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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.08.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-08-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190108254
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19010825
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19010825
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-08
- Tag1901-08-25
- Monat1901-08
- Jahr1901
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.08.1901
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Anzeigen-Preis kie 6gespaltene Petitzeile L5 Reclamen unter dem Redactionsstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach- richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechens höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Au-gabe, ohne Postbeförderung SO.—, mit Postbrsördernug 70.^ Aunahmeschluß für Anzeigen: Abend-Au-gabe: vormittag- 10 Uhr. Morgen-Au-gabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet- an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von L. Polz in Leipzig. Sonntag den 25. August 1901. S5. Jahrgang. Aus der Woche. Der Zär wird, wenn er zu längerem Aufenthalt nach Frankreich geht, einen Augenblick beim deutschen Kaiser vor sprechen. Da» genügt und noch weniger würde am Ende auch genügen. Sehr zu bedauern aber ist r», daß man seiner Zeit in Deutschland diese Kaiserzusammenkunft officiö» auf ein« Weise aagekündigt hat, die förmlich zwang, dem Ereigniß eine Bedeutung beizuiegrn, die ihr, wie sich nun deutlich herausstellt, nicht ,»kommt. Ein Kölner Blatt zieht ein« Parallele zwischen dem offensichtlichen Unter schiede bei dem Entstehen der Entschließung zu den beiden Besuchen, dem Programm für den Aufenthalt in beiden Ländern und der Ankündigung, resp. in dem einen Falle Nichtankündigung der beiden Programme. Wir folgen diesem Beispiel« nicht; wir haben bewiesen, daß wir die Bedeutung de» flüchtigen Zarenbesuches in Deutschland nicht unter schätzen, aber wir verschließen auch die Augen nicht und finden e» weder klug noch würdig, wenn ein großer Theil der heimischen Presse sich mit dem Beweise abquält, daß die zwei Landungen, die der Zar beabsichtigt, politisch einen recht verschiedenen Charakter von einander haben werden. Die Einen glauben den Werth des Besuche- in Frankreich herabdrücken zu sollen, indem sie versichern, der Selbst beherrscheraller Reußen komme lediglich deshalb nach Dünkirchen und Compiöane, um dem radikalen, mit einem Socialdemokraten gezierten Ministerium Waldeck-Rousseau einen Gefallen zu erweisen and drn diese Regierung anfeindenden Nationalisten einen Tort anzutbun. Andere finden gar, durch den langen, reich mit Veranstaltungen nicht unpolitischen Sinne- aus gestatteten Aufenthalt dcS Zaren in Frankreich werde dar- getban, daß die Erhaltung eines guten Einvernehmens zwischen Frankreich und Rußland dringender einer Demon stration von Seiten des Kaisers Nicolaus bedürfe, als die Conservirung der deutsch-russischen Intimität u. s. w. In Wirklichkeit zeigen dir Umstände, die das Verweilen in Frankreich begleiten werden, mindestens eine weitere Be festigung de- Zweibunve» an, während bei dem Zusammen treffen mit dem deutschen Kaiser gegenüber in Betracht kommt, daß der Zar auch in diesem Jahre wieder langerz Zeit auf deutschem Boden verleb«» will und ein abermalige« Nicktaufsuchrn deS deutschen RcichsoberbaupteS schon beinahe auffällig wäre. ES ist merkwürdig, daß viele deutsche Blätter gerade da- nicht zu bemerken scheinen, wa« am deutlichsten hervortritt und für uns das Interessanteste ist: die unver änderte Gluth deö französisch«» Nevanchegesühls. Die An kündigung de» Zarenbesuch» bat die Asche, die sich mehr durch deutsches als durch