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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.08.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-08-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010814025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901081402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901081402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-08
- Tag1901-08-14
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Abend-Ausgabe w Druck und Verlag vou E. Pol» bl Leipzig. 95. Jahrgang, 412 Mittwoch den 1^. August 1901 r. ?o 05 'Audi FrttLNetsn. 18j 122 10300 14000 7450 S700 »720 b«r. !5I0 2 '0,50 »tun. 5, >r »S> v«» «rro»r, ' <W8> dr»oum" 1300 2050 lößö ILO Ivooo 1000 2725 250 ',80 ',23 >,SS ,0 »,04 ^3 r,2S Chan Santa Cruz, die Hauptstadt und der letzte feste Punct der unabhängigen Mayaindianer von Pucatau, ist end lich von den mexikanischen Negierungstruppen erobert und beseht worden, so daß diesen rebellischen Eingeborenen nun kaum noch etwas Anderes übrig bleibt, als sich in corpore zu übergeben und weitere aussichtslose Guerillakämpfe auf zugeben. Dieses günstige Resultat des letzten mit aller Energie durchgeführten Feldzuges gegen die Mayas bedeutet nichts Anderes, als das Ende eines fünfzigjährigen unaufhörlichen Ringkampfes, in welchem die Ueberbleibsel einer einstmals mächtigen Nation sich gegen die verhaßte Regierung der Republik Mexiko aufzulehnen versuchten, und sie haben es verstanden, durch immer wiederkehrende Angriffe und durch eine mit größtem Muth und unermüdlicher Energie durchgeführte De fensive den von Zeit zu Zeit gegen sie entsandten mexikanischen Truppen schwere Zeiten zu bereiten und ihnen große Verluste zuzufügen. Sie haben tapfer und muthig gegen die Mexikaner gekämpft, wie ihre Vorfahren gegen die Spanier und deren Oberherrschaft gekämpft haben. Noch bis vor Kurzem be herrschten sie das von ihnen behauptete Territorium so voll ständig, daß kein weißer Mann es wagen durfte, ohne besondere Genehmigung ihrer Häuptlinge in ihr Gebiet in irgend welcher Eigenschaft einzudringen, und ihre Hauptstadt, Chan Santa Cruz, wurde noch bis heute die „geheimnißvolle Stadt von Pucatan" genannt, wo die Indianer die Gebräuche und Sitten ihrer Vorväter mit höchster Pietät und strengster Gewissen haftigkeit pflegten. Die Mayaindianer standen, als ihr Land von den Spaniern entdeckt und beseht wurde, vielleicht auf der höchsten Culturstufe, die damals von irgend einer Nation des amerikanischen Continentes erreicht worden war, und es ist mehr als wahrscheinlich, daß in der eroberten Hauptstadt noch viele Spuren und Ueberbleibsel der alten Civilisation auf zuweisen sein werden. Die mexikanische Regierung präparirt bereits eine archäologische Expedition, welche in Santa Cruz und Umgegend eingehendste Erforschungen vornehmen soll. äawptir 2825 4200 425 1250 2225 ISO 1150 1750 14100 i 1100 275 7-1. 11« 21. 21, 41. 841, 12'i. 21» >ML Iw. 151'!. SS'!. r. ». 7. 