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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.10.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-10-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19001023011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900102301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900102301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-10
- Tag1900-10-23
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Dienstag den 23. October 1900. Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem Redactionsstrich (-gespalten) 75 H, vor den Familiennach richten («gespalten) SO H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme LS H (excl. Porto). Extra - Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Armahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bet den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richte». Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 94. Jahrgang. Die neue deutsche Feldhaubitze. II. Neben der taktischen war es auch eine technische Frage, die zur Neugestaltung der deutschen Feldartillerie Veranlassung war, denn diese forderte neben der Schnellfeuerkanone ein schwereres Steilfeuergeschütz, um mit dessen Geschossen gegen widerstandsfähigere Ziele des Feldkrieges, insbesondere gegen die Feldbefestigungen, wirksam auftreten zu können. Dabei mußte dieses neue Geschütz immer so leicht bleiben, daß ihm die volle Beweglichkeit eines Feldgeschützes erhalten blieb, und diese Auf gabe wurde von der deutschen Geschütztechnik in vollendeter Weise gelöst. Während die Franzosen ihrem Steilfeuergeschütz das verhältnißmäßig schwere Kaliber von 120 Millimeter geben mußten, gelang es der deutschen Technik, das Kaliber mit dem selben Wirkungserfolge auf 10,5 Centimetcr herabzusetzen; beide Feldkanonen haben aber 7,5-Centimeter-Kalibcr, so daß die fran zösische Haubitze dieses um 4,5 Centimeter, die deutsche dagegen nur um 3 Centimeter übersteigt. Nach dem Constructionsjahre wird dieses Geschütz als Feld haubitze 98 bezeichnet; zum Unterschiede von der schwereren 15-Centimeter-Haubitze des Feldheeres heißt sie neuerdings auch „leichte Feldhaubitze". Sie ist bei den diesjährigen Herbst- manövern zum ersten Male bei allen Armeecorps zur Ver wendung gelangt und hat darum allseitiges Interesse er weckt. Während bei der Feldkanone das Rohr lang und schlank ist, zeigt es bei der Feidhaubitze eine kurze, gedrungene, fast plump zu nennende Form. Es ist eigentlich ein Doppel rohr, indem ein inneres Seelenrohr von einem Mantel um geben ist, der jenes fast in seiner ganzen Länge umkleidet, so daß die Mündung des Seelenrohres nur um zwei Millimeter über den Mantel hervorsteht. Das Rohr lagert mit trichterförmig ausgehöhlten Schildzapfen in einer Lafette (Schießgestell); dabei sind diese Zapfen so weit vor der Mitte des Geschützrohres an gebracht, daß das Rohr stets Hintergewicht hat, wodurch das Schießen im hohen Bogen (Steilfeuer) erleichtert wird. Be merkenswerth ist der Verschluß dieses Rohres. Es ist der Krupp'sche Flachkeilverschluß mit Leitwelle, bei dem ein einziger Handgriff zum Oeffnen, wie zum Verschließen des Verschlusses genügt. Sämmtliche Feldhaubitzrohre sind von Krupp her gestellt, dessen Geschützrohrmaterial wohl noch von keiner anderen Fabrik des In-,oder des Auslandes erreicht worden ist. Dir Einfachheit a:r Bedien nie, aes Verschluss.;-, in Ver bindung mit der Einheitspatrone, weist der leichten Feidhaubitze ihren Platz unter den Schnellfeuergeschützen an, wozu außerdem noch die Sporenvorrichtung und die Schießbremse an der