französisches Bemühen angesammelk, weggeblasen und das Feuer lodert empor: Revanche und Elsaß-Lothringen! Wenn schon ein halbdiplomatisches Blatt, Wir der „TempS, schreibt, da» „große Ereigniß" sei be deutungsvoll für die Gegenwart und „noch bedeutsamer für die Zukunft", dann kann man sich vorstellen, wie e- in den französischen Gcmüthern nnSsieht. Di« Beschickung der Pariser Weltausstellung, unzählige andere Aufmerksamkeiten, daS Fraternisiren in China und die algerischen Waldersee- Reden haben im Grunde nicht» geändert. DaS Gumbinner Problem ist in den Augen der Welt auch nach dem zweiten UrtheilSspruche rin solche« geblieben. Die Lösung, die rin angebliches Geständniß eine« Berliner Schutzmanns versprach, wird es nicht finden. Der Alb bleibt auf der Brust der Nation liegen. An anderer Stelle geben wir Hinweise de« Vertbcidiger's des Verurtheilten wieder, die das Peinliche de« Eindrucks dieser Strafverfolgung nur noch verstärken können. Wie hohl, unwabrbast und verfahren die extreme Agitation gegen den Zolltarif ist, bat die verflossene Woche besonders deutlich gezeigt. Sie brachte drc« „Fragen* in den Vorder grund: Obstruktion, Auslösung de- Reichstag«, Kündigung oder Nichikündigung der erstehenden Handelsverträge Eine Collection von Unsinn. An die Obstruction möge» manche LinkSradical« denken, aber sie wird nicht aufleben können, denn der Reichstag wird bei der Berathung der Handelsverträge beschluß fähig sein, und zwar auch ohne daß der von drn „Ham burger Nachrichten" gemachte Vorschlag, aus Commission«- berathung zu verzichten, auf Verwirklichung rechnen darf. Damit entfällt auch die Frage einer Aenderung der Geschäfts »rdnung de« Reich-tagS, mit deren Aufwerfung Rechts radikale sich ergötzt haben. Wa« die Auflösung des Reichstag» angebt, so ist sie, von einer einzigen Stimme im positiven Lager abgesehen, erst von dem Augen blick an angeregt und gefordert worden, al« die Freihändler «egen der Nikbtäußerunz diese« Begehren« nach Neuwahlen, al- dem radikalsten und nach demokratischer Auffassung untrüglichen Mittel, die Feindseligkeit deS deutschen Volke» gegen Zollerböbungen zu erweisen, dermaßen verhöhnt Worden waren, daß die Rücksicht auf die gutgläubigen An bänger sie zwang, mit dem Verlangen stellenweise herauSzn- rücken. Sie konnte» e» thun, weil der Reichstag eine Mehrheit für maßvolle Zollerhöhung ausweist, also mit der Regierung im Einvernehmen ist, diese also an seine Auflösung nicht denkt. Der Ruf nach Neuwahlen ist Humbug. Und Humbug ist e« «uch zur Zeit uud wird e« hoffentlich bi« zuletzt bleiben, weuu mau e» al» möglich, sa al» wahrscheinlich hinstellt, der Kaiser werde die bestehenden Handelsverträge überhaupt »icht kündigen. Neue, geänderte Handelsverträge — nicht «ine „Abschrift" der bestehenden, sagte Graf Posadowskh im Reichstage —, in«besoudere aber eine Aenve- rung der laadwirthschaftlichen Zollsätze find feierlich versprochen worden, vom Reichskanzler, von einzel- staatlichen Minister», von Allem, wa« die Autorität ver- fafsimg«mäßtz vertritt. Ti» Nichtriabaltru de« gegebenen Worte« würde di« Staatstrrue großer und mächtiger VoNSkrrise auf da» Empfindlichste und vielleicht unhaltbar beschädigen. Niemand wird «» den Freihändlern verargen, Weun sie di« Nichtküudignva der Verträge wünschen, aber nur riu Mephisto könnte dem Kaiser zu dieser Unterlassung ratben. Deutscher standwirtbsckwftlrath und Buud der Landwirtbe bekriegen einander. Da ersterer hinter den Zollansprüchen de« letzterea »rückbliibt, so kann mau es erleben, daß d«r Saidwtrthschastsrattz, d,« »berste geordnete Vertretung de« deutschen Ackerbaugewerbes, die noch dazu exorbitante Forderung gestellt hat, zu den „Feinden der Landwirthschast" geworfen wird. E« entspräche die« völlig der Praxis