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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.08.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-08-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010828021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901082802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901082802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-08
- Tag1901-08-28
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Anzeige«.Preis die 6 gespaltene Petitzeile L5 H. Necla men outer dem RedactionSstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach» richte« (»gespalten) SO L,. Tabellarischer und Ztffernsatz entspreche»» höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offrrteaannahmr LS H (exrl. Porto). Ertra-Beilagen (gefalzt), »«r mit der Morgeu-Ausaabe, ohne Postbesörderung VO—, m»t Postbesörderuug 7O.—> Inoahmeschluß für Anzeigen: Abeud-Lu»gab«: voruckttag» 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestelle» je ein« halb« Stund« früher. Anzeige» find stet» a» die Expedition zu richte». Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» elbend» 7 Uhr. Druck »ud Brrlag vo» E. Polz t» Leipzig 438. Mittwoch den 28. August 1901. 95. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Man schreibt uns auö London unter dem 27. August: „Nach den letzten Berichten vom Kriegsschauplätze scheint wieder einmal eine gange Serie von größeren und kleineren Schlappen für die Engländer einzusetzen, und dies ist denn auch, wie gewöhnlich, die beste Antwort der Boeren auf die gekünstelten und gedrechselten Proklamationen des Generals Lord Kitchener. Aus der letzten amtlichen Verlust liste sind wieder verschiedene Gefechte ersichtlich geworden, in welchen die Engländer zum Theil recht empfindliche Verluste an Tobten, Verwundeten und Gefangenen erlitten haben, und ver schiedene Eisenbahntransporte und andere Convois sind in den letzten acht Lagen im Transvaal, im Freistaat und in der Cap- coloni« den Boeren in die Hände gefallen und haben denselben wieder hochwillkommene Beute an Kriegsmaterial jeder Art ge- liefert. Nach der letzten officiellen Ucbersicht des Kriegsministers über die bisherigen englischen Totalverluste beliefen sich die letzteren angeblich im Ganzen auf 71383; in Wirklich keit stellt sich jedoch die.Gesammtzahl der dem südafrikanischen Kriege zum Opfer gefallenen Menschen, d. h. an Tobten, Ver wundeten und Gefangenen, auf englischer Seite viel höher, denn nach einer verbürgten Statistik befinden sich augenblicklich in den Hospitälern auf dem Kriegsschauplätze nicht weniger als ra. 13 500 Mann, die verwundet oder krank sind und in der obengenannten Summirung des KrtegSamteS nicht enthalten find. Außerdem werden pMcipicll diejenigen colonialen Sol daten, welche als Halb- oder Ganzinvaliden nach Hause ge gangen sind und deren Anzahl sich auf etwa 2500 beläuft, in der amtlichen Statistik nicht aufgeführt, ebensowenig wie die durch den Krieg verursachten Todes älle unter der Civilbevölkerung, welche ebenfalls eine stattliche Ziffer repräsentlrt. Alles in Allem läßt sich berechnen, daß auf britischer Seite der Boeren- krieg bereits etwa 100 000 Opfer gefordert hat, gewiß eine er schreckende Ziffer, die aber hier in London vom Kriegsamt auf jede denkliche Art und Weise soweit als möglich rcducirt wird. Sehr beträchtliche Verluste erlitt am 20. August das 10. englische Husaren-Regiment, welches in der Nähe von Uniondale auf einer Recoanoscirung begriffen war und dabei mit der gewohnten