Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.08.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-08-31
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000831016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900083101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900083101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-08
- Tag1900-08-31
- Monat1900-08
- Jahr1900
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
BezugS-PrelS 1» der tz anptexpedition oder den im Stadt» bezirk und den Vororten errichteten Au»? aabestellen abgeholt: vierteljährlich^ 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung in« HauS -.50. Durch die Post bezogen für Lrulschland und Oesterreich: vtertellährlich k.—. DIrectr tü»llche kkreuzbandiendung iv» Ausland: monatlich 7.50. Die Morgen-AuSgabe erscheint am '/,? Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentag» um 5 Uhr. Ne-action und LrpeLitto«: JohanntSgafie 8. Die Expedition ist Wochentag» unuuterbroche» geöffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Filiale«: Alfred Hahn vorm. v. Klemm'» Esrti». Univerjitütsstraße 3 (Paulinum), Louis Lösche, Katbarinenstr. 14. »art. und König-Platz?. Morgen-Ausgabe. MpMer Tageblatt Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Ratljes und Nolizei-Ämtes der LLadt Leipzig. Nnzeigen-PreiS Vie 6 gespaltene Petitzeile SS Pfg. Reclamen unter dem Redactionsstrich (4g» spalten) 50^, vor den Familteanachrichtr» (6 gespalten) 40^. Bläßere Schriften laut unserem Preis« verzeichnib. Tabellarischer und Ztssernsatz nach höherem Tarif. Extra»veilaae« (gefalzt), aar mit dcw Morgen «Ausgabe, ohne Postbefördernug 60.-, mit Postbeförderung 70.-. Fnnahmeschluß filr Anzeige«: Abeud«Au»gabe: vormittag» 10 Uh». Morgen-AuSgabe: Nachmittag» »Uhr. vei den Filiale» und Annahmestellen je «in« halb« Stund« früher. Anzeige» find stet» au di« Ggtze-ttta» z« richt«. Druck «td Verlag von E. Volz in Leipiig. Freitag den 3!. August 1900. 9t. Jahrgang. Für kann das Leipziger Tageblatt durch alle Postanftalten des deutschen Reiches und Oesterreich-Ungarns zum Preise von 2 bezogen werden.; In Leipzig abonnirt man für 1 65 mit Bringerlohn 2 und nehmen Bestellungen entgegen sämmtliche Zeitungsspediteure, die Harrvtexpedition: Johannisgasse 8, die Filialen: Katharinenstratze 14, Königsplatz 7 und Univevsitätsstratze 3, sowie nachfolgende Ausgabestellen: Arndtstraste 35 Herr L. 0. LIt1«I, Colonialwaarenhandlung, Beethovenstraste 1 Herr Zeter', Colonialwaarenhandlung, Brühls 53 O. I. 8el»udtzit'8 Colonialwaarenhandlung, frankfurter Strastc (Thomasiusstr -Ecke) Herr Otto Colonialwaarenhandlung, Löhrstraste 15 Herr ^üuurN IletLOi, Colonialwaarenhandlung, Nürnberger Ttraste 45 Herr Ll. L. ^Ibreedt, Colonialwaarenhandlung, in Anger-Erottendorf Herr Uobert Oieiner, Zweinaundorfer Straße 18, - Connewitz Frau Hermannstraße 23, - Cutritzsch Herr liobert Bitner, Buchhandlung, Delitzscher Straße 5, - Gohlis Herr liob^rt 4Ituer, Buchhandlung, Lindenthaler Straße 5, - Lindenan Herr Albert I^iutiuer, Wettiner Str. 51, Ecke Waldstr., Buchbinderei, - Neustadt Herr 1*uu1 Luck, ^uuonevn-LxpeüMoii, Eisenbalmstraße 1, Ranftsche Gasse 6 Herr I'tleilr. k'iseiier, Colonialwaarenhandlung, Ranstädter Etcinweg 1 Herr 0. Liixelinrruu, Colonialwaarenhandlung, Schützenstraste 5 Herr ^ul. 8eltüinj( Iieu, Colonialwaarenhandlung, BZestplatz 32 Herr U. Dittrwii, Cigarrenhandlnng, ^Zorkstraste 32 (Ecke Berliner Straße) Herr I. Lietr, Colonialwaarenhandlung, Zeitzer Straste 35 Herr V. bÜ8ter, Cigarrenhandlung, in Magwitz Herr 6. 