des Bunde« und ist für diesen eigentlich eine „moralische Roth- Wendigkeit", wenn er die bisher von ihm auSgegangenen Aecktungen wegen LandwirtbscbaftSfeindschaft noch ernst ge nommen wissen will. Hoffentlich bekommen wir da« schöne Bild zu sehen al« Pendant zu der Brodwucher- feindschaft der Nürnberger Freisinnigen, die dieser Feindschaft den denkbar schärfsten Ausdruck gegeben haben. Die Nürnberger Stadtverwaltung ist stocksreisinnig, exclusiv freisinnig, die Nürnberger Freisinnigen sind es gewesen, die kürzlich gegen den Handelsvertragsverein den Vorwurf er hoben, er bekämpfe nicht wirksam genug die Zollerhöhung auf Brodfrncht, der Nürnberger Stadtmagistrat selbst hat die „Brodvcrlheuerung" verworfen — und dieser selbige Stadt magistrat und jene selbigen Freisinnigen erheben von allen Städten Deutschlands den böchsten Brodzoll mittel« eine« enormen Mehlausschlags! Wenn das nicht Ehrlichkeit ist, dann ist Jago im „Othello" ein Schuft. Der Rücktritt de« Fürsten zu Wied vom Präsidium de« Deutschen Flotlenverein s bat die Aufmerksamkeit wieder auf diesen Verein gelenkt. Welcher Anlaß den Ent schluß des Fürsten herbeigeführt haben mag, soll hier nicht weiter untersucht werden. DaS Wichtigere ist die Frage, ob solche Specialorganisationen, wie der Flottenverein e« ist, überhaupt auf die Dauer zu halten sind, und sehr viel wahrscheinlicher als die anderen für den Rücktritt deS Fürsten angegebenen Gründe, unter denen angeblicher Ver druß über einen Geldverlust dieser vornehmen Persönlichkeit gegenüber ohne Weitere« al« Abgeschmacktheit bezeichnet werden darf, ist da« Auftauchen von Zweifeln, ob die Gründung deS Flottenvereins einen gesunden Gedanken verwirklicht und ob der Verein rin DascinSrecht be sitzt. Wir unsererseits verneinen diese Frage nach den ge machten Erfahrungen ohne Bedenken. Wir zollen den An strengungen und Opfern, die für den Verein und seinen Zweck gebracht worden sind, Achtung und Dank, aber was der Floltenverein gethan, batte er im deutschen Interesse und damit auch im bleibenden Interesse der Flotte besser den politischen Parttien überlassen. Er bat den nationalen Parteien ein gut Stück nationaler Arbeit weggenommen, die, wenn ron jenen Parteien besorgt, die Reichspolitik dauernd gekräftigt hatte. Die Parteien — Herr v. Miquel bat sich mit der gegentbeiligen Ansicht geirrt — bleiben. Wenn man ihnen eine Wirksamkeit wie die des Flottenvereins überläßt, so bat man „für ein ander Mal" und für jede vielleicht plötzlich auftauchende nationale Ausgabe ein ringearbei- teteS Instrument bei der Hand, während der Flottenverein im besten Falle nur wieder zu einer Flottenagitation, aber zu nichts Anderem zu gebrauchen wäre. E« war böcklich zu verwundern, daß ein so ultramontanes Blatt wie die „Köln. Volksztg." gegen die in Elsaß- Lothringen betriebene kleritaleHetzr.bie zugleich einedeutsch- feindliche ist,Worte gefunden bat, obwohl ein Prälat als einer der Zielpunkte ter klerikal-französischen Pfeilickiiffe bezeichnet wurde, denn Piälat Zorn v. Bulach ist im Cenlrnm nicht persona grata. Indcß ist die Erklärung gegeben. Nickt Angriffe auf einen Prälaten, sondern auf den Papst haben dem Kölner Blatte die Zunge gelöst. Der von dem klerikalen ReichS- tagSabgeordneten Hauß geleitete „Volksbote" hat sich da« höchste in der Kirche inS Auge zu fassende Ziel für seine Angriffe ausgesucht. Er redete von dem „alten, sehr schwäch lichen, concessionslustigen Papst". DaS durste nicht ruhig hingenommen werden. Oer Krieg in Südafrika. Kitchcner'S Verwundung. ? Brüssel, 23. August. Ein der TranSvaal-Gesandtschaft von sehr glaubwürdiger Seite auS P-etoria zugegangener Brief, welcher Ende Mai geschrieben wurde, erklärt in be- stimmtester Form, daß Kitchener einige Wochen vor Abgang