1. leU. * London, 14. August. Der „Standard" veröffentlicht einen Feldbrief, in dem es heißt, der Boerencommandant Beyer sei kürzlich im Gefecht schwer verwundet worden; man glaube nicht, daß er genese. Ferner berichtet der Brief, daß der Transportdampfer „Montrose" mit 900 ge fangenen Boeren nach Bermuda abgegangen sei. * London, 13. August. Ein von 400 nonconfor- mistischen englischen Geistlichen unterzeichnetes Friedensmanifest dringt darauf, die Greuel des Krieges in Afrika durch einen schleunigen Friedensschluß zu beendigen. (Voss. Ztg.) * Brüssel, 13. August. „Petit Bleu" veröffentlicht ein« Depesche des Arztes des Präsidenten Krüger, Heymanns, auS Hilversum vom 13. August, in der die über eine Erkrankung Krüger's umlaufenden Gerüchte für unbegründet erklärt werden; Präsident Krüger sei ganz wohl. ttMM CllgMit Anzeiger. Amtsblatt -es Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes «n- Malizei-Ämtes -er Lta-L Leipzig. Annahmeschloß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittag- 10 Uhr. Morgeu-AuSgab«: Nachmittags 4 Uhr. Bet des Filialen and Annahmestelles je ein« halb« Stunde früher. Aazet-o» stud stet- as die Expedition z» richte». Di« Expedition ist Wochentag-unnnterbrochen geüffnet von früh 8 bi- Abend» 7 Uhr. «75 »75 > 1050 > 1200 > 825 1 »«»4. Politische Tagesschau. * Leipzig, 14. August. In Königsberg in Franken hat am 8. d. M. eine Zu sammenkunft von Vertrauensmännern der national liberalen Partei stattgefunden, an welcher auch der Generalsekretär der Partei Patzig aus Berlin theilgenommen hat. Wie selbstverständlich, standen der Zolltarif und die Frage der künftigen Handelsverträge im Mittelpunct der ge pflogenen Verhandlungen. Generalsekretär Patzig legte ausführ lich dar, wie es auch im Interesse der Landwirthschaft als hoch wichtiges Ziel im Auge behalten werden müsse, wiederum zu lang fristigen Handelsverträgen zu gelangen. Wenn nun erregte Stimmen laut werden, die auf Grundlage des jetzt veröffent lichten Tarifentwurfs das Zustandekommen brauchbarer Ver träge für unmöglich erklärten, so möge man demgegenüber nicht vergessen, um was es sich jetzt überhaupt erst handle. Zunächst habe man es mit einem Entwurf eines Generaltarifs zu thun, der den 1879er Tarif ersetzen soll, um dann für die Vereinbarung von Handelsvertragstarifen die Grundlage zu bilden. Dieser Ent wurf eines Generaltarifs gestatte noch keine Rechenexempel über die künftige Belastung des inländischen Verbrauchs. Dafür seien erst diejenigen Sätze maßgebend, auf welche in den Vertrags tarifen hinuntergegangen werde. Der jetzt veröffentlichte Tarif sei überdies nur ein dem Bundesrath unterbreiteter Vorschlag. In welcher Gestalt er aus dem Bundesrath heraus an den Reichs tag gelangen werde, sei noch sehr fraglich. Allerdings bekunde er bereits nach zwei Seiten hin einen bestimmten Entschluß der maß gebenden Stellen. Erstens lasse sich der feste Wille erkennen, die landwirthschaftlichen Erzeugnisse besser zu schützen, als dies während des verflossenen Jahrzehnts der Fall war. In dieser Richtung entspreche die Negierung nur einem von der großen Mehrheit des Reichstages, auch von der großen Mehrheit der nationalliberalen Partei wiederholt erhobenen Ver langen. Zum Anderen bringt der Entwurf dem In- und Aus lande zur Erkenntniß, daß die Regierung den Generaltarif von 1879 nicht als geeignete Grundlage betrachte, um über den Ab schluß neuer Verträge zu verhandeln. Die Regierung gehe also von der Ueberzeuaung auS, daß an der Hand des Tarifs von 1879 Zugeständnisse des Auslandes gegen Zugeständnisse Deutsch lands nicht mehr cingetauscht werden könnten, ohne daß wichtige deutsche Erwerbsinteressen dabei Noth leiden müßten. Inwieweit die Regierung bei Vorbereitung der neuen Grundlagen zum Verhandeln das Rechte getroffen, unterstehe demnächst der Ent scheidung des Bundesrathes und des Reichstages. So viel sei aber gewiß, daß weite Kreise der Industrie und die Landwirth schaft fast einstimmig den Standpunkt der Regierung