling aus unbekannten Gründe» seine Versetzung in eine andere Garnison betrieben und war, zu seiner eigenen und der allgemeinen Ueberraschung, in ein In fanterie-Regiment an der Westgrenze gekommen. Hier hatte er sich in die ungewohnten dienstlichen Verhältnisse sehr rasch ein gelebt und sich durch sein, wenn auch zurückhaltendes, doch stet kameradschaftliches Wesen sehr bald eine Stellung geschaffen, die noch dadurch verstärkt wurde, daß er — wenigstens im Verhält- niß zur Mehrzahl seiner neuen Regimentskameraden — über ziemlich bedeutende Mittel, welche ihm das Halten eines Reit pferdes gestatteten, zu verfügen schien. Alles in Allem machte er den Eindruck eines über seine Jahre gereiften Mannes, der schon Manches erlebt, aber auch gelitten haben mußte. Ging doch das romantische Gerücht, daß eine hoff nungslose Neigung zu einer bochgestellten Dame die Veranlassung ;u seiner Versetzung gewesen sei; ein Gerücht, welches natur gemäß dazu beitrug, ihn in den Augen des schönen Geschlechtr« nur um so interessanter zu machen! Da ein großer Theil der Premierlieutenants und fast alle Hauptleute verbeiratbet Warrn.
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