Lafette beiträgt, so daß nicht nach jedem einzelnen Schuß die ganze Manipulation für das Nehmen der Höhen- und Seitenrichtung wieder vorgenommen werden muß. Die Ladung befindet sich also in einer Metallhülse, ähnlich wie bei einer Gewehrpatrone; sie besteht aber aus sieben einzelnen Theilladungcn, die mit Nummern bezeichnet sind und jede für sich herausnehmbar ist. Dies ist deshalb nöthig, weil man auf die näheren Entfernungen mit einer kleineren Ladung feuern muß, um den höheren Bogen des Steilfeuers zu erhalten. Man nimmt dann einfach die überflüssigen Theilladungcn aus der Hülse heraus und schießt dann also mit einer sogenannten abgebrochenen, d. h. ge ringeren Ladung, zu welcher Würfelpulver benutzt wird, das an der Luft und selbst im Wasser fast gar keine Feuchtigkeit auf nimmt, mithin vollkommen lagerbeständig ist. Der beim Schießen wahrnehmbare Rauch ist von hellgrauer Farbe, durch sichtig und verflüchtigt sich leicht; das als Ladung der Geschosse selbst gebrauchte Sprengmittel ergiebt aber beim Zerspringen des Geschosses eine gut sichtbare Rauchcrscheinung, was für das Beobachten der Schüsse beim Einschießen, also für das Treffen, unbedingt nöthig ist. Die leichte Feldhaubitze verfeuert sowohl Granaten, als auch Schrapnels; diese sind wesentlich kürzer als die Granaten und haben eine Füllung von Blei kugeln, im Uebrigen aber dieselbe Form, wie die Granaten. Als Zünder für beide Geschoßarten dient ein Doppelzünder, der sowohl als Brennzünder für Zeit, wie als Momentzllnder beim Aufschlagen des Geschosses (Aufschlagzünder) verwendbar ist. Bei der Lafette ist auf jeder Seite ein Mannschaftssih auf der Achse angebracht; ob man unsere Feldgeschütze auch mit Panzer schilden an diesen Sitzen versehen wird, wie dies in Frankreich beim neuen Feldgeschütze der Fall ist, hängt von eingehenden Versuchen ab. Für die Feidhaubitze würden sie vielleicht das Gesammtgewicht zu sehr vermehren. Eine neue französische Stimme über Deutschland. Der frühere französische Marincminister Eduard Lockroy hat bekanntlich die Deutschen bei ihrer Arbeit in ihrer Heimath beobachtet und ihre Leistungen in einer im „TempS" veröffentlichten Briefreihe frei- müthig anerkannt; der französische Schriftsteller Theophil Gautier der Jüngere ist ihren Spuren auf der deutschen Weltausstellung nachgegangen und veröffentlicht im „Figaro" einen Aufsatz, der den deutschen Erfolgen, vornehmlich auf wirthschaftlichem Gebiete, gerecht wird. Die „Voss. ZtH." theilt folgenden Auszug au» diesem in mehr al» einer Hin sicht interessanten Aufsatz mit: Gautier knüpft an di» Zeit vor 1870 an. Er erzählt, wie die französische Intelligenz, dir großen Philosophen, Philologen und Geschichtschreiber Frankreich» ihre brdeutiamsten Anregungen von deutschen Dichtern und Denkern erhalten haben, wie sie mit Goethe, Schlegel, Winkelmann, Lessing und Humboldt vertraut waren und wie die französische Jugend begeistert war von dem Buche, da- Frau v. Stosl über Deutschland veröffentlicht hat. Moleschott und Büchner, so führt er weiter au», haben auch den Franzosen die Lehre von der Sieghaftigkrit der Wissenschaft gegenüber der idealistischen Philosophie beigebracht, Napoleon 111 hat bet Abfassung seiner Geschichte Cäsar'» Mommsen um Rath gefragt, an Heine'» dichterischer Phantasie hoben auch die Franzosen sich erfreut, und di« Apostel Richard Wagner'» haben in Frankreich fruchtbaren Boden gefunden. Auch persönlich« B-ziehungen zwischen Franzos«» und D«utschrn rvnrdrn einst freudig gepflegt. In -«Idelberg, Leipzig und Güttingen nahmen Französin an deutsch«,, Studentencommersen Theil, wo da- Olau