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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.09.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-09-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010902021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901090202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901090202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-09
- Tag1901-09-02
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Montag den 2. September 1901. Anzeigen «Preis die ögejpaltene Petitzeile LS H. Reclamrn unter dem Redacttou»strtch (»gespalten) 7S vor den Famtliennach- richteu (6 gespalten) SO Lt- Ta bellarischer und Ziffrrnsatz entsprechen» hoher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 8S (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderuug 70.—. Jinnahmeschluß für Anzeigen: Lbend-AuSgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittag» » Uhr. Bet deu Filialen und Annahmestelle» je ein« halbe Stunde früher. Anzeige» sind stet» au die Expedition zu richten. Dir Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abend» 7 Uhr. Druck uud Verlag vou E. Polz i» Leipzig 95. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 2. September. Die Absicht des CentrumS, im Reichstage bei den Verhandlungen über den Zolltarif den Antrag ein zubringen, die aus der Erhöhung der LebenSmittelzölle zu er wartenden Mehreinnahmen ganz für socialpolitischeZwecke zu Gunsten der Arbeiierbevölkerung zu verwenden, bereitet anscheinend auch dem Reichskanzler trotz der Sympathie, die er dem Gedanken früher gezollt, mehr und mehr Sorgen, je weiter die MatSarbctten für da» nächste Jahr vorschreilen. Selbstverständlich können für dieses Jahr Ertrage auS den erst noch zu erhöhenden Zöllen noch nicht in Betracht kommen, da neue Handelsverträge frühestens vom 1. Januar 1904 ab wirksam werden. Immerhin könnte man bi» dahin wenigstens nothdürftig mit Anleihen sich helfen, ohne die Einzelstaaten noch mehr zu belasten, wenn nicht von vornherein die zu er wartenden Mehrerträge aus erhöhten Lebensmittelzöllen für einen bestimmten Zweck festgelegt würden. . Daß schon im nächsten Jahre die Frage der Deckung der zu erwartenden Mehrausgaben Kopsweh bereitet, gestehen die ofsiciösen „Berl. Polit. Nachr." offen zu, indem sie auSsuhren: „Wie alljährlich spielt auch diesmal bei den Etat» arbeiten für da» nächst« Jahr im Reiche die Frage der Deckung der al» ganz sicher zu erwartenden Mehrausgaben eine Rolle. Zu diesen alljährlich wlederkehrenden Ausgabesteigerungen zählen dir Erhöhung des ReichszuschusseS für die Invalidität», und Altersversicherung, die zwischen zwei und vier Millionen schwankt, die Erweiterung de-allgemeinenPensionS» fonds, die im letzten Jahre noch nahezu drei Millionen Mark betrug, die Mehrung der Reichs schuld und die dadurch bewirkte Zinsenlasterhöhung u. a. Bei den diesmaligen Etatsarbeiten kommt aber noch rin besonderer Ausgabeposten sür dl« dauernde Deckung in Betracht, der außer dem ein« recht beträchtliche Summ« umfaßt. Wie bekannt, haben Bundetrath und Reichstag im Frühling Les laufenden JahreS daS Gesetz über die Versorgung der Krieg-invaliden und der Kriegshinterbliebenen zu Stande gebracht. DaS Gesetz wurde allgemein gewünscht und e» hat Wohl selten »in Gesetz- entwurf im Reichstage zur Berathung gestanden, der eine so ein- müthige Billigung fand. ES konnte dies um so eher geschehen, al» eine Erörterung über die Deckung der durch