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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.11.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-11-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19001105021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900110502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900110502
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- LDP: Zeitungen
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
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September berichtet: Freitag Morgen gegen 0 Uhr langte an Bord des deutschen Kreuzers „Hertha" Feld marschall Graf von Walder- see, der Höchstcominandirende der Truppen der verbündeten Mächte aus der Rhede von Woosung an. Die Geschütze der deutschen Panzcrflotte und der anderen umliegenden Kriegs schiffe der verbündeten Nationen hatten kaum ibren Gruß gedonnert, da schossen auch schon von allen Seiten kleine Boote und Dampfpinassen herbei, welche die Höchslcommandircnven der verbündeten Flotte zu Besuch an Bord brachten. Während der Generalfeldmarschall diese Besuche erwiderte, traf mit einem „Tender" der deutsche Generalkonsul Herr Knappe auf der „Hertha" ein, um den Grafen willkommen zu beißen. Ihm batte sich eine Anzahl von Herren der Presse an geschlossen. Die Pause wurde benutzt, um inzwischen die Ofsiciere vom Generalstab des Feldmarschalls abzubolen, welche die Reise auf dem Neichspostdaiupfer „Sachsen", der gleichfalls bei Woosung vor Anker lag, gemacht. Es waren etwa 30, Herren aller militärischen Range und sämmtlich in Kbaki gekleidet. Einen Unterschied machten nur einige Militär-Ältachös fremder Mächte, die wie ;. B. der russische Graf Engalitscheff eine weiße Drillich-Uniform oder wie Hauptmann Wayczak den hübschen dunklen Waffenrock des österreichischen Stabes trugen. Inzwischen balle auf der „Hertha" die Begrüßung des Feldmarschalls mit dem General konsul stattgesundcn und die beiden Herren erschienen jetzt an Deck des Tenders, der sofort seine Reise stromaufwärts an trat. Ter Feldmarschall ließ sich jeden der Herren, die hier seiner warteten, einzeln vorstellen und begab sich dann in den Salon, wo er sich sofort zwischen Depeschen, Bliesen und Karten vergrub und nur von Zeit zu Zeit erschien, um die Grüße jener Kriegsschiffe, die im Wampoo lagen, zu er widern. Am französischen Bund erwartete den Feldmarschall der deutsche Gesandte, Freiherr Mumm von Schwarzenstein, der französische Generalkonsul Graf von Bezaure und die böckst- oommandirendcn Ofsiciere der hier liegenden französischen Schiffe und Truppen, der englische Brigavegeneral Ereagk und Stab und viele andere Würdenträger. Nach einer kurzen herzlichen Begrüßung LeS Feldmarschalls durch den deutschen Gesandten ließ sich dieser den anderen Herrren verstellen und schritt dann mit erstaunlicher Elasticität über den Bund aus die direkt gegenüber postirtcn Ana- mitcn zu, um die Revue über die Truppen ter Bcrbün beten abzunebmen. Ein Lächeln der Befriedigung glitt über das von einem großen Tropenhelm beschattete bronzene Antlitz des Oberbefehlshabers, als er die Front der zierlichen Änamiten in ihrer seltsamen Uniform abschrilt, wobei ihm ein hoher französischer Mariue-Ossicier das Geleit gab. Dann kam in dunkelblauer Uniform eine lange Reihe französischer Scesolbaten, über deren martialisches