jene« Berichtes eine nicht und ed en kl ich e Ve rw u n l> u n g erlitten bade, die man unter allen Umständen zu verheimlichen suche. Man vermuthe jedoch allgemein, daß eS sich um eine innere Verletzung bandele, deren Heilung sehr lange Zeit in Anspruch nehmen würde. Die« sei der Grund, warum Kitchener uur noch bei den allerdringenrsten Fällen da« Hau« verlasse, zu Pferde steige er überhaupt nicht mehr. Deutsches Reich. -7- Berlin, 24. August. (Ultramontane Herz lichkeit.) Die Katholiken deS Mansfelder Landes haben jüngst in Sangerhausen einen Katholikentag abgehalten. Ueber die äußeren Umstände, unter denen diese Tagung Nattfand, wird in einem CentrumSorgane wörtlich das Nachstehende be richtet: „Wer beim Betreten der Stadt und Durchwandern der Hauptstraßen von den zahlreichen über die Wege gespannten Guirlanden und von den stattlichen Triumphbögen die herzlichen Willkommengrüße las, dem mußte es klar werden, daß hier rin freundliches, ja herzliches Berhältniß unter den Confessionen herrscht. Wie sollten sich sonst 800 arme Katholiken so mit ihrer Freudenstimmung bemerklich machen können, unter 12 000 Andersgläubigen?" — In der That, es ist durchaus einleuchtend, daß jene 800 Katholiken sich nicht so bemerklich machen können, daß dazu vielmehr ein „herz liches Derhäktniß" unter den Confessionen erforderlich war, ein Berhältniß, daS den Protestanten ein« derartige Begrüßung der auswärtigen Katholikeiz erlaubt und erwünscht erscheinen ließ. Unter solchen Umständen ist eS gewiß nicht unbillig, wenn man von dem Festredner de« Sangerhausener Katholikentage» an nimmt, er habe Alles vermieden, waS zur Trübung jene» „herz lichen Verhältnisse«" beitragen konnte. Wer so denkt, hat die Rechnung ohne den Reichstagsabgeordneten Vr. Bachem ge macht. Herr vr. Bachem kam in seiner Festrede auf die katho lische Wissenschaft zu sprechen, die er der übrigen Wissenschaft wie folgt geaenü verstellte: „Unsere katholische Wissenschaft hat genau dieselbe Berechtigung, wi« di« Wtssrnschast der Gegner, die ebenso wenig wie dir unsrige voraussetzungslos ist; denn sie basirt auf der liberalen, der atheistischen Welt anschauung". — Abgesehen davon, daß eine solche ein- schränkungslose Behauptung thatsächlich falsch ist, sollte Herr vr. Bachem von der Berathung des Zedlitz'schen Volksschul- gesetzes her wissen, welchen Unwillen Behauptungen von der Art der obigen auf protestantischer Seite Hervorrufen. Von der gleichen Verdächtigungen mußte sich daher vr. Bachem vor Allem in einer Stadt hüten, in welcher der Augenschein selbst nach kleri kalem Zeugniß lehrte, daß das Berhältniß zwischen beiden Con fessionen „herzlich" war. Verhielt sich vr. Bachem anders, so zeigtesichwiedereinmal.vonwelcherSeitedie Storung des konfessionellen Friedens aus- geht. * AuS Berlin wird der hochofficiösen „Südd. ReichS- Corresp." unter der Marke „Die „Ungewißheit" der zollpolitischen Lage" geschrieben. „Mehrfach wird von einer Meldung der Prager „Bohemia" Notiz genommen, wonach die Einzelheiten deS neuen deutschen Zolltarifs vor seiner Veröffentlichung der öfter- reichiscken und russischen Regierung zur Kenntniß gebracht sein sollen. Das ist eine blanke Erfindung. Der Zolltarifentwurf war vor der mit dem Einverständniß aller Bundesregierungen erfolgten Veröffentlichung weder als Ganzes, noch in Einzelheiten einer fremden Mackt amtlich oder auch nur vertraulich bekannt gegeben worden, und nicht bloS der Inhalt, sondern selbst die Thatsache der Veröffentlichung kam, wie noch in frischer Erin- nerung ist, allen ausländischen Negierungen überraschend. Wenn auch ein Tarif zur Regelung unserer künftigen Handelsbeziehungen sich naturgemäß nicht ohne Berück sichtigung der bisher zwischen dem Reich und anderen Ländern geltenden