britischen Sorglosigkeit und Unachtsamkeit sich von einem starken Boerencommando beinahe vollständig umzingeln ließ, so daß der größere Theil der Truppe nur mit knapper Noth der Gefangennahme durch den Feind entging. Die Verluste des Regimentes waren sehr empfindlich, indem 1 Officier, 4 Unterofftciere und 9 Husaren getödtet, 2 Officiere und 17 Mann verwundet und einige 20 Unterofficiere und Mannschaften gefangen genommen wurden, während gleich zeitig eine größere Anzahl von Pferden verloren ging. Schließlich kommt noch über Capstadt die lakonische, bereits mitgetheilte Meldung, daß die Brigade des Generals Elliot, die noch den Meldungen Kitchener's fortgesetzt gute Erfolge auf ihren Operationen im Freistaate angeblich zu ver zeichnen hatte, nördlich von Ladybrand eine sehr unangenehme Schlappe erlitten hat. Wie es scheint, hatte sich der rechte Flügel der getrennt marschirenden Brigade vom Gros voll ständig losgelöst und schwebte in der Luft, als er von einem starken Boerencommando überraschend angegriffen und mit großer Geschicklichkeit gleichzeitig umgangen wurde. In dem sich entwickelnden scharfen Gefechte gelang es dem britischen Kommandeur nicht emmal, Fühlung mit seinem Hauptcorps zu bekommen, bevor er sich überzeugen konnte, daß weiterer Wider stand nutzlos sei. ES erfolgte daher sodann die übliche Capitu- lation der Engländer, welche auch durch die allmählich heran- rückcnde Verstärkung nicht mehr verhindert werden konnte. Die Nachschübe des Generals Elliot wurden dagegen selbst auch von einem so mörderischen Feuer der Boeren begrüßt, daß sie bald zurückweichen mußten, und so gelang es den Boeren schließlich, die Engländer vollständig gegen den Caleponsluß zurück zuwerfen. In diesem für die Boeren so siegreichen Gefechte verloren die Engländer 3 Geschütze, 17 Todte, 42 Verwundete und 5 Officiere und 78 Mann an Gefangenen, während gleich zeitig beträchtliche Munitionsvorröthe und sonstiges Kriegs material den Boeren in die Hände fielen." Tie Antwort -er Boercuführer auf die üitchencr'sche Proklamation Man schreibt uns aus London unter dem 27. August: „Die Führer der tapferen Transvaaler und Freistaatler haben nicht lange mit ihrer Antwort auf die famose Proklamation des Lord Kitchener warten lasten, welche bekanntlich allen Burghers in höheren Commandostellen, die sich bis zum 15. September dieses JahreS nicht übergeben haben sollten, „lebenslängliche Verbannung von Südafrika" androhte. Lord Kitchener selbst telegraphirt, daß er einen langen Brief vom Präsidenten Steijn erhalten hat. in welchem derselbe die Sache der Boeren energisch vertritt und dem englischen Generalissimus die bündige Erklärung übersendet, daß er, Steijn, den Kampf bis aufs Mester fortsehen wird. Christian De Wet hat sich mit einer sehr kurzen schriftlichen Antwort begnügt, die einfach dahin lautet, daß die Boeren weiter fechten werden. Schließlich hat auch der Generalcommandant der Transvaaler, Louis Botha, dem Lord Kitchener ein ebenso höfliches wie ener gisches Erwiderungsschreiben unter Parlamentärflagge zu gehen lasten, worin er mit größter Entschiedenheit gegen den In halt der Kitchener'schen Proklamation protestirt und dem eng lischen General fast mit den gleichen Worten wie Steijn und De Wet die Versicherung giebt, daß dir Boeren bis auf den letzten Mann weiter kämpfen werden. — Andere Antworten hat Kitchener überhaupt gar nicht erwarten können und in Wirklich keit auch gar nicht erwartet, und so bleibt denn nur noch ab zuwarten, wann und wie die „lebenslängliche Verbannung" der