theilen, in dem sie den alten Generaltarif nicht mehr als geeignete Basis be trachten, von der aus deutscherseits Zugeständnisse gemacht werden könnten. Im schroffsten Gegensatz hierzu behandle ein Theil der Presse die Frage so, als sollten sogar die VertragStarife, auf die man von dem Generaltarif von 1879 hinuntergestiegen ist, die Basis neuer Vertragsverhandlungen bilden. Dieses Verlangen werde nur von einer schwachen Minderheit im Reichstage vertreten werden. Praktisch sei es keinesfalls. Welchen Charakter das Verhandeln mit dem Auslande über neue Verträge haben soll, hänge nicht von einem Theile allein ab. Die anderen Staaten hätten jedenfalls dem Verhandeln den Charakter des Feilschens um Vortheile längst gegeben, indem sie schon vor Ablauf der früheren Verträge ihre autonomen Tarife durchweg revidirten, um von einer höheren Basis aus über Zugeständnisse verhandeln zu können. Einem solchen Standpunkte gegenüber sich auf den Standpunkt der Harmlosigkeit und des Idealismus stellen, wäre mehr als unpraktisch. Zunächst komme es jetzt darauf an, wle weit die Regierung auf der neuen Grundlage mit dem Auslande zu Vereinbarungen gelangen könne. In der breiten Öffentlich ¬ keit dürfte sich das schwerlich ausplaudern lassen. Aber wenn der Reichstag erst versammelt und die Regierung in der Lage sei, wenigstens in der Commission ihre Absichten und Erwartungen darzulegen, werde sich hoffentlich die gegenwärtige Beunruhigung weiter Volkskreise als überflüssig erweisen. Entschieden müsse man es aber beklagen, daß diese Beunruhigung theilweise mir Mitteln hervorgerufen werde, die den Interessen des Reiche gegenüber den Staaten, mit denen wir zu Verträgen kommen wollen, nachtheilig seien. Die Kritik der vorgeschlagenen Zoll- sätze stehe Jedem frei. Mögen sie dem Einen zu niedrig, dem Andern als eine unerträgliche Volksbelastung erscheinen. Darüber zu discutiren, sei durchaus am Platze; diese Diskussion müsse ja den Boden bereiten, damit der Reichstag schließlich die gegensätz lichen Interessen ausgleichen könne. Aber dagegen sei nachdrück lich Verwahrung einzulegen, daß man das Ausland von vorn herein ermuntere, mit Deutschland auf der in Vorschlag gebrachten Grundlage überhaupt nicht zu verhandeln. Es sei beklagens werte,, daß man im Nuslande die Vermuthung wachgerufen habe, als werde die öffentliche Meinung in Deutschland hinter dem Auslande stehen, wenn dieses die deutschen Unterhändler kurzer Hand abweise. Es sei laut zu betonen, daß im Gegentheil die große Mehrheit des Volkes den lebhaften Wunsch hege, daß Die Verhandlungen mit dem Auslande auf dem Boden billiger gegenseitiger Zugeständnisse zu einem ersprießlichen Abschluß ge- führt werden. — Die Versammlung bekundete dem Redner für alle seine Ausführungen den lebhaftesten Beifall. — In der Wiedergabe durch die gegnerische Presse entgingen diese Dar legungen indeß nicht dem bekannten Schicksale, auf das Tenden ziöseste entstellt zu werden. Vielleicht geben sich die betreffenden Organe die Mühe, ihr unrichtiges Referat der Rede des General sekretärs Patzig mit dem wirklich Gesagten zu vergleichen. Am Geld. Roman von F. Il« x. ' Nachdruck vnchotm. Obwohl Paul die gute, ja edelmüthige Absicht Sodhen'S, für ihn ein Darlehen aufzunehmen, nicht verkennen konnte, fühlte er sich doch nicht angenehm berührt von der praktischen, ja, wie eS ihm vorkam, beinahe zu praktischen Auffassung des Freundes. Geradezu peinlich war ihm der Gedanke, sozusagen einen Vorschuß auf das