daS Gesetz hervorgerufenen dauernden Mehrausgabe nicht stattzufinden brauchte. Man wie- die Ausgaben-Deckung sür das erst« EtatSjahr einfach dem In va lid en fondS zu, dessen Capitalb«stand um die entsprechende Summe verringert werden wird. Nunmehr aber wird die endgtltige Regelung der DeckungSfrage vorgenommen werdrn müssen. Die Summe, um welche e- sich handelt, beläuft sich auf 14—1b Mill. Mark. Rechnet man die Beträge von Mehrausgaben zusammen, die sich schon nach dieser Aufzählung ergeben, und be- denkt man, daß jährlich auch Mehraufwendungen sür das ReichSheer uud für die Martnrverwaltung im Etat in die Erscheinung treten, so wird man sehen, daß di« Frage der Deckung der Mehrausgabe» diesmal vou ganz besonderer Wichtig, kett ist." Bereitet nun schon die Frage der Deckung der für da nächste Jahr in Aussicht stehenden Mehrausgaben dem leitenden StaatSmanne Sorge, wie viel mehr die fernere Frage, wie man weiter bis 1904 und von da ab ohne Mebr- erträgt au» den Lebensmittelzöllen auSkommen soll. Ein mit den maßgebenden Kreisen Berlins in Fühlung stehender Mitarbeiter der Münchener „Allgem. Ztg." klagt daher: „Durch die ganze Osnabrücker Tagung, von der socialdema- gogischen Apostrophe des Herrn DaSbach am Anfang», bis zu der Rede drS Herrn Lieber über die christliche Demokratie am Schluffe zieht sich wie ein rothtr Faden diese Verhätschelung der industriellen Arbeiter. Selbst der mit der Vertretung der landwirtschaftlichen Interessen beauftragte Agrarier Herold war inDuirt, nach dieser Seite hin nicht zu kargen. Seine auS- drückliche Wiederholung des schon vor Jahr und Tag vom Centrum in die Debatte geworfenen Gedankens, man solle den aus der Er höhung der LebenSmittelzölle sich für Vie Reichseinnahmen er- gebenden Mehrertrag ausschließlich zum Wohle „der Arbeitrr", d. h. der gewerblichen Arbeiter, verwenden, hat insoweit Aussehen erregt, al» man daraus entnehmen muh, daß da- Crntrum in den bevorstehenden Verhandlungen über die Zollvorlage mit dieser Idee Ernst zu machen, entschlossen ist. Bei den in unserm Reich». Parlamentarismus nun einmal eingerissenrn Wettläufen um die Gunst der Massen ist auch kein Zweifel, daß das Centrum für einen derartigen Antrag eine Mehrheit finden würde. Schier undenkbar aber ist uns, daß die verbündeten Regierungen, noch dazu bei der gegenwärtigen Finanzlage des Reiche-, auf die gesetzlich« Festlegung diese- ungeheuerlichen Finanz, kunststücks eingehen würden." Der Verfasser hofft freilich, da» Centrum werde sich, wenn die verbündeten Regierungen von vornherein den Antrag un- zweideutig ablehnen, mit einer zu nichts verpflichtenden Resolu tion begnügen. Da aber das Centrum den Arbeitern rin feierliche- Versprechen gegeben hat und sich vor der Rache der Arbeiter fürchten müßte, wenn e» dieses Versprechen nicht einzulösen suchte, so steht diese Hoffnung auf sehr schwanken dem Boden. Jedenfalls würden sich die verbündeten Regierungen eine- unbegreiflichen Optimismus schuldig machen, wenn sie nicht schleunigst an den Reichstag mit neuen Steuer- vorlagen heranlräten, die der Mehrbelastung der Einzel staaten Vorbeugen. D>« Verwendung der auS den zu erhöhenden Lebeiismittelzöllen zu erwartenden Mehreinnahmen zu allgemeinen Reich-Zwecken könnte dabei vorgesehen werden und nicht» stand« im Wege, nur di« über die voraussichtliche Höhe hinauSgehenden Erträge dieser Zölle für socialpolitische Zwecke zu bestimmen. Die Proclaniirung des neuen Culturkampfe» auf der Osnabrücker