6iü1x»innn, Zschochersche Straße 7rr, - Reudnitz Herr ^utziuuuu, Marschallstraße 1, - - Herr 0. 8elliul0t, Kohlgartenstraße 67, » - Herr Ilern!». Ketzer, Ätützengeschäst, Gabelsbergerstraße 11, - Thonberg Herr H. Hünt8e!», Reitzenhainer Straße 58, - Bolkmarsdorf Herr (Zeortz- X1eiuu»»n, Conradstr. 55 (Ecke Elisabethstr.-. Das Ausleben der Maskat-Frage. V. 8. Vor Kurzem wurde in Südasien eine Entscheidung getroffen, die, wäre nicht die allgemeine politische Aufmerksam keit auf China gerichtet, die lebhaftesten Erörterungen in der Presse Englands, Rußlands und Frankreichs hervorgerufen hätte, nun aber fast unbeachtet geblieben ist. Die Frage, ob Frankreich im Sultanat Maskat sich festsetzen darf, ist durch ein Abkommen zwischen der Republik und Großbritannien er ledigt worden. Ersteres erhält die Möglichkeit eine Kohlen station an der Südostküste Arabiens anzule-zen, und wird dem nächst die nöthigen Schritte thun, um das englische Zugeständ- niß zur That zu machen. DelcassS hat bereits im französischen Ministerrathe mitgetheilt, daß man den Platz für die Anlage in Maskat ausgewählt habe, und daß ein Transportschiff mit Kohlen dorthin abgehen werde. Damit erhalten die französischen Kriegsschiffe die längst gewünschte Station, in der sie sich mit dem Nöthigen versorgen und von wo aus sie vielleicht bedeut same Unternehmungen beginnen können. Das Letztere wird natürlich entschieden geleugnet. Es handelt sich officiell nur um die Herrichtung von Speichern zur Aufnahme von Kohlen, wie sie für Frankreich iyr Indischen Ocean allerdings ungemein nothwendig sind. England besitzt schon solche Niederlagen und, da der Vertrag vom Jahre 1862 beiden Staaten in Maskat gleiche Rechte gewährt, so konnten die Briten gegen die Wünsche der Franzosen formell eigentlich nichts einwenden. Immerhin ist es bezeichnend, daß man sich in London auf den Vertrag erst in der Gegenwart besonnen hat. Es gab eine Zeit, und sie liegt nicht gar zu fern, da waren Lord Salisbury, Chamberlain und Curzon nicht geneigt, den Franzosen das Geringste in der Nähe des Persischen Golfes zu zugestehen. Die Maskat-Angelegenheit begann bekanntlich zu Anfang des Jahres 1899. Damals erfuhr man von einem Sonderabkommen zwischen Frankreich und dem Sultan von Oman nach welchem dem Ersteren ein Hafen bei Maskat zur Gründung einer Flottenstation „verpachtet" wurde. Die Eng länder, die den Sultan als Vasallen betrachten, erhoben Protest und brachten cs durch eine Flottendemonstration zu Stande, daß der Vertrag in der That zerrissen wurde. Der arabische Herrscher wich vor den britischen Kriegsschiffen zurück und die Franzosen ihrerseits zeigten keine Lust, die Entscheidung der Frage auf kriegerischem Wege herbeizuführen. Damit war aber die Sache noch nicht erledigt. Lord Salis bury schien die Empfindung zu haben, daß die auf Veranlassung des Vicekönigs Curzon erfolgte Entsendung von Kriegsschiffen an die Küste Arabiens und die indirecte Bedrohung Frank reichs eine .Herausforderung sei, die trotz der augenblicklichen Nachgiebigkeit des letzteren für England ernste Verwickelungen