Austauschverhältnisse bearbeiten läßt, so bleibt doch die verfassungsmäßige Fertigstellung deS Entwurfs durch daS Zusammenwirken unserer gesetzgebenden Faktoren eine innere deutsche Angelegenheit, die ihren in den Grundeinricktungen de« Reiches vorgezeichneten Weg zu macken hat, mag auck hier und da im Inland« oder im Auslande über die Länge pder die Umständ- lickkeit diese« Wege« eine Stimme der Ungeduld laut werden. Erklärungen, die in einem oder dem anderen Sinne für die gesetzgeberische Arbeit präjudicirend wirken sollen, wird man nicht erwarten können. Darum ist indeß daS Schlagwort von der „Ungewißheit" der Lage doch nicht ohne Weiteres als berechtigt anzuerkennen. Ein Blick in die Presse lehrt, daß allerdings von den extremen Richtungen verickiedener Farbe auf zollpolitischem Ge biet sich keine ihrer Sache sicher fühlt. Die Vertreter einer praktisch gangbaren Politik werden daraus aber nicht gerade ein ungünstiges Vorzeichen für die so dringend erwünschte Ausgleichung der wirlhschaftlichen Gegensätze und die Stärkung unserer zollpolitischen Stellung gegenüber dem Auslande entnehmen." (Unser gestriges Dementi bezüglich der Mittheilunz von Einzelheiten des Zvlltarifs an ausländische Regierungen wird also durchaus bestätigt. D. Red.) * Berlin, 24. August. Die Erörterungenüberden Gumbinner Mordproceß werden noch lange nicht zum Abschluß kommen. Viel besprochen wird besonder» die Möglich keit, daß die Zeugen sich unwillkürlich durch die Autorität der militärischen Vorgesetzten mehr oder weniger beeinflußt gefühlt hätten. Da nach dieser Richtung der Vertheidiger Rechtsanwalt Burchard in der öffentlichen Sitzung weitere Ausführungen gemacht hat, die in den Berichten der Presse nicht oder unge nügend veröffentlicht wurden, so theilen wir nach jetzigen Angaben der „Voss. Ztg." Folgendes mit. Der Vertheidiger sagt«: „Die Aufforderung des Regiments-Commandeurs und deS Oberleutnants v. Hofmann an die Soldaten der vierten Schwa dron, eS sei ihre Pflicht, ihr Möglichstes zu thun, um den Mörder zu ermitteln, war zwar gut gemeint und sachgemäß, ober ich fürchte, sie ist von den Soldaten zum Theil falsch verstanden, zum Mindesten falsch bethätigt 'worden, indem sie nun alle Vor gänge, die sie sich in das Gedächtniß zurückrufen mußten, vom Standpunkte der Schuld der augenblicklich Angeschuldigten beur- theilten und Wiedergaben. Und wie ging es Denjenigen, die that sächlich etwas zu Gunsten der Angeschuldigten aussagten? Im Vorverfahren wurden Sergeant Hickel und Unterofficier Dom nit „informatorisch", das heißt als Zeugen vernommen. Domnik konnte damals noch gar nicht wissen, daß Hickel als Beschuldigter in Betracht kam, und als er eine Aussage macht, die Hickel ent lastet, wirb er ohne Weiteres wegen Begünstigung angeklagt, mit hin in eine Position gedrängt, in der man ihm nicht» glaubt und als Zeuge kaltgestellt. Der Sergeant Schneider, der mit Sko- peck ein reines Privatgespräch hatte, und durch dessen Bekundung da» Kriegsgericht erster Instanz von der Unglaubwürdigkeit Skopeck'» überzeugte, hat einen „förmlichen Verweis wegen unbe fugter Einmischung in den Gang der Untersuchung" von seinem Regiment erhalten, und Gendarm Melzer, der ebenfalls ein Privatgespräch mit Skopeck bekundet, ist vom Dragoner-Regi ment v. Wedel! der Gendarmerie-Brigade denuncirt worden. Mußte unter diesen Verhältnissen nicht jeder Soldat geradezu Angst haben, etwas zu Gunsten der Angeklagten auszusagen, oder zum Mindesten befangen sein, und mußten nicht Diejenigen, welche recht viel Belastungsmaterial beibrachten, der Ansicht sein, sich dadurch da» Wohlgefallen ihrer Vorgesetzten zu erwerben!" An einer anderen Stelle führt der Vertheidiger aus: „Die Ansicht der Untersuchungs-Behörde hat geschwankt; zunächst war Skopeck durch die Aussagen von Bogeslawski, Zimmermann und Knippe! schwer belastet; waren ihre Aussagen richtig, so müßte Skopeck entweder der Thäter, oder wenigsten» Mitwisser de» Verbrechen» sein, und diese Leut« blieben ganz fest bei ihren Autsagen, trotzdem sie wiederholt von dem untersuchungführenven KriegSgerichtsrath vernommen und mit Skopeck confrontirt wurden. Da erschien Criminalcommissar v. Bäck mann auf der Bildfläche; er hatte die Auffassung, baß Skopeck nicht schuldig sei, wie er selbst bekundet, und verhandelte mit diesen Zeugen; da zeigte sich, daß sie plötzlich umfielen und schließlich „die Möglichkeit eine» JrrthumS" zugaben: wenn aber v. Bäckmann den Unterofficier Domnik bei seiner Unterredung mit ihm direct al» „Oelgöhen" anredete, wie kann nicht erst sein Verhalten auf die gemeinen Soldaten, ohne daß «r e» wollte, ringewirkt haben? Der unter suchungführende Richter muß sich zu seinem Amte durch Examina legitimirt haben; er darf nur in Gegenwart eines Protokoll führers verhandeln, und muß alle Aussagen sofort zu Protokoll nehmen; der Criminalcommissar, dessen Vergangenheit mir hier vollständig unbekannt ist, verhandelt Tage und Wochen lang mit den Zeugen ganz allein, macht sich keine oder nur höchst ungenaue und uncontrolirbare Notizen, und bekundet dann das, was di einzelnen Zeugen gesagt haben, mit einer Sicherheit, die ihren Eindruck nicht verfehlt." * Berlin, 24. August. (Das preußische Für- sorgegesetz in Theorie und Praxis.) Die „Köln. Ztg." schreibt: Viel gesungen wird in den letzten Monaten das Lob vom Fürsorgegesetz, und mit Recht, denn in der Theorie bedeutet es zweifellos einen großen socialen Fortschritt. In der Praxis aber werden noch viele unvorhergesehene Mißstände zu beseitigen, und abzuschleifen sein. Nachdem daS Gesetz, mit dem man den richtigen Weg zur Besserung der erschreckenden Crimi- nalität der Jugend gefunden zu haben glaubt, in Kraft getreten ist, arbeiten die betheiligten Behörden im Wetteifer, und die Zahl der Anträge auf „Unterbringung zur Fürsorgeerziehung" nimmt beängstigende Maße an. Allein der Polizeipräsident von Berlin hat in zwei Monaten 138 solcher Anträge gestellt und die com- munalen Verwaltungen leisten in dieser Beziehung das Aeußerste. Wohin kommen nun aber diese „Untergebrachten"? Das Gesetz antwortet mit dürren Worten: „Die Provinzialverbände . . . sind verpflichtet, die Unterbringung in einer den Vorschriften dieses Gesetzes entsprechenden Weise zu bewirken". Es ist nun bekannt, daß die verpflichteten Verbände so gut wie gar keine Zeit hatten, für A n st a l t e n zu sorgen. Daß die vorhandenen nach Art und Aufnahmefähigkeit den plötzlich in so riesigem Maße ent standenen Ansprüchen nicht genügen können, liegt am Tage, und es wird noch lange dauern, bis die erforderlichen Anstalten in auch nur annähernd ausreichender Anzahl vorhanden sind. Das Er- gebniß ist einfach: der Communalverband sucht Zuflucht bei den kirchlichen Anstalten . Er ist in einer Zwangslage, er muß, denn das Vormundschaftsgericht hat die Unterbringung „ange ordnet", das Kind soll aus seiner Umgebung heraus, und zwar unverzüglich. Ist „Gefahr im Verzüge", so wird „vorläufige" Unterbringung angeordnet Das heißt: die Polizei hat sich sofort deS Kinde» zu versichern und seine „Unterbringung" zu bewirken. Wohin? Nun beginnen die Verhandlungen. Im Gefängniß, wenn auch in eigener Zelle, kann das Kind nicht länger als eine Nacht, höchstens zwei Nächte gehalten werden. Es wird hin und her telegraphirt und mehr oder weniger energisch gehaltene Ablehnungen der verschiedenen „Oberin nen" und „Schwester-Vorsteherinnen" muß die Be hörde einstecken. Endlich findet sich eine Anstalt. Nun heißt es, das Pflegegeld ausbringen. Die Sätze sind seit Inkraft treten des Gesetzes nicht selten um das Doppelte ge stiegen ; neulich ist sogar ein „ E i n t r i t t s g el d " von 30 verlangt worden Weiter kommt erschwerend der an sich ja durchaus verständliche Umstand in Betracht, daß jede Anstalt sich allmählich eine besondere Classe Minderjähriger zur Specialität wählt, ein Vorgang, der nur langsam der draußen stehenden Behörde klar wird und viel Schreibwerk ver ursacht. So sieht die Ausführung dieses „socialen" Gesetzes kn der Praxi» aus. Man scheint in Berlin die schweren Mißstände richtig zu würdigen, wenigstens mahnt ein Artikel im Preußi schen Verwaltunasblatt vom 3 d. Mts. zur Ruhe bei der Antrag stellung und weist auf die sog. „freie LiebeSthatkg- keit", auf eine größere Betheiligung der Ortsarmenverbändc u. dergl. hin. — Die Sache hat aber noch eine Seite, der man vielleicht etwas zu wenig Beachtung schenkt. Seit der Staat erkannt hat, daß die Jugenderziehung seine Aufgabe sei, ist ein neues Kampfgebiet mit der römisch-katholischen Kirche eröffnet worden, denn diese nimmt die Erziehung mit gleicher Energie für sich in Anspruch. Der „Kampf um die Schule" kann nie aushören, so lange beide einander gegenüber stehen. Man war bisher gewohnt, Klagen darüber zu HSren, daß die kaiholisch-n Geistlichen nicht genug zu den Schulaufsichts stellen herangezogen würden, man beklagte sich also über eine an geblich ungerechtfertigte Anipruchsverweigerung des Staates. Das hat sich jetzt in etwas geändert. Durch die Lage der Dinge ist der Staat so weit gekommen, nicht nur der Kirche Gelegenheit zu geben, ihre Macht zu erweitern, vielmehr zwingt der Staat seine Unterthemen in kirchliche Anstalten hinein, er muß jetzt bei diesen Anstalten bitten, wo er früher verweigerte oder doch forderte. Der Staat ist somit durch die Verhältnisse gezwungen, seinem jahrzehntelang nachhaltig vertretenen Grund- say entgegenzuarbeiten. Die kirchlichen Anstalten sind jetzt die Gewährenden. Die Folgen dieses Zustandes auf den allerver schiedensten Gebieten kann man sich leicht ausmalen. Die Einen werden sie freudig begrüßen, die Andern aber werden in ihnen ein Uebel sehen, das sie vielleicht größer anschlagen, als den Nutzen des neuen Gesetzes. So wenigstens liegen die Verhältnisse zur Zeit in den Rheinlanden. (-) Berlin, 24. August. (Telegramm.) Wie die „Nordd. Allgem. Ztg." gegenüber anderweitigen Blatter meldungen hört, wird der Reichskanzler Graf v. Bülow der Begegnung de« Kaiser« mit dem Aaren beiwohnen, was nach den dem Blatte zugehenden Nachrichten den Wünschen auch de« Kaiser« von Rußland entspricht. T Verlin, 24. August. (Telegramm.) AuS Genua, 24. August wird gemeldet: Der Dampfer „Badern" ist mit dem Prinzen Tfchun an Bord hier eingetroffen. Der Prinz reist morgen mit Sonderzug nach Berlin weiter. 8. Berlin, 24. August. (Privattelegramm.) Zu der Meldung der „Ostdeutsch. VolkSztg.", der zum Tode verur- tbeilte Marten resp. sein Vertheidiger, wolle sein Revisi-nS- gesuch auf 8 68 der Militkirstrafproceßordnung stützen, da ein militärisches Mitglied de« OberkriegSgerickt« nicht ordnungsmäßig (vor Beginn de« Geschäftsjahre«) dazu ernannt sei, bemerkt die „Boss. Ztg.": „Die Bestätigung dieser Meldung wird abzuwarten sein. Träfe sie zu, so wäre die Aufhebunq de« Urtbeil« noth- wendig. Denn tz 68 bestimmt allerdings, daß die zur Bildung de« OberkriegSgerickt« erforderlichen Officierr „all jährlich vor dem Beginn de« Geschäftsjahre« für die Dauer desselben al« ständige Richter bestellt", auch für di« gleiche Dauer ständige Stellvertreter bezeichnet werden müssen, und 8 400 sag», ein Urtheil sei stet» al« auf einer Verletzung de« Gesetze« beruhend anzuseben, wenn da« rrkeunrudr Gericht nickt vorschriftsmäßig besetzt war."
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