Centrumsparade, genannt Katholikentag, hat die schleunige, herzliche Zustimmung der „Conserva- tiven Corr." gefunden, die diesen neuen Cullurkampf als die gemeinsame Aufgabe de» ChristcnlhumS bezeichnet, und daS Organ des Bundes der Landwirthe, das aus nabe liegenden Gründen daS Centrum beständig umschmeichelt, hat sich dieser Ansicht angeschlossen. Auch die „Kreuz zeitung" versichert, sie und ihre Gesinnungsgenossen würden, „soweit eS sich um Wahrung des allgemeinen christlichen Standpunctes handelt, soweit gemeinsame Anschauungen ein gemeinsames Handeln als geboten erscheinen lassen", „mit den Katholiken nach Möglichkeit Schulter an Schulter an der Er- Haltung und Stärkung' des christlichen Bewußtsein» arbeiten". Aber sie fügt hinzu: „In Glaubenssachen natürlich schiedlich-friedlich. Selbstverständlich werden wir in dieser Hinsicht ebensowenig vom Kampf ablassen, wie die Katholiken dazu geneigt sein können." Zu diesem Vorbehalte sieht sich daS conservative Blatt genölhigt durch einen ihm aus Lauterberg am Harz zugegangenen Bericht über einen „Aufsehen erregenden Fall von Seelenfäugerei für die katholische Kirche". Dieser Bericht lautet: Eine vor mehreren Jahren von Kaiserslautern nach Lauter- berg verzogenen Wittwe katholischer Confessio», welche bei einem dortigen katholischen Verwandten Aufnahme gefunden hatte, schickte zu Ostern 1898 ihr schulpflichtig gewordenes Kind in die Volksschule. Da e» in Lauterberg nur eine evangelische Volksschule giebt, wird diese auch von den nicht- evangelischen Kindern besucht. Zur Aufnahme in die Schule ist vou den nicht in Lauterberg getauften Kindern ein Taufschein beizubringen. Der sür das genannte Kind ein- gelieferte Taufschein war ausgestellt von dem sür Lauterberg zuständigen katholischen Geistlichen in Herzberg a. H., mit seinem Dienstsiegel beglaubigt und unterzeichnet: „Das katholische Pfarramt", jedoch ohne Angabe von Ort und Datum der Taufe. Auf Grund dieses Scheines mußte der evangelische Geistliche und Ortsschulinspector annehmen, daß das Kind katholisch und in Herzberg getauft sei, und er ließ eS als katholisch in die Listen eintrage». Im Herbste 1900 stellte es sich jedoch heraus, daß das Kind nicht in Herzberg, sondern in Kaiserslautern getauft ist, und zwar nicht in der katholischen Kirche, sondern in der evangelischen, ferner daß die Mutter da- Kind in lieber- rlnstimmung mit dem Willen des verstorbenen evangelischen Vaters evangelisch erzogen wissen wollte und nur unter dem Drucke der Verhältnisse in die Theilnahme ihres Kinde» an dem katholischen Religionsunterricht gewilligt hatte. Sie hatte bei ihrer Uebersiedelung von Kaiserslautern nach Lauterberg den richtigen Tausschein mitgebracht, dieser war — jedoch nicht von ihr selbst — an den katholischen Geistlichen in Herzberg abgegeben und der hatte, anstatt den richtigen Taufschein abzuliefrrn, von diesem jenen verstümmelten Tauf- schein gemacht und zwar in der Absicht, die Eonfession des KindeS dem evangelischen Geistlichen vorzuenthalten, sicher doch aus keinem anderem Grunde, als um e» später für seine Kirche einzu- fordern. Di« Sach« tst in der diesjährigen BezirkS-Synod« Herz, berg a. H. öffentlich erörtert worden. Der anwesende Pastor Hanebuth auS Herzberg zeigte nach Ausweis de- gedruckten Proto- roll- die betreffenden Taufscheine vor, bemerkte aber, daß ihm über die zwischen den kirchlichen Behörden gepflogenen Verhandlungen Stillschweigen auferlegt sei. KampfeSstimmung verräth die „Kreuzztg." trotz der Wieder gabe dieses Berichtes jedoch nicht; sie versichert vielmehr, mcht zu bezweifeln, „baß dem betreffenden katholischen Geist lichen von seiner vorgesetzten kirchlichen Behörde nicht etwa nur wegen der Plniupheit seines Vorgehens, sondern auch wegen dessen sittlicher Unzulässigkeit die uölhigen Vorhaltungen gemacht worden sind". Mit diesem Vertrauensvotum für die vorgesetzte kirchliche Behörde VeS katholischen Geist- lichen in Herzberg ist die Sache für die „Kreuzztg." erledigt. Jedenfalls wird dieser Aufsehen erregende Vorfall daS Blatt und seine Hintermänner nicht davon ab halten, „Schulter an Schulter" mit dem Centrum gegen Alles, waS liberal heißt, zu kämpfen und den Einfluß der ohnehin schon übermächtigen klerikalen Partei noch mehr zu stärken. Daß mit dem Anwachsen deS politischen Ein flusses des CentrumS im Reiche und in dem führenden Einzel staate auch sein kirchlicher Einfluß wächst, den es zum Nach- theile des Protestantismus ausbcutet, daran denkt entweder die „Kreuzzta." nicht, oder sie will in dem kurzsichtigen Trachten nach einem Antheile an dem politischen Einflüsse deS CentrumS nicht daran denken. Die schwetzerische Socialdemokratie hat wieder ein mal das Bedürfniß einer Demonstration gefühlt. Diesmal galt eS die Veranstaltung einer Protestversammlung gegen die Angriffe auf das verfassungsmäßig garantirte VereinS- und Versamm lun gSrech t, die cantonalen und eidgenössischen Behörden zur Last fallen sollen. Insbesondere war daSVerhalten der Regierung von WalliS gegenüber dem Streik der Arbeiter am Simploniunnel gemeint. Auch wird eS dem Bund^Vrathe selbst geradezu zum Verbrechen angerechnet, daß er bei seinen Ausweisungen von fremden Anarchisten sich vor den Zu- muthungen deS Auslandes gebeugt habe. Zu den Prolest- veranstaitungen in Zürich fanden sich 974 Abgeordnete von 287 Verbänden ein. Am Zuge selbst, dem nicht weniger als 260 Fahnen voranzetragen wurden, nahmen etwa 1000 Personen mit vier MusikcorpS Tbeil. Die be antragte Resolution, welche die Achtung deS Vereins- und VersammlungSrechiS verlangt, wurde natürlich einmüthig angenommen. Eine siebenköpfige Deputation überreichte sie dem Vicepräsidenten deS Bundesraths, mit welchem sie sich eine halbe Stunde unterhielt. Die BundeSbehörde wird sich natürlich der Prüfung der angeregten Fragen nicht entziehen, aber ein positives Resultat kann dabei kaum herauSkommcn; denn an eine Aenberung im Verhalten hinsichtlich des Asylrechtes — zwar eine alte Forderung brr Socialisten — wird nicht zu denken sein. Von jeher wurde in der Schweiz der Aufent halt sogenannter Lockspitzel nicht geduldet. Nun scheinen wieder zwei Fälle actuell zu werden. In Luzern bereitet nämlich die socialdemokratische Fraction des Stadt- ratbeS eine Interpellation des Inhalts vor, ob der „bekannte Polizeiagent" Normann-Schumann die im deutsch-schweizerischen Niederlassungsvertrag vorgesehenen Ausweisschriften besitze und eventuell warum demselben der Aufenthalt in Luzern gestattet werde. Andererseits hat die Ver einigung österreichisch - ungarischer Socialdemokraten in Zürich einen gewissen Stephan Heilmann au» Efsegg als Polizeispitzel auS ihrem Verbände au-gestoßen. Uebrigen» dürfte die im Jahre 1898 getroffene Vereinbarung zur Bekämpfung deS Anarchismus, wonach Anarchisten in ihr Heimakhlanv zurückzuverweisen sind, bezüglich deS der Theilnahme an der Ermordung de- König- Humbert be schuldigten Iaffai eine Ausnahme erleiden. Nachdem nämlich der