Vermögen seiner zukünftigen Frau zu nehmen und derselben Geschenke zu machen, die mit dem eigenen Gelde der Beschenkten bezahlt werden sollten! Der ganze Vor schlag kam ihm wie eine Entweihung seines Verhältnisse- vor und gerade vielleicht um so mehr, als er sich im Innersten seines Herzens doch nicht der Erkenntniß verschließen konnte, daß es gerade die materiellen Interessen in erster Linie ge wesen, die ihn zu dem entscheidenden Schritte veranlaßt hatten. Jedenfalls kam ihm dieses rasche Ziehen der Schlußfolgerungen zu gewaltsam vor. Hatte Gisela einmal „Ja" gesagt, dann mußte sie ihn auch nehmen, wie er war; denn daß er keine Schätze zu bieten vermochte, daS mußte ihr nach Allem zweisello- klar sein. Wie hätte er außerdem vor dem väterlichen Oheim, der noch ganz ander» die Verhältnisse übersah, bestehen sollen, wenn er seine Braut mit kostbaren Geschenken überraschte. Nein! In dieser Beleuchtung durfte er weder dem alten Herrn und noch weniger seiner künftigen Frau gegenübertreten. Ein offene-, direkte- Wort an Gisela mußte morgen schon Alles lösen! So dankte er denn dem Freunde für sein aroßmüthige» An erbieten, indem er ihm rückhaltlos seine Grunde, die ihn zu einer Ablehnung veranlaßten, au-einandersetzte. Sodhen zuckte in seiner leichten Manier mit den Achseln. „Du bist ein Schwärmer', sagte er, „Du sollst e- ja nicht machen, wie einer meiner früheren Regimentskameraden, der all« Bouquet-, die er seiner Braut tagtäglich zu schicken pflegte, einfach dem zukünftigen Schwiegervater auf die Rechnung setzen ließ. Ich habe e» gut mit Dir gemeint, und alle Welt ist eben nicht so ideal beanlaat, wie Du, und wie Du Dir sie denkst! Im Uebrigen stehe ich, fall- Du Deine Ansicht ändern solltest, jeder Zeit mit Vergnügen »u Deiner Verfügung, und halte mich, trotz Deiner augenblicklichen Ablehnung, an mein Ver sprechen gebunden. Apropos", fuhr er fort, „wann willst Du Dein versprechen einlosen, mich den Deinen vorzustelles?" wobei die ai Stunden de» — „ne Bewegung Paul's absichtlich übersehend — fort, daß kuck. ck.7n Ür d^n r " ^e mit ganz reinem Tische in di. Ehe treten. Außerdem »» »»»kn ?rud«r Zeit war, sich wieder IN Uniform stehen Ihnen größere Au-gaben in der nächsten Zeit bevor — ' «r. . dtt victoriastrabe zurückzubegeben. Sie mHen Zhrer Braut da. übliche Brautgeschenk machen . *l«.stch auf Yaul'- Kl ngeln die Thür de» Hauset geöffnet u. s. w. u. s. w. — mit einem Worte, ich habe mir erlaubt, hatte, richtete ihm der Portier m der respektvollen Haltung de- Ihnen hier eine kleine vorläufige HochzeitSgab« zurecht zu legen, Der Krieg in Südafrika. Man schreibt uns aus London unter dem 12. August: „Allen widersprechenden Prophezeiungen zum Trotz befindet stch Lord Milner of Capetown heute doch schon wieder auf dem Wege nach Südafrika, um dortselbst als Generalgouverneur der englischen Krone die Civilvcrwaltung der beiden „Colonien" dies seits und jenseits des Vaalflusses neuerdings zu übernehmen und Lord Kitchener von diesem unerfreulichen Amte zu befreien, so daß der Letztere sich wieder voll und ganz dem Kriege ohne Ende widmen kann. Milner hatte natürlich bei seiner Abreise die üblichen groß artigen Ovationen zu überstehen, und wenn es nach der Londoner Presse ginge, so müßte seine Rückkehr nach Südafrika dieses Mal aber endgiltig die Lösung des gordischen Knotens bringen, zumal ihm durch die letzte Proklamation des britischen Generalissimus angeblich die Wege in hervorragendem Maße geebnet worden sind. Es