Seamus lxitur stieg und Bruderschaft getrunken wurde. Dann kam der Krieg von 1870 und durchschnitt grausam die innigen Bande, die seit einer langen Reihe von Jahren Herz uud Sinn der beiden Nationen vereinigt hatten. Unter den Soldaten, die mit dem Säbel in der Hand nach Frankreich gekommen waren, begegneten die Franzosen manchem ehemaligen Freunde, der die Studentenmütze mit der Pickelhaube, Las Burschenbaad mit dem Militärgurt vertauscht hatte. Und diese Deutschen hielten Len Franzosen, die einige Monate vorher ihre Gäste und Freunde gewesen waren, ohne Weiteres die Hand hin; sie waren der Ansicht, daß es in einem Völkerkampfe nicht anders zugehen dürfe als bei einem Duell, daß nach Abschluß des Ringens die Gegner sich sofort wieder versöhnen müßten. So dachten die Deutschen. Aber die Franzosen verstanden sie nicht und verstehen sie noch immer nicht, und dieser entsetzliche Zwiespalt dauert nuu schon dreißig Jahre. . . . Gautier kommt dann auf Kaiser Wilhelm 11. zu svrechen und sagt unter Anderem, da» deutsche Volk sei anfangs über die moderne Art, wie Kaiser Wilhelm die alt ehrwürdige Krone Karls des Großen zu tragen sich anschickte, befremdet gewesen, schnell aber sei es mitgerissen worden, und zwischen dem Herr scher und dem Volke habe sich eine Lurch Achtung gemäßigte Kamerad schaft entwickelt. Schließlich schildert Gautier die deutsche Ab- «Heilung der Weltausstellung. Er weist darauf hin, daß man dort überall die beiden Worte prangen sieht, die dem Preußen und dem Hessen, dem Bayern, dem Sachsen und dem Badenser gleich theuer sind, die Worte: Deutsches Reich. Keinen Neid sollten die Fran zosen hegen über die Fortschritte der Deutschen in allen Zweigen Ser Kunst und des Gewerbes, vielmehr sei die Lehre daraus zu ziehen, was die Arbeit eines gejammten, nach einem Ziele strebenden Volkes zu erreichen vermag .... In den Werkstätten der Welt- ausstellung haben sich — so schließt Gautier — glückverheißende Vorspiele einer Annäherung vollzogen. Erzählt man doch, daß der deutsche Generalcommissar Herr Richter, als man, ihn beglückwünschend, die frühzeitige Fertigstellung der deutschen Abtheilung auf die ausschließliche Verwendung deutscher Arbeiter zurückführen wollte, lächelnd erwiderte: „Wenn ich blos meine Deutschen gehabt hätte, wäre ich nicht fertig geworden. Ich habe ihnen Franzosen beigegeben, die Außerordentliches leisteten." — '„Das ist rnii-öguckk L-liast es sic nnzullncheln."> „Sie verstehen eben nicht, mit ihnen umzngehcn; ich machest ihnen, was ich will, und wir sind die besten Freunde von der Welt." — So also haben Franzosen und Deutsche Seite an Seite zusammen an einem bewunderungswürdigen Friedensmerke gearbeitet; und heute marschiren wiederum Seite an Seite unsere Soldaten mit denen des deutschen Reiches nach Peking. Hätte man noch vor 20 Jahren das für möglich gehalten? Werden wir je einen AugustuS, einen Marc Aurel sehen, die die von Attila geschlagenen Wunden heilen werden? Mit dem letzten Satze fällt Herr Gautier leider aus der Rolle, die er bei seiner Darlegung über den Krieg von 1870 gespielt. Wenn sogar ihm das begegnet, so kann man sich nicht wundern, wenn eS seinen Landsleuten passirt, die er belehren will. Die Wirren in China. TaS deutsch-englische Abkommen besprechend, schreibt die „Morning Post": Ein Grund für die in deutschen Blättern auszevrückte Freude ist, daß die beiden ersten Bestimmungen auf einen Verzicht der englischen Regierung auf alle Sonderrechte hinsichtlich des Bangtse-TdaleS hinauslaufcn. ES ist zu hoffen, daß diese Haltung der deutschen Presse in England wohl ver standen wird. — Die „Times" sagen: Es ist nichts Beunruhigendes oder Sensationelles in unserem formellen Abkommen mit Deutschland; wir sind stets erfreut, mit ihm zusammen vorzugehen, wenn wir eS ohne Schädigung der eigenen Interessen thun können, und sind erfreut, jetzt dieses Abkommen abgeschlossen zu haben. Wie daS Blatt aus New Aork berichtet, war das Abkommen für Amerika und die übrige Welt eine Ueberraschung und zwar eine nickt überall angenehme. — „Daily Telegraph" führt aus: Die moralische Wirkung deS Ab kommens könne nicht überschätzt, dürfe aber auch nicht miß verstanden werden. Es habe keinen aggressiven Charakter und sei nicht nur eine immerwährende Urkunde der offenen Tbür, sondern seine Erklärungen zu Gunsten der Integrität Chinas seien derart, daß eine Sonder politik in China beträchtlich gefährlicher werde, al» daS Zu sammengehen mit den übrigen Mächten. — „Standard" meint, die hohe Bedeutung deS UebereinkommenS sei nicht abzuleugnen. Wenige internationale Uebereinkommen der Jetztzeit dürften eine wohlthätigere Wirkung haben können. — „Daily News" sagen: Im Falle territorialer Eingriffe anderer Mächte behalten sich Deutschland und Großbritannien über die etwa zu ergreifenden Schritte «ine vorherige Verständigung vor. Soll diese seltsame Sprache, fragt da« Blatt, auf ein neben dem jetzt veröffent lichten Abkommen bestehendes private« Uebereinkommen hin deuten? Wenn ja, so kann das Abkommen ein solider Beitrag zur schließlichen Regelung der chinesischen Frage sein; wenn nein, so ist nickt einleuchtend, welcher Vortbcil aus dem Abkommen für England sich ergiebt. Da» Abkommen, wie es vorlicgt, kann als bedeutender Beitrag zur Regelung der Schwierigkeiten, die schließlich in China noch entstehen können, in Uebereinstimmung mit den englischen Interessen nicht angesehen werden. Aus Parts, 2l. October, wird der „Köln. Zig." ge meldet: DaS Abkommen wurde zuerst von London nach Paris als osficiöse Mittheiluna in einer Fassung übermittelt, die bei Punct 4 den Namen Rußland» unter den Mächten, denen England und Deutschland Vie getroffene Uedereinkunft mit der Einladung zum Beitritt mitzu,heilen beschließen, nicht auffüdrt«. Obschon dir Verlinrr Depesche de» Wolff sch«n Bureau« den Wortlaut de« Abkommen« mit Ein schluß Rußlands unter die im Punct4 genannten Mächte brachte, erörtern doch die meisten und bedeutsamsten Blätter, wie „Figaro", „Matin" und selbst der „TempS" und das „Journal des TsbatS" das Abkommen nach dem erstgemeldeten Wort laut, indem sie den Ausschluß Rußlands bei Punct 4 als ab gemachte Sache seitens der Vertragschließenden ansehen und auslegen. Diese Auslegung geht deshalb auch dahin, das AbkvmmenalSgegenRußlandgrrichtetanzusehen, so sehr, daß der „TempS" erklärt: „Einen der Verbündeten in solcher Weise ausschließen, heißt mit Vorbedacht daS bisherige Einvernehmen brechen und die Regierung ver- letzen, welche man als verdächtige behandelt. Der Ausschluß ist nicht nur ein Zeichen des Mißtrauens, sondern eine Art Feindschafts- und Achterklärung". Nur den „D6bats" ist der Ausschluß Rußlands so auffallend und räthsel- baft, daß sie vor Aeußerung ihrer endgültigen Meinung darüber die Stellungnahme Rußlands selbst dazu abwarten zu müssen erklären. Da man nun nicht annehmen kann, daß im Berliner Text der Name Rußlands willkürlich hinzugesetzl worden ist, so wird er Wohl nicht gefehlt haben (wie er denn auch thatsächlich nickt fehlt. D. Red.). Seine Nichterwäh nung im Londoner Text ist einfach als ein Versehen anzu nehmen, das die Schlußfolgerungen der französischen Presse daraus als hinfällig erscheinen läßt. „Figaro" und „Matin" begrüßen im Uebrigen das Programm deS Abkommens als einen weiteren Schritt zur Ebnung der in der chinesi schen Frage sich bietenden Schwierigkeiten. Nur der „Temps" ist mißtrauisch und wittert hinter ihm noch geheime Abmachungen. DaS Blatt begegnet sick darin mit der nationalistischen „Liberte" und dem „Echo de Paris", welch' letzteres sogar, obwohl eS, wie auch der „Eclair", daS Abkommen nach dem Berliner Texte giebt und erörtert, in dessen drittem Puncte, Ver ständigung gegen eine dritte, territoriale Sondervortheile er strebende Macht, das offene Bekenntniß einer feindlichen Absicht und die versteckte Drohung gemeinsamen Vorgehens erblickt. Die Begründung dieser Auffassung, nämlich Zweifel an der Ehrlichkeit des deutschen Programms und das Betürfniß Deutschlands, durch eine Anleihe bei England die Kosten seiner Chinaexpedition zu decken, kenn zeichnen zur Genüge den unausgesprochenen Zweck dieser Au flegung, Rußland auch gegen Deutschland auf den Stand» pUtft-t ti» Hui virv? ,zu bringen. Sbaugbai^ 12. Oktober, d«j esckirt man uns: Dies hiesige deutsch« Vereinigung -drückte telegraphisch dem Reichskanzler Graf v. Bülow die größte Befrie digung der deutschen kaufmännischen Kreise Shanghais über den deutsch-englischen Notenwechsel aus. FriedenSverhandlnngen. Der chinesische Gesandte in Paris überreichte dem Minister des Auswärtigen eiuen Brief deS Kaisers von China an den Präsidenten Loubet, in dem der Kaiser den Präsi denten um seine guten Dienste zur schnellen Eröffnung der Friedensverhandlungen bittet. Tie Lage im Lüben Chinas. AuS Hongkong, 22. October, wird uns berichtet: Eine Meldung deS „Reuter'schen Bureaus" aus C anton besagt: Die Bezirke am Ostflusse oberhalb Poklo seien vom Ver kehr abgeschnitten; eS kommen daher von dort widersprechende Nachrichten über den Fortschritt der Unruhen. Die Cbinesen sagen, die chinesischen Truppen hätten, obwohl sie an fangs erfolgreich gewesen, später zweimal Niederlagen er litten. Man sei wegen der PrLfecturstadtHuitschou in schwerer Sorge. Nach einigen Meldungen soll dieselbe bereits genommen sein, während andere Berichte besagen, sie sei von den kaiserlichen Truppen zurückerobert worden. In dem Ausbleiben weiterer Nachrichten erblickt man eine Bestätigung der ersten Meldung. Die Stimmung in Canton hat sich nicht gebessert. Der stellvertretende Vicekönig bedroht zwar die Aufrührer, verhängt aber nickt die angedrohten Strafen. Seine Proclamationen werden mit Verachtung behandelt und heruntergerissen, sobald sie angeschlagen sind. Zahl reiche Anhänger einer Rebellion in Canton würden sich der Erhebung willig anschließen, wenn dieselbe Erfolg ver spräche. Charakteristisch dafür, wie man bemüht ist, Lei den Chinesen Verdacht gegen Teutfchland zu erregen, ist der folgende Artikel de» von japanischem Gelde unterstützten „Tung wen hu pao". Die kaiserliche Regierung hat Würdenträger abgeordnet, die zunächst mit Rußland und England in Unterhandlungen ein treten sollten. Von allen Fremdmächten gilt England als die stärkste und Rußland als die größte. Falls diese beiden mit unseren Vorschlägen sich einverstanden erklären, so müssen dies auch die anderen Mächte, denn England und Rußland bilden daS Haupt der übrigen. Doch können wir, falls die genannten zwei Mächte auch sich mit unS einigen, nicht ohne Besorgnih der Zu kunft entgegensehen. Der deutsche Kaiser ist ein Herrscher von großem Talent, daß weiß Jedermann. Bon jeher hat er darnach getrachtet, ferne Länder zu beherr schen, und besonders hier im fernen Osten von allen übrigen Souveränen die erste Rolle zu spielen. Er hat nicht genug mit