nach sich ziehen könne. Er hielt deshalb eine versöhnliche Rede und offenbarte den Wunsch, durch diplomatische Verhandlungen eine befriedigende Lösung herbeizuführen. Frankreich war dazu natürlich bereit, aber die Besprechungen zwischen dem englischen Premier und dem französischen Gesandten zogen sich ungewöhn lich in die Länge. Sie haben erst kürzlich ihr Ende gefunden. Es ist jetzt die Frage, ob die jüngste Abmachung zwischen beiden Staaten thatsächlich nur formelle Bedeutung besitzt, oder ob Frankreich nunmehr einen festen Stützpunct am Indischen Ocean gewonnen hat, der allmählich den Engländern unan genehm wird. Officiell soll der Platz, wie bereits gesagt, den französischen Kriegsschiffen lediglich die Kohlenversorgung erleichtern. Von Befestigungen ist vorläufig keine Rede; dre Engländer hätten demnach keine Ursache, besorgt zu sein. Man darf aber bei der Beurtheilung der Sache nicht übersehen, daß zu Beginn des vorigen Jahres offenbar eine große und entschei dende Action Frankreichs und Rußlands gegen Groß britannien beabsichtigt war. Gerade die Theilnahme des Zaren reiches erhob den Streit um den Hafen in Maskat weit über die Bedeutung eines vorübergehenden Zwischenfalles an der Küste Arabiens. Insofern haben sich dir Verhältnisse jetzt geändert, als Rußland mittlerweile über die Wahl des Flottenstützpunctes im südlichen Asien klar geworden ist. Die Beziehungen zu Per sien haben sich im Laufe des letzten Jahres derartig gefestigt, daß der Schah gewiß nicht zögern wird, Bender-Abbas, oder einen anderen Platz am Persischen Meerbusen der russischen Regierung zu „verpachten", fall» es in Petersburg gewünscht werden sollte. Hat Rußland aber dort einmal Fuß gefaßt, so »ann e» einen Ankerplatz bei Maskat entbehren. Wir werden aber gleichwohl annehmen müssen, daß die fran zösische Erwerbung den ausgesprochenen Beifall des Zarenreiches findet, daß letztere» sich bemühen wird, sie auSzubauen, und den Einfluß seines Bundesgenossen in den am Oman grenzenden Gebieten auszudehnen. Es kann den Russen nicht gleichgiltig sein, ob die Engländer allein von allen Seiten den Persischen Meerbusen umschließen, oder ob die Franzosen daran ebenfalls theilnehmen. I« mehr da» Ansehen Frankreich» wächst, desto mehr wird England zurückweichen müssen, und desto mächtiger steht Rußland am Indischen Ocean da. Vor Allem kann Eng land in seinen Bestrebungen, das südliche Arabien unter sein Protectorat zu nehmen, empfindlich gestört werden. Die Stimmung jener Völker ist keineswegs so englandfreundlich, daß sie ohne Weiteres die britische Oberherrschaft annehmen werden. Der Versuch des Sultans von Oman selbstständig einen Hafen einer fremden Macht abzutreten, offenbarte doch das Verlangen, von Großbritannien sich loszumachen, nur zu deutlich. Frankreich würde dem Anschein nach einen geeigneten Boden in Arabien finden, um gegen England zu operiren, und es fände bei allen derartigen Unternehmungen die wirksamste Unterstützung Rußlands. Was bedeutet es, wenn in Maskat vorläufig nur die Anlage einer Kohlenniederlage ohne die gewünschten Befestigungen zu gestanden ist? Die Verhältnisse werden es bald mit sich bringen, baß die Republik auch solches fordert, und es fragt sich sehr, ob England dann im Stande ist, eine derartige Forderung ab zulehnen. Im Februar 1899 waren seine