Mailänder Staatsanwalt diese Anklage hat fallen lassen, blieb nur not diejenige, betreffend daS Verbrechen gegen die Sicherheit des Staates, bestehen, da- als politisches Delikt die Auslieferung ausschließt. Kehrt daher Iaffai in die Schweiz zurück, so würde er zwar sofort au-gewiesen, aber die Wahl des AufenlhaUSlandes bliebe ihm ofsen. Ueber die Vorgänge, die sich vor einiger Zeit in Argen tinien anläßlich deS aufgegebenen Planes der Convertirung und Uiiisicirung der argentinischen Staatsschuld und der Sicherung derselben durch die Zollgarantie ab spielten , wird uns geschrieben: In der Bevölkerung hatte sich gegen daS Project ein ungemein heftiger Widerstand erhoben, es kam sogar zu Straßendemonstrationen, die einen Feuilleton. -> Arbeit. Von Eva Treu. Nachdruck »rrkete». Nein, vergessen und überflüssig war sie doch nicht ganz. So bald die Schule aus war, hörte sie den Schritt kleiner Füße auf dem Hausflur. Dann drehte ein« Kinderhand den Thürdrücker, und herein kam Life, geräuschlos, wie eS ihre Art war, um Stun den lang bei der kranken Mutter zu bleiben. DaS unfreundliche, immer ein wenig dämmerige Zimmey, in das die Sonne nicht drang, weil «I gegen Norden lag, war gewiß kein verlockender Aufenthaltsort für «in Kind; die Klein« schien es dennoch der frischen Luft und der Sonne draußen vorzuziehen, und erst wenn die Mutter sie ausdrücklich fortschickte, weil sie meinte, Be wegung im Freirn würde ihr gesund sein, ging Life zögernd. Si« sprachen nicht viel miteinander, dir beiden von Natur schweigsamen Menschen. DaS Kind machte seine Schularbeiten, bei denen die Mutter nicht zu helfen vermochte, und manchmal war eß lange Zeit ganz still im Zimmer. Aber schon das Um wenden eines Blattes, das Kritzeln des Griffels auf der Tafel oder der Feder auf dem Papier that Frau Len« gut. ES war doch gesellig. Sie hatte ja die kleine Hand lieb, die die» verur sachte, und es war immer Jemand da, der auf das leiseste Ge räusch hin, das sie selbst machte^ auf ein halblaute» „Life!" sofort bei ihr stand, um zu fragen, wa» sie wolle. Dann, wenn die Bücher und der Federkasten bei Seit« ge legt waren, setzte sich Lis« neben das Bett der Mutter, und diese nahm wohl die kleine Hand in die ihrige, die nun nach und nach so sonderbar bleich und schmal wurde, und fragte nach allerlei. Das Kind ermüdete nicht. Die bleiche, langsam hinsterbende Frau und das junge Geschöpf schlossen auf diese Weise «inen Bund mit einander, der ander» beschaffen war, al» er sonst zwischen Mutter und Kind zu bestehen pflegt. Manchmal hatte Frau Lene ein große» Verlangen, da» Kind über die Vorkommnisse im Hause, die sich ihrer «igenen An schauung jetzt so völlig entzogen, auszuforschen. E» war gewiß «in begreiflicher Wunsch, aber ein richtige» Gefühl hielt die Mutter immer wieder davon zurück, ihm zu folgen. Nein, nicht um diesen Prri» wollt« sie wissen, wa» um sie h«r vorging, «in Spion und Zwischenträger sollte daS Kind nicht werden. Nur darnach forschte sie, ob man tzise auch Mcht vernach lässigte. Das Kind klagte nicht. Es hätte erzählen können von mancher Unfreundlichkeit und Zurücksetzung, die ihm zu Theil wurde in die em Hause, wo fremde, bezahlte Menschen nach ihrem Sinn schalteten und walteten, und man sie bald hier, bald dort ärgerlich fortwieS, weil ihre Nähe störte; aber sie schwieg. Es hätte nichts genützt, der Mutter Sorgen zu machen. Hier an diesem Krankenbette war ja doch immer noch «in Plätzchen, wo Lise sich willkommen und geborgen wußte. Nie aber sprachen sonderbarer Weise Mutter und Tochter über die Kellnerin. Ein einzige» Mal hatte Frau Lene in mög lichst unbefangenem Tone nach ihr gefragt, wie nach den übrigen Hautgenossen auch, da war über da» blasse Kindergesicht «in so tiefeS, peinliches Roth gegangen, in die großen, dunklen Augen war ein so sonderbarer, unkindlicher Zug von Haß und Abscheu getreten, daß Frau Lene, ohne «ine Antwort abzuwarten, von etwas Anderem gesprochen hatte. Freilich, das hatte sie nicht mehr hindern können, daß Life in einem Tone, dessen Härte zu ihren Jahren schlecht paßte, gesagt hatte: „Die ist schlecht, Mutter." „Gegen Dich auch, Kind?" „Ach daS — daS thut nicht». Si« soll gar nicht gut zu mir sein, — die nicht!" Me Frau hatte nicht weiter gefragt, hatte nur de» KindeS Hand fester in ihre genommen und naher zu sich herangezogen und nach einer Weile geflüstert: „Sage daS nicht zu anderen Menschen, Lise!" Lise schüttelte schweigend den Kopf, und dann wurde e» eine Weile ganz still, bi» die Mutter in ganz verändertem Tone von etwas Anderem zu spreöben begann. Seitdem war, wie auf Verabredung, Susanne'» Name zwischen ihnen ebenso wenig genannt worden, al» wenn sie da» Hau» längst verlassen hätte. An einem Nachmittage, al» Lis« au» der Schul« kam und mit ihren Büchern in da» Hinterzimmer eilte, fand sie di« Mutter schlafend. Sie setzte sich mit ihren Arbeiten hinter den Vorhang de» Bette», stützte den Kopf in beide Hände und fing an, ihre französischen vocabeln zu kernen, die sie immer so schwer be hielt. Tie hatte durHau» kein Sprachtalent und wünschte oft, der Vater möchte sie in die Bürgerschule schicken, wo sie nicht mit Dingen geplagt morden wär«, deren Nutzen sie ebenso wenig begriff, wie ihren Inhalt. Aber Christian Ohl« war von der Wichtigkeit seiner jetzigen Lehen»ste0ung zu sehr überzeugt, al» daß er von der Töchterschule, die ihm al» der Inbegriff der Vornehmheit erschien, abgelassen hätte. Und so quält, sich denn auch h«ute List Michtschulhiyst mit den fremden Dörfern, die si« so unbeschreiblich langweilten, und die sie immer wieder vergaß, wenn sie eben meinte, sich die ganze Reihe fest eingeprägt zu haben. Nach einer Weile hörte sie, daß sich die Thür öffnete und schloß, und durch eine Spalte des Vorhanges sah sie den Vater eintreten und sich an da» Bett setzen. Die Mutter mußte in zwischen erwacht sein, denn nun hörte List auch sprechen. Um sich nicht stören zu lassen, hielt sie sich beide Ohren zu und vertiefte sich wieder in ihre Aufgabe. Nun war's geschehen; die Vocabeln saßen alle in ihrem Ge- dächtniß fest, wie angenagelt. Vor- und rückwärts, in und außer der Reihe mochte List sie sich überhören, es fehlte ihr keine, und mit einem erleichterten Aufathmen nahm sic die beiden Daumen wie zwei Pfropfen aus den Ohren und klappte das abscheuliche kleine schmale Heft zu. „Es wird ja nicht anders werden, als daß Du Dir übers Jahr eine andere Frau nimmst, wenn ich davongehe, Christian", hörte sie in diesem Augenblicke der Mutter leise, ruhige Stimme sagen. Sie horchte auf; das Blut wich aus ihrem schmalen, blassen Kindergesichte, selbst aus den Lippen. Was sagte die Mutter da? Sie wußte, „davongehen" bedeutete sterben. Was sagte oie Mutter — sie wollte sterben, uns der Vater sollte eine andere Frau nehmen? So hatte sie doch recht gehört, als sie neulich ein paar Sätze au- der Unterhaltung des Gesindes auffing, die man abgebrochen hatte, als sie sich näherte, so daß sie keinen rechten Zusammenhang hatte hineinbringen können. Vor Schreck überhörte sie ganz, was der Vater antwortete, aber nun begann die Mutter wieder: „DaS ist ja Dein Recht, Christian, und ich gönne es Dir ja auch. Ich weiß wohl, ich bin Dir in der letzten Zeit eine Last gewesen, ich war wohl auch nicht jung und frisch genug für Dich." D«r Mann murmelte etwa» Undeutliche». „Da» bilde ich mir nur ein? Ach nein, das thue ich wohl nicht. Aber ich konnte ja doch nicht dafür, Christian, habe Dir ja auch so wenig wie möglich in den Weg gelegt. Es muß ja auch schon der Wirthschaft wegen sein, daß wieder eine Frau in» HauS kommt; so wie e» jetzt ist — da» geht ja doch nicht, Mann! Ihr meint wohl, ich merke e» von hier au» nicht, aber ich weiß wohl, mit der alten Ordnung im Hause ist e» nicht mehr weit her." „CI wird wieder besser werden, Lene, wenn Du erst wieder aufstehen kannst", sagte der Vater gepreßt. „Du weißt ja recht gut, daß Du daran selbst nicht glaubst." Wit müde e» klang! „Ach nein, «» wird nicht mehr lang« währen. Ich habe so viel daran gedacht und schon immer ein mal mit Dir davon sprechen wollen. Aber Christian — ich bin Dir immer eine gute Frau gewesen, soweit ich es verstanden habe, eines mußt Du mir versprechen, willst Du das?" „Was denn?" fragte der Mann zögernd. „Es ist des Kindes wegen, mein Christian. Es ist ja doch nicht einerlei, in was für Hände sie geräth, und sie ist ja doch unsere Einzige und ein so gutes Kind. Sie muß Jemand haben, der sie lieb hat und an dem sie sich ein Beispiel nehmen kann. Sie soll ja doch gern tüchtig und brav werden, Christan." „Ja, ja, Lene, gewiß." „Wenn Du denn wieder heirathest — laß es nicht Susanne sein, hörst Du, Mann?" Er antwortete nicht. „Die nicht — versprich es mir!" „Wie kommst Du nur auf sie, Lene?" „Ach, das weißt Du ja wohl. Darüber wollen wir nun nicht sprechen. Du mußt nicht denken, daß ich hier gar nich'.S merke, wenn ich auch nicht aufstehcn kann. Man hört so fein, wenn man so viel allein ist, und vor den Thüren wird so Manches gesprochen. — Nein, Christian, Du brauchst nicht so böse auszusehen, ich meine ja nur, sie gefällt Dir, und sie — sie würde wohl gern Mithin hier werden. Aber glaube mir, Mann, sie wäre nicht die Rechte für Dich, und für die Wirth schaft auch nicht — und am wenigsten für da- Kind." „Was Du Dir nicht in den Kopf setzest!" „Nein, ich setze mir nichts in den Kopf. Sic hat Dir Deinen Kopf zu verdrehen gesucht, als ich ihr noch mit offenen Augen bei Tische gegenübersaß, und sie wird Dir erst recht nachstellen, wenn ich die Augen einmal ganz zumache und unter dem Kirch- hofsgrase liege. Aber versprich mir, daß sie hier nicht regieren soll, Christian." Keine Antwort. „Versprich es!" wiederholte die Frau dringlicher. Meine letzten Tage sind nicht leicht gewesen; ich habe oft gefühlt, daß mich Keiner, außer Lise, entbehrt, wenn ich gehe. Oft und oft habe ich hier gelegen und mich gesorgt und gegrämt, und Nie mand kümmerte sich um mich. Laß mich nun wenigstens in Frieden sterben, versprich mir, daß Du sie ihre» Weges schicken willst." Christian Ohle murmelte etwa», was wi« eine halb« Zu stimmung klang. „Du bist ein schwacher Mensch, Christian. Ich sterb« bald, da darf ich Dir das wohl sagen. Viel bin ich ja auch nicht, aber ich bin Dir doch in manchen Dingen so etwa» wie ein Holt gewesen. Sie kann es nicht sein. Sie macht Dich schlechter — macht euch Alle schlechter. Du bist aber von Natu»
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