trotzigen Boerengenerale wirklich stattfinden wird, nachdem der berühmte 15. September, wie so viele andere von den Eng ländern gestellte Termine, voriibergegangcn ist. Es klingt that- sächlich wie eine knabenhafte Ausrede und Entschuldigung, wenn Kitchener am Schluffe seiner Depesche ganz ernsthaft versichern will, daß „andererseits die freiwilligen Capitulationen auf Seiten der Burghers gerade kürzlich ganz bedeutend zu genommen haben". Dies ist ein kläglicher Trost, zumal er allem Anscheine nach den wirklichen Thatsachcn gar nicht ent spricht." * London, 27. August. Eine Depesche des Generals Kitchener aus Pretoria besagt: Ein Convoi, der sich von Kimberley nach Griquatown begab, wurde am 24. August bei Rooikopje von d«n Boeren angegriffen. Letztere wurden zurückgeschlagen. Die Verluste der Engländer betragen neun Todte, 23 Verwundete. Der Convoi kam später unversehrt an seinem Bestimmungsort an. — 18 Boeren aus Transvaal wurden von Rowlinson östlich von Edinburgh gefangen ge nommen. — Politische Tagesschau. * Leipzig, 28. August. Die auf dem „Katholikentage" in vsnabrück Versammel ten sind im Fordern vom Staat« ebenso stark, wie es die Besucher früherer „Katholikentage" gewesen sind; sie ver langen ohne jede Rücksicht auf die Andersgläubigen Alles, was ihr Herz begehrt. Zn ihren Ansprüchen an die Redner aber sind sie überaus bescheiden, bescheidener als die meiste» Theilnehmer an socialdemokratischen Versamm lungen. So schloß der unvermeidliche Herr DaSbach eine Rede mit den pathetischen Worten, da» Centrum werde für die Arbeiter eintreten oder eS werde nicht mehr existiren. DaS war lediglich eine Umgießung deS wenige Tage zuvor von einem CentrumSblatte in CurS gegebenen Anspruchs, das Centrum werde social sein oder es werde nicht sein. Aber die Höier waren beglückt und jubelten Herrn Dasbach zu. Sie würden jedenfalls ebenso jubeln, wenn einer der anderen in Osnabrück versammelten Chorführer erklärte, taö Cent»um werde handelSvertragssreundlich sein, oder eö werde nicht sein. Und wie beglückte Herr Dasbach seine Hörer, als er ihnen von einer socialdemokratischen Ver dächtigung des CenlrumS, dieses wolle das Wahlrecht ändern, erzählte und zur Kennzeichnung der Leichtfertigkeit dieser Verdächtigung aussührte: „Am Schlüsse des Artikels, wo der Beweis sür diese Behauptung erbracht werb«» soll, heißt es: „Wir haben sür das, waS wir aus- aesprochen haben, natürlich keine positiven Beweise zur Hand". Das ist echt socialdemokra lischt Zuerst die sürchlerlichsien An- Ilagen vnd dann: „Wir Haven keine Beweise, aber e» ist doch wahr"". Wie fühlten sich da die Hörer als bessere Menschen, die nichts behaupten, was sie nicht beweisen können, und wie dankten sie Herrn Dasbach für diese Stärkung ihres Selbst- bewußtscin»! Zur vollsten Höhe aber erhob Herr l)r. Lieber dieses Selbstbewnßtsrin, als er, an DaSbacb's Worte an knüpfend, an- Camberg daS schon mitgetheilte Telegramm nach Osnabrück sendete: „Mir ist von Versuchen einer Verständigung zwischen Eentrums- männern und Regierung über Verschlechterung des Reichstagswahl- rechtS nichts bekannt. Bestanden solche Pläne, dann ist «s lediglich der Wachsamkeit und Entschlossenheit deS Widerstandes der EentrumSmänner zu danken, daß diese Anschläge rechtzeitig bekannt und gründlichst vereitelt worden sind." Nun wußten es die Herren ganz genau, wie himmelhoch das Centrum über der Socialdemvkratic stebt! Es weiß nichts von schwarzen Plänen, hat keine Beweise für ihr Be stehen, aber es bat sie vereitelt! So war es denn auch nur