Hände vollständig frei; es hatte zudem eben den Sieg wegen Faschoda über Frank reich errungen, der das britische Selbstgefühl mächtig hob und zu neuen Thaten reizte. Jetzt dagegen ist es sowohl in Südafrika als in Ostasien gebunden, und es ist nicht anzunehmen, daß es nach weiteren militärischen Maßnahmen — seien es auch nur Demonstrationen — in anderen Theilen der Erde Verlangen trägt. Man geht wohl nicht irre in der Annahme, daß gerade die gegenwärtigen großen Schwierigkeiten die leitenden britischen Staatsmänner nachgiebig stimmten und Frankreich zu einem Erfolge verhalfen. Die Engländer sind sich darüber sicher klar, daß die bloße Festsetzung Frankreichs in Maskat, trotz aller Be dingungen und vorläufigen Einschränkungen für sie keine ge ringe Gefahr bedeutet. Die Folgen der kürzlich getroffenen Vereinbarung werden, so lange die Wirren in China dauern, schwerlich klar zu Tage treten. Wenn aber im Osten die Ord nung einigermaßen hergestellt ist, dann werden die Franzosen mit Hilfe der Russen ihre neueste Errungenschaft ausgestalten. Ob die Engländer ernstlichen Widerstand dagegen setzen können, ist mehr als zweifelhaft. Der Krieg mit Transvaal wird auch dann noch nachwirken und entscheidende Actionen verhindern. Die Wirren in China. —p. Keinerlei actuelle Nachricht ist zu verzeichnen. Dafür spukt e» weiter von Gerüchten über mangelndes Zusammenwirken der Mächte. So schreibt die „Köln. Ztg.": In der Presse aller Länder, wo man auch binblickt, ist von dem viel gepriesenen Einvernehmen, das allein einen dauernden Ersatz verbürgen kann, nicht mehr viel zu spüren. Ueberall ver drängen Mißtrauen und Mißgunst, Neid- und Ver ketzerungssucht die großen Gesichtspunkte, die den Truppen der Civilisation in ihrem an Mühsal und Entbehrungen so reichen Kampfe der Gesittung gegen die Barbarei den moralischen Halt geben könnten. Hoff »tlick haben sich die Beziehungen der Regierungen von solch kleinlichen Empfindungen frcigehalten, aber auch diese kann es nicht grade fördern, wenn ein Mann von der Stellung deS Fürsten UchtomSky sich einem New Dcrkcr Zeitungsberichterstatter gegenüber zu Beschimpfungen Deutschlands und des deutschen Kaisers hinreißen läßt. Wenn sich solche Gesinnungen schon jetzt breit machen, wo rein militärische Arbeit in Cbina noch weit davon entfernt ist, beendet zu sein, so sind die Aus sichten, die so viel schwierigere politische Abwicklung zu dem Ende zu führen, daß wir in der Zukunft vor der Wieder holung ähnlicher Dinge in China sicher sind, recht trübe. Seit die Mächte da» Gesuch Li-Hung-Tschangs, mit ihm über die FriedrnSbedingungen zu beratben, abgelehnt haben, ist von ArtetzenSverhantzlungen kaum noch die Rede, und erst dann können ernstliche Ver handlungen in Betracht kommen, wenn eS wieder eine Re- gierungSgewalt in China giebt, die für die Zukunft Bürg schaft zu leisten vermag. Der bekannte Sinologe Professor DouglaS erinnert in einer Zuschrift an die „Time»" daran, daß die Engländer und Franzosen im Jahre 1860 sich damit begnügt hätten, die Friedenabedingungen mit dem Prinzen Kung zu vereinbaren, statt darauf zu besteben, daß der Kaiser selbst den Vertrag unterzeichnete. „Die Ver bündeten", so lagt er, „sollten öffentlich bekannt machen, daß keine Friedenövorschläge angenommen werden, bevor der Kaiser nach Peking zurückgekehrt ist und