verschlägt wenig bei den Jingos und ihren Anhängern, daß die Lage auf dem Kriegsschauplätze nach wie vor für die Eng länder so ungünstig und unerfreulich bleibt, wie kaum jemals zu vor, und mit vielfach geradezu kindlicher Freude und Zuversicht verspricht man sich in der gelben Presse Englands von ven Drohungen und den Maßregeln der genannten Proklamation Wunderdinge. Man glaubt, wenn erst der 15. September ge kommen, also die von Kitchener den Boerenführern gestellte Frist abgelaufen ist, daß dann mit der ganzen Herrlichkeit der Boeren kurzer Procetz gemacht und der Widerstand der Transvaaler und Freistaatler durch entsprechende neue Maßregeln in allerkürzester Zeit ein- für allemal gebrochen werden wird. Daß inzwischen die Boeren die von Kitchener so gerühmten Blockhäuser an den Verbindungslinien der Engländer mit stürmender Hand fortnehmen und dem Erdboden gleich machen, daß sie in den letzten vier Tagen wieder annähernd 100 Gefangene und reiche Beute gemacht haben, alles das zählt natürlich über haupt nicht; man wehrt sich eben mit aller Macht gegen die Idee einer neuen Sommrrcampagne, die dem Lande weitere ungeheure Opfer an Gut und Blut auflegen würde, ist im Uebrigen sich ganz und gar nicht klar darüber, mit welchen Mitteln denn eigent lich gerade jetzt dem Kriege «in gar so schnelles Ende gemacht werden kann. Paul konnte nun nicht umhin, dem gefälligen Freunde Mit theilung von dem bevorstehenden Wegzuge der Familie zu machen, indem er ihn dadurch von seiner Absicht abzubringen hoffte; allein weit gefehlt! Sodhen wurde nur um so dringen der, so daß er ihm schließlich einen der nächsten Tage fest zu sagen mußte, wo er dem Ansuchen des Freundes entsprechen wollte. Dreizehntes Capitel. Es war nicht ohne ein etwas beklommenes Gefühl, als Paul am folgenden Nachmittage Mutter und Schwestern von dem folgenschweren Ereigniß des vorhergehenden Abends in Kenntniß setzte. Frau v. Steinbergk war sichtlich überrascht und, wle Paul schien, nicht gerade in freudigster Weise, als er den Namen seiner Erkorenen vorerst der Mutter allein mittheilte; sie war jedoch zu sehr Herrin ihrer selbst, um die Enttäuschung, die sie empfinden mochte, zu äußern; kannte sie, oder glaubte sie doch ihren Aeltesten viel zu gut zu kennen, um ihm eine Uebereilung zuzutrauen. So schloß sie denn mit mütterlichem Kuß und Segenswunsch den Sohn in die Arme, wenn ihr vielleicht auch im Herzen eine andere Schwiegertochter sympathischer ge wesen wäre. Die Schwestern konnten ihre Ueberraschung weniger gut verbergen, wenn sie derselben auch nicht lauten Ausdruck gaben. Doch waren die sich nun entspinnenden Berathschlagungen, wie und wo man den Besuch der Braut am Nachmittage empfangen sollte, nicht gerade geeignet, diejenige Feststimmung aufkommen zu lassen, die sich sonst bei Verkündigung derartiger Familien ereignisse einzustellen pflegt. Zum Empfang des, wie man an nahm, verwöhnten Besuches, dem man deshalb mit sehr ge mischten Empfindungen entgegensah, eignete sich das Zimmer der VaterS noch am besten. Hier mußte daher die für da- Dermiethen nothwendige Verstellung der Lerbindunasthür erst hinweageräumt werden, wobei Paul im Schweiße seines An- gesicht- den Schwestern behilflich war, alle jene Spuren, die auf eine andere Verwendung hinwiesen, auch au- dem Zimmer selbst wieder zu entfernen. Di« alt« Ordnung d«r Dinge war kaum wieder hergestellt, ingestrrngte Thätiokeit sehr angenehm über diese - Zusammensein- hinweggeholfen und längere Au-- >en, wozu