Aussehen sich der Feldmarschall seiner Begleitung gegenüber wiederbolt recht günstig äußerte. So war der hohe Gast bis an die Brücke gelangt, welche die französische Niederlassung von der internationalen trennt. In seinem Gefolge befanden sich die meisten Mitglieder des Generalstabcs. Auch zahlreiche Ofsiciere anderer Nationalitäten in glänzenden bunten Uniformen begleiteten den Oberbefehls haber. Eine vieltausendköpfige Menge, wie man sie sich kos mopolitischer nicht denken kann, säumte den Bund an beiden Seiten. Bon den deutschen Geschäftshäusern wehte die schwarz-wciß-rothe Flagge. Jenseits der Brücke standen in einer geraden Linie, wie mit dem Lineal gezogen, die briven Compagnien des ersten Deutschen Ostasiakischen Infanterie-Regiments. „Achtung! Präsentirt daS G'wehi!" klang LaS Com- mando. Wie wenn eine vielarmige Maschine den Befehl auSgefübrt hätte, so präcise, so schlagfertig, so uuisouo sah sich die Sache an. Der Feldmarschall war inzwischen mit seinem Gefolge über die Brücke geschritten, als ibn Major Graham begrüßte. In demselben Augenblicke erscholl es wie unter Vein Tact- stocke eines Dirigenten aus fünfhundert kräftigen Kehlen: „Guten Tag, Herr General-FeldmarsckaU!" „Guten Tag, Leute, erwiderte der Feldmarschall, sichtlich erfreut über den Gruß und schritt dann, die Leute scharf musternd, die lange Front der beiden Compagnien ab. Die Leute waren in breiter Front vor dem englischen Club ausgestellt, dessen Veranda und Fenster von Hunderten von Zuschapern belagert waren, die beute zum ersten Male eine Icee von deutschem Drill bekamen und ihre Bewun derung unumwunden anSsprachen. Aber auch der Feld marschall war sichtlich befriedigt und drückte Major Graham seine Anerkennung auS. Ein wenig länger als bei den anderen Truppentheilen hielt er sich bei den deutschen Freiwilligen auf; auch die englischen Freiwilligen in ibren hübschen rolhen Jacken verdienten sich durch tadellose Haltung daS Lob dcS Ober- commandeurS. Hinter den letzteren reihten sich die Continzente der englischen RajputS-, SikbS-, BalnckiS- und Ghurka- Ncgimenter in geradezu prächtigen Galauniformen, in deren Farbenzusammenstcllung das Rothe dominirke. Nur die kleinen Gburkas trugen eine dunkelgrüne Uniform, die ihnen jedoch sehr gut zu den braunen Gesichtern und den blitzenden Augen stand. Als Paradelruppen sind diese Indier, mit ihrem schlanken ebenmäßigen Körperbau kaum von irgend einer anderen Nation zu übertreffen. Im Vergleich mit diesen prächtigen Erscheinungen sahen die braven Japaner, die sich in ibrer schlichten Seemanns- uniform den Indiern anreihten, recht unscheinbar auS; dock der Generalfelvmarsckall batte auch für sie ein anerkennendes Wort, für das ihm mit drei kräftigen HurrahS (oder was so ähnlich kiang) getankt wurde, während er seine Kutsche bestieg, die ibn im GaUop nach dem deutschen Generalkonsulat brachte. Eine Eskadron der Bombayer leichten CavaUerie jagte vor, hinten und neben der Kutsche her. Die schönen braunen Gestalten auf den mulhigen Pferden, die so vortheilhast von den chinesi chen PonnieS abstachen, bildeten jedenfalls eine Leibgarde, wie man sie sich imponirender nicht denken kann. Bei Ankunft deS Gencral-Feldwarschalls Graf Waldersee spielte sich vor dem deutschen General-Consulat eine Scene ab, welche nur von Wenigen beobachtet wurde. Gegenüber dem General-Consulat war