reckt und billig, daß Herr I)r. Lieber bei seinem persönlichen Auftreten stürmisch wir ein Prophet außerhalb seines Vater landes begrüßt wurde. Ebenso hatte man Herrn Dasbach wegen seiner Zubelrufe über die Entlastung deS Fürsten Bismarck aus dem ReichSkanzleramte begrüßt. Warum auch nicht? Zwar hatte eben erst die ultramontane „Köln. Volksztg." darauf bingewiesen, in wie hohem Grave die Entlastung Bismarck s ibre „zwei Seiten" gehabt hat. Zn diesem Hin weise führte das klerikale Blatt auS, drr russische Zarismus sei gegenwärtig auf dem Gipfel seiner Macht. Nie habe seit Napoleon I. ein Monarch ein« solche Stellung im europäischen Areopag eingenommen, wie Nikolaus II. Nicht nur die Franzosen würben um seine Gunst, sondern auch in Deutschland und in England werde sein Wohlwollen als der politisch erstrebenswertbeste Gewinn betrachtet. Der Zar gelte überall als der Herr über Krieg und Frieden; kein Mensch zweifele daran, daß die Franzosen so lange ruhig sein würden, als LS ihm Paste. Diese politische Stellung Rußlands sei keinestvegs die Frucht be deutender Waffeiierfolge. In stiller Friedensarbeit habe sich das Zarenreich seine beherrschende Stellung geschaffen, „und cS ist nicht zu leugnen", schloß die „Köln. VolkSztg." wört lich, „daß dafür besonders die Begründung deS Zwei bundes maßgebend ist, Weicker den Zaren von der Welt manchmal fast als Doppelkaiser Rußlands und Frankreichs er scheinen ließ; in dieser czebietenden Stellung deS Zaren liegt der Angelpunkt der europäischen Lage und daraus folgt, daß man vor Allem die Absichten Rußlands zu erforschen bat, wenn man der Zukunft ein Horoskop stellen will." — Ganz zweifellos batte ein recht namhafter Theil der Osnabrücker Versammelten diese Auslassung der „Köln. Volksztg." gelesen und sich daran erinnert, daß hauptsächlich die Nicht erneuerung deö vom Fürsten Bismarck veranlaßten Neutratitätsvcrtrags zwischen dem deutschen Reiche und Rußland den Zaren veranlaßte, Anschluß an Frankreich zu suchen, und daß mithin die Entlassung des Fürsten ganz wesentlich zu der von der „Köln. Volksztg." beklagten Erhebung des russischen Zarismus auf den Gipfel seiner Macht beizetragen hat. Aber weit davon entfernt, den Znbelrnf des Herrn DaSbach an der Hand der Aus führungen des rheinischen CeiilrumsorganS zu prüfen, jubelte die Versammlung Herrn DaSbach zu, als ob er allein alle politische Weisheit besäße und ebenso unfehlbar, wie der Papst in GlaubcnSsachen, in politischen Fragen zu entscheiden hätte! Und daS erhebt Anspruch darauf, nicht nur als die berufene Vertretung der deutschen Katboliken zu gelten, sondern auch in ihrem Namen Normen dafür aufzustellen, wie das deutsche Reich und die Einzelstaatcn regiert werden müssen! Ueber die Gründe der Unterbrechung der Reise des chinesische» Lühiieprinzen liegen immer Noch keine be glaubigten Meldungen vor, denn was ein Gewährsmann der „Allgem. Schweiz. Ztg." von neuerdings von Berlin aus an den Prinzen gestellten Forderungen melvct, die dieser ohne ausdrückliche Ermächtigung aus Cbitia nickt erfüllen könne, ist in Vieser Form zweifellos unrichtig, da man den Kaiser von China von Berlin aus sicherlich niemals im Unklaren über daS gelassen hat, was man fordert. Hat der Prinz in Folge von Berliner Forderungen seine Reise unterbrochen, so können ihm diese Forderungen nicht neu gewesen sein, sondern ihm uur bewiesen haben, daß man in Berlin nickt daran denkt, etwas von dem fallen zu lassen, was man früher verlangt und was der Kaiser von China versprochen yatte. Hat daS dem Prinzen eine Enttäuschung bereitet und hat dieser nebst seinem kaiserlichen Bruder gehofft, billiger in der deutschen Neich-bauptstadt wcgzukommen, so lehrt cS ein dringlich, Was auf chinesische Versprechungen zu geben ist. Rechtzeitig trifft übrigens eine Warnung des „Ostasiat. Lloyd" vor einer Ueberschätzung der Sühnemission des Prinzen Tschun (oder Ch'un, wie er schreibt) ein. Sie lautet: Zunächst durste sein« große Jugend (Prinz Ch'un ist nicht, wie früher bericht«» wurde, an 30 Jahre alt, sondern kaum20) ihm, dem die Grundlage der nöihigen Vorkenntnisse fehlt, nicht gestatten, die Eindrücke, die in der so fremden Welt auf ihn eindrängen müssen, in ihrer vollen Bedeutung zu ermessen. Vor Allem aber ist cs mehr als zweifelhaft, ob, selbst wenn es ihm dank der Mitarbeit der hervorragenden Männer, die ihm zur Seite gestellt worden sind und denen durchweg der Geist der westlichen Cultnr keine terra iveo^vita mehr ist, ge lingen sollte, Herr jener Eindrücke zu werden und sie so zn meistern, daß er den Schein vom Sein zn trennen vermag, ihm später je die Möglichkeit geboten sein wird, die Erfahrungen, die er macht, nutz bringend im eigenen Land« zu verwerthen. Vor Allem scheint es FenNlstsn» Mi Am Geld. Roman von F. Ilex. Nachdruck verlöten. Sein Erscheinen auf der Schwelle der Klicke schien im rrsitN Moment Vie empörten Wogen etwas zu besänftigen. Kaum hatt« er jedoch in ruhiger, wenn auch bestimmtester Weise erklärt, daß Fräulein Vocking in seinem Auftrage gehandelt, und daß er sich jeden Widerspruch verbitte, als ein lolcher Wortschwall auch gegen ihn, untermischt mit den hämischsten Aeußerungen über seine Stellung im Hause — „in dem nur die gnädige Frau, und er gar nichts zu sagen habe" — losbrach, dajz er suh genöihigt sah, der unverschämten Person auf der Stelle zu kün digen „WaS, den Dienst kündigen? Er? Don „ihm" ließ« sie fick gar nicht» sagen, und jetzt gehe sie zur gnädigen Frau, um sich über diese Behandlung zu beschweren." Da» war e», was Paul bei früheren Differenzen stet» ver» anlaßt hatte, lieber »u schweigen, al» Gisela — noch dazu in ihrem überreizten Zustand« — mit derartigen Vorkommnissen zu behelligen. Wenn er auch drr Wuthenden, di« jetzt der Abwechselung halber in laute», geheulartiges Schluchzen ausbrach, verbor, bi» zu seiner Frau vorzudringen, so tonnte e: doch mchr al» Posten vor der Thür stehen bleiben. Außerdem war der Bursche aus -um Schießen und für Stunden nicht zurück zu erwarten: endlich konnte die Person, durch ihr Geschrei allein, Gis-la » Aufmerk samkeit und sich damit auch deren Gehör erzwingen. Wa» war zu thun? Dem wüthenden Weibe noch dem Dorgefallenen noch gute Wort« zu geben, vertrug sich nicht mit seiner Manneswürde, und dazu war e» auch schon zu spät, denn plötzlich ertönte die 'lrk- trischr Klingel au» Gisela'» Stube, und unmittelbar darauf er schien Hedwig, di« auf diese» Zeichen sofort in» Krankenzimmer geeilt war, wieder, mit dem Auftrage, Frau Gisela wünsch« von dem Herrn selbst zu wissen, wa» der Lärm bedeute. Al» sich Stnnbergk zu Gisela'» Thür wandte, versuchte sich dir Köchin, an ihm vorbei mit in» Zimmer zu drängen. Ein fester Griff nach dem Arm, und drei Schritte taumelte die Freche zurück, die sich dann absichtlich gegen die gegenüber liegende Wand fallen ließ, um dort, wie von schwerer Mißhand lung hrtroffen, heulrnd und wehklagend in dir Knie zu sinken. Paul versuchte Gisela in möglichster Ruhe, wenn auch noch in Zorn und Aufregung bebender Stimme, von dem Vorgefallenen zu unterrichten. Diese aber, von dem noch immer hörbaren Ge tobe der dicht vor der Thür auf dem Boden kauernden Köchin in die äußerste Nervosität versetzt, verlangte die Person selbst zu hören. , Paul war nicht in der Stimmung, sich dem Dienstboten gegenllberzustellen und in ein Kreuzverhör zwingen zu kaffen. Er sagte daher mit möglichster Mäßigung: „Dann wirst Du mir erlaube«. Dich mit der Köchin, der ich übrigen», und zwar „auf sofort", gekündigt habe, allein zu lasten." „Nein, Du bleibst!" . Als Antwort verließ Paul, ohne weitere Erwiderung, ruhigen Sckrittes das Zimmer durch die in den Nebenraum führende Thur, di« er langsam und leise hinter sich in» Schloß gleiten ließ. Al» er gegen Abend noch Beendigung seine» Dienstes, zu dem er mühsam sein« verstörten Gedanken sammeln mußte, nach Hause zurückgekehrt war, fand er da» Aussehen des Hauses unverändert. Au» der Küche, an deren Thür er auf dem Wege nach seiner Stube vorbei mußte, hörte er, wie gewöhnlich, da» Klappern von Tellern und Geschirr und dazu — wohl heute ihm zu Ehten, noch etwas lauter — die falschen Töne der singenden Köchin. Man war also über seinen, in bestimmtester Weil« gegebenen Befehl einfach zur Tagesordnung übergegangen. Diese» Mal aber sollte man sich in ihm und seiner Nachgiebigkeit doch ge täuscht haben. Wenn Gisela'» Nerven heute Mittag da» Toben und jetzt da» laute Singen de» unaevikdeken Wetbe» vertragen konnten, dann mußte sie sich auch start genug fühlen, sich den Wünschen de» schwer beleidigten Gatten zu fügen. In dieser Stimmung nahm er — nachdem er in Gesellschaft von Hedwig, die bleich und gedrückt ihm aegenubergeseffen, in Eile eine Taffe The« getrunken hatte — seinen Frohndiensi im Vorlesen wieder wie gewöhnlich auf. Er war fest entschlossen, wenn Gisela schwieg, die Sach« heute nicht mehr zu berühren; aber morgen am Tage; im Notbfalle mit Hilfe der Polizei, die aufsässige Person au» dem Haus« zu schaffen, mochte dann komme», wa» da wolle. Gisela, di« seinen Gruß kaum erwiderte, hatte auf seine Frage, „ob er mit dem Dorlesen sortsahrru solle", nur ein müde» Kopfnicken. So las er den» und la», ohne zu wissen wa», während ihm die Buchstaben vor den Lugen tanrten. Die Kranke, zu der lein vlick hin und wieder hinüberschweifte, lag da, t» nerdiffrr Hast di« Finger um einander drehend, ohne Aufmerksamkeit für das Gelesene; jedoch, wie es Paul scheinen wollte, ruhelos mit ihren Blicken von ihm zu Hedwig und wieder denselben Weg zurückwandcrnd. Es war zehn Uhr geworden; die Zeit, wo Pauk bas Vorlesen zu beendigen und sich, nachdem er noch das vom Arzte verordnete Schlafmittel für Gisela eigenhändig bereitete, zurückzuziehen pflegte. > Mit einem unhörbvrm Seufzer der Befriedigung, daß der Abend, der wie mit Elektricität geladen zu sein schien, auf so glimpfliche Weise vorübergegangen, hatte Paul das Buch ge schloffen und die Schachtel mit den Pulvern geholt, deren eines — nie mehr! — nach strengster Vorschrift des Arzte» in einem halben Glase schwersten griechischen Weines vor dem Einschlafen gereicht werden sollte. Während er an einem Nebentischchen stand, um den Trank zu mischen, sagte Gisela, halb über die Achsel, in erzwungen gkeichailtigem Tone: „Ich wollt« Dir nur noch sagen, daß Rosa bleibt." Da» hatte Paul erwartet. Trotzvem stieg r» heiß und bitter in ihm aus. Mit einem Schritt nach Gisela'» Lag.'r sagt« «r, sich zu sammennehmend, mit möglichster Gelaffenbeil: .Da» wird nicht geschehen, liebe Gisela; denn nach dem, wa» vorgefalken, ist e» unmöglich, die Person noch länger in unserem Hause zu behalten." „Und wenn Ich e» aber wünsche?" „Das wirft Du nicht, sobald Du mich angehört!" „DaS ist nicht nöthig, denn ich kenne den ganzen Vorgang — die Rosa bkeibi!" „Und jch sage Dir hiermit zum letzten Male, daß die Köchin, und zwar morgen, das Hau» verläßt!" „Du vergißt, daß sie in mrinem Dienste steht. Ich habe sie grmiethet. Tw haft immer etwa» gegen da» Mädchen gehabt, wie gegen Alle», wa» au» unserem Haus« und von meiner Familie kam! Wa» hat sie denn auch Schreckliches gethan? Da» alte, zaddrige, autgekochte Fleisch <u>» dem Weg« geräumt, da» doch Niemand haben wollte!" „Es waren die Reste de» halben Mittagessen»! Vor Allem ihre Impertinenzen!" „Ich hätte nicht geglaubt, daß Deine dochadeligr Erziehung Dir die Durchsicht de» Müllkastens zur Pflicht machte. Im Uebrigen hättest Du doch am wenigsten veranlassurrg, Dich darüber aufzuregen, wenn man sein« Dienstboten etwa» besser hält, al» vielleicht unumgänglich nöthig ist." Der Hieb hatte di« empfindlichst« Stell« getroffen. Ille» Blut war Paul nach dem Herzen und von Sa in mächtigen Wogen wieder zum Kopfe geströmt; aber noch bezwang er sich. „Fräulein Vocking", sagte er mit mühsam beherrschter Zunge, „haben Sie die Güte, uns einige Augenblicke allein zu kaffen!" Hedwig, die seit Beginn des Auftrittes auf dem Sprunge gestanden hatte, das Zimmer zu verlassen, aber bei der raschen Entwickelung des Streites und in der Erwartung, denselben durch Paul's gewohnte Nachgiebigkeit bald wicd-r erlöschen zu sehen, nicht zur Ausführung dieser Absicht gekommen war, wandte sich zum Gehen, als sie durch einen gebieterischen Ruf Gisela's: „Sie bleiben!" wieder fefigehalten wurde. „Ich sehe gar nicht ein, -weshalb Fräulein Vocking nicht wissen soll, daß Dein Vater — mein Herr Schwiegervater" — fuhr sie mit eisigem Hohne fort — „Bedienter bei meinem Onkel gewesen ist, und zusammen mit derselben Rosa — „der Person", wie Du zu sagen pflegst — an einem Tische gegessen bat!" Da» war zu viel für Paul! Er hatte das Glas, in dem er die ganze Zeit, wie, um sich durch dies« mechanische Thätigkeit zu beruhigen, mit dem Löffel gerührt, heftig von sich geschoben, und war mit erhobenen Händen, wie um Gisela abzuhalten, das Letzt«, Schrecklichste zu sagen, auf sie zugeeilt. Diese, die sein« Bewegung falsch verstanden haben und sich einem thätlichen Angriff« awlgesetzt glauben mochte, brach in «in solch' nervenzerreißende» Hilsegeschrei aus — während krampfhafte Zuckungen ihren ganzen Körper überschauerten —, baß Hedwig sofort zu ihrem Beistand« hrrbeieilte, und — den entsetzten Gatten, dem nichts ferner, als Vie ihm untergeschoben« Absicht gelegen hatte, sankt zur Seite schiebend — sich in der zartesten Weise der Unterstützung und Beruhigung der Kranken widmete. „Geben Sie nur rasch da» Pulver", war Alle», was sie Paul zuraunen konnte. Dieser, erschreckt von der Plötzlichkeit de» in solcher Heftigkeit bithrr noch nicht erlebten AnsalleS, war zurück an da» Tischchen geeilt, wo da» Gla», halbgefüllt mit dem dunklen, fast schwarzen Weine, noch da stand, wo er es vorhin au» der Hand gestellt. Eilig hatt« er der Schachtel eines der Schlafpulver ent nommen, die Papierumhüllung geöffnet, uad war eben im Begriff, den Inhalt derselben in den Wein zu schütten, al» ihn plötzlich der Gedanke überkam: .Der Trank ist ja fertig, Du hast bereit» daS Pulver bei gefügt!" Doch dann hätte die Hülle noch auf dem Tisch«, dder in dessen Umgebung liegen muffen! Nirgend» jedoch eine Spur! Noch hielt er zweifelnd daH Papier mit den weißliche»
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