namentlich die wissen-durstigen waren, unml' Deutsches Reich. -o- Leipzig, 14. August. Zu unfern Auslassungen über den von der „Deutschen Lagesztg." als zukünftigen sächsischen Finanzminister mit auffälliger Begründung empfohlenen Herrn Ministerialdirektor Geheimrath vr. Diller (vergl. „Tagebl." Nr. 408 vom 12. d. M.) schreibt die „Deutsche Tagesztg." heute Folgendes: „Aus unseren Bemerkungen über das Ver- hältniß des sächsischen Geheimraths Diller zur ausschlaggeben den Partei der Zweiten Kammer schließt das „Leipz. Tagebl.", daß die von dem genannten Beamten ausgearbeiteten neuen Steuergesetzentwürfe den Wünschen und Erwar tungen der ausschlaggebenden Partei in hohem Maße ent sprechen dürften. Wir können dem Leipziger Blatte mittheilen, daß, soviel wir wissen, seine Schlußfolgerung vollkommen be gründet ist." Nun also! Für dies interessante Eingeständniß werden weiteste Kreise in Sachsen der „Deutschen Tagesztg.", wenn auch in anderem Sinne, als das Blatt es wünscht, aus nahmsweise dankbar sein. Q Berlin, 13. August. Die von russischen Agenten und Consuln vorgenommencn Erhebungen über die „Preußen gänger" werden, obwohl eine authentische Wiedergabe der russischen hierauf bezüglichen Denkschrift nicht vorlicgt, von einem Theile der deutschen Presse gewissermaßen als Anklage schrift gegen die deutsche Landwirthschaft und Industrie im Osten ausgebeutet. Dazu ist aber zu bemerken, daß auch die deutschen Aufsichtsbehörden selbst, wo sie auf mißliche Zustände in der Behandlung der fremdländischen Arbeiter, speciell der „Preußengänger", stoßen, diese Verhältnisse mit rücksichtsloser Kritik aufdecken. Das geht aus den Gewerbeaufsichts- berichten hervor, die sehr wahrscheinlich den russischen Er hebungen al- wesentlichste Unterlage gedient haben mögen. Von irgendwelcher Schönfärberei etwa zu Gunsten der deutschen Be triebe ist in diesen Berichten nicht die Rede. Wir heben einige Beispiele aus den gewerblichen Betrieben hervor. Sehr viele russisch-polnische Arbeiter werden in deutschen Grenzbezirken in den Ziegeleien beschäftigt. Die Untcrkunftsverhältnisse dieser Arbeiter bieten ein ungemein trauriges Bild. So heißt es in dem Bericht für Ostpreußen: Die Ziegelarbeiterwohnung erwies sich als ein einstöckiges Gebäude mit zwei Zimmern. In dem einen wohnte der Ziegelmeister mit seiner Familie, das andere diente als Küche für ihn und 16 ortsfremde Arbeiter. Einige Schlafstellen waren auf dem Boden eingerichtet. Abort, Müll grube, Schweinestall und Brunnen waren unbekannte Dinge. — Eine andere Ziegelei mit zwei Ringöfen und maschinellem Betrieb hatte 14 polnisch-russische Arbeiterinnen in einem Raume von vier Meter Länge und Breite und knapp drei Meter Höhe untergebracht, auf dessen Fußboden eine durchgehende Streu untergebracht war. Das etwa 40X40 Centimeter große Fenster war nicht zu öffnen, die Wände seit Jahren nicht geweißt. Die polnisch-russischen männlichen Arbeiter waren in einer Bretterbude untergebracht, die, etwa 2^ Meter hoch, die Lagerstellen in zwei Etagen an den Wänden angcordnet enthielt; auch hier fehlten Fenster und jegliche Trennung der Lagerstätten; Waschgelegenheit fehlte; dagegen lag vor jeder Thür ein großer Haufen von Unrath. In einem an sich viel leicht genügenden Raum ohne Fenster schlief ein polnisches Ehepaar mit der 17jährigen Tochter auf gemeinsamer Lager stätte, in einem ähnlichen Raum mit Fenster zwei deutsche Ar beiterinnen von 20 Jahren und hinter einem Vorhang der Vater der einen. — Die