Kiautschau, noch mehr chi nesische» Land soll ihm unterthänig werden. Den Boxerunruhen ist der deutsche Gesandte in Peking zum Opfer gefallen und damit ist Deutschland in weit höherem Maße, als jede andere Macht in Mitleidenschaft gezogen worden. Alle Fremdmächte sind gegen uns erbittert. Als die deutschen Transporte ihre Heimath verließen, sagte der Kaiser, er werde nicht eher die Vergeltung für voll erachten, als bis die Flagge Deutschlands und seiner Verbündeten über Peking» Wällen wehe, und daß die deutschen Soldaten in China so auftreten sollten, daß auf über 1000 Jahre hinaus kein Chines« ei wagt, einen Deutschen auch nur scheel an zusehen. An alle Cabinette hat unsere Regierung Depeschen ge richtet und Alle haben befriedigend geantwortet, mit Au»nahme Deutschland», da» erwiderte, erst wenn seine Truppen tn China eingetroffen seien, dann wolle man verhandeln. Deutschland will also offenbar d«n Krieg. In dieser Auffassung bestärkt un« di« Erwägung, welche «normen Lrupprnmassrn Deutschland gegen China mobil macht. Zuerst war von über 20 000 Mann, dann von 32000 Mann die Rede, und nun sollen schließlich übe: 40 000 Mann hierher gesandt werden. Eben verlautet sogar, daß Deutschland 120 000 Mann senden wolle, darin sind die Mannschaften der Marine nicht eingerechnet. Falls die Trup pen der Fremdmächte noch in Peking einmarschirt wären, dürfte man solche umfassende Rüstungen ins Auge fassen. Jetz: ist aber Peking genommen und die Flaggen der Verbündeten flattern über Pekings Wällen. Des Kaisers Drohung ist er füllt. Weshalb sendet man trotzdem so viele Truppen? Zur Er greifung der Missethäter genügen die Truppen der Verbündeten, die bereits in Peking sind, vollauf. Man sagt, Deutschland be gehre Schantung. Nun aber sind die deutschen Soldaten die besten der Welt und der Gefechtswcrth eines einzigen deutschen Soldaten gleicht dem von 100 jeder anderen Nation. Zur Be setzung Schantungs genügen 30—40 000 Mann, 120 000 Mann wären viel zu viel. Wir dürfen daher annnehmen, daß man sich mit noch anderen Annexionsabsichten trägt und Deutschland sehr große Dinge vor hat, sonst brächte man nicht 120 000 Mann nach China. Deutschland ist ärmer als England und Amerika, und es sollte es sich daher wohl überlegen, ehe es ein solch großes Un ternehmen beginnt. Auch andere Länder entsenden Truppen und auch ihre Ab sichten kennen wir nicht; sie erschweren zunächst nur die Ver ständigung. Wir empfehlen daher auf alle Fälle aus der Hut zu sein. Darauf antwortete dann das chinesische Blatt „Chung wei ji pao" (Universal Gazette), das heute wohl am besten die Ansichten der Kreise zum Ausdruck bringt, die einem baldigen Friedensschluß das Wort reden und sich als besonders gut in- formirt über die Vorgänge im Norden erweist. „Die „Tung wen hu pao" hat einen !ang:n Artikel über die Landung deutscher Truppen in China veröffentlicht. Es ist schwer zu verstehen, wie das Blatt behaupten kann, der deutsche Kaiser habe außer den Matrosen der Kriegsschiffe 120 000 So! daten nach China gesandt. Deutschland hat nur 20 000 Mann nach China gesandt. Der deutsche Kaiser hat wiederhol: erklärt, er strebe nach keinem Theile des chinesischen Reiches. Deutschland hat auch nicht mehr Soldaten hier, als England oder Rußland, und bei Weitem nicht so viele, wie die Japaner. Wir fürchten, so etwas erzeugt ein schlechtes Verhältniß zwischen China und Deutschland und das liegt nicht im Interesse Deutsch lands. Wie wir erfahren, haben sowohl Liu Kun-yih, wie Chang Chih-tung wiederholt ihrer Genugthuung über das Be st» «ben der Deutschen, den Frieden aufrecht zu erhalten, Ausdruck verliehen, wie auch wieder der deutsche Kaiser dankbar den Schutz anerkennt, den Liu und Chang den Fremden haben angedeihen lassen." Das deutsch-englische Abkommen wird ja nun wohl auch die Japaner davon überzeugt haben, daß Deutschland Gebiets erweiterungen nicht anstrebt. Ueber die Ermordung des Freiherr» von Ketteler wird dem „Ostasiatischen Lloyd" von unterrichteter Seite noch das Folgende mitgetheilt: In den Tagen vom 13. bis zum 19. Juni wurden eine große Anzahl von Noten zwischen den Gesandtschaften und der chinesischen Regierung gewechselt, die alle eine rasche Beilegung der Feindseligkeiten von Seiten des Tsung li Namens in Aus sicht stellten. Erst am 19. änderte sich die Situation mit einem Schlage. Frühmorgens wurde den Gesandten eine Note zu gestellt, in der die Einnahme der Takuforts mitgetheilt und ihnen eine Frist von 24 Stunden zur Abreise gegeben ward. Das Schriftstück war mit Außerachtlassung jener diplo matischen Höflichkeitsformen abgefaßt, welche unter allen Ver hältnissen aufrecht erhalten werden sollte, und trug ganz den Charakter einer formellen Kriegserklärung. Hier war nichts mehr zu überlegen, sondern nur zu trachten, unseren Rückzug so schnell wie möglich anzutreten. In einer Conferenz der Ge sandten wurde beschlossen, die Regierung um Truppen zur Deckung unserer Abreise zu bitten. Da es unmöglich war, uns in 24 Stunden reisefertig zu machen, so wurde ein Aufschub verlangt. Auf diese Note wurde nicht sofort geantwortet, weshalb die Gesandten das Tsung li Namen benachrichtigten, sie würden ihm am nächsten Morgen um 9 Uhr einen Besuch abstatten, um dort einige Fragen zu ordnen. Auf eine derartige Mitiheilung erfolgt gewöhnlich eine for melle Einladung seitens des Tsung li Damen; in diesem Falle aber blieb sie aus. Deshalb wurde am Morgen deS 20. nochmals eine Sitzung des diplomatischen Corps berufen. Einige der Herren bean tragten, daS diplomatische Corps solle sich uneingeladen nach dem Uamen begeben. Als aber darauf aufmerksam gemacht wurde, wie groß die Blamage sein würde, sollte man dort die Thore geschloffen finden, so stand man allgemein davon ab. Nur Freiherr von Ketteler erklärte, er müsse unter allen Umständen in das Uamen gehen, um gewisse Angelegenheiten seiner Regierung zu ordnen, und werde bei dieser Angelegenheit auf Antwort dringen. Er würde um 10 Uhr zurückkommen und dann den Kollegen Antwort sagen. Da auch damals Niemand für die Sicherheit der Person eines Gesandten fürchtete, so ließ man ihn gehen. Hätte man gefürchtet, daß die» Unternehmen bedenklich wäre, so hätte man sicherlich nicht einmal einen Dolmetscher geschickt, wie anfänglich beabsichtigt war. Nachdem Freiherr von Ketteler sich entfernt hatte, blieben die Herren noch etwa eine Viertelstunde zusammen und begaben sich dann jeder nach seiner Gesandtschaft. Der französische Gesandte konnte sich noch keine hundert Schritte entfernt haben, da kam er schon wieder zurück und überbrachte die Nachricht von Ketteler's Tode. Bald darauf erschien auch Herr Cordes, von einem Schüsse schwer verletzt, und eS blieb uns kein Zweifel mehr, daß wir von der Regierung nicht länger auf Schutz rechnen konnten. Es wurde nun beschlossen, auf keinen Fall abzureisen, sondern uns zu verbarrikadiren und das Eintreffen von Entsahtruppen abzuwarten. Herr Corde» erzählte unserem GewährSmanne über die Er mordung noch da» Folgende: „Auf dem Wege nach dem Tsung li Uamen hörte ich plötzlich einige Schüsse und sah chinesisch« Soldaten auf die Sänfte des Gesandten loikstürmm, au« welcher Freiherr von Ketteler leb»
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