eine besondere Ehrenwache ausgestellt auS Leuten S. M. S. „Gefion" und „Illis", welche schon vor dem Feinde gewesen waren, sei es bei der Einnahme der Taku-Forts, sei rS mit Admiral Seymour und bei den Kämpfen um Tientsin. Tie Wache ward comniandirt von Oberleutnant zur See von Hippel von S. M S. „Iltis". Seme Excellenz traf vor dem Generalkonsulat ein mit einer Eskorte der Bombay Lanciers, welche am linken Flügel der deutschen Ehrenwache auffchwenkte, und trat nach Verlassen deS Wagens an die Ehrenwache heran, sie mit folgenden Worten begrüßend: Ich freue mich Ihr Leute von der „Gefion" und vom „Iltis", daß ich hier Gelegenheit habe, Euch zu sehen. Ihr habt Euch brav geschlagen und Seine Majestät, Euer Kaiser, Hot sich darüber gefreut. Ich hoffe, daß Ihr auch unter meiner Führung Euch ebenso auszeichnen werdet. Die herzliche Verabschiedung am Schluß der Anrede wurde aus kräftigen SeemannSkehlen freudig erwidert. Zwei Nachrufe. In den Nachrichten auS Kiautschau finden sich folgende ehrende Nachrufe: Während der Einschließung von Peking in der Zeit vom 2l. Juni bis 14. August starben den Heldentod für Kaiser und Vaterland der Gefreite Gölitz, die Seesoldaten Rentmci st er, Strauß, MatbieS, Tölle, Hentschel, Ebel, Gugel, Kaußen, Hohnke und Meinhardt. In schweren, aufreibenden Kämpfen gegen einen tausend fach überlegenen Gegner haben sie ihre im Fahneneid ge lobte Treue mit ihrem Blut besiegelt. Als ein bewnndern- wertbcS Beispiel für deutschen Helvenmuth, deutsche Tapfer keit und treue Pflichterfüllung bis zum Tode, werden sie unvergessen bleiben in den Herzen der Ofsiciere, llnter- officiere und Mannschaften und werden fortleben als leuchtendes Beispiel in der Geschichte des III. SeebataillonS. Am 2V. August starb in Peking an der schweren Ver wundung, die er an den vorausgegangenen Kämpfen erlitten batte, der Seesoldat Paul Reinhold Hermann Berger der 4. Compagnie des III. Seebataillons. Er folgte seinen im Tode vorauSgegangenen Kameraden und besiegelte durch seinen Tod die Treue, welche daS ganze deutsche Detachement während der Kämpfe in Peking in heldenmükbigcr Ausdauer gezeigt bat. Ter Verstorbene, in welchem das Bataillon einen eifrigen, tüchtigen, sehr beliebten Kameraden verloren hat, wird unvergessen bleiben. Commando des III. SeebataillonS. Christ, Major und Commandeur. * London, ü. November. (Telegramm.) Die „Times" berichten an« Peking unter dem 1. November: Alle vom Hofe auS Singans« hier eingehenden Nachrichten tragen zur Bekräftigung der Annahme bei, daß der Kaiser nicht nach Peking zurück kehren wird, so lange die Stadt von den Truppen der Verbündeten besetzt ist. — Ueber die Verurtheilung des stellvertretenden Gouverneurs von Paotiugsu und vier anderer Beamten zum Tode herrscht allgemeine Besriedigung. Die Untersuchung hat ergeben, daß eine amerikanische Dame in Paotingfu vor ihrer Ermordung in der empörendsten Weise verstümmelt worden ist, Die bloße Zerstörung zweier chinesischer Tempel wäre keine einer solchen Schandthat entsprechende Bestrafung. — Aus Shanghai erfahren die „Times", Liu-kun-ji uud Tschang-tschi-tung seien bei ihrer Ernennung zu Commissaren für die Friedensoerhand- lungen gleichzeitig angewiesen worden, an ihrem gegenwärtigen Aufenthaltsorte zu bleiben und mit den anderen Commissaren auf schriftlichem und telegraphischem Wege Rathschläge auSzutauschen. Oer Krieg in Südafrika. In englischen Blättern findet man gelegentlich als Grund für das Anwachsen des Kleinkrieges angegeben, daß die Bveren sich von der Reise Krüger- nach Europa Erfolg in dem Sinne auswärtigen Eingreifens ver sprechen. Wobl möglich, daß allerlei phantastische Vor- stellungen und Meldungen nicht ohne Wirkung auf die einfachen Gemülber der Bauern bleiben; aber der eigentliche Grund für bas neuerliche Anwachsen der Guerrillabaudcn ist doch wobl die Tbatsache, daß eS den Engländern nicht gelungen ist, sich die nötbige Autorität im Lande zu verschaffen. Tic Mittel, die sie dafür in Anwendung gebracht haben, sind so mannigfaltig wie nur denkbar. Nach der Besetzung von Bloemfontein versuchten sie cs, wie die „Köln. Ztg." re- capitulirt, mit Milte. Tie Leistung des NeutralitätScidcs und die Ablieferung der Waffen schienen ihnen genügende Gewähr zu sein, daß der betreffende Boer sich der Thcil- nabme ani Kriege cnlscklageu würde. Diese Annahme stellte sich sehr bald als eine Täuschung heraus. Die Boeren traten theils freiwillig bei der ersten günstigen Gelegenheit, theils gezwungen wieder in die Reiben der Kämpfer ein. Nun zog man schärfere Saiten auf; man nahm den Boeren, die den Eid leisteten, auch die Pferde weg und suchte die mora lische Wirkung dcS EiteS dadurch zu erhöben, daß man alle wortbrüchigen Boeren, deren man habhaft wurde, als Verrälbcr behandelte, ihre Häuser niederbrannte, ihre Farmen consiscirte und sie selbst in strengen Gewahrsam nahm. Auch das war ve»geblich. Nun ging mau zu der Verschickung aller Gefangenen nach St. Helena und Ceylon über, in der Hoffnung, daß diese Maßregel bei der starken Heimathsliebe der Boeren einen tiefen Eindruck auf sic machen würde. Tas war allerdings der Fall, aber die Wirkung war so stark, daß sie den gegcntbeiligen Erfolg hatte. Häufig war bei den einzelnen Boerentrupps Neigung vorhanden, sich zu ergeben; aber die hartnäckige Verweigerung ihrer Bitte, im Lande bleiben zu dürfen, schreckte fie immer wieder davon ab. Nack der Einverleibung Transvaal; steigerte fick die Strenge der Eng länder gegen die Guerillakämpfer bis zur Grausamkeit. Zn seinem Briefe an Botha vom 2. September kündigte Lord Roberts dem Gencralcommandanten an, daß die Farm, welche dem Schauplatze jedes Versuches, den Eisenbahn körper zu beschädigen oder einen Zug zu zerstören, am nächsten liege, nicdcrgcbrannt und alle Farmen inner halb eines Umkreises von zehn Meilen von Vicb, Lebens mitteln u. s. w. ausgcräiimt, sowie daß alle Frauen und Kinder von kämpfenden Boeren diesen in die Feldlager geschickt Werren würden. Diese Ankündigung wurde nicht nur befolgt, sondern sie wurde nun noch durch die verschiedenen Proklamationen Roberts" verschärft, indem nun auch alle diejenigen, bei denen sich Waffenvorrälhe fänden oder sich kämpfende Boeren versteckt dielten oder welche die von den Engländern verlangten Auskünfte falsch crtheillen oder verweigerten, mit Gefangennahme, Nieder brennung ibrer Häuser und ConsiScation ihres Eigenthums bedroht wurden. Wie fürchterlich diese Drohung wahr gemacht wird, davon ein Beispiel. Zwischen Dundee und Vrijheid ist nicht ein einziges Bvercnhaus stehen ge blieben. Alle sind niedergebrannt als Strafe für den „Vcrrath" ihrer Besitzer. Die Frauen und Kinder der Boeren werden von den britischen Truppen in deren Zelten untergebracht und verpflegt. Dieser Fall steht nicht vereinzelt da. In allen Tbeilen deS Kriegsschauplatzes werden solche Beute- und Vernichtungszüge veranstaltet. Erst jüngst ist Hunter von einer derartigen Expedition von Botha- ville nach Kroonstad zurückgekcbrt. Dabei findet der Begriff Verrälher auf alle diejenigen Anwendung, die überhaupt noch die Waffen führen, mögen sie den Neutralitätseid geleistet haben oder nickt, und wird ein großer Tbcil dieser Beutezüge nach Gegenden unternommen, in die überhaupt noch kein englischer Soldat seinen Fuß gesetzt bat. 22, Der Lundschuh. Roman von Woldemar Urban. Sialtidluck rcrtctcn. Es war ein herrlicher Frühlingstag — wie überhaupt die hochgelegene Feste Hohnack mit ihrer wunderbaren Aussicht in das KÄrsersberger Thal, nach Kirnsheim, Ammersweyer ihre eigenen Reize und überraschenden Frühjahrs-Zauber hatte — als Junker Reidhart hastig die etwas schmale Treppe nach dem Balkonzimmer Edrlinve's in die Höhe stieg. Er hatte es noch nicht über sich gebracht, seine Drohung, die Frauen in das Burg- Gesängniß zu werfen, wenn Edelinde auf ihrer Weigerung be stehen blieb, wahr zu machen. Junker Neidhart war im klebrigen wenig zärtlich oder rücksichtsvoll angelegt, aber gerade in diesem Punkte konnte er nicht, wie er selbst wollte, und wie er sich vor genommen hatte, zu handeln. Schon vor zwei Dagen hatte er den festen Vorsatz, seine Drohung auszuführe», weil er eben auf diese Weise schneller zu seinem Ziele zu kommen glaubte. Da hatte Edelinde, ohne auch nur ein Wort zu sagen, ihre Hände schweigend ausgestreckt, damit er sie binden solle, und Junker Neidhart hatte den Strick, den er schon in der Hand gehabt, wieder weggeworfen, und es war Alles beim Alten geblieben. Warum, wußte er selbst nicht. Wenn er aber daran dachte, daß ein anderer als er an Edelinde das gethan haben würde, was er beabsichtigte, so wurde ihm heiß und glühend im Kopf, und er war überzeugt, daß er dem Betreffenden im Nu den Schädel gespalten hätte. War das die Liebe? Seine Liebe, wie er sie verstand? Er wußte es nicht. Er kam aus dem schönen Hellen Frühlingsschein, der draußen herrschte, herein, und stieg die dunkle, schmale Steintreppe hin auf, als ihm Jemand entgegenkam, der herabstieg. Im Moment war er etwas geblendet, so daß er nicht sehen konnte, wer es war. Erst als dieser ganz dicht an ihm vorüber ging und ihn streifte — die Treppe war eben so schmal, daß das nicht anders ging — erkannte er Lenz Mayer, den Schneider aus Hunaweier, seinen jetzigen Rivalen auf Burg Hohnack. „Was habt Ihr hier zu suchen?" fuhr er ihn finster und drohend an. Lenz Mayer zuckte die Achseln. „WaS geht'- Euch an?" erwidert« er kurz. In einem Augenblick stieg der ganze Groll und Zorn, den der Junker gegen diesen Menschen allmählich in sich aufge nommen, diesem zu Kopfe. Er war empört über solch« Frech beit. Ein Schneider!! Wenn es noch ein Schmied, oder ein Soldat, oder auch ein Bauer gewesen wäre, hätte sich Junker Neidhart vielleicht nicht so heftig aufgeregt, aber ein Schneider! — das brachte sein Blut in Wallung. „Du bist in meinem Hause, Schneider, weißt Du das wohl?" rief er ihm wüthend zu. Lenz Mayer lachte spöttisch. „Du hast kein Haus, Du Junker ohne Land", erwiderte er giftig- „Du wagst es, mir das zu sagen. Du Fingerhut? Unerhörte Frechheit", polterte Junker Neidhart, außer sich vor Wuth, „zieh', Du Schneider-Elle, Du Flicklappen, zieh' Deinen Brat spieß, daß ich Dich nicht wie eine Giftkröre aufspieße. Ein Schneider! Zieh', Du Zwirnsfaden, Du „Bin ich auch nur ein Schneider, so bin ich doch wenigstens etwas, Du aber bist nichts, Junker Habenichts", erwiderte Lenz Mayer und zog ebenfalls seinen Degen. Da Lenz Mayer etwas tiefer stand als sein Angreifer, so ging er vollends die Treppe hinab, um auf ebenen Boden zu ge langen und so den ihm ohnehin an Kraft und Geschicklichkeit überlegenen Junker von Hohnack bester abwehrrn zu können. Auf das durch das laute Schimpfen und Degengeklirre verursachte Lärmen kamen einige Leute, die im Burghofe standen, herbei geeilt, um zu sehen, was es gäbe. Unter ihnen war Wolf Haß flug, der zufällig durch die untere Halle gehen wollte, als die Beiden die Treppe herabkamrn, die gezogenen Schwerter in de: Hand. „Halt, halt!" rief der Vogt von Hohnack, dazwischen springend, „der Spaß geht zu weit. ES ist ein Mißverständniß. Steckt Eure Schwerter ein. Wie? Was soll au- uns werden, wenn Ihr Euch entzweit? Können wir nicht morgen oder über morgen von dem gemeinsamen Feind umzingelt sein? Wir wer den Alle miteinander mchts haben, weil wir uneinig sind." „Was hat er da oben zu suchen?" schrie der Junker, noch immer wüthend. „Ich habe e» gleich gesagt", fuhr Wolf Haßflug eifrig fort, „daß der Junker eS nicht leiden wird, daß Ihr mit den Ge fangenen direkt verhandelt." „Das ist mein Recht", erwiderte Lenz Mayer trotzig. „Du Hasenfuß" warf Junker Neidhart ein. „Still, still. Erlaubt ein Wort, Ihr Herren", begann Wolf von Neuem. Der Junker hält dort oben seine Braut fest. Das dürft Ihr nicht vergessen, Herr Hauptmann. Er ist eifersüchtig. Daher der ganze Zant. Stein, sagt kein Work. Die Schwerter weg. Sollen wir Alle zusammen zu Grunde gehen wegen solchem Zwist? Jedem, was ihm gebührt. Euch, Herr Hauptmann, Euer ehrlich Theil am Lösegeld, dem Junker die Braut. Ruhig. Nein. Fort mit dem Degen." In dieser Weise gelang es Wolf nochmals, die Beilegung des Streites herbeizuführen. Die Streitenden sahen ein, daß sie sich jetzt nicht entzweien durften, um nicht Alles in Gefahr zu bringen. Wolf hatte Recht. Jeder Tag tonnte ihnen die Mann schaften Ulrich's von Rappoltstein auf den Hals bringen. Von einer eigentlichen Versöhnung war aber auch hier nicht die Rede. Dazu saß der Groll zu tief. Die Gegner gaben sich, dem Ein fluß Wolf's nachgebend, die Hand, und schieden, Lenz Mayer ging hinaus auf den Burghof, der Junker stieg die Treppe wieder hinauf, noch immer den wühlenden Groll gegen seinen Neben buhler im Herzen. War er deshalb an seinem Herrn zum Ver räthrr geworden, um sich schließlich mit einem Schneider um seine Herrschaft zu zanken? Hatte er deshalb seinen Adel ver leugnet, sich mit dem Lumpengesindel des ganzen Elsaß ver bunden, war von Verbrechen zu Verbrechen gegangen, um sich schließlich von einem Schneider verspotten und beschimpfen zu lasten? Junker von Hohnack war ein wild-leidenschaftlicher Mann, und sein Haß war ebenso unwiderstehlich wie seine Liebe. Er philosophirte freilich nicht, er dachte über die Vorgänge in seinem Innern nicht nach, aber er stand gleichwohl im Banne starker Leidenschaften. Noch wie er die Treppe hinauf ging, schwur er sich im verbissenen Zorne den Tod des Unterhauptmanns Lenz Mayer, auf die eine oder andere Weise. Gleich darauf stand er im Gemach Edelinde's und traf diese, mit Friedel beschäftigt, den nur wenige Tage alten Knaben ihrer Schwägerin in Schlaf zu singen. Einen Augenblick stand der Junker vor dieser hübschen Scene still. Dann aber kam ihm der Gedanke, daß sich die Mädchen wohl über seine sentimentale Schwäche lustig machen könnten, und er fuhr herrisch und be fehlerisch dazwischen, indem er mit starker Stimme sagte: „Ihr müßt Euch entscheiden, Herrin. Die Stunde ist da." Edelinde erschrak. Das Kind, da- sie soeben mühsam in den Schlaf gesungen und etwas krank war, wachte wieder auf und schrie. Friedel nahm eS rasch und zärtlich in die Arme und trug eS in da- Nebenzimmer zu seiner Mutter. Mit vorwurfsvollen Blicken sah Edelinde auf den rauhen und rücksichtslosen Störenfried. „Ich habe bereit- entschieden", sagte sie dann fest und nicht ohne einen gewissen Trotz. „Ihr habt Euch entschlossen, mein Weib zu werden?" fragte er leicht zitternd. „Nein", ich habe mich im Gegentheil entschlossen, niemals Eure Gattin zu werden, und werde bei diesem Beschluß beharren, so lange ich athme." „Ihr wollt also meinen Willen brechen!" fuhr es dem Junke; heftig heraus. „Ihr glaubt, daß Ihr in mir rin Säuselmännchen, einen Seufzerhelden, wie diesen Diepold von Andlau, vor Euck habt? Ihr hofft" — „Ich hoffe nicht", unterbrach sie ihn kalt und zurückweisend. „Ich bin in Eurer Gefangenschaft. Verfahrt mit mir, wie Ihr es vor Gott und vor den Menschen verantworten könnt. Im llebrigen werdet Ihr mir eine Gnade erweisen, wenn Ihr mir Eure Worte und Eure Gegenwart erspartet. Sie nützen zu nichts. Mein Wort darauf. Er maß sie mit funkelnden Augen von oben bis unten und machte dann einige Schritte vorwärts, als ob er sich im Zorn, in der Aufregung an ihr vergreisen wollte, blieb dann aber Plötz lich wieder stehen und fuhr mit mühsam gedämpfter Stimme fort: „Ihr kennt mich nicht, Edelinde, und das macht Euch stolz und kühn, deshalb wagt Ihr es, mich zurückzuweisen, obgleich Jyr in meiner Gewalt seid. Ihr wißt nicht, westen ich fähig bin. Nehmt Euch in Acht!" Sie zuckte verächtlich mit den Sckuiltern und wandte sich ab. Mit einem Sprung war er bei ihr, faßte sie mit rauhem, scharfen Griff an der Hand, daß ihr alle Finger schmerzten, und zerrte sie mit unwillkürlicher Gewalt zurück. „Hier stehengeblieben und mir zugehört", herrschte er sie wüthend an, „ich bin nicht der Mann, der Euch winselnd zu Füßen liegt und im thränennaflen Jammer um einen freund lichen Blick fleht. Ich befehle und Ihr gehorcht." Der ganze Stolz des Weibe-, der Edeldame, die noch nie eine derartig rohe und rücksichtslose Behandlung erfahren, bäumt» sich in ihr auf. Sein Zorn und seine wilde Aufregung empörte auch sie zu einem rücksichtslosen Widerstande. Sie hätte ihn trotz seines Machthausenthums, trotz seiner Prahlerei um den Finger wickeln können, wenn sie nur rin wenig lieb zu ihm ge wesen wär«, ihn listig und schmeichelnd umgarnt und betrogen hätte. Das kam ihr aber in ihrem Stolz, in ihrer vornehmen und edlen Gesinnung gar nicht in den Sinn. „Und ich verachte Euch, Ihr mögt befehlen, wa» Ihr wollt!" erwiderte sie kurz und bestimmt. „Edelinde!" rief er drohend in höchster Ekstase. „Ihr, ein Mann?" fuhr sie scharf betonend und mit schnei ¬ dender Stimme fort, „ein Thier würde mit seinem Weibchen nicht
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