deutschen Arbeiter dieses Werkes, die mit den polnischen Arbeitern nicht zusammen wohnen wollten, hatten verschiedene Räume mit ordentlichen Bettstellen, die ihr Eigenthum waren. — Der Bericht bemerkt weiter: Für den Aufsichtsbeamten ist es sehr schwer, hier eine Aenderung zu erreichen. Die (ländlichen) Amtsvorsteher greifen ungern ein und Betriebsunternehmer lassen die Anordnungen zunächst gedienten Soldaten und Angestellten eines guten HauseS den Auftrag aus, „daß der Herr Commerzienrath den Herrn Leut nant bitten ließen, noch auf ein paar Minuten bei ihm ein treten zu wollen, das gnädige Fräulein sei doch noch nicht zum Ausgehen bereit". Nachdem Steinbergk abgelegt hatte und in das Arbeits zimmer des Hausherrn geführt worden war, begrüßte ihn Herr Friedland — der Diener hatte sich auf einen Wink entfernt — von seinem Fahrstuhle aus in seiner gewohnten, liebenswürdigen Weise: „Nehmen Sie Platz, lieber Paul, ich darf Sie wohl von jetzt ab so nennen, da ich noch einige Punkte materieller Art mit Ihnen besprechen möchte. Meine Nichte, Ihre Braut", begann er, nachdem Steinbergk sich niedergelassen, „ist die Erbin eines ziemlich bedeutenden Vermögens, in dessen vollen Genuß sie jedoch — nach einer letztwilligen Bestimmung ihres Vaters, meines verstorbenen Bruders — erst nach Vollendung ihres fünfundzwanzigsten Lebensjahres treten soll. Die ihr bis dahin ausgeworfene Rente, zusammen mit den wieder capikali- sirten Ersparnissen, genügen jedoch mehr als reichlich, das so genannte Commißvermögen — so nennen Sie e- ja wohl m Ihren Kreisen? — nachzuweisen und die Führung eine- an ständigen, wenn auch nicht übertriebenen Hausstandes zu er möglichen. Trotzdem wird es meiner Nichte nicht ganz leicht fallen, sich in — ihrer Ansicht nach — vielleicht beschränktere Verhältnisse einzugewöhnen, da sie eben ihrer ganzen Erziehung nach den Werth des Geldes wohl im Großen und Ganzen, nicht aber daS Haushalten damit, kennen gelernt hat. Da- muß nun Ihre Sorge sein, mit schonender Hand Ihre Frau von Extravaganzen abzuhalten, die nicht nur über Ihre momen tanen Verhältnisse gehen, sondern auch in Ihrem Officiercorps, in dem, wie ich höre, ein durchaus solider Ton herrschen soll, unliebsam auffallen würden. Was nun Ihre eigenen Verhält nisse betrifft, so sind mir dieselben durch die vertraulichen Mit- theilungen Ihre» Herrn VaterS genugsam bekannt; zudem habe ich — Sie werden mir al- Vormund meiner Nichte da- nicht verdenken — bei Ihrem Regiment Erkundigungen eingezogen oder einziehen lassen und dort — e- freut mich. Ihnen die» sagen zu können — nur die allerbeste Auskunft erhallen. Wenn ich trotzdem annehme, daß Sir wohl irgend einen kleinen unerledigten Posten haben, so werden Sie mir da-, al» allein Menschenkenner, nicht übel nehmen. Ich möchte nun', fuhr er — eine Bewegung Paulas absichtlich übersehend — ' ' die Sie von mir, dem an Vaters Stelle stehenden Vormunde Ihrer künftigen Frau, auch wohl jetzt schon annehmen können." Mit diesen Worten übergab er Paul einen Briefumschlag, indem er dem jungen Officier, der mit heißen Wangen zu gehört und wiederholt einen Anlauf genommen hatte, um mit einem offenen Geständniß seiner Verbindlichkeiten das Ent gegenkommen des freigebigen Schenkers zu erwidern, freundlich lächelnd mit einer kurzen Handbewegung den Mund schließen zu wollen schien. Als jedoch Paul aus angeborenem Zartgefühl den noch verschlossenen Briefumschlag, ohne den Inhalt ein zusehen, in seine Brusttasche stecken wollte, sagte Herr Fried land mit einem schlauen Zucken um die Mundwinkel: „Nun, sehen Sie ungenirl nach, was darin ist." Sichtlich schien er sich an dem freudigen Erstaunen des Be schenkten zu weiden, als dieser nach einander drei Fünfhundert markscheine aus dem Couvert entfaltet. Dem ob der reichen Gabe beschämt und gerührt Aufstehenden wehrte er jedoch er neut, wenn auch freundlich ab: „Lassen Sie es gut sein, lieber Paul, und bezeugen Sie mir Ihren Dank dadurch, daß Sie meine Nichte recht glücklich machen! Jetzt ist es aber auch Zeit, daß Sie sich zu Ihrem Be suche rüsten; empfehlen Sie mich, bitte, Ihrer Frau Mutter und Ihren sonstigen Angehörigen, und suchen Sie dann etwas recht Hübsches für Gisela aus, die im Uebrigen nichts von unserem kleinen Geheimniß zu erfahren braucht, jedenfalls vor erst noch nichts! Auf die Dauer sollen jedoch Eheleute keine Geheimnisse vor einander haben!" Als Steinbergk die Treppenstufen zum oberen Stockwerke hinaufstieg, that er es mit beschwingter Sohle. So leicht war ihm schon seit Monaten nicht gewesen, als jetzt in dem Bewußt sein, mit einem Schlage der lästigen Verpflichtungen gegen seine Gläubiger ledig werden und auch Mutter und Schwestern manche Erleichterung gewähren zu können. Welche Macht be saß doch daS Geld! Und wenn er sich dachte, daß er jetzt mit dem Besitze Gisela'S in dieser Beziehung ein- für allemal und für alle Zukunft geborgen sein würde, dann nahm er stch im Herzen vor, der Trägerin all' diese- Gutes — soweit e» in seinen Kräften stand — durch treueste Hingabe und Zärtlichkeit für diese nicht hoch genug anzuschlagende Gabe zu danken. Nie sollte sie empfinden, daß in erster Linie die äußeren Verhältnisse ausschlaggebend für ihn gewesen! Noch erfüllt von diesen Gedanken, die im Fluge, wahrend der kurien Minuten, die zwischen dem Wiedersehen mit seiner Braut lagen, sein Gehirn durchkreuzt hatten, begrüßte er Gisela mit so strahlender aufrichtig gemeinter Zärtlichkeit, die von ihr in derselben Weise erwiderte wurde, daß auch für den arg wöhnischsten Beobachter dirsrr Scene kein leisester Zweifel, daß or«L.) Sri.» 25 3450 3525 14500 BezugS-PreiS At der Hauptexpeditioa oder den k» Stadt bezirk und den Vorortes errichtet«» Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich 4.50, bet zweimaliger täglicher Zustellsag ins Haus ^tl 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland s. Oesterreich: vterteljährl. ^l 5. Man aboantrt ferner mit entsprechendem Postausschlag bet des Postanstalten in der Schweiz, Italien, Belgien, Holland, Luxem burg, Dänemark, Schweden und Norwegen, Rußland, den Donaustaate«, der Europäische» Türkei, Egypten. Für alle übrigen Staate» ist der Bezug nur unter Kreuzband durch di« Expedition diese- Blatte» möglich. Die Morgen-Au-gabe erscheint um '/.7 Abh dt« Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Ugr, Ne-action un- LrpMion: Jopanni-gaffe 8. Filialen: Alfred Lahn vorm. O. Klemm'- Gorkis». Nnwersttätrstraße S (Paulinum), Louis Lösch«, Aatharinenste. ich pari, und Ktwigsplatz Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile SS Reklamen unter dem Redacttonsstrich (-gespalten) 75 H, vor den Faniiliennach- richten (S gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ztsfernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme Lä H (excl. Porto). Ertra. Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-AuSgab«, ohne Postbesörderung SO.—, mit Postbesörderung 70.—»
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