selbst die Verhand lungen führt, un daß bi» dahin Peking, Tientsin, Taku und andere Orte, die wichtig genug erscheinen, besetzt gehalten würden." Auch er ist der Ansicht, daß Zartgefühl und Schonung den Chinesen gegenüber, denen nur greifbare Ge waltacte Eindruck machen, nicht am Platze sei, daß daher die verbotene Stadt militärisch besetzt und die Rückkehr des Kaisers als die Vorbedingung zur Wiederherstellung friedlicher Beziehungen zwischen China und den Mächten aufgestellt werden sollte. Die „Straßb. Post" veröffentlicht aus den ihr zur Ver fügung gestellten Briesen des CapitäuleutnautS Sühne vom deutschen Kanonenboot „Iltis", aus Tongky, den 7. Juli das Nachstehende: Am 24. Juni sollte eigentlich schon eine größere Expedition losgehen, um die nördlich von Tientsin eingeschlossencn Peking - Entsatztruppen zu befreien, doch waren die Mannschaften von den Anstrengungen der letzten Tage noch so erschöpft, daß ein sofortiger Weilermarsch ausgeschlossen war. Aber am 26. bei Tagesanbruch marschirte ein combinirtes Corps — darunter auch eine Compagnie von unserem Seebataillon — los. Am nächsten Morgen kam die frohe Kunde, daß die Expe dition geglückt sei und die Truppen mit den Entsetzten in kurzer Frist cinrücken würden. Ich begab mich zum Bahnhof hin aus, wo sie die Gleise passiren mußten. Der Bahnhof war ein wüstes Bild der Zerstörung. Alles war zerschossen und niedergebrannt, auf den Wegen lagen halbverbrannte Chinesen leichen und andere, die von Hunden angefressen waren und schon lange dort lagen — entsetzliche Bilder! Gegen 9 Uhr kam die Spitze des Zuges (Engländer) langsam an, mit einer Menge Verwundeter. Admiral Seymour sagte mir, daß unsere Mannschaften gleich folgten. Eswarein reiner Traue r- zug. Diese abgespannten, ermüdeten und abgemagerten Ge stalten — dann sah ich bald die Unserigen und begrüßte Ca- pitän v. Usedom und die übrigen Kameraden, von denen leider Capitän Buchholz fehlte und mehrere schwer verwundet waren, darunter Schliesser mit einem Schuß durch das Bein und Herr v. Brohn mit einem ausgeschossenen Auge; außerdem hatten wir noch 50 Verwundete. Der Zug ging dann durch die Stadt nach der großen chinesischen Universität vor unserem Walle, die ich für unsere Mannschaften in Beschlag genommen hatte, und wo sie sehr gut untergebracht wurden. Die Verwundeten kamen in den in ein Hospital umgewandelten deutschen Club. Am nächsten Vormittag wurden die Leute, die erst am Tage vorher von all' den Anstrengungen zurückgekehrt waren, plötzlich wieder alarmirt, da der russische General das große chinesische Ostarsenal stürmen wollte und dazu unsere Unterstützung erbat. Nur mit Munition versehen, ohne Feldflasche und Pro viant ging es los bei fürchterlicher Hitze. Das Arsenal lag un gefähr dreiviertel deutsche Meilen nordöstlich von der Militär schule am anderen Ufer des Peiho. Im schnellsten Tempo ging es los da die Russen schon in Stellung waren und wir nicht zu spät kommen wollten. Meine Leute blieben aber zurück, um den Wall besetzt zu halten, ich aber wurde mit zum Stabe des Capitäns v. Usedom commandirt und mußte, ebenfalls gänzlich unvorbereitet, mit. Als wir dann am Eisenbahndamm ankamen, sausten bereits die ersten Kugeln über unsere Köpfe. Dann ging's im Laufschritt über das Feld, hinter dem Schutze eines großen Ziegelofens und von hier aus konnte man wenige Hundert Meter vorwärts die russische Linie überblicken, an die wir uns rechts anschließen sollten. Links vom Bahnhof her dröhnte Kanonendonner der russischen Kanonen, welche das Ar senal beschossen, und vor uns knatterte die Infanterie Salve auf Salve. Aber auch vom Arsenal her dessen Wälle stark besetzt waren, donnerten feurige Grüße und heftiges Gewehrfeuer. Unsere Leute gingen jetzt in die Linie der Russen und nahmen daS Feuer auf. Da plötzlich — steigt vom Arsenal eine mäch tige schwarze Wolke auf, Balken und Steine fliegen in die Luft — eine Granate war in ein Pulvermagazin geschlagen. Mit Hurrah ging es nun vorwärts, immer sprungweise, bis in die nächste Deckung; aber die Strecken die man im dichtesten Kugel regen zurücklegen mußte, waren doch so groß, daß es ein Wun der ist, daß unsere Verluste nicht größer als drei Schwerver wundert waren. Dazu kam die furchtbare Hitze. Die Zunge klebte am Gaumen — nichts zu trinken mit — ein Mann hatte zufällig etwas Rothwein und Wasser in seiner Feldflasche und ließ mich trinken. Dann ging es wieder weiter und weiter, immer im Sturmschritt, immer dichter wurde der Kugelregen, hart neben mir schlugen die Geschosse ein, daß mir der Sand ins Gesicht spritzte. Etwa 200 Meter vom Arsenal entkernt, hinter einem Damm, wurde die letzte Pause gemacht und Schnellfeuer auf den Feind abgegeben. Da — ging wieder ein Pulver magazin im Arsenal in die Luft. Es sah wundervoll aus, wie die mächtige, diesmal weiße Wolke wie eine Garbe hoch stieg — ohne jeden Knall ebenso wie vorher. Gleich darauf begann der Sturm mit Hurrah, und die Chinesen flohen aus der festen, fast uneinnehmbaren Stellung. Wir verfolgten sie bis auf die andere Seite des Arsenals, wo sie in wilder Flucht über die Felder rannten, eine Menge Todter zurücklassend. Nun erst hatten wir Ruhe — aber wo war etwas zu trinken? Da, ein Loch mit schmutzigem Wasser, aus dem die Leute gierig schlürften. Ein schmieriger Russe hatte eine Flasche mit kaltem Thee und bot sie mir freundlich an. Was machte mir jetzt der Schmutz, wo ich am Verdursten war — ich trank in großen Zügen und war dem Kerl sehr dankbar. Das Arsenal war unser. Die Russen machten fick sofort daran, es anzustccken, worin sie eine große Virtuosität besitzen, und wir hatten für heute genug und traten den Rückmarsch an. Mit Hurrah und Gesang marschirten wir zurück. Das Lied: „Ich hatt' einen Kameraden", hatte jetzt einen ganz eigenthümlichen Klang. Begeistert erschallte „Die Wacht am Rhein" und lustig tönten die Weisen von „Mein Herz, das ist ein Bienenhaus". Unsere Kerls waren wirklich famos, nach all' der Anstrengung so munter, als ob nichts gewesen wäre. Da kam der russische General mit seinem Stabe auf der anderen Seite des Wallgrabens, nahm die Mütze ab und schrie fortwährend „Bravo!", was mit Hurrah beantwortet wurde. Die Waffenbrüderschaft mit den Russen ist überhaupt eine sehr enge. Die russischen Officiere sind begeistert von unseren Leuten, und der russische General, der den Oberbefehl führte, sagte unumwunden, das wären seine besten Truppen. Todtmüde kamen wir wieder in die Stadt zurück nach fünfstündigem Marsche und Gefecht in glühender Hitze, und da ein Angriff nicht mehr zu befürchten war, so konnte ich beruhigt schlafen. Tic englischen China-Truppen Es scheint wirklich, als ob nichts im Stande sei, die eng lische Armeeverwaltung aus ihrem sorglosen Hindösen aufzu wecken. Man hätte doch meinen sollen, daß die bösen Erfah rungen, die Südafrika zeitigte, und die eindringlichen Warnungen, die 'von wirklich patriotischen Engländern während des letzten Jahres immer und immer wiederholt wurden, wenigsten» etwas Eindruck auf das War-Office machen würden, aber nichts von alledem ist der Fall. In Südafrika war man ja schließlich, besonders Dank der scharfen Censur, einigermaßen unter sich, aber in China sollen englische Truppen vor den Augen sämmtlicher Militärmächte, fast im Wettbewerb mit deren Streitkräften, arbeiten, und da hätte es sich doch wohl geziemt, daß t,lS War-Office sich, wenn nur anstandshalber, einiger- maßcn angestrengt hätte. Statt dessen läßt es die britische Armee dort in einer Weise vertreten werden, die den fremden Truppcncorps eine sehr sonderbare Idee über die militärischen Leistungen des stolzen England aufnöthigt. Die militärische Situation in Nord-China ist heute nicht mehr so, daß von dem absoluten „Klappen" der einzelnen Operationen und Heeres-Abtheilungen und deren Einschwenken der ganze Feldzug abhängt, aber die Lage war kritisch, und es ist so oder so möglich, daß irgendwo und irgendwie wieder einmal eine combinirte Action zwischen deutschen und fremden Armeen nothwendig wird. Wenn es sich in einem solchen Falle um eine Cooperation deutscher und englischer Truppen handeln müßte, so hätte sich die deutsche militärische Leitung von vornherein darauf vorzubereiten, daß die Engländer bei Weitem nicht den Ansprüchen genügen, welche wir an unsere Armee zu stellen ge lernt haben. Seitdem englische Soldaten irgendwo zu thun hatten, haben die Klagen über die Nachlässigkeit, mit der sie ausgerüstet wurden, nicht aufgchört; so war es im Krimkriege, so war es in Afrika, und so ist es jetzt in China. Um derartige Zustände zu kritisiren, braucht man kein Anglophobe zu sein, und übrigens stimmen die Urtheile der Ausländer über die Werth- losigkeit des heutigen englischen Militärwesens durchaus mit dem überein, was die besten und patriotischsten Fachmänner in Eng land selbst denken und sagen. Die englische Armee muß sich die abfälligste Kritik überall gefallen lassen, weil sie mit 250 000 Mann nicht im Stande ist, 20 000 Bauern zu bezwingen, sie muß sich auch gefallen lassen, daß ihr Oberstcommandirender (Wolseley), dem durch das War-Office die Hände gebunden sind, nur Worte der schärfsten Unzufriedenheit für den Zustand seiner Armee hat. Und kaum hat die Action in China begonnen, als auch schon von dort laute Klagen über das englische Contingent kommen. Von den Fehlern des Einzelnen, er sei Vorgesetzter oder Untergebener, soweit sie strategischer Natur waren, wollen wir ganz absehen, und auch von den scharfen Kritiken, die sie in Deutschland und anderswo gefunden haben. Wenn dagegen ein so ernstes und loyales Blatt, wie der Londoner „Standard", es für nöthig hält, mit seinem Tadel über die nach China be orderten englischen Truppen nicht zurückzuhalten, haben auch wir das Recht, auf die Thatsache, daß die englischen Truppen al» ein minderwerthiger Factor bei einer combinirten Action anzusehen find, hinzuweisen, nicht au» Chauvinismu», sondern einfach,
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite