Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.10.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-10-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19001029015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900102901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900102901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Images teilweise schlecht lesbar
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-10
- Tag1900-10-29
- Monat1900-10
- Jahr1900
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs «Preis sn der Hauptexpedition oder de« im Stadt« bezirk und den Vororten errichtete« Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich 4.b0, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Haus b.SO. Durch die Post bezogen für Deutschland u. Oesterreich: vterteljährl. 6. Man abonnirt serner mit entsprechendem Postausschlag bei den Postanstalten in der Schweiz, Italien, Belgien, Holland, Luxem burg, Dänemark, Schweden und Norwegen, Rußland, den Donaustaaten, der Europäischen Türkei, Egvpten. Für alle übrigen Staaten ist der Bezug nur unter Kreuzband durch die Expedition dieses Blattes möglich. Dir Morgen-Ausgabe erscheint um '/,? Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Le-action und Expedition: Johannisgasse 8. Filialen: Alfred Hahn vorm. O. Klemm s Sortim. Unwersitätsstraße S (Paulinum), Louis Lösche, Katharincnstr. 14, Part, uod Königsplatz 7. 551. Morgen-Ausgabe. UchMcr TlllMalt Anzeiger. Ämtsktatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes «nd Malizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 H. Reclamen unter dem Nedactionsstrich (4 gespalten- 75 vor den Familiennach richten (ügespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren sür Nachweisungen und Offertrnannahnie 25 V, lexcl. Porto). Extra Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung ./L 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Annaymeschluk für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von srüh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Montag den 29. October 1900. 94. Jahrgang. Jur Entwickelung -er sächsischen Finanzen. m. Wir haben schon bemerkt, daß sich unter der Regierung des Kurfürsten August von 1553—1586 die Verhältnisse in Sachsen in jeder Weise befestigten. Insbesondere wendete August den Zuständen im Innern alle Aufmerksamkeit zu. Die Landes hoheit des Fürsten brachte er mehr und mehr zum Ausdruck, wenn er auch starke Mittel verschmähte und die widerspenstigen Grafen und Herren nur nach und nach beugte. Nach außen hin sorgte August möglichst für Frieden, Moritz hatte ihm ein Schuldenlast von 1667 078 Gulden hinterlassen. Zur Bezahlung dieser Schulden hatten die Stände nocki zu Lebzeiten Mörtitz' wieder auf acht Jahre die Tranksteuer bewilligt, und auch die Land steuer, die nach Schocken entrichtet wurde, also eine Art Ver mögens- und Einkommensteuer war, dazu verwandt. Aber ob gleich die Tranksteuer in den ersten zehn Jahren über 1900 000 Gulden embrachte, waren doch die Staatsschulden in den ersten Jahren von August's Regierung auf über 2 Millionen ange wachsen. Das war natürlich August am meisten fatal. Als ihm 1563 einStaatsetat vorgelegt wurde, mit dem er unzufrieden war, schrieb er selbst: „Wo es hingekommen, das weiß Gott. Ob die Loute nicht sagen würden, wenn sie es wüßten: entweder der« Herr ist zu fromm oder ein Narr, und seine Räthe wollen freilich nicht, daß der Herr zu viel reich würde; sie müßten zuvor fein satt sein und ihre Beutel voll haben. Wenn nun umgefragt würde, was ein Jeglicher bekomme, so würde vom meisten Haufen das gesagt werden: der Hans von Ponikau und vr. Ulrich Mord eisen sich zum besten gewärmet hätten. Wer könnte denn sagen, daß solches nicht wahr wäre? Darum wird mich Niemand ver denken können, daß ich mit besserm Fleiß, denn bishero geschehen, zu dem Meinen sehe: sonst hätte ich Sorge, cS würde unser Herr Gott dadurch erzürnet, und wäre auch sonsten bei meinen Leuten nicht rühmlich." Dies hielt August auch redlich. Aller dings erheischten aber seine zumTheil schon früher begonnenen und nun fortgesetzten Einrichtungen und Organisationen, seine Güter käufe, seine Bauten und so manches Andere bedeutende Summen, wozu noch die Reichssteuern kamen, die August im Jahre 1576 auf 250 000 Gulden anschlug. So mochte sich das verwirklichen, was in Bezug aus die Bewilligung zur Tilgung der landesfürst lichen Schulden der Landtagsabschied vom Jahre 1561 schon aussprach: „daß der Kurfürst das Vertrauen zu seinen Ständen habe, wie es ihnen nicht entgegen sein würde, wenn er, da Sachen vorfielen, zu Ihrer dringenden Nothdurft etwas davon ge brauchen müßte." Die Tranksteuer, über welche die Stände oft lebhafte Beschwerden erhoben, und von der sie z. B. auf dem Torgauer Landtage vom Jahre 1555 äußerten, „daß es ihnen nicht möglich sei, dieselbe zu tragen, sie sollten dann ganz öde und wüste werden, verderben und untergehen", mochte ebenfalls mitunter zu anderen Dingen verwendet werden, als zur Tilgung der Schulden, und mußte daher fortdauern, verbunden mit der Landsteuer, welche unter Anderem im Jahre 1582 bedeutend er höht wurde, als der Kurfürst eine eigenmächtig eingeführte Ab gabe, das Umgeld und den Scheffelpfennig, auf nachdrückliche Vorstellung der Stände wieder aufhob. Doch hatten sich während dieser Zeit die sonstigen Einkünfte des Fürsten so vermehrt, daß er sich erbieten konnte, die erwähnte, im Jahre 1576 geforderte Neichssteucr den Ständen gegen Verzinstrng vorzuschießen. Immer mehr verloren die Steuern den Charakter einer den: Landesherrn geleisteten Hilfe und nahmen den einer für die Be dürfnisse des Landes geschehenen Bewilligung an, während die Einkünfte aus den Kammerglltern des Fürsten als für seine per sönlichen Bedürfnisse bestimmt angesehen wurden. Zur Verwaltung der Steuern wurde ein Steuercollegium 1570 eingesetzt, das aus vier adeligen Steuereinnehmern bestand, dem noch einige Bürgermeister, die von Leipzig, Wittenberg, Dresden u. a. O. angehörten. In diesem Obersteuercollegium kann man die Anfänge unserer jetzigen Verwaltung der Staats schulden erblicken. Zuerst hielt man die Einrichtung dieses Collegiums für eine vorübergehende, da man glaubte, daß mit Aufhören der Steuern das Collegium verschwinden würde. Di: Steuern hörten aber nicht auf, und das Collegium blieb. Der Streit über die Steuerfreiheit der Ritter güter, der unter Moritz begonnen hatte, dauerte unter August fort. Nur auf dem Landtage des Jahres 1557 verstand sich, wie Gretschel a. a. O. erzählt, die Ritterschaft in Bezug auf di« als Reichssteuer geforderte Türkenhilfe zu einem Beitrage von zwei Pfennigen für ihre Lehngüter, während sie für ihre Erb güter und übrigen Unterthanen gleich den Städten fünf Pfennig: entrichtete. Schon früher aber hatte sie ziemlich bestimmt di? Steuerfreiheit ihrer Lehngüter behauptet. Kurfürst August hrne zwar auf seinem ersten Landtage im Jahre 1553 der Ritterschaft die Besteuerung der Lehnhufe nicht angesonnen, sondern sich da mit begnügt, die von ihm gering geachteten Ritterdienste zl fordern, zugleich aber im Abschiede sich dahin ausgesprochen: „wie er achte, daß darinnen Unterschied zu machen sei, was für Alters Lehngüter seien, — was aber von Neues von Mühlen und Baucrgütern angekauft, auch werbend Geld, Häuser in Städten und dergleichen, daß dasselbige gleich andern, die nicht Tischgüter sind, noch dafür geachtet werden, könne versteuert werden." Auch auf dem Landtage 1554 machte er in der Proposition wegen der geforderten und in Folge des Naumburger Vertrages zu ent richtenden Summen die Bemerkung, „daß sich kein Stand vor dem andern abziehen, sondern sie sämmtlich es an ihrer ansehn lichen Hilfe nicht mangeln lassen würden." Wenn nun auch die Ritterschaft sich erbot, von ihren Erbgütern und der werbenden Baarschaft mit den übrigen Ständen eine gleiche Steuer zu zahlen, so wollte sie es doch nicht wegen der LehngLUr, indem sie sich auf ihre Verbindlichkeit zu Ritterdiensten b'rief. Diesem Vor wande insbesondere setzten die heftig imdersxrechenveu Stäoi: entgegen, daß ja in Kriegsnoth auch ikr: Bürger zur Nachfolge verbunden wären, ohne, gleich der Ritterschaft, eine Auslösung zu empfangen. Wurden nun auch, wie bunerkt, die Rittergüter im Jahre 1557 noch einmal besteuert, so nahm man sie doch bei den Bewilligungen auf dem Landtage 1561 ausdrücklich aus, und cs wurde seitdem ihre Steuerfreiheit bestimmter anerkannt, wenn gleich die daraus entspringende Ungleichheit dadurch etwas ge mildert wurde, daß die Ritterschaft ihr übriges Vermögen und ihre werbende Baarschaft versteuerte, wiewohl auch dies im Jahre 1661 aufhörte. Doch suchte Kurfürst August für die so un brauchbaren Ritterdienste sich etwas Reelleres zu verschaffen, und, wie schon im Jahre 1552 sein Bruder Moritz für ein Ritter pferd «in Aequivalent von 6 Gulden erhalten hatte, so forderte auch er im Jahre 1563 von jedem Ritterpferde statt der Dienst: 6, oder wenigstens 5 Gulden. Er selbst berechnete diese Gelder auf 1200 Pferde zu 86 400 Gulden jährlich. Doch mochte es dem Kurfürsten noch nicht gelingen, eine durchgreifende Maß regel in dieser Hinsicht auszuführen, und erst in der Mitt« des folgenden Jahrhunderts, welches auch noch andere Steuer befreiungen bestimmter ordnete, gingen die Ritterdienste in die Form der von der Ritterschaft dargcbotenen Donativgelder über. In unserem Staatshaushalt nehmen die Besitzungen des Staates einen nicht geringen Raum ein. Die Grundlagen hierzu sind von August erweitert und ausgebaut worden. Vor Allem suchte August den Vasallen, die noch im Besitze des Berg regals oder einzelner Theilc desselben waren, dieses dadurch zu entziehen, daß er ihre Besitzungen an sich kaufte oder sonst ein Abkommen mit ihnen traf. So geschah es unter anderem im Jahre 1559 mit den Herren von Schönburg auf Hartenstein und den Herren von Berbisdorf, di« durch den Besitz der Haupt wälder des Erzgebirges dem Bergbaue mancherlei Hindernisse in den Weg legten. Ebenso schloß der Kurfürst (16. August 1560) auch mit Kaspar von Schönberg einen Vertrag, wonach ihm derselbe die hohe und einen Theil der mittleren Jagd in den Purschcnsteiner, Nechenberg«r und Dörnthaler Wäldern und Gütern und die Hauptwälder in dem von seiner Familie seit 1473 wiederkäuflich besessenen Amte Frauenstein mit der hohen und mittleren Jagd, sowie die Jagddienste in dem er wähnten Amte und das Bergregal auf Gold, Silber und Kupfer abtrat, wogegen ihm das Amt Frauenstein erblich überlassen und auch der Pfandschilling von 9000 Mfl. wiedererstattet wurde. (Erst im Jahre 1647 kaufte Johann Georg I. der Schön bergischen Familie das Amt für 30 000 fl. wieder ab.) Schon hieraus erhellt, sagt Gretschel, daß August bei diesen Käufen außer den Bergwerken auch den Werth der Waldungen und dir Jagd im Auge behielt, die überhaupt der Grund zum Ankäufe so mancher Güter sein mochte, worauf der Kurfürst bis zum Jahre 1569 die Summe von 999 812 fl. verwandte. Mannig fachen Einfluß auf die verschiedenen, seitdem wiederverkauften und mit geringeren Vorrechten verliehenen Güter, gewannen diese von August gethanen Käufe. Daß es aber bei diesen um sichtigen Abrundungen des Besitzstandes nicht immer ohne Härte gegen di« bisherigen Besitzer abging, beweist unter Anderem der erwähnte Kauf der nachher das Amt Lauterstein bildenden Güter der Herren von Berbisdorf für 107 784 fl., welche der dies- fallsigen Urkunde zufolge nur mit Widerwillen dem Begehren des mächtigen Landesherrn Folge leisteten. Auf gleiche Weise verfuhr der Kurfürst auch in Thüringen, wo er z. B. in den mit dem Grafen von Stollberg geschlossenen Vertrag vom Jahre 1568 auch Bestimmungen über die Bergwerke aufnahm, während er über ein Schieferbergwerk zu Frankenhausen mit dem Grafen von Schwarzburg in Streitigkeiten gerieth, welche von Austrägen durch Appellation an dasKammergericht gelangten, aber dort nicht entschieden wurden, und am 3. März 1563 August's thüringische Bergordnung veranlaßten, die unter Anderem außer den hohen und geringen Metallen auch andere Mineralien, besonders Erd arten und" Salze, auf welche die Mutung angenommen wurde, genau angab und die Bergmeister streng anwies, auf den Berg- reoieren das Bergregal zu verleihen und keinem Anderen die Ausübung desselben zu verstatten. Die letztere, gegen die Va sallen, welche dem Bergwerke Abbruch thaten, gerichtete Be stimmung war noch deutlicher in einem 1556 an die Bergmeister erlassenen Befehle enthalten. Diesem war schon die allgemeine Bcrgordnung vom Jahre 1554 vorangegangen, wobei die älteren Gesetze der Herzoge Georg, Heinrich und Moritz nicht unberück sichtigt blieben, und die in den Jahren 1571 und 1573 durch August erläutert, vermehrt und verbessert wurde. Dabei richtete er aber seine Aufmerksamkeit auf einzelne Theile des Bergbaues, wovon das für die Zinnwerke zu Altenberg im Jahre 1568 er lassene Gesetz ebenso Zeugniß giebt, wie die Anordnungen für die Eisenwerke zu Pirna und Königstein im Jahre 1570, für die zu Gießhübel im Jahre 1585 und die Eisen- und Hammer ordnung vom Jahre 1583. Alle diese gesetzlichen Bestimmungen weisen auf die Einsicht hin, die man schon damals in Bezug auf den Bergbau gewonnen hatte. An der Spitze der zahlreichen Be amten, der Bergmeister, Hüttenschreiber, Bergvögte, Schicht meister, Geschworenen u. s. w., welche in jenen Gesetzen genannt werden, stand ein Hauptmann der Erzgebirge, dessen Wirkungs kreis unter Anderem aus der diesfallfigen Bestallung Wolf's von Schönberg im Jahre 1558 deutlich erhellt. Ferner suchte August die Einkünfte aus dem Bergwesen durch Patente über den freien Erzverkauf und Handel in den Bergstävten, sowie durch Verbesserung des Hütten- und Schmelzwesens zu ver mehren. Im Jahre 1567 brachte er die von ihm mit neuen Ge bäuden vermehrte Saiaerhütte zu Grünthal käuflich an sich, welche um das Jahr 1492 von den Brüdern Stephan, Hans und Georg aus der Familie Allnpeck, die sich aus Ungarn des Berg baues wegen nach Freiberg gewendet hatte, gegründet worden und bis dahin im Privatbesitze geblieben war. Wahrscheinlick wurde auch unter August die Bereitung der blauen Farbe aus dem von den Bergleuten so wenig geachteten Kobalt durch Christoph Schürer entdeckt; eine Erfindung, der sich die Hol länder zu bemächtigen wußten, wodurch der Kobalt ein bedeuten der Handelsartikel wurde, dessen Alleinverkauf August den Schneeberger Kaufleuten Hans Harrer und Hans Jenisch durm ein zehnjähriges Privilegium (1575) überließ. Erst der späteren Zeit war die bessere Benutzung dieses Gegenstandes Vorbehalten. Auch beförderte August die Aufsuchung der Metalle in anderen Landestheilen, und ließ z. B. in Oelsnitz Gruben eröffnen. Nach Edelsteinen mußte David Hirschfelder forschen, der dann auch seit dem Jahre 1575 Marmor, Kalk, Alabaster und Gips, seit 1588 mit dem italienischen Bildhauer Nosseni, aufsuchte. Um der Beziehung des Salzes von Halle, Großsalza und Staßfurt enthoben zu sein, ließ er nach Salzquellen suchen, und kaufte das Salzwerk Artern für 40 000 fl. Auf die Münzverhältnisü kommen wir noch zurück. Herrensergießnngen.*) Unter dem Motto „fieberfrei sein muß, wer der Zeit den Pul prüfen will" veröffentlicht Leixner wieder eine Sammlung Auf sätze und kritischer Erörterungen zeitgemäßer Fragen, die durch ihren Gedankenreichthum und ihre Treffsicherheit, vor Allem aber auch dadurch, daß sie aus der Ueberzeugung von dem innigen Zusammenhänge zwischen Deutschthum und Christenthum her aus entstanden sind, eine mehrfach überraschende und außer ordentlich fesselnde Wirkung ausüben. „Fieberfrei sein muß, wer der Zeit den Puls prüfen will!" Dieses Wort ist charakteristisch für das ganze Werk. Dasselbe zeugt für des Verfassers absolut gesundes Empfinden, für ein vollkommen klares Denken. Leidenschaftslos, mit der Rübe des Welt- und Lebenskundigen, der da weiß, daß Alles schon dagewesen ist und Alles sich wiederholt, erhebt er seine Stimme, mahnend, abwehrend. Abwehrend namentlich die Aeußerungen von Höhenwahn, mit dem das neue Geschlecht sein Dasein laut werden läßt. „Sie, die Jungen, verkünden in jeder Zeit einen neuen Glauben und machen sich über den der Alten lustig, ohne zu bedenken, daß auch sic sammt ihren funkelnagelneuen Bekennt nissen altern werden. Bei dem Ansturm der Jugend habe auck ich die Nothwendigkcit gefühlt, ihren Sätzen gegenüber mein Un glaubensbekenntniß klipp und klar auszusprechen. Dieses ent hält natürlich in sich eingcschlossen meinen Glauben, mein? Ueberzeugung und mein Wissen von deren Gründen." So leiter Leixner seine Ergießungen ein, wobei er noch betont, daß er lehtsre der Mitwelt „mit der Ruhe des Weisen übermittelt, der gelernt hat, einzusehen, daß ein solches Bekenntniß, obwohl aus innerster Nothwendigkcit geboren, Vielen als vollkommen über flüssig erscheinen muß." Letzteres darf wohl bezweifelt werden; in unserer an Widersprüchen überreichen Zeit, in der das Phrasenthum sich so breit macht, in der die Ueberhebung die Sachlichkeit verdrängt, Behauptungen an Stelle der Begrün düngen treten, gilt das Wort eines Mannes, der der Letzteren fähig ist, der logisch zu denken weiß, gewiß nicht als werthlos, wenigstens dem nicht, dem cs ernst ist mit seinem Streben nacb Klarheit und Wahrheit — und für Andere schließlich ist solch' ein Buch ja auch nicht geschrieben. Als besonderer Werth des Wertes sei noch, ehe ich auf Einzelheiten desselben eingehe, her vorgehoben, daß es wohl den Uebcrtreibungen der Moderichtung ablehnend gegenübersteht, dabei aber keineswegs lediglich dem Geiste des Alten, des Hergebrachten huldigt. Vor dieser thv- richten Einseitigkeit schützt Leixner eben seine Ucberlegenheit: sein Schaffen bestätigt sein Wort „ich bin nicht feind dem neuen Geiste, der lebendiges Alte mit hinüberrcttet in kommende Zeiten." Zu den wirksamsten Artikeln des Buches gehört der zweite *) Ueberflüssiae HerzenSergirtzmigen eine» Ungläubigen Betrachtungen aus deutscher Weltanschauung von Otto von Leixner, Preis 4 cA. Verlag von Otto Janke in Berlin. Feuilleton. Susa Salai. Eine Geschichte aus Ungarn. Von Georg Busse-Palma (BLnk). N.-chtnilk verbetm. Der Bauer Salat war der größte Grundbesitzer in der Gemeinde und seine Tochter Susa die Schönste im Comitat. Wandernde Zigeuner sagten: nicht nur im Comitat, nein, sie ist die Schönste in König Arpad's ganzem Erbe. Und ihr Wort galt, weil sie mehr gesehen hatten im Wachen, als der in die Scholle Gebannte im Traum. Aber wild war sie und ging ihre eigenen Wege von Jugend auf, Susa, die Tochter des Janos und der Marischka. Sie küßte dem Pfarrherrn die Hand nicht, wie es die Sitte ver langte, und wenn vor der Schenke Geigen und Clarinetten klangen, sah sie von der Brücke den Tanzenden zu. Selten nur bethetligte sie sich daran. Aber dabei war sie immer. Sie ging auf den Tangplatz, weil SLndor, der junge Zigeuner, dort spielte. Er wußte kaum, wer ihn geboren, und ärmer war er noch als die anderen. Auch schön konnte man ihn nicht nennen. Seine Nase war zu knochig und stark ge bogen, und seine Lippen zu voll für die Hagerkeit des Gesichts. Aber wenn er die langen Wimpern hob, brachen aus der dunklen Tiefe seiner Augen Blicke, die heiß und scharf waren wie in Feuer geglühte Harpunen. Die waren ihr in die Seele gedrungen und ließen sie nicht mehr los. Denn öfter ruhten sie auf ihr, als auf der Geige. Sie hatten sich nie gesprochen. Doch Susa Salai, Henn sie beim Hahnenschrei vom Lager aufstand, warf die schweren, dunkelbraunen Flechten über die Schulter und murmelte schlaf trunken: „Kämm' sie mir, SLndor!" Und der aus dem Stamme der Fahrenden, der in einem anderen Dorf seine Hütte hatte, spielte Abend für Abend ein neues Tanzstück, und in der Dämmerung war es ihm immer, als ob sie leibhaftig vor ihm stände. Sie sahen sich oft wochenlang nicht, aber sie fühlten, daß sie zusammen gehörten. Susa Salai war achtzehn Jahre alt geworden. Eine» Tage», al» sie gerade bei Lisch saßen, legte der alte Bauer den Suppenlöffel fort, sah sie scharf an und sagt«: „Bartholomäu» Tizka hat um Dich gefreit. Er ist beinahe so reich, wie ich,! und sein Acker grenzt an meinen. In sechs Wochen kann! Hochzeit sein." — Dann stand er auf, nahm eine Flasche Slibowitz und zwei Gläser aus dem Schrank und schenkte ein. Das eine reichte er seiner Tochter, in Erwartung einer freudigen Einwilligung. Susa Salai ward bleich bis in die Lippen hinein. Sie nahm das Glas und warf es auf den Fußboden, der, wie wenige im Dorf, mit Dielen belegt war. Das Glas zersplitterte, und ihre Augenbrauen zogen sich trotzig zusammen. „So wenig wie ich das trinken werde, werde ich ihn heirathen, Vater!" Die Knechte und Mägde, die am unteren Ende des Tisches saßen, sahen sie erschrocken und mehr noch verwundert an. Auch der Alte stand einen Augenblick wie versteinert. Dann schwoll die Ader auf seiner Stirn und der Jähzorn sprühte aus seinen Augen. „In sechs Wochen", sagte er nochmals. „Ja oder nein?" „Niemals, Vater!" Dann schrie sie wild auf? „Schlag' mich nicht!" Aber es war zu spät. Die gefüllte Flasche fuhr ihr mit solcher Wucht auf den Schädel, daß das springende Glas ihr durch das dicke Haar in die Kopfhaut schnitt. Blutend stürzte sie hin. Der Bauer hob sie auf und trug sie in die benachbarte Kammer, wo das Riemenzeug seiner.Pferde hing. Dort legte er sie auf einen Strohsack, schloß die Thür ab und setzte sich wieder zu Tisch. Hochroth vor Zorn saß er da, schwer und massig, wie ein Symbol der rohen Kraft. Don den Dienstboten wagte Niemand ein Wort zu reden. Erst am Abend des nächsten TageS sah er wieder nach seiner Tochter. Er fand sie fiebernd und besinnungslos. Da ließ er einspannen und aus der Comitatshauptstadt einen Arzt Herbriholen. Nachdem dieser die Wunde sorgfältig gereinigt hatte, sagte er achselzuckend: „Ruhe und gute Pflege. Sonst ist keine Gefahr." ES dauerte aber doch vierzehn Tage, ehe Susa Salai wieder das Bett verließ. Beim Mittagsmahl traf sie mit ihrem Dater zusammen. Er deutete durch die Fensstr auf das gegenüberliegende Haus de» Dorfrichter». „Geh' nach dem Essen mal rüber. Dort hängt etwas für Dich!" Einen Gruß hatte er nicht für sie. Sie nickte mit dem Kopf. „Ich weiß schon, Dater. Mein Aufgebot mit Bartholomäus Tizka! Während ich krank war, hast Du es erlassen." Es war keine Bitterkeit in ihren Worten. Ihre Kraft Ivar gebrochen, und so war sie ruhig. Nur blaß, als ob sie aus dem Grabe gekommen wäre. Am Nachmittag besuchte sie ihr künftiger Gatte. Ein Vierziger, der schon zweimal Wittwer geworden war. Er war groß und breitschultrig, und, abgesehen von seiner allzu großen Vorliebe für Wein und Schnupftabak, die aus Nase und Wäsche stark abgefärbt hatten, konnte man ihm nichts nachsagen. Als er sie küssen wollte, stieß sie ihn zurück. Er lachte gutmüthig und ging seiner Wege, zufrieden in dem Gedanken, daß Susa Salai, deren Schönheit durch die Krankheit nur noch stolzer und vornehmer geworden war, nach vier Wochen sein Weib sein würde. Die Zeit verging und der Hochzeitstag rückte immer näher. Endlich läuteten die Kirchenglocken, und Susa Salai trat bleich, aber in stiller Fassung mit ihrem Bräutigam in den kühlen, halb dunklen Raum. Ein großer Kranz, mit Goldfäden überworfen, lag auf ihrem Haar. Ihr Mieder war auS blauem Sammet und über den Hüften wölbten sich wohl zwölf über einander liegende, lange nicht bis zu den Knöcheln reichende weiße Röcke, wie es des Landes üblich war. Die wenigen Bänke waren überfüllt von Theilnehmenden und Neugierigen. Auch SLndor, der fahrende Geiger, war unter ihnen. Aber Susa Salai bemerkte ihn nicht. Die Wimpern gesenkt, reglos und ohne mit einer Miene zu zucken, hörte sie die Rede des alten lutherischen Geistlichen an, und ihre Stimme war klanglos und zitterte nicht ein einziges Mal, als sie den wortreichen Eid nachsagte. Aber dann, als ihr nach beendeter Trauung das weiße Tuch, die Haube der Frauen, über den Kranz gelegt wurde, zuckte sie jäh zusammen und ihre Augen öffneten sich in hilflosem Entsetzen. Es schien, als ob ihr erst jetzt die Bedeutung der Feierlichkeit verständlich würde. Im Hochzeitshause ging es hoch her. Bartholomäus Tizka sparte nichts. Immer neue Braten wurden aufgetragen und lange Reihen geleerter und der Leerung noch harrender Wein flaschen standen an den Wänden. In dem benachbarten Zimmer aber saß die Capelle, SLndor, der Düstere, unter ihr. Sein Bogen war sicher, wie sonst, aber seine Augen glühten in einem verzehrenden Feuer. Susa Salai saß an der Tafel und aß nicht und trank nicht. Als die Gemüther «rhitzt und di« Augen trüb« wurden, stand sie auf und ging heimlich hinaus. Sie lief durch den Garten und weiter bis an das andere Ende des Dorfes, wo ihres Vaters Haus stand. Die beiden Arme auf das Fenster sims gestützt, sah sie durch die Scheiben in ihr Mädchen zimmer. Sie war wie in halber Betäubung und konnte es immer noch nicht glauben, daß sie jetzt Bartholomäus Ttzka's Weib war. Es wollte Abend werden, und die Dämmerung kroch langsam über die Beete des Gartens. Susa Salai dachte an die Zeit, die nun vorüber war, an ihre Träume, die nun vorüber waren, und an den, von dem sie geträumt hatte. Räderrollen und das Jauchzen übermüthiger Dirnen schreckte sie auf. Der Wagen hielt vor dem Hause. Sie kannte den Brauch: man kam, um ihr Bettgewand zu holen, um cs in das andere, ihr neues Heim zu führen. Ein Bursche, ein ihr wohlbekannter Bauernsohn, und eine junge Dirne, eine Schulfreundin von ihr, traten in das Ge mach. Die Andere mußte wohl bei dem Wagen geblieben sein. Während sie sich bückte, um die schweren Bettstllcke aufzuheben, griff er plötzlich um den jungen, blühenden Leib und zog sie an sich. Und sie wehrte sich nicht. Beide Arme schlang sie, glücklich lächelnd, um seinen Hals und küßte ihn, als ob sie ihn nie mehr lassen wollte. Susa Salai sah es mit an. Dumpf stöhnte sie auf. Thränen kamen ihr in die Augen und schwer schlug ihr Haupt an die Mauer. Sie hörte nicht, wie der Wagen von dannen rollte. Als sie sich wieder aufgerichtet, um heimzukehren, stand SLndor, der fahrende Geiger, vor ihr, den Hut auf dem Kopf und die Fiedel unterm Arm. Seine rechte Hand streckte sich ihr entgegen: „Komm mit, Susa Salai! Was sollen wir länger im Elend leben?" Da stieg es so heiß und so sehnsüchtig in ihr auf, daß sie nicht anders konnte, als ihr« Hand in die seine zu geben. Ihre Augen leuchteten; sie warf das Haupt in den Nacken, daß ihr« Zöpfe wie schwarze Schlangen durch die Luft fuhren, und ging mit ihm. Al- ihr Verschwinden bemerkt wurde, waren sie schon lange nicht mehr im Dorf, und im Nograder Comitat sah man SLndor, den Geiger, und Salai niemals wieder.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite